Sinn und Sinnlosigkeit des Soldatentodes


Hausarbeit, 1999

19 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Fragestellung
1.2. Forschungsstand
1.3. Quellenkritik

2. Der Erste Weltkrieg
2.1. Im Westen nichts Neues
2.2. Briefe aus dem Ersten Weltkrieg

3. Der Zweite Weltkrieg
3.1. Das Boot
3.2. Briefe aus dem Zweiten Weltkrieg

4. Schlußbetrachtung

5. Schrifttum
5.1. Veröffentlichte Quellen
5.2. Darstellungen
5.3. Literarische Quellen

Du sollst nicht töten.
-Die Bibel-

1. Einleitung

Eine Arbeit mit dem Thema ,,Sinn und Sinnlosigkeit" des Soldatentodes zu schreiben, entbehrt nicht eines gewissen Zynismus, auch wenn der Untertitel ,,im Spiegel deutscher Feldpostbriefe und Tagebucheintragungen im Ersten und Zweiten Weltkrieg - ein Vergleich" lautet. Menschen werden zerstückelt, erschossen, zerfetzt, verstümmelt, an Körper und Seele zu Krüppeln gemacht, ganze Generationen ausgelöscht und Traumata an gesamten Völkern ausgelöst. Die Gründe dafür erscheinen ebenso zufällig, wie lächerlich und überflüssig. Aber der Mensch als Herdentier folgt blind den Anweisungen von oben und fleht auf beiden Seiten der Front den selben Gott an, ihn unverschont und siegreich aus der Schlacht zu holen. In der warmen Heimat mag er erfreut gewesen sein über den Kampf gegen die Ideologie des Nachbarn oder um ein Stück Land, das dem eigenen Volke und nicht dem anderen gehören soll. Wenn die ersten Granaten um ihn einschlagen, der erträumte, pompöse Einmarsch in der Hauptstadt des Feindes ausbleibt, Freunde mit zerschmetterten Gliedmaßen um ihn herum sterben, weicht diese Illusion schnell den nur allzu deutlich in Erscheinung tretenden Realitäten.

Jedenfalls ist das die Überzeugung des Autors zu Beginn des Vergleiches. Ob sich diese bewahrheitet, oder ob die Menschen, die wirklich in einer solchen Situation stecken, anders darüber denken, soll diese Arbeit zeigen. In Erweiterung des Themas fließen als zusätzliche Argumentationshilfe zwei literarische Werke ein, die aus gewisser Distanz geschrieben, das Erlebte aufzuarbeiten versuchen und die Schrecknisse des Krieges mit einer Prägnanz festhalten, die nur entstehen kann, wenn viele Einzelschicksale zusammengefaßt werden.

1.1. Fragestellung

Dieser Arbeit unternimmt den Versuch, die Auffassungen der an beiden Weltkriegen auf deutscher Seite kämpfenden Soldaten miteinander zu vergleichen, um Parallelen und/oder Unterscheide in der Sichtweise des Soldatentodes, der fast jeden der Teilnehmer zu jeder Zeit plötzlich und unerwartet ereilen konnte, herauszustellen.

Dabei werden folgende Leitfragen behandelt, die am Ende der Arbeit beantwortet sein sollen :

- Gibt es einen Konsens in den Aussagen über den Sinn des Soldatentodes ?
- Unterscheiden sich die Ansichten der Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg ?
- Wenn ja, wodurch ?

1.2. Forschungsstand

Seit Mitte der 80-er Jahre beschäftigt sich die Forschung intensiver mit verschiedenen, die Weltkriege betreffenden Themen. Gerade in jüngster Vergangenheit gipfelten diese Bemühungen in der heftig umstrittenen ,,Wehrmachtsaustellung", die in Historikerkreisen nicht immer rein sachlich behandelt wurde, in jedem Falle aber Energien freisetzte, die zur Untermauerung oder eben zur Widerlegung der Thesen der Ausstellung eingesetzt wurden. Das derzeit umfassendste Werk ist Klaus Latzels ,,Deutsche Soldaten - nationalsozialistischer Krieg ? Kriegserlebnis - Kriegserfahrung 1939-1945"[1], das sogar Einblicke in der Ersten Weltkrieg liefert, der ansonsten in bezug auf das Thema dieser Arbeit außerordentlich wenig erforscht wurde.

Das Ende des Kalten Krieges hat den Historikern ungeahnte neue Einblicke in bisher verschlossene Archive verschaffen können, was zum Beispiel in der Brief-Edition der Herausgeber Anatoly Golovchansky, Valentin Prokopenko, Ute Daniel und Jürgen Reulcke ,,Ich will raus aus diesem Wahnsinn - Deutsche Briefe von der Ostfront 1941-1945 "[2] gipfelt.

1.3. Quellenkritik

Ursprünglich war vorgesehen, für diese Arbeit ausschließlich Tagebücher und Feldpostbriefe zu benutzen, jedoch erscheinen mit insbesondere letztere außerordentlich schwierig zu bearbeiten. Sie sind individuelle Schriftstücke, die vom Bildungsgrad, der politischen Gesinnung und vor allem der seelischen und körperlichen Verfassung des Autors abhängen, um nur einige der Kritikpunkte zu nennen. Aufgrund der Zensur, die es in beiden Kriegen gab und um die die Soldaten wußten, kann man nicht in allen Fällen sicher sein, daß der Autor auch das schreibt, was er wirklich meint. Des weiteren sind die meisten der mir zugänglichen Briefe an Eltern oder Partner gerichtet gewesen. Daß der Soldat die Seinen nicht allzusehr beunruhigen wollte und sich deswegen gerade in bezug auf das Thema dieser Arbeit nur sehr zurückhaltend - wenn überhaupt - äußert, liegt dabei auf der Hand. Der Bearbeiter ist demzufolge gezwungen, zwischen den Zeilen zu lesen, und der Brief wird Gegenstand seiner Interpretation.
In Anbetracht der Vielzahl der in beiden Kriegen transportierten Briefe wäre es eine Lebensaufgabe für mehrere Generationen von Historikern, ein abschließendes, statistisch einwandfreies Bild der gesamten Truppe zu zeichnen, so daß sie niemals mehr als nur Stichproben sein können, an denen sich bestenfalls Tendenzen ablesen lassen. Erschwerend kommt hinzu, daß bei zahlreichen erhaltenen Briefen nichts genaues über den Verfasser und das Umfeld, in dem er sich bewegte festgestellt werden kann. Der Erkenntniswert von Feldpostbriefen ist daher als eher gering anzusehen.

Aus diesem Grunde werden in dieser Arbeit - ebenfalls exemplarisch - zwei literarische Werke behandelt : Erich Maria Remarques ,,Im Westen nichts Neues"[3] und Lothar Günther Buchheims ,,Das Boot"[4]. Sicherlich gilt auch für diese literarischen Quellen der Kritikpunkt, daß sie nur eine Sicht widerspiegeln und außerdem frei mit historischen Fakten umgehen, jedoch haben sie den Vorteil, von Schriftstellern verfaßt worden zu sein, die als Zeitzeugen ihre Erlebnisse zusammenfassen, ohne auf den Rezipienten Rücksicht nehmen zu müssen. Ihr Ziel ist es, ihre Erlebnisse während des Krieges für die Nachwelt zu komprimieren und schonungslos darzustellen. Aufgrund dieses Ansatzes haben beide Werke eine hohe Relevanz für eine historische Hausarbeit mit der hier zu bearbeitenden Themenstellung.

2. Der I. Weltkrieg

2.1. Im Westen nichts Neues

Erich Maria Remarque - bürgerlich Erich Paul Remark - schildert in seinem weltberühmten und zur Erscheinungszeit 1929 ebenso hoch gelobten wie zu tiefst verachtetem Buch die Erlebnisse und Gedanken einer kleinen Gruppe einfacher Soldaten aus der Sicht des Ich-Erzählers Paul Bäumer. Schon in der Namensgebung des Protagonisten versteckt sich ein Teil Remarques selbst, denn Paul ist der zweite Vorname des Autors. Seine Großmutter hieß Bäumer.[5] 1946 antwortet Remarque auf eine Frage über sein Buch ,,It was really simply a collection of the best stories that I told and that my friends told as we sat over drinks and relived the war."[6]

Die aus diesem Gemisch aus selbsterlebtem und berichtetem hervorgehenden Charaktere äußern sich desillusioniert über den Krieg. Von hohen Idealen ist nichts zu hören, ebensowenig wie man direkte Kritik an der Führung oder am politischen System findet. Nur an einer Stelle äußert der Soldat Kropp folgendes :

[...]Er schlägt vor, eine Kriegserklärung solle eine Art Volksfest werden mit Eintrittskarten und Musik, wie bei Stiergefechten. Dann müßten in der Arena die Minister und Generale der beiden Länder in Badehose, mit Knüppeln bewaffnet, aufeinander losgehen. Wer übrig bliebe, dessen Land hätte gesiegt. Das wäre einfacher und besser als hier, wo die falschen Leute sich bekämpfen.[7]

,, Die falschen Leute" sind nicht nur die deutschen sondern auch die französischen Soldaten. Ein Feindbild gibt es nicht, daher liegt für Remarque der Sinn des Soldatentodes nicht in der Bekämpfung des anderen Volkes. Das Töten geschieht zufällig oder im Rausche des Augenblicks und hat ganz und gar nichts heroisches:

Aus uns sind gefährliche Tiere geworden. Wir kämpfen nicht, wir verteidigen uns vor der Vernichtung. Wir schleudern Granaten nicht gegen Menschen, was wissen wir im Augenblick davon, dort hetzt mit Händen und Helmen der Tod hinter uns her, wir können ihm seit drei Tagen zum ersten Male ins Gesicht sehen [...] Käme dein Vater mit denen drüben, du würdest nicht zaudern, ihm eine Granate gegen die Brust zu werfen.[8]

Eine literarische Schilderung wie diese, zeigt wesentlich deutlicher, was der Soldat im Angesicht der Gefahr empfindet als es ein Feldpostbrief, der mit Rücksicht auf die Angehörigen und die Zensur geschrieben werden muß.

Der Gegner wird nicht als Mensch wahrgenommen, sondern auf Helme, die anders sind als die eigenen und Händen, die den Tod bringen, reduziert.

Der Krieg wird als Tatsache akzeptiert, über Sinn und Unsinn desselben wird nicht nachgedacht: ,,Ich war gleichgültig und oft hoffnungslos da draußen."[9] Aussagen, die man später ebenfalls in einigen Feldpostbriefen aus dem Zweiten Weltkrieg wiederfindet.

Nur an einer Stelle fragen sich die Soldaten, welche Seite im Recht wäre :

,,Es ist komisch, wenn man sich das überlegt," fährt Kropp fort, ,,wir sind doch hier, um unser Vaterland zu verteidigen. Aber die Franzosen sind doch auch da, um ihr Vaterland zu verteidigen. Wer hat nun recht?" ,,Vielleicht beide", sage ich, ohne es zu glauben.[10] [...] ,,ich glaube, es ist mehr eine Art Fieber", sagt Albert. ,,Keiner will es eigentlich, und mit einem Male ist es da. Wir haben den Krieg nicht gewollt, die anderen behaupten dasselbe - und trotzdem ist die halbe Welt feste dabei."[11]

Der Krieg - und damit auch der Soldatentod - sind zufällig entstanden, wie eine ansteckende Krankheit breitet er sich aus, ohne, daß man etwas dagegen unternehmen könnte. Nach diesen Sätzen hat der Soldatentod keinen Sinn, sondern ist im Grunde das individuelle Ende des Fiebers Krieg. Nach Remarque begegnete man an der Westfront größtenteils folgender Geisteshaltung, wenn es um Sinn oder Unsinn des Krieges geht :

[...] ,,aber noch besser ist gar kein Krieg." Er [Tjaden] geht stolz davon [...]. Und seine Meinung ist tatsächlich typisch hier, man begegnet ihr immer wieder und kann auch nichts Rechtes darauf entgegnen, weil mit ihr gleichzeitig das Verständnis für andere Zusammenhänge aufhört. Das Nationalgefühl des Muskoten besteht darin, daß er hier ist. Aber damit ist es auch zu Ende, alles andere beurteilt er praktisch und aus seiner Einstellung heraus.[12]

[...]


[1] Latzel, Klaus , Deutsche Soldaten - nationalsozialistischer Krieg ? Kriegserlebnis - Kriegserfahrung 1939-1945 , Paderborn , München , Zürich 1998.

[2] Golovchansky , Anatoly u.a. (Hg) , Ich will raus aus diesem Wahnsinn - Deutsche Briefe von der Ostfront 1941-1945, Reinbeck 21993.

[3] Remarque, Erich Maria , Im Westen nichts Neues , Berlin 1929.

[4] Buchheim , Lothar-Günther , Das Boot , München 1973.

[5] Sternburg, Wilhelm von , ,,Als wäre alles das letzte Mal" Erich Maria Remarque - Eine Biographie , Köln 1998 , S. 170.

[6] Zitiert nach ebda. , S. 165.

[7] Remarque , Westen , S. 46

[8] Ebda. , S. 116f.

[9] Ebda. , S. 186.

[10] Ebda. , S. 203.

[11] Ebda. , S. 205.

[12] Ebda. , S. 206.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Sinn und Sinnlosigkeit des Soldatentodes
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Geschichte)
Autor
Jahr
1999
Seiten
19
Katalognummer
V1147
ISBN (eBook)
9783638107204
ISBN (Buch)
9783656180821
Dateigröße
400 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Ergebnisse dieser Arbeit waren - gerade vor dem Hintergrund der Kosovo-Krise und dem damals gerade heiß diskutierten Dienst an der Waffe auch für Frauen - außerordentlich ernüchternd. 176 KB
Schlagworte
Weltkrieg, Krieg, Hitler, Tod, Stalingrad, Soldat, Feldpost, Wehrmacht, 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg
Arbeit zitieren
Cord Gudegast (Autor:in), 1999, Sinn und Sinnlosigkeit des Soldatentodes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1147

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