Philipp Auerbach, Staatskommissar für die Betreuung der Opfer des Faschismus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

19 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Hauptteil

1. Der Weg zum Prozess
1.1 Erste Kritik an Auerbach
1.2 Die Besetzung des LEA
1.3 Die Verhaftung Auerbachs
1.4 Der Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags

2. Der Prozess gegen Auerbach
2.1 Der Verhandlungsbeginn
2.2 Die Zeugenaussagen
2.3 Das Urteil

3. Folgen und Reaktionen

Zusammenfassung

Anhang:

Quellenverzeichnis:

Literaturverzeichnis:

Einleitung

„Es war eben ein ungewöhnlicher Mann und ein ungewöhnliches Amt.“

Dies sagte Levin Freiherr von Gumppenberg am 1. Februar 1952 vor dem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags über Philipp Auerbach und sein Amt als Staatskommissar für die Betreuung der Opfer des Faschismus. Er deutete damit an, das Auerbach in der schwierigen Frage der Entschädigungsleistungen an die Verfolgten zu ungewöhnlichen Mitteln griff um mit der Situation im Landesentschädigungsamt fertig zu werden. Eine Andeutung, die im Vergleich zu anderen Aussagen beteiligter Personen positiv zu bewerten ist und Auerbachs Leistung nicht in Frage stellt. Denn Auerbach habe, so Gumppenberg weiter, gearbeitet wie ein Wilder und sei wohl als einziger mit den Leuten fertig geworden. Doch wie schon erwähnt, gab es auch andere Meinungen über Auerbachs Arbeit. Kritik und Unverständnis für seinen Einsatz waren häufig die Reaktionen der anderen Seite.

Die Frage ist: War diese Kritik und die Vorwürfe, die gegen Auerbach erhoben wurden, berechtigt? Oder gab es andere Gründe für die Vorwürfe?

Und: War es womöglich völlig unerheblich, ob sich Auerbach nun tatsächlich falsch verhalten hatte? Wurde er nur deshalb zum Verfolgten weil er seine Aufgaben der Ansicht bestimmter Personengruppen nach zu engagiert erfüllte? Diese Vermutung liegt nahe, wenn man den Verlauf des Falls Auerbach betrachtet.

In folgender Arbeit werde ich die unterschiedlichen Seiten dieses Falls aufzeigen, beginnend bei den ersten Vorwürfen, die gegen Auerbach erhoben wurden, bis hin zum Urteil in seinem Prozess. Entscheidend wird hierbei die Berichterstattung der jüdischen Presse sein. Anhand der „Münchener Jüdischen Nachrichten“ und der „Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland“ werde ich den Verlauf diese Falls darstellen und die zuvor gestellte Frage über Auerbachs Schuld aus dieser Sicht beantworten.

Die erste Ausgabe der „Münchener Jüdischen Nachrichten“ erschien am 19. November 1951. Für den Zeitraum vor diesem Datum steht daher nur die „Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland“ zur Verfügung, die schon 1950 im fünften Jahr erschien.

Als Sekundärliteratur werde ich Texte von Werner Bergmann, Constantin Goschler, Wolfgang Kraushaar und Hannes Ludyga verwenden. Besonders Goschlers Ausführungen zum Auerbachprozess in „Wiedergutmachung. Westdeutschland und die Verfolgten des Nationalsozialismus (1945-1954)“ werde ich zur Klärung der Zusammenhänge heranziehen.

Hauptteil

1. Der Weg zum Prozess

1.1 Erste Kritik an Auerbach

Bevor Philipp Auerbach Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte wurde, war er ab September 1945 Sachbearbeiter beim Regierungspräsidenten in der Provinz Nordrhein in der Abteilung „Fürsorge für politisch, religiös und rassisch Verfolgte“. Doch folgte nach kurzer Zeit bereits die Suspendierung, da Auerbach zu großes Interesse für die Vergangenheit des Oberpräsidenten Robert Lehr bezüglich des nationalsozialistischen Regimes gezeigt hatte.[1]

Im Herbst 1946 ging Auerbach nach München, um das Amt eines Staatskommissars für die Betreuung der Opfer zu übernehmen, dass ihm durch den bayerischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner vermittelt worden war.[2] Er war außerdem als Sachverständiger in NS-Verfahren, bei Fragen der Entnazifizierung und als Präsident der israelitischen Kultusgemeinden tätig.[3] Diese Fülle von Aufgaben und die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten führten zu ersten kritischen Äußerungen gegen Auerbach. Es wurde ihm vorgeworfen, Schuld an erneutem Antisemitismus in Bayern zu sein. Vor allem der bayerische Justizminister Josef Müller förderte die negative Stimmung durch Beschuldigungen in der Presse.[4] Die Folge war, dass das Staatskommissariat 1948 in das Landesamt für Wiedergutmachung umgebildet wurde und Auerbach zum „Generalanwalt für Wiedergutmachung“ wurde, was bedeutete, dass er nur noch als Vertreter der Verfolgten und nicht mehr als Vertreter des Staates auftreten durfte.[5]

Zu dieser Zeit geriet Auerbach das erste Mal in eine schwierige Situation, als er über das Radio bekannt gab, dass er für Verfolgte des NS-Regimes besondere Geldmittel bereit halte. Die bayerische Bevölkerung reagierte mit Protest und Beschwerden.[6]

Für Auerbach hatte dies zunächst keine direkten Folgen. Eine weitere Veränderung folgte erst im November 1949, als das Landesentschädigungsamt (LEA) gegründet wurde und Auerbach vom „Generalanwalt für Wiedergutmachung“ zum kommissarischen Präsidenten des LEA wurde.[7]

1.2 Die Besetzung des LEA

Im Sommer 1950 wurden erste Vorwürfe laut, die von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und Josef Müller direkt gegen Auerbach gerichtet waren. Es wurde ein Einschreiten der Aufsichtsbehörden und die Amtsenthebung Auerbachs gefordert, da im Landesentschädigungsamt „desperate Zustände“ herrschten.[8]

Der Oberste Bayerische Rechnungshof kritisierte ebenfalls unterschiedliche Gesichtspunkte der Arbeit im LEA wie zum Beispiel die Verschuldung des Amtes, fehlende Abrechnungen und Missstände bei der Gebührenerhebung. Die Staatsanwaltschaft München ermittelte zur gleichen Zeit gegen Auerbach auf Grund von angeblichen Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung von Entschädigungsansprüchen.[9]

Doch zur Besetzung des Landesentschädigungsamtes auf Anordnung der Staatsanwaltschaft kam es erst am 27. Januar 1951. Nach der Durchsuchung der Münchener Polizei wurden Akten beschlagnahmt und das Amt geschlossen. Ursache war der Bericht des amerikanischen Landeskommissars George N. Shuster. Dieser erschien beim bayerischen Ministerpräsidenten Hans Ehard und teilte mit, dass in einem Prozess vor dem Stuttgarter Militärdistriktgericht der Verdacht aufgekommen war, im LEA würden Finanzen manipuliert.

Die Besetzung selbst war von Finanzminister Josef Müller veranlasst worden.[10]

Die „Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland“ veröffentlichte hierzu einen Artikel in der Ausgabe vom 2. Februar 1951. Es wird berichtet, dass der Grund für die Besetzung die von Philipp Auerbach umfangreiche Aufdeckung von Dokumentenfälschungen gewesen sei. Es wird betont, dass die Polizeiaktion nicht gegen Auerbach gerichtet sei, sondern nur zum Zwecke der Sicherstellung der Akten stattgefunden habe.

Am Ende des Artikels wird die Hoffnung geäußert, dass die Schuldigen streng bestraft werden. Der Artikel sieht davon ab, die Besetzung zu kritisieren, allein die Aufmachung der Aktion durch andere Wochenzeitungen – welche allerdings ungenannt beleiben – wird negativ erwähnt: „ Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als wollten gewisse Gruppen diese Gelegenheit wahrnehmen, sie für politische Zwecke auszuschlachten.“[11]

Auerbach selbst protestierte gegen die Besetzung des LEA und sah diese als Angriff auf die Wiedergutmachung und das Judentum an sich.[12] Vor allem weil durch die zehn Wochen dauernde Besetzung die Entschädigungsantrage nur sehr eingeschränkt bearbeitet wurden.[13] Dies führte zu Protesten und die Entschädigungsberechtigten konnten ihre Ansprüche nicht in gleichem Maße weiter verfolgen.[14] Am 19. Februar wurde zwar der Betrieb wieder aufgenommen um dringende Fälle bearbeiten zu können, doch war dieser Schritt nicht ausreichend. Die beschlagnahmten Akten fehlten zur Bearbeitung und die Nachfrage von Seiten der Entschädigungsberechtigten war zu groß.[15] Auch ein weiterer Versuch der Wiederaufnahme des Dienstbetriebs im LEA am 1. März 1951 blieb vergeblich. Das Hauptgebäude und diverse Zweigstellen blieben gesperrt und die Fälle, die bearbeitet wurden, verzögerten sich meist.[16]

1.3 Die Verhaftung Auerbachs

Auf die Beurlaubung Auerbachs folgte am 9. März 1951 dessen Entlassung durch Finanzminister Rudolf Zorn, obwohl die Ermittlungen gegen ihn noch nicht beendet waren. Zwei Tage später wurde er wegen des Verdachts des Betrugs und der Urkundenfälschung festgenommen.[17] Die Kündigung Auerbachs rechtfertigte Zorn mit dessen Ungeeignetheit für das Amt im LEA und machte ihn für die dortigen Zustände verantwortlich. Nach der Festnahme kam Auerbach in Untersuchungshaft.[18]

Die Vorwürfe gegen ihn waren schwerwiegend: der sogenannte „Fall Wildflecken“, bei dem für 111 fiktive jüdische DPs unrechtmäßig Haftentschädigung von der Stuttgarter Entschädigungsbehörde verlangt worden war, war der Grund der Festnahme Auerbachs.[19]

Die „Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland“ kommentiert die Verhaftung Auerbachs nicht. In der Ausgabe vom 16. März wurde nur eine Stellungnahme Josef Müllers auf einer CSU-Kundgebung zum Fall Auerbach veröffentlicht, in der es heißt, Dr. Auerbach sei durch sein unzulässiges Verhalten selbst Schuld am Antisemitismus gewesen.[20]

[...]


[1] Kraushaar, Wolfgang: Die Auerbach-Affäre, in: Julius H. Schoeps: Leben im Land der Täter. Juden im

Nachkriegsdeutschland (1945-1952), Berlin 2001, S. 209.

[2] Ebd.

[3] Bergmann, Werner: Antisemitismus in öffentlichen Konflikten. Kollektives Lernen in der politischen Kultur

der Bundesrepublik 1949-1989, Frankfurt/Main 1997, S. 147.

[4] Bergmann, S. 148.

[5] Ludyga, Hannes: Philipp Auerbach (1906-1952). „Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch

Verfolgte“, Berlin 2005, S. 161.

[6] Kraushaar, S. 209.

[7] Ludyga, S. 161.

[8] Goschler, Constantin: Wiedergutmachung. Westdeutschland und die Verfolgten des Nationalsozialismus

(1945- 1954), Berlin 2005, S.107 f.

[9] Goschler, S. 108 f.

[10] Kraushaar, S. 211.

[11] Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland, 5. Jahrgang, 2.Februar 1951, Nr. 43, S.1.

[12] Bergmann, S. 152.

[13] Kraushaar, S. 212.

[14] Brenner, Michael: Nach dem Holocaust. Juden in Deutschland 1945-1950, München 1995, S. 193.

[15] Goschler, S. 115.

[16] Goschler, S. 117.

[17] Bergmann, S. 154 f.

[18] Goschler, S. 117.

[19] Ludyga; S. 160.

[20] AWJD, 5. Jahrgang, Nr. 49, 16. März 1951, S. 5.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Philipp Auerbach, Staatskommissar für die Betreuung der Opfer des Faschismus
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Juden in der Bundesrepublik Deutschland
Note
1-
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V86833
ISBN (eBook)
9783638027380
ISBN (Buch)
9783638929110
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Philipp, Auerbach, Staatskommissar, Betreuung, Opfer, Faschismus, Juden, Bundesrepublik, Deutschland
Arbeit zitieren
Eva Buchegger (Autor:in), 2006, Philipp Auerbach, Staatskommissar für die Betreuung der Opfer des Faschismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86833

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