Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Bedeutung des HLP für die Arbeitnehmerentsendung
3. Beweggründe für die Richtlinie
4. Die Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie
4.1. Persönlicher Anwendungsbereich
4.2. Sachlicher Anwendungsbereich
4.3. Materiellrechtlicher Inhalt
4.3.1. Zwingende Erstreckung
4.3.2. Ausnahmen der zwingenden Erstreckung
4.3.3. Optionale Erstreckung
4.3.4. Zusammenarbeit im Informationsbereich
4.3.5. Sanktionierungsmaßnahmen und Gerichtliche Zuständigkeit
5. Bewertung der Richtlinie
5.1. Arbeitnehmerperspektive
5.2. Arbeitgeberperspektive
5.3. Gemeinschaftsrechtliche Perspektive
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Die DLFH i. S. v. Art. 56 AEUV, als eine der vier Säulen des europäischen Binnenmarktes, ermöglicht es Unternehmen – als Angehörige der Mitgliedstaaten – grenzüberschreitend Dienstleistungen zu erbringen. Die zur Verrichtung der Arbeitsleistung benötigten Arbeitskräfte können in dem Mitgliedstaat angestellt werden, wo die Dienstleistung durchgeführt werden soll. Aus Flexibilitäts- und Kostenerwägungen kann dies jedoch nachteilig sein, weshalb es für das Unter- nehmen oftmals geboten ist, stattdessen seine Arbeitnehmer vorübergehend in den betreffenden Staat zu entsenden. Denkbar ist ebenfalls, dass von einem Zeit- arbeitsunternehmen Arbeitnehmer an ein ausländisches Unternehmen verliehen werden.[1]
Nach ständiger Rechtsprechung beinhaltet der freie Dienstleistungsverkehr das Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot, wonach jede Diskriminierung gegenüber dem Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder der Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat zu beseitigen ist.[2] Daher dürfen nach Art. 57 AEUV für den Leistenden keine rigideren Voraussetzungen diktiert werden als jene, welche der Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt.[3]
In mehreren Entscheidungen hat der EuGH allerdings in einem Obiter Dictum klargestellt, dass die Mitgliedstaaten nicht durch das Gemeinschaftsrecht daran gehindert sind, ihre Rechtsvorschriften oder die von den Sozialpartnern geschlos- senen Tarifverträge, unbeeinflusst davon, in welchem Land der Arbeitgeber an- sässig ist, auf weitere Personen auszuweiten. Und zwar auf all diejenigen, die in ihrem Hoheitsgebiet, und sei es auch nur vorübergehend, einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen.[4]
In Folge ebenjener Rechtsprechung kam es zu diversen nationalen Entsendege- setzen und der RL 96/71/EG[5] als sekundärrechtliche Regelung im Jahre 1996.
Im ersten Teil der Arbeit wird auf das HLP im Kontext der Arbeitnehmerent- sendung eingegangen. Anschließend werden die Beweggründe erläutert, die das Europäische Parlament und den Europäischen Rat veranlasst haben, die AEntRL zu erlassen. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit ist die Vorstellung der Richtlinie. Der zweite Fokus liegt auf der Bewertung ebendieses Rechtsakts. Abschließend wird ein Fazit aus den gewonnenen Erkenntnissen gezogen.
2. Bedeutung des HLP für die Arbeitnehmerentsendung
Individualarbeitsverträge unterliegen nach Art. 8 I i. V. m. Art. 3 I Rom I VO dem frei gewählten Recht der Vertragsparteien. Soweit es an einer dementsprechenden Abrede mangelt, bestimmt sich das maßgebliche Recht gem. Art. 8 II Rom I VO nach dem Recht des Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeit- nehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Kann das anzuwendende Recht nicht nach dieser Vorschrift bestimmt werden, so unterliegt der Vertrag gem. Art. 8 III Rom I VO dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat.[6]
Durch die Anknüpfung an den Herkunftsstaat ergeben sich erhebliche Wett- bewerbsvorteile zwischen den Unternehmen aus unterschiedlichen Mitglied- staaten.[7] Riesenhuber führt hierbei als Beispiel das Baugewerbe an, in welchem die Lohnkosten, neben den Materialkosten, die wesentlichen Wettbewerbs- faktoren sind. Unternehmen aus Niedriglohnländer können ihre Arbeit deutlich günstiger anbieten als jene aus Hochlohnländer, da ihre Arbeitnehmer nach Art. 8 Rom I VO zu den heimischen Arbeitsbedingungen beschäftigt und tätig werden.[8] Es gilt demnach der Grundsatz des unterschiedlichen Lohns am selben Arbeitsort.
3. Beweggründe für die Richtlinie
Die Intention der AEntRL besteht darin, Einschränkungen zu verhindern, die auf- grund der Staatsangehörigkeit oder einer Wohnsitzvoraussetzung entstehen. Dem Arbeitnehmer, der für die Erbringung einer temporären Arbeitsleistung in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats entsendet wird, sollen die gleichen dort geltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantiert werden.[9] Denn wenn in einem Mitgliedstaat stattdessen eine unterschiedliche Arbeitsgesetz- gebung angewandt wird, verursacht dies, wie oben angemerkt, zwangsläufig Wettbewerbsverzerrungen.[10] Der Sozialkostenwettbewerb in der Baubranche und die dadurch bedingte Arbeitslosigkeit war schließlich auch der vorrangige Anlass zur Verabschiedung der Richtlinie.[11]
[...]
[1] Thüsing, EA, § 9 Rn. 1.
[2] EuGH, Urt. v. 18.07.2007, Slg. 2007, I-6095, Rn. 83; EuGH, Urt. v. 04.05.1993, Slg. 1993 I-2239, Rn. 13.
[3] Vgl. hierzu u. a. EuGH, Urt. v. 18.07.2007, Slg. 2007, I-6095; EuGH, Urt. v. 21.09.2006, Slg. 2006, I-9041.
[4] EuGH, Urt. v. 27.03.1990, Slg. 1990, I-1417, Rn. 18; bereits davor EuGH, Urt. v. 03.02.1980, Slg. 1982, I-0223, Rn. 14.
[5] Im Folgenden: AEntRL bzw. RL.
[6] ErfK/ Schlachter, AEntG, § 1 Rn. 4; vgl. auch Thüsing, EA, § 9 Rn. 12.
[7] Thüsing, EA, § 9 Rn. 14.
[8] EA, § 6 Rn. 2 ff.
[9] Erwägungsgrund (2) der AEntRL; MüArbR/ Oetker, § 10 Rn. 34.
[10] Fuchs/ Marhold, EA, S. 438.
[11] Grabitz/ Hilf/ Nettesheim/ Benecke, AEUV, Art. 153 Rn. 58; Henssler/ Braun/ Henssler, Arbeitsrecht in Europa, S. 34 Rn. 59; Fuchs/ Marhold, EA, S. 439; Kort, NZA 2002, 1248 (1251); vgl. Böhm, NZA 1999, 128 (129).
- Arbeit zitieren
- Volker Kiesel (Autor:in), 2012, Arbeitnehmerentsendung - Bedeutung, Anwendungsbereiche und Bewertung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204479
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