Tourismusausbildung bei den Tuareg im Niger


Hausarbeit, 2001

13 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


Inhalt

1) Problemdarstellung

2) Die soziale Situation in der Region Agadez

3) Die Entwicklung des Tourismus im Niger

4) Die Ära des Tuareg-Tourismus unter Mano Dayak im Niger

5) Die typische Biographie eines Tuareg-Reiseführers

6) Die gesetzlichen Grundlagen für Reiseführer im Niger

7) Die Gruppensituation in der Sahara

8) Die Ausbildungsinitiative von Decoudras

9) Der Neubeginn der Tourismus im Niger

10) Die Ausbildungsinitiative von NIGETECH

11) Das Ausbildungsprojekt der FU Berlin/KFU Graz

12) Konklusion

13) Literaturliste

1. Problemdarstellung

In der Region Agadez im Sahelstaat Niger spielte der Tourismus seit den 80er-Jahren - mit einer Unterbrechung von sieben Jahren aufgrund der Tuareg-Rebellion - eine wichtige wirtschaftliche Rolle, deren Bedeutung angesichts einer Verarmung der Bevölkerung wächst. Die Struktur, die Dy- namik und der Stil des Agadez-Tourismus, den man kurz als ungeregelten Abenteuer- und Erlebnis- tourismus mit geringen informativen und intervenierenden Elementen bezeichnen kann, ist geprägt durch die Mentalität der im Agadez-Tourismus Beschäftigten, die sich überwiegend aus dem noma- dischen Milieu rekrutieren. Dieser Stil steht jedoch im Gegensatz zu den Anforderungen einer nachhaltigen Tourismusentwicklung, die umwelt- und sozialverträglich und integrationsstiftend ist.

Das mangelnde Verständnis der verantwortlichen Tourismusführer infolge ihrer fehlenden Ausbil- dung stellt in gewisser Hinsicht sogar eine ernsthafte Bedrohung mancher touristischer Ressourcen

- wie prähistorischer Fundstätten - dar, weil diese von Touristen zum Zweck der „Souvenirjagd“ und auch von heimischen Touristikern zur Ausstattung der eigenen Büroräume ausgebeutet werden. Gleichermaßen tragen die nigrischen Führer kaum zur konfliktfreien Begegnung zwischen Touris- ten und ländlichen Bewohnern bei, wodurch bestehende soziokulturelle Barrieren bestehen bleiben oder sogar verschärft werden. Dies führt zunehmend zu Phänomenen, die dem sozialen Frieden und einer nachhaltigen Tourismusentwicklung extrem abträglich sind, wie etwa zu wiederholten Über- fällen auf organisierte Reisegruppen oder zum eskalierenden urbanen Phänomen der „Chasse tou- ristes“, informeller örtlicher Reiseführer, die in aggressiver und aufdringlicher Weise von Touristen in Agadez profitieren wollen. Als „Lösung“ dieses Problems neigen Reiseunternehmen in wachsen- dem Maße dazu, Siedlungsgebiete auf den Reiserouten möglichst zu umgehen, was sich im Fall der Stadt Agadez in wirtschaftlicher Hinsicht äußerst negativ auf die lokale touristische Infrastruktur und die damit sekundär verbundenen ökonomischen Bereichen auswirkt. In ähnlicher Weise werden auch kleineren Siedlungsgebieten die ökonomischen Potentiale des Tourismus vorenthalten.

Der wichtigste langfristige Lösungsansatz für dieses Problemfeld wird von Butler1 wie auch von Autoren zum Thema Ökotourismus-Entwicklung wie Fennell2 in Ausbildung und Sensibilisie- rungsprogrammen gesehen, um die touristischen Verantwortungsträger, insbesondere die Reisefüh- rer, für diese Probleme zu sensibilisieren und ihnen die nötigen Methoden der Wissensvermittlung und Menschenführung zu vermitteln. Dafür gab es bislang in Agadez nur einen kurzen Versuch, dessen Erfolg mit der nachfolgenden Rebellion verpuffte, und die gegenwärtigen Bemühungen der in Agadez tätigen Entwicklungsorganisationen sind wenig vielversprechend. Ein Projektansatz der Freien Universität Berlin zur Nutzung der Fossilien unter Einbindung der Bevölkerung will diese Situation zu verändern versuchen.

Tourismus wird hier keineswegs als ein Allheilmittel für wirtschaftliche, soziale und ökologische Probleme betrachten. Vielmehr soll der Augenmerk auf die längerfristigen Gefahren jenes “wil- den”, unkontrollierten Tourismus, wie er derzeit in Agadez praktiziert wird, gerichtet werden. Soll- ten nämlich keine Maßnahmen zur Kanalisierung und sinnvollen Nutzung dieses derzeit noch zag- haften Tourismusstroms ergriffen werden, so drohen der Region langfristig ernsthafte Gefahren wie das Wiederaufbrechen sozialer Konflikte, wachsende Kriminalität, Umweltzerstörung, kultureller Raubbau - und damit letztlich auch die Zerstörung der Ressource Tourismus selbst.

2. Die soziale Situation in der Region Agadez

Der Staat Niger ist einer der ärmsten Staaten der Welt3. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen liegt bei 45 Jahren. 72% der über 15-Jährigen sind Analphabeten, das nationale Prokopfeinkommen liegt bei 270 US$4, über ein Viertel der nigerischen Haushalte sind mehr als 10 km von sauberem Wasser entfernt.

Diese an sich bereits wirtschaftlich und sozial kritische Situation, deren Genese hier nicht näher be- handelt werden kann, gilt für die Region Agadez im semiariden bis vollariden Norden des Sahel- staates in verschärftem Maße. Gemessen an den nigerischen Lebensverhältnissen gelten 44% der Be- völkerung von Agadez als arm, wobei sich die Versorgungslage der Stadtbevölkerung etwas besser darstellt ist als in den dünn besiedelten ruralen Zonen. Gleichermaßen verschweigt auch die Statistik der Krankenversorgung, wonach in Agadez auf 1005 Patienten ein Bett kommt, dass ein Landbewoh- ner in den Aïr-Bergen erst Hunderte Kilometer über schlechteste Pisten zurücklegen muss, um über- haupt in die Nähe eines dieser Betten zu gelangen. Auch die Versorgung der Tuareg-Nomaden mit Trinkwasser ist äußerst prekär, denn im Schnitt müssen am Land bis zu 20 km zurücklegen werden, um zu einer Wasserstelle zu gelangen.

Die Ausbildungssituation in der Region Agadez liegt zwar mit der geringen Schulungsrate von 26,4 % immer noch beträchtlich über dem Niveau des gesamten Landes (15,41 %)5, täuscht jedoch darüber hinweg, dass die Versorgung der dünn besiedelten Nomadengebiete mit Schulen weit schlechter als der urbane Raum von Agadez ist, und sogar diese äußerst mangelhafte schulische Grundversorgung ist durch die Illiquidität des Staates ernsthaft gefährdet6.

Für die Landbevölkerung hatte sich generelle wirtschaftlich Misere durch Heuschreckenplagen und geringe Regenfälle in den Jahren 96/97 weiter verschärft. Bei diesen Phänomenen handelte es sich jedoch längst nicht mehr bloß um schlichte Ausnahmeerscheinungen, als vielmehr um Folgeerscheinungen eines langfristigen Klimawandels, der die traditionelle Weidewirtschaft vor existenzielle Probleme stellt7. Diese Umstände tragen wesentlich zu jenem grundlegenden Wandel bei, den die Tuareg-Gesellschaft im AirGebiet durchläuft: Immer mehr Karawanier und Hirten, deren Viehbestände zum Überleben nicht hinreichen, wenden sich der Landwirtschaft zu8 oder wandern ab in die urbanen Zentren9.

Zwar wird im Norden der Region Agadez Uranmineral gewonnen, das wichtigste Produkt des Niger zur Erwirtschaftung von ausländischen Devisen, doch der ökonomische Niederschlag dieser Industrie geht an der regionalen Tuareg-Bevölkerung, deren traditionelle Ökonomie mit dieser Hochtechnologie inkompatibel ist, weitgehend vorbei10. Dagegen stellt der Tourismus, der seit dem Jahr 2000 wieder zum drittwichtigsten Devisenbringer des Niger nach dem Uran- und dem Viehexport aufstieg11. Zumindest während der Wintersaison führt der bedeutende Geldfluss zu einer signifikant gesteiger- ten Kaufkraft der breiten Bevölkerung12. Zudem eröffnet der Tourismus ein gewisses Beschäfti- gungspotentiale für landflüchtige Nomaden, erwirtschaftet aber bislang nicht genug Kapital für die notwendigen Investitionen insbesondere in die Qualitätssicherung im Bereich der Ausbildung13.

3. Die Entwicklung des Tourismus im Niger

Die Sahara als Mythos der letzten Abenteuers und der Herausforderung lockte seit dem frühen 19. Jahrhundert Eroberer und Forschungsreisende in jene unwirtliche Region, deren vorherrschende Bevölkerungsgruppe, die Tuareg-Nomaden, bis ins 20. Jahrhundert hinein Widerstand gegen die französischen Okkupationsversuche leisten konnten. Erst 1902 in der entscheidenden Schlacht von Tit im Süden des heutigen Algerien konnten die mit Lanzen und Schwerter bewaffneten Tuareg vom französischen Militär mittels überlegener Waffentechnik bezwungen werden14. Dieser lange Widerstand war auch ursächlich für das bis heute verbreitete Image der unbeugsamen „Ritter der Wüste“15.

Bereits wenige Jahre später wurde die Sahara zur Spielwiese für französische Motortechnik. Mit einem Citroen-Kettenfahrzeug gelang 1922 die erste motorisierte Sahara-Durchquerung, 1930 fand bereits die erste Trans-Sahara-Autorallye statt. Der erste Sahara-Tourist im eigentlichen Sinne kam jedoch erst viel später in die Region Agadez: Der Apotheker Louis-Henri Mourèn, ein leidenschaftliche Jäger und Foto- graf, bereiste erstmals 1968 die wilde Schönheit der Aïr-Berge, der „Alpen der Sahara“, geprägt von einzigartigen Landschaftsformen wie den hohen Dünen von Temet, den blauen Marmorbergen von Izo- uazaouen oder der palmengesäumten Bergeoase Timia, und zudem der Ténéré, der „Wüste der Wüs- ten", mit ihren unendlich weiten Ausdehnungen mit den gigantischen Saurier-Friedhöfen, den Salzoasen von Bilma und Fachi sowie den Geisterburgen des zerklüftete Djado-Massifs. Mourèn erkannte den Wert dieser Region als exotisches Reiseziel und machte sie mit der Gründung einer Reiseagentur zugänglich16. Damit begann im Niger die Ära des Tourismus.

Die Anfänge des Niger-Tourismus begannen jedoch noch sehr zaghaft. Die meisten Touristen blieben ohnedies auf der Route Niamey - Agadez - Tamanrasset17. Und zwischen den wenigen Besuchern, die ins Aïr-Massiv fuhren, wobei es sich zumeist um Angehörige des französischen Ingenieurspersonal aus den Uran-Minen handelte, und den Nomaden kam es nur selten zu Begegnungen. Nach der damaligen Vorstellung der Tuareg-Nomaden, die ein äußerst gespanntes Verhältnis gegenüber der nigrischen Zentralmacht hatten, verfügten nur die Vertreter der "Macht" - wie Beamte oder Soldaten - über Allradwagen, weshalb die Landbevölkerung Motorengeräusche zumeist als böses Vorzeichen deutete und sich darum in solchen Situationen zu verstecken versuchte18.

Vereinzelt kam es jedoch immer wieder zum persönlichen und konstruktiven Kontakt zwischen Nomaden und Fremden. So berichtete Khader, ein etwa 45 Jahre alter Schmuckhändler aus Timia, er habe im Jahr der Sonnenfinsternis, 1973, den Ethnologen André Bourgeot und dessen Begleiter als Führer durch die Aïr-Berge begleitet19. Diese Situation war ein klassisches Beispiel für die übliche Karriere eines Tuareg-Nomaden als Touristenführer, auch wenn sich die persönliche Biographie von Khader aufgrund persönlicher Schicksalsschläge anders entwickelt hatte.

In dieser frühen Periode des nigrischen Sahara-Tourismus waren ausschließlich zwei von Europäern betriebene Agenturen, „Atlantide-voyages“ und „Sahara-Niger“, als Reiseunternehmen tätig. Letztere bediente im Jahr 1975 knapp 200 Kunden20.

4. Die Ära des Tuareg-Tourismus unter Mano Dayak im Niger

Das goldene Zeitalter des Sahara-Tourismus begann jedoch erst 1980 mit dem gesetzlichen Verbot touristischer Aktivitäten für Ausländern im Niger und dem Engagement des Tuareg Mano Dayak mit seiner Agentur "Temet voyages". Der vielgereiste und gebildete Nomadensohn hatte es hervor- ragend verstanden, seine guten Kontakte zu Medien und Reiseunternehmen in Frankreich zu nutzen, wobei er vor allem den Mythos der Sahara als einen Ort des Abenteuers und der wilden Schönheit beschwor. Dabei gelang es ihm, Agadez als ständige Station der Rallye Paris-Dakar - und schon bald als In-Treff der feinen Pariser Gesellschaft - zu etablieren. Gleichzeitig wuchs auch der Strom jener Trans-Sahara-Fahrer, die ihren Abenteuerurlaub mit dem späteren Verkauf ihres alten Peuge- ots in Agadez finanzierten21. Der Ort mutierte damals zu einem regelrechten Zentrum des Ge- brauchtwagen-Handels22.

In seiner Vermarktungsstrategie der Region legte Dayak großer Wert darauf, die Tuareg als „Image“ auszuklammern. So unterstrich er in seinem Buch „Tuareg - die Tragödie, 1992“, dass er den Europäern bewusst nur einen landschaftsorientierten Erlebnistourismus angeboten und ihnen die Öffnung und Entdeckung der vom Wind gereinigten Wüste ermöglicht, niemals aber einen „anthropologischen Tourismus“ ermutigt habe, bei dem es darum gehe, Reisende wie Zoobesucher zu indigenen Stämmen, verkleidet als „blauen Männer“ oder als „Herren der Wüste“, zu führen23. Diese Abneigung Dayaks gegenüber einem „zoologischer in Tourismus“, in dem die Tuareg ein Objekt der ästhetischen Begierde repräsentierten, brachte der Autor abermals auch in seiner Autobiografie „Geboren mit Sand in den Augen“ zum Ausdruck24.

5) Die typische Biographie eines Tuareg-Reiseführers

Dennoch spielten die Tuareg eine wichtige Rolle in Dayaks Marketing, nämlich als touristische Mitarbeiter, die er als hervorragende und gastfreundliche Kenner der Wüste präsentierte. Diese Po- sition spiegelte das Ziel Dayaks wider, die Region durch Tourismus zu dynamisieren und zu mo- dernisieren, weshalb er auch bemüht war, möglichst viele Personen vom Tourismus profitieren zu lassen. So rekrutierte er seine Mechaniker und Führer anfangs überwiegend aus seiner Regionen, dem Tal von Tidène. Nachdem jedoch die wachsende Nachfrage nach Touren schon bald diese Per- sonalkapazitäten überstieg, übertrug Dayak seine Reisegruppen auch angesehenen Führern, die über ein eigenes Fahrzeug verfügten. Dadurch stand Dayak schon bald im Ruf, die vorhandene Arbeit weitergehend gleichmäßig zu verteilen und möglichst alle Führer zu integrieren25.

In dieser Handlungsweise kam allerdings auch die typische Biographie eines Tuareg-Reiseführers zum Ausdruck: Zumeist waren dies Nomadensöhne ohne moderne Schulausbildung und - infolge der oben genannten klimatischen, soziokulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen - auch ohne wirtschaftliche Perspektive, die auf de Suche nach Arbeit in den urbanen Ballungszentren Agadez und Arlit in Kontakt mit den in den 70er Jahren noch recht zahlreich anwesenden europäischen Ingenieuren gekommen waren. Hier hatte ein gewisser Bedarf an ortskundigen Führern für Wochenendausflüge in die Wüste bestanden. Diese touristische Karriere vieler Nomaden prägte das Profil eines Tuareg-Führers als ausgezeichneten Kenner der Sahara mit rudimentärem touristischen Know-how, das erst mit der Praxis angeeignet wurde26.

6) Die gesetzlichen Grundlagen für Reiseführer im Niger

Diese Qualifikationsstruktur fand auch in den auch heute noch geltenden gesetzlichen Regelungen der Tourismusmaterie ihren Niederschlag. So setzte der Erlass des Ministeriums für Handel, Industrie und Transport von 1986 über die Lizenz für professionelle Reisebegleiter lediglich die nigrische Staatsbürgerschaft, ein Mindestalter von 21 Jahren und die perfekte Kenntnis der touristischen Routen als Vergabekriterien voraus27.

Ein Jahr später wurde der Berufs des Reiseführers im Niger näher geregelt. Dabei wurden zwar erstmals generelle Kenntnisse des Tourismus sowie der regionalen Geschichte und Geografie vor- ausgesetzt (Art. 4), doch wurden diese Kompetenzen einerseits als gleichwertig mit den Verhalten der „Freundlichkeit“ und „Diskretion“ gegenüber den Kunden (sic) (Art. 11) gewertet und zudem

auch keinerlei Nachweise für diese Kompetenzen verlangt. Als wesentliche Qualifikation wurde vielmehr auch hier die perfekte Ortskenntnissen verstanden (Art. 6)28.

7) Die Gruppensituation in der Sahara

In diesen Regelungen kommt freilich der fundamentale Respekt vor der Lebensgefahr der Sahara zum Ausdruck, die immer wieder ihre Opfer fordert. Darum genießt ein Sahara-Führer zu Recht großes Vertrauen. Dieser Hintergrund trägt zusätzlich zum Stil der Sahara-Reisen im Niger bei, der von einem legeren und freundschaftlichen Verhältnis zwischen der Crew und den Touristen geprägt ist. In der Wüste treibt die Reisegruppe wie in einer „environmental bubble”29 wie im Traum durch Zeit und Raum des Sandmeeres, scheinbar befreit von jeglicher Bindung zu sozialen Kontexten.

In der Praxis führt diese Wahrnehmung einer scheinbar abgeschlossenen sozialen Gruppenwirklichkeit dazu, dass den Reisendenden weitgehende Freiheiten belassen werden, ob dies nun Bekleidungs- oder Fotoregelungen in Dörfern betrifft oder das Sammeln von prähistorischen Fundstücken. So wurde ich Zeuge einer Situation, in der eine mit Mini-Shorts bekleidete Frau durch ein Dorf spazierte, ohne dass der Gruppen-Chef intervenierte. Dieser war, wie sich auf meine kritische Nachfrage hin herausstellte, sogar der Präsident der damaligen Vereinigung der Reiseagenturen. Sein Handeln erklärte er damit, man dürfe den Gästen keine Vorschriften machen, außerdem seien die Tuareg sehr tolerant.

Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Führungsstils ist die Tatsache, dass der Kontakt zwischen Touristen und lokaler Bevölkerung in der Regel auf das notwendige Minimum reduziert und in keiner Weise unterstützt oder gar motiviert. Verbunden damit ist die - aus dem bisher gesagten folgende - weitverbreitete Praxis, Attraktionen jedweder Art dem Staunen der Touristen zu überlassen, ohne dazu Hintergrundinformationen zu liefern.

Dies ist insofern bedauerlich, als Touristen seitens der ländlichen Bewohner sehr wohl willkommen sind, sowohl als Attraktion wie auch als potentielle Einkommensquelle30. So wurde mir in Timia berichtet, dass sich in den frühen 90er-Jahren, zu Beginn der Rebellion, nur noch vereinzelte Reisegruppen aus Agadez durch die Aïr-Berge wagten und diese auch nicht mehr vor dem Dorf anhielten. Dies führte zu Protesten der Dorfbewohner gegenüber „Temet voyages“ und zu Verhandlungen mit Mano Dayak über eine bessere Integration von Timia in sein Tourprogramm, deren Ergebnisse jedoch von der Eskalation der Rebellion, dem Unfall-Tod Dayaks und dem Konkurs von „Temet voyages“ überholt wurden31.

Im mangelnden Beistand bei der Überbrückung der gravierenden Verständnisbarrieren zwischen zwei einander fremden Welten liegt einer der grundlegenden Qualifikationsmängel der Tuareg- Führer. Dass kurzweilige Urlauber - trotz aller "Wüstenliebe" - generell wenig Ahnung von der lo- kaler Bevölkerung haben, sondern diese eher als exotische Kulissen in der Landschaft schätzen, entspricht internationalen Erfahrungen32. Für traditionell lebende Tuareg hingegen, deren aride Umwelt nur das Allernötigste zum Leben hergibt, und erst recht für Karawanier, ist die Vorstellung eine Reise aus bloßem Vergnügungen einfach unglaublich. Ihren Vorstellungen gemäß müssen Touristen demnach unendlich reich sein, und es wäre ein Verbrechen, diese nicht - wie eine Kamel- stute - zu melken. Weil aber beiden Seiten die Psychologie des jeweiligen Gegenüber in der Eile der kurzen Begegnung verborgen bleibt, fällt auf Seiten der Tuareg nur wenig von der erhofften „fetten Milch“ ab, und auf Seiten der Touristen wird jenes Distanzempfinden aufgrund der scheinbar un- überwindbaren Kulturbarriere bestätigt und als Vorurteil wieder mit nach Hause genommen. Eigene erfolgreiche Erfahrungen bei der sensiblen Vermittlung zwischen interessierten Touristengruppen und der Tuareg-Bevölkerung bestärkten mich in der Überzeugung, dass hier eine entsprechende Ausbildung der Tuareg-Führer enorme Chancen eröffnen könnte.

8) Die Ausbildungsinitiative von Decoudras

Seit 1987 gilt Tourismus im Niger als eine wirtschaftspolitische Priorität, was den Augenmerk staatlicher Institutionen auf eine Hebung der Qualität richten ließ. In der Folge wurde erstmals eine umfassende Ausbildung für Reiseführer in Agadez initiiert, finanziert durch den Europäi- schen Entwicklungsfonds und koordiniert vom französischen Geographen Pierre Decoudras, damals Gastprofessor an der Universität in Niamey. Im September 1990 wurden in Agadez in 67 Unterrichtsstunden die Materien Regional-Geschichte, -Geographie und -Naturkunde vermittelt, Gruppenführung, Organisation, Orientierung und Erste Hilfe sowie nationales Tourismusrecht. Die Teilnahme konnte mit einem Diplom abgeschlossen werden. In zusätzlichen 300 Stunden während einer Periode von zwei Monaten wurden elementare Englisch- und tourismusspezifische Französischkenntnisse unterrichtet33.

Die 50 Teilnehmer waren Chauffeure, Kamelführer, Militärführer und wenige Schüler im Alter zwischen 23 und 55 Jahren. 40 von ihnen hatten niemals einen Unterricht besucht, 9 waren Anal- phabeten, 4 sprachen nur schlecht Französisch. Demgegenüber standen die 17 Kursleiter, die über- wiegend aus der Praxis kamen und größtenteils noch niemals unterrichtet hatten, so etwa Moham- med Ixa, ein angesehener Führer34 und nunmehriger Direktor der Agentur Tidéne Expedition, die die meisten Sahara-Expeditionen von TV- und GEO-Teams (8) organisiert35, oder Rhissa Boula, der damalige Geschäftsführer von Dayak und nunmehrige Tourismusminister des Niger.

Dass die Vortragenden gemäß ihrer Kompetenz und Motivation rekrutiert und nicht, wie damals im Niger üblich, von einem kopflastigen staatlichen Schulungssystemen ohne Bezug zu den tatsächlichen Bedürfnissen der Tourismusstrukturen und der Tourismuskultur ausgewählt worden waren, wurde von Dayak als Besonderheit des Ausbildungsprogramms beurteilt36, dessen Methodik weitgehend in praktischer Übung bestand.

Die Ausbildungsinitiative wurde allgemein als großer Erfolg betrachtet. Als problematisch hatte sich allerdings gezeigt, dass es insbesondere für die Teilnehmer der Sprachkurse schwierig war, für so lange Zeit keine anderweitigen Einkommensmöglichkeiten wahrnehmen zu können, um ihre Familien zu ernähren. So waren einige Teilnehmer nur unter der Bedingung geblieben, pro Tag 1.000 FCFA, was damals etwa dem Wert von 3 € entsprach, ausgezahlt zu erhalten37.

Ein Problem seitens des Lehrpersonals war die Tatsache, dass die Mitarbeiter des WWF, der damals verantwortlichen Organisation für die Verwaltung des Aïr-Ténéré-Bioreservats, entgegen ihrer Zu- sage der Ausbildung ferngeblieben waren. Dies wurde insofern von Decoudras besonders bedauert, als das Reservats mit seiner Fläche von rund 74.000 qkm die wichtigste touristische Region im Aïr- Gebirge umfasst. Mit diesem Naturpark, der auch auf der UNESCO-Liste für gefährdete Weltkul- tur-Güter steht, verfügt die Region über ein ökologisch und kulturell einmaliges, höchst fragiles Juwel, das es zu schützen und zu pflegen gilt38. Die Kenntnis der Fauna, Flora etc. sowie der ökolo- gischen Zusammenhänge dieser sensiblen Region wäre insofern von besonderer Bedeutung für die

Qualifikation der Tuareg-Führer und in weiterer Hinsicht für die Sensibilisierung der Touristen in Richtung eines umweltverträglichem Verhaltens gewesen39.

Dieses Verhalten dürfte allerdings insofern symptomatisch für die Kooperation der BioreservatsBehörden und dem Tourismus sein, als auch zwischen der UICN, die nach dem Ende der Rebellion die Verantwortung des WWF als Verwaltungsbehörde des Bioreservats übernommen hatte40, und der Tourismusbranche bis heute dauerhaft konstruktive Kooperation zu gelingen scheint. Zwar wurde im Dezember 1999 gemeinsam von den Reiseagenturen, den zuständigen Verwaltungsbehörden stellen und dem UICN eine "Charte sur l ´ Ecotourisme dans l ´ A ï r et le T é n é r é"41 verabschiedet, doch folgten dieser Initiative keinerlei weitere Aktivitäten zu deren Umsetzung. Auch das "Besucher-Zentrum" im Verwaltungshauptquartier in Iferouan, als Museum für Touristen konzipiert, glänzt durch Unauffälligkeit und ständige Geschlossenheit.

Eine weitere Besonderheit der damaligen Ausbildungsinitiative war auch der Versuch, eine Ausbil- dung für "Chasse-Touristes", also für informelle, selbsternannte Stadtführer, Autowächter und Schmuckhändler von Agadez in die Wege zu leiten. Dahinter stand die Absicht, diese Gruppe orga- nisieren, zu kompetenten Stadtführern zu qualifizieren, aber auch besser zu kontrollieren, um damit die Sicherheit für Touristen wiederherzustellen und das angekratzte Image von Agadez als touristi- sche Attraktion zu fördern. Diese Initiative scheiterte jedoch letztlich an der Uneinigkeit der betrof- fenen Personen, an der überzogenen Forderung, jeder Tourist müsse verpflichtend einen örtlichen Führer zum Preis von umgerechnet 5 €/halben Tag nehmen. Auch das Angebot der Behörden der formellen Anerkennung der Betroffenen im Austausch für die Garantie, Touristen nicht zu belästi- gen, wurde letztlich nicht angenommen. Ursache für die geringe Zahl an Anträgen war die Angst der Eltern vor etwaigen Schwierigkeiten mit den Behörden42. In diesem grundlegenden Misstrauen der Bürger gegenüber den Behörden kommen freilich auch die langjährigen negativen Erfahrung der Bürger von Agadez gegenüber der zentralistischen Diktatur zum Ausdruck.

Das gesamte Ausbildungsprojekt von Decoudras hatte mittelfristig die Etablierung eines ständigen regionalen Ausbildungszentrum für den Sahara-Tourismus in Agadez zum Ziel, u. a. mit einer dauerhaften Unterrichtsmöglichkeit für Englisch und dem Angebot von Volontariaten für Anfänger. Dadurch sollte jungen Menschen ermöglicht werden, eine professionelle Qualifikation zu erlangen, an Selbstvertrauen zu gewinnen und dadurch zu neuen produktiven Aktivitäten angeregt zu werden43.

Dieses Projektes konnte jedoch niemals umgesetzt werden. Nach der Ansicht Dayaks hätten die Behörden ein Quasi-Monopol des Tourismus in Händen der Tuareg missbilligt44. Unabhängig davon brach zudem wenige Monate später die sieben Jahre währende Tuareg-Rebellion im Nord Osten des Niger aus, was zum Kollaps des Tourismus, zur völligen Verarmung der Region und zur Unterbrechung aller humanitärer Initiativen führte.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass im Jahr 1994 in Frankreich das Projekt eines französischen Reiseführers über die Region Agadez-Aïr-Ténéré verwirklicht werden konnte. Das Buch „Bonjour, le Sahara du Niger“ unter der Herausgeberschaft von Decoudras und des Fotogra- phen Durou Werk besteht aus den kostenlos von verschiedenen Größen der nigrischen und französi- schen Sahara-Wissenschaftsdisziplinen zur Verfügung gestellten Texten und Fotographien und war als Informationsgrundlage für Niger-Reisende wie auch Sahara-Führer gedacht. Trotz der Rebellion hatten sich die Herausgeber schließlich dennoch entschlossen, das Buch zu Gunsten des nigrischen Tourismus erscheinen zu lassen, um damit vielleicht sogar zum baldigen Retablissement des Saha- ra-Tourismus beizutragen45. Bis dahin sollte es allerdings noch weitere vier Jahre dauern.

Bis heute ist dieser Führer das einzige Buch dieser Art im europäischen Raum. Trotz seiner Güte fand es unter den Reiseagenturen von Agadez fast keine Verbreitung...46

9) Der Neubeginn der Tourismus im Niger: die Haltung der Entwicklungsorganisationen

Nach dem Ende der Rebellion engagierte sich die europäische Union im Rahmen des Hilfspro- gramms ECHO von 1997 bis 1999 für die Integration der Rebellen und der Flüchtlinge sowie die wirtschaftliche Stabilisierung der Region. Mit dem Einsatz von über 70 Mio. Schilling wurde eine Fülle von vernetzten Projekten realisiert, die dem Wiederaufbau der traditionellen Wirtschaft und der Wiedereingliederung von rund 40.000 Personen in der Region Agadez und Tahoua dienten. Von der weitgehenden Entwaffnung der Rebellenfronten über die Arbeitsbeschaffung für arbeitslose Rebellen bis zum Aufbau von Dörfern für die 5500 zurückkehrenden Flüchtlinge zielen die Aktivi- täten auf eine langfristigen Friedenssicherung. Davon konnten mittlerweile an die 100.000 Men- schen direkt und indirekt durch eine Verbesserung der Wasser-, Gesundheits- und Nahrungsversor- gung profitierten. Der Tourismus spielte innerhalb dieses Projekts keine Rolle47.

Währenddessen begann sich der Tourismus seit dem Jahr 1996 wieder langsam zu erholen. Mit der Aufnahme einer saisonalen Charter-Flugverbindung zwischen Paris und Agadez durch das französische Unternehmen Point-Afrique konnten die Zahlen der Pauschaltouristen bis zur Saison 99/00 auf rund 3000 Personen gesteigert werden48. Auf die spezifische Struktur des Agadez-Tourismus und dessen besondere Entwicklungsprobleme kann jedoch im Zuge dieser Arbeit nicht eingegangen werden.

Ein weiteres umfangreiches "Projet Niger Nord" zur nachhaltigen Entwicklung der Air-Berge wurde Ende 1999 von der deutschen "Gesellschaft für technische Zusammenarbeit" initiiert. Neben Infrastrukturmaßnahmen für die Landbevölkerung waren ursprünglich nach Angaben des Projektleiters Hans Pistor auch die Förderung des Öko-Tourismus beabsichtig49. In einem Interview nur ein Jahr später lehnte Pistor allerdings jegliche Investition in den Tourismus in Gestalt von Ausbildungs- und Sensibilisierungsprogrammen als „Vergeudung von knappen Projektmitteln“ ab50.

Das ist insofern höchst bedauerlich, als im April 2001 von einer Projektmitarbeiterin ein Integrati- ons- und Berufsförderungsprogramm entwickelt wurde, das auch die Ausbildung von arbeitslosen Jugendlichen zu lokalen Führern beinhaltete. Dabei hätte deren Sensibilisierung für den Schutz der Umwelt und der archäologischen Stätten gegen die Plünderung durch Souvenirjäger eine zentrale Rolle gespielt51. Aufgrund der ablehnenden Haltung des Projektleiters blieb der Vorschlag letztlich im Projektstadium stecken.

10) Die Ausbildungsinitiative von NIGETECH

Eine neue Ausbildungsmöglichkeit eröffnete sich in Agadez im Frühling 2001 mit dem EUfinanzierten Projekt NIGETECH, im Zuge dessen mittels innovativer pädagogischer Methoden berufsspezifische technische Kenntnissen vermittelt werden sollen. Einige der Angebote wie die Kurse über Unternehmensführung, Service, Küche, Automechanik52 udgl. sind auch für den Tourismus notwendig und äußerst hilfreich, dennoch können damit spezifische Schulungen zur Vermittlung von interkulturellen Kompetenzen nicht substituiert werden.

Im Zuge eines persönlichen Gesprächs mit dem Leiter der Antenne Agadez, Abdoul-Rachid Moussa, konnte ich diesen von der Notwendigkeit der Vermittlung praktischer Tourismusethik für die Förderung einer nachhaltigen Tourismusentwicklung überzeugen. In der Folge hatte ich ihm auch meine Arbeit über „Praktische Tourismusethik53 “ postalisch übermittelt, seither aber keinerlei Reaktion erhalten. Man kann allerdings davon ausgehen, dass im Zuge der Überbetonung vom Transfers technischen Know-hows innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit für die Vermittlung von interkulturellen Kompetenzen eher keine Mittel freigegeben werden.

11) Das Ausbildungsprojekt der FU Berlin / KFU Graz

Von der Beschaffung der nötigen Geldmittel in der Bundesrepublik Deutschland wird es letztlich auch abhängen, ob dieser Mangel an Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich der interkulturellen Kompetenz für Sahara-Führer nicht doch noch beseitigt werden kann. Das bezweckt nämlich das unkonventionelle Projekts von Wissenschaftlern des Instituts für Paläontologie der Freien Uni Berlin und des Instituts für Philosophie der Universität Graz:

Um die reichen Saurier-Fundstätten vor Erosion und touristischen Souvenirraub zu schützen und gemäß dem expliziten Wunsch der regionalen Bevölkerung ökonomisch nutzbar zu machen54, sollen die giganti- schen Fossilien fachkundig geborgen und in einem Museum publikumsgerecht ausgestellt werden.

Eingebettet soll dieses geplante „Saurier-Zentrum“ in regionale ökotouristische Maßnahmen werden, wobei die Ausbildung von Reiseführern eine elementare Rolle spielen soll. Vermittelt werden sollen neben paläontologischen, geologischen und allgemeinen regionalspezifischen Grundkenntnissen insbesondere die Grundlagen der praktischen Tourismusethik mit dem Ziel der Sensibilisierung für Belange der interkulturellen Kommunikation, der ökologisch sensiblen Bereichen der Region und der prähistorischen Schatzfunde. Dazu sollen - in Anlehnung an die Ausbildungsinitiative von Decoudras - wiederum sowohl theoretisch pädagogisch versierte Theoretiker als auch Fachleute aus der Praxis in den aufzubauenden Lehrbetrieb eingebaut werden. Unter anderem sollen auch informative Leitfäden als Nachschlagewerk für Führer und Touristen entwickelt und herausgegeben werden.

Hinter diesem Konzept steht die Überzeugung der Projektautoren, dass die Saurier-Fossilien nur dann langfristig touristisch genutzt und zugleich auch geschützt werden können, wenn der breiteren Bevölkerung die Bedeutung der Ressource „Saurier“ wie auch der übrigen natürlichen Schätze des Aïr-Ténéré-Gebiets und insbesondere deren Schutzwürdigkeit vermittelt werden kann55.

12) Konklusion

Das scheinbar so simple Problem der mangelhaften Professionalität der Sahara-Führer ist freilich eingebettet in die komplexe Frage der Entwicklung, Denn zum einen läuft der nigrische Sahara- Tourismus recht erfolgreich nach dem Schema des „einfachen, herzlichen Wüstenmannes“. Ange- sichts der Tatsache, dass Ausbildungen einen hohen Einsatz an Kapital, Zeit und Veränderungswille

- also in gewisser Hinsicht auch an Modernisierung - erfordern, würde sich aus dieser Sicht die frage stellen, ob letztlich nicht alles so weiterlaufen kann wie bisher.

Allerdings wird dabei übersehen, dass jedes soziale System einer Dynamik unterworfen ist. Dies gilt sowohl für den Sahara-Tourismus als auch für die Tuareg-Gesellschaft. So unterliegt zum einen der Niger-Tourismus der wiedererstarkenden Konkurrenz durch Algerien, das seine Produkte um vieles billiger anbieten kann. Allein schon aus dieser Perspektive ist der Niger gezwungen, seinen um vieles höheren Preis durch entsprechende qualitative Unterschiede zu legitimieren.

Ein Indiz dafür ist der enorme Erfolg der Agentur „Tagelmust Travels and Services“ des Tuareg Aha Is- soufa. Der Mann stammt aus Timia, gelangte über Umwege nach Namibia, wo er das Tourismushand- werk in höchster Profession erlernte, als eigener Agenturbesitzer erfolgreich praktizierte, und Anfang des Jahres 2000 in den Niger zurückkehrte, um dort eine Agentur zu gründen. Seine vielfältigen Kompetenzen

- Issoufa spricht fließend Italienisch56, Englisch und Französisch, beherrscht und nutzt die modernen Kommunikationstechnologien, verfügt über ein solides Allgemeinwissen im Bereich des Niger und hat hervorragende Kenntnisse im Bereich Marketing und interkulturelle Kommunikation - ließen seine Agentur binnen einer halben Saison zur zweitgrößten des Landes werden.

Doch selbst wenn man den großen Erfolg nicht als wesentliches Kriterium gelten lässt, kommt man nicht umhin, dass es gerade Issoufa ist, der seinen Mitarbeitern weitgehend feste Verträge anbietet, wie es in Agadez sonst nicht üblich ist. Doch auch als Mensch - eine Persönlichkeit von spritzigem Humor - ist er äußerst beliebt und respektiert57.

Der Schutz von Ressourcen ist zwangsläufig eine Idee der Moderne, weil es erst durch die techni- schen Entwicklungen unseres Zeitalters möglich wurde, der Umwelt dauerhaft und umfassend Schaden zuzufügen. Massentourismus, das Reisen aus Lust, ist ebenfalls ein Kind der Moderne, weil erst heute die freien Zeit-, Geld- und Transportressourcen im notwendigen Ausmaß verfügbar sind. Wollen darum die Menschen von Agadez erfolgreich und langfristig vom Hunger der wohlstandsübersättigten Bürger nach „Leere“ dauerhaft profitieren, so ist eine entsprechende Aus- bildung der beste Weg dorthin.

13) Literaturliste

Adamou, Aboubakar (1999): La décentralisation au Niger le cas de l'Aïr. La renaissance d'un pro- cessus. In: BOURGEOT, André (Hg.): Horizons nomades en Afrique sahélienne. Socié- tés, développement et démocratie. Paris, S. 201-215.

Adamou, Aboubakar (1999a): Agadez et sa région. Contribution à l’étude du Sahel et du Sahara nigériens. (Études nigériennes Nr. 44). Paris.

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Assane, S. (2000): Agadez: faute d’approvisionnement des cantines. Des écoles nomades menacées de fermeture. In: Le Républicain Nr. 427, 6.04.2000, Niamey.

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[...]


1 Vgl. Butler (1991), 201 ff.

2 Fennell (1999), S. 197 ff., unter Hinweis auf Barrow (1994) und Forestell (1993)

3 Statistische Daten vgl. Adamou (1999), S. 211f.

4 Wert von 1993.

5 République du Niger et al. (1999), S. 88.

6 Vgl. Assane (2000), S. 7.

7 Vgl. Giazzi (1996), S. 74.

8 Vgl. Bayard/Giazzi (1996), S. 303.

9 Vgl. Bourgeot (1995), S. 252 ff.

10 Vgl. Grégoire (1999), S. 145.

11 Niger-weit wurden diese Saison 13 Mrd. Francs CFA, ca. 28 Mio. Schilling, erwirtschaftet. In: Kaka (2000), S. 6.

12 Vgl. Friedl (2000a), S. 9.

13 Vgl. Friedl (2000), S. 26.

14 Vgl. Durou (1993), S. 272.

15 Vgl. Henry (1993), S. 249 ff.

16 Vgl. Grégoire (1999), S. 285 f.

17 Vgl. Adamou (1999a), wo übrigens ersichtlich ist, dass 1974 immerhin 164 Österreicher von insg. 4.261 Fremden Agadez passierten.

18 Vgl. Spittler (1998), 50.

19 Zum Bericht: eigenes Interview in Timia am 25.11.1999. Vgl. auch: Bourgeot (1995a), S. 111 ff.

20 Vgl. Adamou (1999a), S. 265.

21 Vgl. Grégoire (1999), S. 282.

22 Vgl. Friedl (1991), S. 26 f.

23 Dayak (1992), S. 78.

24 Dayak (1996), S. 178.

25 Grégoire (1999), S. 288.

26 Grégoire (1999), S. 292.

27 Erlass Nr. 56/MCI/T/DTH/MDI vom 13.11.1986 über die Vergabe von Ausweiskarten für professionelle Reisebeglei- ter im Niger

28 Erlass Nr. 76/MCI/T/DTH vom 22.10.1987 über die Regelung des Berufs des Reiseführers im Niger.

29 Urry (1996), S. 836.

30 Vgl. Friedl (2000), S. 21 ff.

31 Vgl. Friedl (2001).

32 Suchanek (2000), S. 90.

33 Decoudras (1990), S. 11.

34 Decoudras (1990), S. 18.

35 Georg (1997).

36 Dayak (1992), S. 79.

37 Decoudras (1990), S. 44 f.

38 Le Berre (1999), S. 274 ff.

39 ebd., Annex.

40 Allakaye, (2000), S. 8.

41 Union Mondial pour la Nature (1999).

42 Decoudras (1990), S. 50 ff.

43 Ebd., 46 f.

44 Dayaks (1992), S. 80.

45 Decoudras (1994), S. 6.

46 Friedl (2000), S. 18.

47 Delphin (1999).

48 Auskunft von Ibrahim, Direktor des Nationalen Tourismusbüros in Agadez, 25.3.2001.

49. Hinw. in Friedl (2000), S. 15.

50 Interview am 2.4.2001

51 N’Diaye (2001), S. 11.

52 Union Européenne (1999).

53 Nunmehr erschienen unter Friedl (2002).

54 Danfouré (2000), S. 3.

55 Kusserow et al. (2001)

56 Issoufa ist mit der Leiterin der italienischen Entwicklungsorganisation COSPE verheiratet.

57 Dies konnte dennoch nicht verhindern, dass eine seiner Gruppen im März 2001 Opfer eines Überfalls bei El Meki wurde, wenn auch ohne größere Schäden.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Tourismusausbildung bei den Tuareg im Niger
Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz
Veranstaltung
Privatissmum
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
13
Katalognummer
V106397
ISBN (eBook)
9783640046768
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tourismusausbildung, Tuareg, Niger, Privatissmum
Arbeit zitieren
Mag. Harald Friedl (Autor:in), 2001, Tourismusausbildung bei den Tuareg im Niger, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106397

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