Die Francais Regionaux


Term Paper (Advanced seminar), 2003

23 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Begriffliche Abgrenzungen
2.1 Das Standardfranzösische und dessen historische Entwicklung
2.2 Die fran ç ais régionaux
2.3 Dialekte und parlers locaux
2.4 Minderheitensprachen
2.5 Der Begriff patois

3. Das français régional und seine Abweichungen vom Standardfranzösisch
3.1 Phonologische Unterschiede
3.2 Morphosyntaktische Unterschiede
3.3 Lexikalische Unterschiede

4. Zusammenfassung und Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„La langue de la République Française est le français“[1]

Der zitierte Artikel 2 der Verfassung der V. Republik suggeriert, dass in Frankreich nur das Französische existiert. Bei genauerer Betrachtung herrscht in Frankreich jedoch, entgegen dieser Annahme, in weiten Teilen des Landes Diglossie für den Bereich der français régionaux und im Fall der Minderheitensprachen sogar Bilinguismus[2]. Räumlich gesehen trifft diese Situation der Zweisprachigkeit auf fast die Hälfte des französischen Staatsgebietes bzw. ein Drittel der Franzosen (ca. 15. Mio. Sprecher) zu.

Dies verwundert umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass gerade in Frankreich immer wieder vehemente sprachpolitische Maßnahmen unternommen wurden, um die Einsprachigkeit auf dem französischen Staatsgebiet durchzusetzen.[3]

Heute ist das Französische[4] zwar als Standard im Hexagon anerkannt und es herrscht eine starke Tendenz in Richtung Uniformisierung[5] des Sprachraums, dennoch kann man noch nicht, wie bereits oben angemerkt, von einer einheitlichen Sprache oder gar von dem Französischen sprechen.

Nachfolgend soll nun ein Überblick zu verschiedenen Aspekten der heute noch vorhandenen diatopischen Varietäten im französischen Sprachsystem gegeben werden. Im ersten Teil der Arbeit erfolgt deshalb zunächst eine schematisierte Darstellung der aktuell in Frankreich, also der so genannten „France métropolitaine“[6], existierenden Sprachvarietäten anhand eines Ebenenmodells. Die einzelnen Ebenen werden dann genauer betrachtet, wobei im Bereich des Normfranzösischen die geschichtliche Entwicklung des franzischen Dialekts zum allgemein anerkannten Standardfranzösisch im Vordergrund steht. Auf der Ebene der Regiolekte sollen vor allem die Charakteristika der regionalen Varianten français régionaux, dialectes/parlers locaux und langues éthniques herausgestellt werden, um sie klar voneinander abgrenzen zu können.

Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich sodann mit den Abweichungen des français régional vom Standardfranzösischen im Bereich der Phonologie, Morphosyntax und Lexik, die anhand von Beispielen erläutert werden.

Was die Literatur angeht, so stützt sich die vorliegende Arbeit zu einem bedeutenden Teil auf Bodo Müller[7], da sich bei ihm bis heute eine der umfassendsten Betrachtungen zur diatopischen Varietätenlinguistik findet. Zu den historischen Betrachtungen der Entwicklung des Normfranzösischen geben sowohl Achim Stein[8] als auch Jean Sibille[9] einen guten Überblick. Bei der Zusammenstellung der phonologischen, morphosyntaktischen und lexikalischen Eigenheiten waren neben Müller auch die Werke von Adrian Battye/ Marie-Anne Hintze[10] und Henriette Walter[11] sehr hilfreich. Dabei muss jedoch angemerkt werden, dass es gerade im Bereich der phonologischen und morphosyntaktischen Besonderheiten schwierig ist, mit Sicherheit zu sagen, ob die von den Autoren angeführten Merkmale heute noch flächendeckend anzutreffen sind, da diese meistens bereits vor 1975 zusammengetragen wurden.

2. Begriffliche Abgrenzungen (vgl. Abb. 1, S. 20)

In diesem Teil der Arbeit sollen nun zunächst der Begriff des Standardfranzösischen sowie die verschiedenen Termini mit denen die französischen Sprachvarietäten, die von diesem Standard abweichen, voneinander abgegrenzt werden.

Linguistisch können bei der diatopischen Betrachtung des französischen Sprachsystems zunächst zwei große übereinander gelagerte Schichten unterschieden werden, wobei die zweite Schicht nochmals untergliedert werden kann. Damit gelangt man zu folgendem Schema[12]:

EBENE 1 : Standardfranzösisch =

français commun, langue générale/langue nationale/ langue officielle

EBENE 2 : Französische Regiolekte :

- Regionalfranzösisch (français régionaux)
- Französische Dialekte (dialectes) mit den Kleinstgruppen der parlers locaux
- nichtfranzösische Minderheitensprachen (langues éthniques / langues minoritaires)

In der Darstellung anhand von Ebenen erkennt man die Anlehnung an die Substratthese, mit der die historische Schichtung des Wortschatzes erklärt wird. Die Dialekte und nichtfranzösischen Minderheitensprachen verhalten sich demnach wie Substrate, die das darüber liegende Standardfranzösische beeinflussen.[13]

2.1 Das Standardfranzösische und dessen historische Entwicklung

Das Französische in seiner unmarkierten Form ist in ganz Frankreich und auch darüber hinaus als verbindliche Zielnorm anerkannt und dient somit heute als überlokale Gemeinsprache.

Es war das so genannte Franzische, der Dialekt der vor dem 12. Jahrhundert bereits im Bereich der Ile-de-France gesprochen wurde, das sich von dort aus während der folgenden Jahrhunderte als Standardsprache über die sonstigen lokalen Varietäten des Französischen und die auf französischem Territorium existierenden Minderheitensprachen (z.B. Bretonisch, Flämisch) legte ( vgl. Abb. 2, S. 20).

Dabei existierten bis zum 13. Jahrhundert die verschiedenen Dialekte der langue d’oïl gleichberechtigt nebeneinander. Besonders großes Ansehen genossen bis dahin das Normannische, das Pikardische und das Champagnische. Der Aufstieg des Franzischen zur allgemeingültigen Norm kann deshalb vor allem mit außersprachlichen Faktoren, die zum Bedeutungsgewinn von Paris als Machtzentrum beigetragen haben, begründet werden[14]:

- nach der Eroberung Galliens durch die Franken Ende des 5. und zu Beginn des 6. Jahrhunderts ernennt Chlodwig 508 n. Chr. Paris zur Hauptstadt seines fränkischen Reiches und legt damit den Grundstein für den Ausbau der Ile-de-France zum strategischen und ökonomischen Zentrum Frankreichs;
- Aufstieg St. Denis’ vor den Toren Paris zum wichtigsten Wallfahrtsort ab dem 11. Jahrhundert (bis dahin: Tours wegen der Verehrung St. Martins);
- Ausbau des Louvre zum Königspalast und Anwachsen der Einwohnerzahl in Paris auf rund 100.000 Einwohner im 12. Jahrhundert;
- Rückeroberung der Normandie im 13. und 14. Jahrhundert von England; dabei verlieren die Pikardie und Flandern ihren wichtigsten Handelspartner und somit ihren wirtschaftlichen Einfluss zugunsten Paris’;

Trotz der Machtetablierung der Ile-de-France im 12. und 13. Jahrhundert und dem damit einhergehenden Prestigegewinn des franzischen Dialekts[15] stand dieser immer noch den anderen nordfranzösischen Dialekten sowie den sonstigen Sprachen auf dem Staatsgebiet (insbesondere dem Lateinischen und in Südfrankreich darüber hinaus auch dem Okzitanischen) gegenüber.

Zur festen Verankerung des franzischen Dialekts in ganz Frankreich trug deshalb ab dem 12. Jahrhundert die Herausbildung einer überregionalen Schriftsprache auf der Grundlage des Franzischen, der Skripta, bei. Anfangs war auch sie noch stark von regionalen Einflüssen geprägt, die sich erst im Laufe der folgenden Jahrhunderte verloren.

Eine Sonderstellung bei der Ausbreitung des Franzischen nimmt das Okzitanische ein[16]: es konnte sich nach den Albigenserkriegen (1209-1229) gegenüber dem Lateinischen behaupten und hatte somit in Südfrankreich eine starke Stellung inne. Die starke Emanzipation des Okzitanischen gegenüber dem Lateinischen zeigt die Tatsache, dass im 12. Jahrhundert bereits rund 500 in Okzitanisch gehaltenen Schriftstücke, so genannte Chartes, existierten[17]. Nach einer Phase der Zweisprachigkeit im Bereich der Verwaltung (Latein und Französisch unter Philippe le Bel, Okzitanisch und Französisch unter Jean le Bon) setzte sich nach dem Hundertjährigen Krieg ab 1444 mit der Gründung von Regionalparlamenten, die dem König in Paris direkt unterstellt waren, das Französische als einzige offizielle Sprache auch in Südfrankreich durch.

Ab dem Ende des 15. Jahrhunderts wird auch die Skripta in ganz Frankreich verstanden und angewendet, weshalb man ab diesem Zeitpunkt von der Etablierung des Franzischen bzw. des Französischen als Standardsprache des offiziellen Schriftverkehrs in Frankreich sprechen kann. Im Bereich der gesprochenen Sprache bleibt die Verwendung der sonstigen französischen Dialekte jedoch vorherrschend bis zur Französischen Revolution.

[...]


[1] Artikel 2 der französischen Verfassung von 1958

[2] Diglossie verstanden als „situation de bilinguisme d’un individu ou d’une communauté, dans laquelle une des deux langues a un statut sociopolitique inférieure“ und Bilinguismus als „pratique de deux langues (par un individu ou une collectivité)“; beide Zitate : Patrice Maubourguet (Hrsg.), Le Petit Larousse en couleurs, Paris 1990

[3] Zu den sprachpolitschen Vereinheitlichungsmaßnahmen vgl. auch 2.1 dieser Arbeit

[4] Mit Französisch wird im Folgenden immer die heutige Norm bezeichnet, die sich aus dem franzischen Dialekt der Ile-de-France ab dem 13. Jahrhundert entwickelt hat; vgl. dazu auch 2.1 dieser Arbeit

[5] Günter Holtus, Französisch: Gliederung der Sprachräume, in: Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmidt (Hrsg.), Lexikon der Romanischen Linguistik Bd. V,1, Tübingen 1990, S. 591

[6] Die Betrachtung der Sprachsituation in den französischen Überseegebieten (D.O.M. und T.O.M.) wird somit explizit ausgeschlossen.

[7] Bodo Müller, Das Französische der Gegenwart, Heidelberg 1975

[8] Achim Stein, Einführung in die französische Sprachwissenschaft, Stuttgart 1998

[9] Jean Sibille, Les langues régionales, Paris 2000

[10] Adrian Battye, Marie-Anne Hintze, The French Language today, London 1992

[11] Henriette Walter, Le français dans tous les sens, Paris 1988

[12] Müller 1975, S. 107ff

[13] Stein 1998 , S. 112ff u. S. 136

[14] Stein 1998, S. 137

[15] Als Beleg für die allgemeine Anerkennung des Franzischen als Sprache höheren Niveaus zu diesem Zeitpunkt kann die Aussage von Garnier de Pont-Sainte-Maxence aus dem 12. Jh. betrachtet werden: „Mes langues est buens, car en France fui nez“ , wobei mit „France“ die Ile-de-France gemeint ist.

[16] Stein 1998, S. 138

[17] Zum Vergleich: In Nordfrankreich tauchten die ersten französischen Chartes erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts auf, da bis dahin offizielle Dokumente in Latein abgefasst wurden.

Excerpt out of 23 pages

Details

Title
Die Francais Regionaux
College
University of Passau  (Philosophische Fakultät)
Course
Das Französische außerhalb Frankreichs
Grade
1,3
Author
Year
2003
Pages
23
Catalog Number
V15320
ISBN (eBook)
9783638204637
File size
550 KB
Language
German
Notes
Das HS hieß zwar "Das Französische außerhalb Frankreichs", die Arbeit bezieht sich aber ausschließlich auf das Regionalfranzösische innerhalb Frankreichs!
Keywords
Francais, Regionaux, Französische, Frankreichs
Quote paper
Vanessa Ohst (Author), 2003, Die Francais Regionaux, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15320

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