Philosophischer Hintergrund und bewusstseinsgeschichtlicher Zusammenhang von Literatur und Politik um 1800 am Beispiel von Schillers Räubern


Seminararbeit, 2011

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Rezeption der Französischen Revolution und die Rolle der Kunst

3. Politischer Hintergrund und sozialgeschichtliche Wirklichkeit des 1800 Jahrhunderts

4. Aufklärung in Schillers Drama ‚Die Räuber‘

5. Schillers Räuber und die familiäre Ordnung

6. Der Brüderbund als terroristischer Akt
a) Das Phantasma der homosozialen Autopoiesis
b) Das Phantasma der autonomen Selbstsetzung

7. Schillers Räuber und der theologisch-christliche Rückbezug

8. Schlusswort

Literaturverzeichnis

Einleitung

Zum Einstieg in meine Arbeit werde ich die zwiespältige Rezeption der Französischen Revolution in Deutschland beschreiben, zu der Schiller mit seinen ‚Räubern‘ literarisch einen der wichtigsten Bezüge seiner Zeit herstellt, und die Frage beantworten, welche Rolle die Kunst für die Politik spielte. Als nächstes werde ich die politische Entwicklung und sozialgeschichtliche Wirklichkeit, wie diese sich mehr oder weniger verzögert in allen europäischen Ländern des 17. Jahrhunderts anbahnte und wie sie in Frankreich auf dem Höhepunkt ihrer Wende befand, zunächst allgemein darstellen. Dabei werde ich sowohl die alte politisch-soziale Ordnung der Neuen gegenüberstellen, als auch den philosophischen Hintergrund erläutern, der als Motor für die Umbrüche diente. Auch werde ich die Konzeption des neuen Menschenbildes und die neuen Anforderungen an das Individuum in diesem Zusammenhang erarbeiten.

Ich werde die Frage beantworten, wie Schiller in seinem Drama die Aufklärung verarbeitet und besonders auf Franz und Karl als Träger der Kritik an der Aufklärung eingehen. Aber auch die Figur des Vaters, als die Repräsentativfigur für die göttliche Instanz und Symbol für die Schwäche der alten Ordnung, herausheben. Weiterhin werde ich die Begriffe der biologischen und politischen Brüderlichkeit gegenüberstellen und erläutern, was diese in der literarischen Verarbeitung in Schillers Drama über die politischen Schwierigkeiten seiner Zeit aussagen. Ich gehe in dieser Arbeit auf das nach Koschorke zitierte ‚Phantasma der autonomen Selbstsetzung‘, sowie auf das ‚Phantasma der homosozialen Autopoiesis‘ ein und erkläre wie diese von Schiller anhand der Figuren Franz und insbesondere Karl verarbeitet wurden. Diese werden als Unterpunkte zu der Auseinandersetzung mit der Frage nach dem terroristischen Moment in dem republikanischen Bürgereid dienen. Als letztes werde ich noch einmal auf die Figur des Vaters eingehen und den theologischen Rückbezug, beziehungsweise die biblische Grundlage, dieses Dramas erklären, welche ich wiederum in den politischen Zusammenhang bringe.

Rezeption der Französischen Revolution und die Rolle der Kunst

Die Ereignisse der Französischen Revolution wurden in Deutschland zwiespältig aufgenommen. Im Allgemeinen bestand aber eine Einigkeit zwischen allen deutschen Rezipienten und Zeitzeugen der Französischen Revolution, nämlich „Die Überzeugung vom konstitutiven Zusammenhang zwischen Aufklärung und Revolution […][1] Die kulturelle Überlegenheit Frankreichs war Voraussetzung für die Beschäftigung von Schriftstellern und Intellektuellen mit der Französischen Revolution.[2] Schillers Drama Die Räuber hat einen unverkennbaren Bezug auf die politischen Ereignisse Europas seiner Zeit. Es thematisiert und spiegelt die politischen und bewusstseinsgeschichtlichen Ereignisse seines Jahrhunderts. Noch heute gilt Schiller als Verkünder von Freiheitsidealen und literarischer Vorkämpfer der Menschenrechte.

Welche Funktion wurde der Kunst und Literatur zur Politik zugeschrieben? Auch in dieser Frage gab es unterschiedliche Standpunkte. Autoren positionierten sich dazu zwischen Autonomieästhetik und direktem Bezug von Literatur auf die soziale Welt[3]

„Goethe und Schiller […] reagierten auf die Schreckensherrschaft der Jakobiner in Paris mit der Absicht, den Absolutismus auf dem sanften Weg der Kunst in eine moderne Gesellschaftsform zu verwandeln […] individuelle Bildung und erst daraus folgend gesellschaftliche Entwicklung.“[4] Dies waren auch die Absichten des klassizistischen Theaters. „Theater soll Herzens- und schließlich auch Freizeitbedürfnisse stillen (Schiller Bd. V, S. 821), es soll weiterhin „Vergnügen mit Unterricht“ paaren und auf der Bühne eine künstliche Welt schaffen, in der wir über die wirkliche hinwegträumen können. Dieses Theater wird schließlich eine Vorbildfunktion für die Gesellschaft beanspruchen.“[5]

Schillers Ästhetische Erziehung des Menschen formuliert noch einmal dieses Ideal des gewaltfreien Übergangs von Herrschaftsordnungen. Seine Hauptthese ist es, dass die ästhetische Freiheit die politische Freiheit erst möglich macht, da sie „[…] ein starkes Moment von Selbstregulation des politischen Subjekts einschließt.“[6]

Politischer Hintergrund und sozialgeschichtliche Wirklichkeit des 1800 Jahrhunderts

Schillers Erstlingsdrama „Die Räuber“ weist einen politischen, theologischen und bewusstseinsgeschichtlichen Rückbezug auf die gesellschaftlichen Umbrüche des 18. Jahrhunderts auf. Die Epoche der Aufklärung ordnet Grimminger den zeitgleichen Strömungen des Sturm und Drang, der Empfindsamkeit und des Rokoko über. Die Gemeinsamkeiten aller Strömungen sieht er in der Aufklärungsphilosophie vom glückseligen Leben.[7]

Das 18. Jahrhundert ist geprägt von der Erschütterung der patriarchalisch-ständischen Gesellschaftsordnung, die in Deutschland am Beispiel der Französischen Revolution und deren Leitgedanken beobachtet, diskutiert und kommentiert wurde. Es galt den Übergang von traditionaler Herrschaft zu einer neuen Weltordnung zu finden, deren Ziele in den Begriffen „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ formuliert waren.

Diese Leitgedanken die als Werk der Philosophie[8] galten, sollten die vertikale patriarchalische Ordnung durch eine republikanische Ordnung ersetzen, deren Chance der Machtausübung, im Gegensatz dazu, auf einem horizontalen Einverständnis zwischen den Machtvollen beruht. Die moralische Orientierung des aufgeklärten Individuums sollte an dem Begriff der Vernunft geschehen.

„Als ‚Vernunft’ gilt im 1800 Jahrhundert das autonome, nämlich nur in seiner Freiheit zur Selbstbestimmung beruhende ‚Vermögen’ des Menschen, planvoll und widerspruchsfrei nach einem begründbaren und widerspruchsfreien Endzweck denken, fühlen und handeln, kurz sich verhalten zu können.“[9]

Philosophisches Fundament der politischen Umbrüche um 1800 war die Aufklärungsphilosophie Kants „[…] nach dessen Auffassung der Mensch nur für seinen eigenen, nicht für einen fremden Zweck lebt, wie er auch als einziges Lebewesen in der Lage sei, über sich selbst zu reflektieren.“[10] Die politische Ordnung, die bis dahin noch als naturgegeben verstanden wurde, sollte jetzt mehr und mehr als Menschenwerk angesehen werden. So war es notwendig das Individuum zur Eigenverantwortung zu motivieren. „Die starke Aufwertung des Ich in den 1770er Jahren“[11] und der Anspruch an die Autonomie des Menschen standen im Widerspruch zur bestehenden traditionalen Herrschaft, die „kraft Glaubens an die Heiligkeit der von je her gegebenen Ordnung und Herrengewalten“[12] bestand und somit das Individuum zum Glauben, Gehorsam und relativ festem Verbleiben in seinem Stand zwang. Je näher man bewusstseinsgeschichtlich an die Zeit des Mittelalters rückt, desto weniger existierte der Begriff des Individuums, wie er heute selbstverständlich ist, denn der Mensch „[…] empfand sich selbst noch nicht als Individuum, außer durch das Medium seiner Rolle in der Gesellschaft […]“[13], die von ihm noch als naturgegeben erlebt wurde. Die Aufklärung aber setzte neue Anforderungen an den Einzelnen.

Aufklärung in Schillers Drama

Bei Franz und Karl steht im Drama zunächst vor allem ihre Gegensätzlichkeit im Vordergrund. Betrachtet man die beiden Figuren literaturgeschichtlich „[…] wird Franz allgemein der Aufklärung und dem Rationalismus zugeordnet, während Karl einmal als Vertreter der Empfindsamkeit, einmal als Repräsentant des Tatendranges der Stürmer und Dränger verstanden wird.“[14] Politisch wird Franz der Despotie, Karl der Idealität und den Begriffen der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zugeordnet.[15]

[...]


[1] Rolf Grimminger: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution 1680-1789, München 1980, S. 23.

[2] Rolf Grimminger: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution 1680-1789, München 1980, S. 19.

[3] Vgl. Benedikt Jeßing, Ralf Köhnen: Einführung in die Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Stuttgart/Weimar 2007, S. 48.

[4] Benedikt Jeßing, Ralf Köhnen: Einführung in die Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Stuttgart/Weimar 2007, S. 49.

[5] Benedikt Jeßing, Ralf Köhnen: Einführung in die Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Stuttgart/Weimar 2007, S. 167.

[6] Gerhard Kaiser: Väter und Brüder, Weltordnung und gesellschaftlich-politische Ordnung in Schillers Werk, in: Abhandlungen der sächsischen Akademie der Wissenschaft zu Leipzig, Philosophisch-historische Klasse, Band 80 Heft 2 (2007), S 41.

[7] Vgl. Rolf Grimminger: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution 1680-1789, München 1980, S. 16.

[8] Vgl. Rolf Grimminger: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution 1680-1789, München 1980, S. 23.

[9] Vgl. Rolf Grimminger: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution 1680-1789, München 1980, S. 16-17.

[10] Benedikt Jeßing, Ralf Köhnen: Einführung in die Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Stuttgart/Weimar 2007, S. 50.

[11] Benedikt Jeßing, Ralf Köhnen: Einführung in die Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Stuttgart/Weimar 2007, S. 49.

[12] Vgl. Max Weber: Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft, In: Soziologie Universalgeschichtliche Analysen Politik, Stuttgart, 1973/1922, S.154.

[13] Erich Fromm: Die Furcht vor der Freiheit, aus dem Englischen von Liselotte und Ernst Mickel, München, 2010, S. 38.

[14] Erich Fromm: Die Furcht vor der Freiheit, Aus dem Englischen von Liselotte und Ernst Mickel, 15. Auflage, München, 2010, S. 124.

[15] Vgl: Stefanie Wenzel: Das Motiv der feindlichen Brüder im Drama des Sturm und Drang, Marburger Germanistische Studien, Band 14, Frankfurt Am Main 1993, S. 125.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Philosophischer Hintergrund und bewusstseinsgeschichtlicher Zusammenhang von Literatur und Politik um 1800 am Beispiel von Schillers Räubern
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Deutsche Literatur und ihre Didaktik )
Veranstaltung
Literatur und Politik um 1800
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
16
Katalognummer
V199335
ISBN (eBook)
9783656258384
ISBN (Buch)
9783656258841
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
philosophischer, hintergrund, zusammenhang, literatur, politik, beispiel, schillers, räubern
Arbeit zitieren
Angelina Selinger (Autor:in), 2011, Philosophischer Hintergrund und bewusstseinsgeschichtlicher Zusammenhang von Literatur und Politik um 1800 am Beispiel von Schillers Räubern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199335

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