Kalter Krieg – und dann?

Geopolitische Aspekte in den Theorien von Fukuyama und Huntington


Hausarbeit, 2012

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau

2 Was ist Geopolitik? – Eine Begriffsdefinition

3 Francis Fukuyama und das „Ende der Geschichte“
3.1 Eine Welt „ohne“ Gegensätze / One-World-Utopia
3.2 (Demokratische) Konfliktlösungen
3.3 Bedrohungslage und Handlungsoptionen
3.4 Kritik

4 Samuel P. Huntingtons „Kampf der Kulturen“
4.1 Eine Welt der Kulturkreise
4.2 Konflikttypen: Bruchlinien- und Kernstaatenkonflikte
4.3 Bedrohungslage und Handlungsoptionen
4.4 Kritik

5 Die geopolitische Relevanz der vorgestellten Konzepte
5.1 Fukuyama: Globalisierung und Hegemonie
5.2 Huntington: Fragmentierung und Konflikt
5.3 Fukuyama versus Huntington

6 Schlussbetrachtung
6.1 Fazit
6.2 Ausblick

7 Quellen

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Als Michail Sergejewitsch Gorbatschow, der damalige Generalsekretär der KPdSU, im Jahre 1985 seine Reforminitiativen rund um die international berühmt gewordenen Begriffe „Perestroika“ und „Glasnost“ in Gang setzte, konnte er kaum ahnen, dass die faktisch nicht reformierbare Sowjetunion infolgedessen nur wenige Jahre später wirtschaftlich wie ideologisch zusammenbrechen würde – mit immensen Folgen für die bis dato bestehende Weltordnung: Der aus den Interessengegensätzen der Anti-Hitler-Koalition erwachsene Kalte Krieg war mit der Vollendung der Deutschen Einheit und der eingeleiteten Demokratisierung Osteuropas vorbei. Die mehr als 40 Jahre andauernde weltpolitische Bipolarität zwischen den Führungsmächten USA und Sowjetunion mit ihren jeweiligen Bündnispartnern bzw. Blockstaaten hörte spätestens seit der Auflösung des Warschauer Pakts im Sommer 1991 auf zu existieren. Eine historische Epoche war abgeschlossen.

Zur überwiegenden Freude über diese Entwicklung gesellten sich bald jedoch auch nachdenkliche Stimmen. Schließlich gehörte ein strukturelles, die Handlungen der Akteure bestimmendes und überdies auch stabilisierendes Merkmal des internationalen Systems plötzlich der Vergangenheit an. Wo über Jahrzehnte ein ambivalentes Gleichgewicht der Mächte herrschte, welches sich vorrangig auf den Erhalt des politischen wie geographischen Status Quo konzentrierte, mangelte es nun an Orientierung.

Francis Fukuyamas Vision vom „Ende der Geschichte“ und Samuel P. Huntingtons gegensätzliche Theorie über den unausweichlichen „Kampf der Kulturen“ stellten in der ersten Hälfte der 1990er Jahre die bekanntesten Ansätze zur Lösung dieses Problems dar, fanden rasch Eingang in den wissenschaftlichen Diskurs und wurden kontrovers besprochen.[1] Immer wieder tauchten ihre Thesen auch im Zusammenhang mit dem Begriff „Geopolitik“ auf. Doch worin die geopolitische Relevanz im Einzelnen bestand blieb stets sehr vage. Das Ziel dieser Arbeit ist es deshalb zu erklären, inwiefern die Ausführungen von Fukuyama und Huntington einer entsprechenden Gedankenwelt zugeordnet werden können. In welchen Bereichen argumentierten die Autoren also geopolitisch bzw. welche Teilaspekte lassen sich geopolitisch interpretieren? Wo bestehen Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede? Anhand dieser Leitfragen gilt es, die entscheidenden Fakten herauszustellen.

1.2 Aufbau

Im folgenden Kapitel soll zunächst geklärt werden, was heute unter dem Begriff „Geopolitik“ verstanden wird. Diese theoretische Vorüberlegung bildet die Grundlage für die spätere Bewertung der zu besprechenden Konzepte und zeigt Kriterien auf, an denen sich die Untersuchung orientieren wird.

Kapitel 3 und Kapitel 4 dienen der inhaltlichen Vorstellung und Formulierung der Kernaussagen von Fukuyamas „Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir?“ und Huntingtons „Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert“. Angeschlossen ist jeweils eine kurze Kritik. Die (vermeintliche) geopolitische Bedeutung der beiden Konzeptionen wird in Kapitel 5 dargelegt. Neben die Einordnung in Denkmuster der Geopolitik tritt dabei auch der Versuch einer vergleichenden Gegenüberstellung.

Die nachfolgende Schlussbetrachtung fasst die Ergebnisse dieser Arbeit noch einmal in kompakter Form zusammen und endet mit einem Ausblick auf offene beziehungsweise weiterführende Fragestellungen, die im Rahmen künftiger Abhandlungen aufgegriffen werden könnten.

2 Was ist Geopolitik? – Eine Begriffsdefinition

Dass die Annäherung an den Begriff „Geopolitik“ bisweilen recht schwierig ist, beweist unter anderem die Vielzahl von Definitionen und Erklärungsansätzen.[2] Prinzipiell lässt sich Geopolitik dahingehend umschreiben, dass sie ein „wissenschaftliches Bemühen [darum ist], bestimmte Aspekte von Geographie, Geschichte, Bevölkerungs- und Staatswissenschaft zur Erklärung des Verhältnisses zwischen Raum und Politik zu nutzen“[3]. Weniger abstrakt ausgedrückt „will [sie] die Wechselbeziehungen und Auswirkungen der geographischen Lage eines Staates auf die Gestaltung seines Schicksals untersuchen und hieraus für die Gestaltung der Staatspolitik, insbesondere der Außen- und der Verteidigungspolitik, praktische wissenschaftliche Erkenntnisse ableiten“[4].

Vor allem die angenommene Abhängigkeit politischer Entscheidungen von geographischen Gegebenheiten und Gegensätzen, eine quasi naturalistische Argumentationsweise, stand und steht unterdessen immer wieder im Zentrum der Kritik. Gerade vor dem Hintergrund der unrühmlichen Verbindung geopolitischer „Ideen“ mit der nationalsozialistischen Außenpolitik (Stichwort: Lebensraum-Ideologie) ist dies in Teilen durchaus nachvollziehbar. Doch das Faszinosum „Geopolitik“ konnte trotz langjähriger Tabuisierung nach dem Ende des Dritten Reichs nie vollständig aus den Köpfen und wissenschaftlichen Diskussionen verbannt werden. Insofern erscheint es auch wenig verwunderlich, dass sich „mittlerweile [...] zahlreiche Theoretiker und Praktiker der internationalen Beziehungen geopolitischer Vorstellungen [bedienen], auch wenn sie den Begriff nicht ausdrücklich verwenden“[5].

Handelt es sich in Wirklichkeit also um ein Phantom, eine „schiere Worthülse mit wechselhaftem Inhalt“[6] ? Keineswegs, denn die Forschungsfelder können klar benannt werden. So bezeichnet der Politikwissenschaftler Heinz Brill neben Geostrategie, Geoökonomie, Geoökologie und Geopsychologie auch Geohistorie, Geojurisprudenz, Geoethnizität sowie Geokultur als Teildisziplinen bzw. Unterkategorien der Geopolitik.[7]

Nicht immer trennscharf gelingt die Unterscheidung zur Politischen Geographie. Ohne Frage stehen beide Disziplinen in enger Beziehung zueinander, wobei der klassischen Geopolitik stets ein zweifelhafter(er) Ruf anhing: Mitunter wurde sie gar als „negative Identifikationsfolie“[8] der Politischen Geographie abgestempelt. Während die Politische Geographie einer Systematik folgt, die sich als statisch und lediglich beschreibend zeigt, analysiert die dynamisch ausgelegte Geopolitik die Lage anhand der Konstellation von Räumen und Mächten und zielt direkt auf Veränderung.[9]

Kritiker sehen den möglichen Missbrauch der Geowissenschaften im Sinne machtpolitischer Erwägungen skeptisch – und die Schatten der Vergangenheit scheinen ihnen Recht zu geben. Nichtsdestotrotz ist Geopolitik per se kein „Teufelszeug“, wie die Entwicklung der Kritischen Geopolitik zeigt. Einerseits distanziert sich diese nämlich von geopolitischen Leitbildern und Diskursen, doch andererseits entwickelt sie die Disziplin mit der nötigen Objektivität und Distanziertheit auf einer anderen Ebene erfolgreich weiter. Letztlich geht es ihr darum „Geopolitik nicht länger als geodeterministische und pseudowissenschaftliche Prophetin einer vermeintlich naturgegebenen Wahrheit zu begreifen, sondern als eine je andere diskursive Praxis zu konzeptualisieren [...] vermittels derer die vermeintlich natürliche Ordnung der internationalen Politik erst produziert wird“[10]. Im Fokus der Betrachtungen stehen beispielsweise Konflikte um ökologische Ressourcen, territoriale Kontrolle und Grenzen. Des Weiteren lassen sich auch „politische Konflikte um raumbezogene Identitäten und deren [...] Instrumentalisierbarkeit in Bezug auf traditionelle Konzepte wie Ethnie, Nation, Region oder Religion [... sowie] regionale Konflikte und die Rolle neuer sozialer Bewegungen bzw. die Wirkung transnationaler Akteure auf Prozesse der Globalisierung“[11] im Kernbereich oder näheren Umfeld der Kritischen Geopolitik verorten.

Auch wenn sich viele Wissenschaftler, Autoren und Journalisten – zumindest im deutschsprachigen Raum – nur vereinzelt oder zurückhaltend bis vorsichtig zur Bedeutung geopolitischen Denkens äußern, kann seine weite Verbreitung und nicht immer bewusst empfundene Relevanz für die Gestaltung der internationalen Beziehungen schwerlich in Abrede gestellt werden. Geographie und (internationale) Politik lassen sich nicht voneinander trennen. Inwiefern dies auf die Ausführungen von Fukuyama und Huntington zutrifft werden die folgenden Kapitel zeigen.

3 Francis Fukuyama und das „Ende der Geschichte“

3.1 Eine Welt „ohne“ Gegensätze / One-World-Utopia

Bereits im Sommer 1989, also noch vor dem Fall der Berliner Mauer, veröffentlichte Francis Fukuyama in der renommierten Fachzeitschrift „The National Interest“ unter dem Titel „The End of History?“ erstmals seine Gedanken bezüglich einer neuen Weltordnung nach dem Ende des Kalten Krieges – zu diesem Zeitpunkt allerdings noch mit Fragezeichen versehen.[12] Doch schon dieser Artikel machte deutlich, wie Fukuyama die globale Zukunft sah: Mit dem endgültigen Verschwinden der marxistisch-leninistischen Ideologien in China und der Sowjetunion würde die „Common Marketization“, d.h. eine auf marktwirtschaftlichen Prinzipien basierende Organisation der internationalen Beziehungen gestärkt werden, während sich die Wahrscheinlichkeit größerer Konflikte zwischen den Staaten in gleicher Weise verringert.[13] Die überwältigende, oft auch kritisch hinterfragende Resonanz in der breiten Öffentlichkeit veranlasste Fukuyama, seine Thesen weiter zu entwickeln und 1992 in Form eines Buches auszuführen, welches in hohem Maße philosophisch und ideengeschichtlich geprägt war.[14]

[...]


[1] Sowohl Francis Fukuyama als auch Samuel P. Huntington skizzierten ihre Überlegungen zunächst in Form von kürzeren Aufsätzen bzw. Zeitschriftenartikeln. Im Mittelpunkt der folgenden Betrachtungen werden jedoch die umfangreicheren, ins Deutsche übersetzten Buchfassungen stehen, die 1992 (Fukuyama) bzw. 1996 (Huntington) erstmals in Originalsprache publiziert wurden.

[2] Vgl. Brill, Heinz: Geopolitische Analysen, Bissendorf 2005, S. 32ff.

[3] Schubert, Klaus / Klein, Martina: Das Politiklexikon, Bonn 1997, S. 116.

[4] Sacher, Wilhelm: Die Eigenständigkeit der Politikwissenschaft als Staatsführungslehre (Politikologie), Linz 1965, S. 118.

[5] Brill (2005), S. 33.

[6] Helmig, Jan: Geopolitik – Annäherung an ein schwieriges Konzept. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Heft 20-21/2007, S. 31.

[7] Vgl. Brill (2005), S. 33.

[8] Lossau, Julia: Die Politik der Verortung. Eine postkoloniale Reise zu einer ANDEREN Geographie der Welt, Bielefeld 2002, S. 126.

[9] Vgl. Brill (2005), S. 35.

[10] Lossau (2002); S. 127.

[11] Helmig (2007), S. 37.

[12] Vgl. Fukuyama, Francis: The End of History? In: The National Interest, Summer 1989, unter: http://www.wesjones.com/eoh.htm (abgerufen am 01.03.2012).

[13] Vgl. ebd.

[14] Vgl. Fukuyama, Francis: Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir? München 1992. Das Buch erschien zuerst unter dem Originaltitel „The End of History and the last Man“. Fukuyama bezog sich in seiner Argumentation unter anderem auf Alexandre Kojève (Bedeutungsverlust der Nationalstaaten), aber auch auf Marx und Hegel (Rechtsphilosophie, Optimismus). Vgl. dazu Anderson, Perry: Zum Ende der Geschichte, Berlin 1993, S. 96f.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Kalter Krieg – und dann?
Untertitel
Geopolitische Aspekte in den Theorien von Fukuyama und Huntington
Hochschule
Technische Universität Chemnitz
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
19
Katalognummer
V203485
ISBN (eBook)
9783656295938
ISBN (Buch)
9783656297840
Dateigröße
562 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Internationale Politik, Geopolitik, Kampf der Kulturen, Posthistoire, Francis Fukuyama, Samuel Huntington, Kulturkreise, Ende der Geschichte
Arbeit zitieren
Frank Bodenschatz (Autor:in), 2012, Kalter Krieg – und dann?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203485

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