Darwiportunismus - Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft


Bachelorarbeit, 2011

37 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Darwinismus: Eine Theorie über die Evolution von Systemen
2.1 Entwicklung des Darwinismus’
2.2 Darwins Theorien
2.3 Interdisziplinäre Anwendbarkeit
2.3.1 Darwinismus im gesellschaftlichen Kontext
2.3.2 Darwinismus im wirtschaftlichen Kontext

3. Opportunismus
3.1 Menschliche Bedürfnisse nach Maslow
3.1.1 Opportunismus bei Defizit-Bedürfnissen
3.1.2 Opportunismus bei Wachstumsbedürfnissen
3.2 Macht- und Leistungsstreben

4. Phänomen des Darwiportunismus
4.1 Wechselwirkung von Darwinismus und Opportunismus
4.1.1 Opportunistische Mitarbeiter und darwinistische Unternehmen
4.1.2 Opportunistische Unternehmen und darwinistische Märkte
4.2 Erscheinungsformen – die Darwiportunismus-Matrix
4.2.1 Mögliche Szenarien der Darwiportunismus-Matrix
4.2.2 Wandel der Szenarien im Zeitablauf

5. Wirtschaft und Gesellschaft
5.1 Vernetzung der Systeme Wirtschaft und Gesellschaft
5.1.1 Darwiportunismus als sozioökonomisches Phänomen
5.1.2 Beidseitige Erwartungen von Wirtschaft und Gesellschaft
5.2 Besondere Verantwortung der Unternehmen
5.2.1 Public Value
5.2.2 Corporate Social Responsibility

6. Beurteilung des Darwiportunismus’ unter ausgewählten philosophischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten
6.1 Utilitaristische Beurteilung
6.2 Abgleich mit der Ethik von Kant
6.3 Ökonomische Leistungsbereitschaft im Darwiportunismus unter Beachtung der Anreiz-Beitrags-Theorie

7. Schlussbetrachtung

Quellen- und Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Grenzen von Systemen und Subsystemen

Abb. 2: Skizze der Opportunismusbereitschaft zur Befriedigung von Bedürfnissen

Abb. 3: Darwiportunismus-Matrix

1. Einleitung

Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich in einem ständigen Wandel. Die Dynamik, mit der die Veränderungen vonstattengehen, scheint sich in den letzten 20 Jahren jedoch sukzessive erhöht zu haben. Zudem kann man sich des Eindrucks nicht erwähren, der Einfluss der Wirtschaft auf das Zeitgeschehen würde ebenfalls stetig zunehmen. Gewiss ist die Menschheit weit davon entfernt, die Wirtschaft als alleinige treibende Kraft oder Mittelpunkt ihres Daseins zu begreifen – mit Ausnahme einzelner Vertreter der Spezies. Dennoch lassen es aktuelle Vorgänge und Geschehnisse aus der jüngeren Vergangenheit als sinnvoll erscheinen, die Rollen von Märkten und Unternehmen, Managern und einfachen Arbeitnehmern kritisch zu hinterfragen und deren Einfluss auf die Gesellschaft zu beurteilen. „In der Wirtschaft geht es nicht gnädiger zu als in der Schlacht im Teutoburger Wald“,[1] stellte Dürrenmatt einst ironisch fest und tatsächlich kämpfen die Akteure in der Wirtschaft mit härteren Bandagen als sich dies im Rahmen der Gesellschaft geziemen würde. Im letzten Jahrzehnt etablierte sich für diesen wirtschaftlichen „Kampf“ der Begriff des „Darwiportunismus“, welcher in diesem Research-Projekt als Vorbereitung zu einer darauf aufbauenden Bachelorarbeit behandelt wird.

Einleitend werden hier dessen beiden Elemente – Darwinismus und Opportunismus – einzeln beleuchtet. Der Darwinismus wird zunächst anhand seiner Entstehungsgeschichte in der Biologie als eine Fachübergreifende Theorie beschrieben, die schließlich auch für die Wirtschaft und Gesellschaft interessant ist. Für Erläuterungen zum Opportunismus, bietet sich anschließend ein Ausflug zu Maslow und McClelland an, zwei Vertreter der Sozialwissenschaften und Arbeitspsychologie. Sowohl die Wechselwirkung zwischen den beiden Elementen als auch deren Synthese wird im Kapitel über das Hauptthema – den Darwiportunismus – beschrieben, wo auch dessen mögliche Erscheinungsformen skizziert sind. Wegen des sozioökonomischen Charakters des Darwiportunismus’ schließen sich daran Ausführungen zu der Verflechtung von Wirtschaft und Gesellschaft an, nicht zuletzt auch wegen des oben angesprochenen wachsenden Einflusses der Unternehmen, deren sozialer Verantwortung besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Abschließend wird der Darwiportunismus einer Beurteilung unter ausgewählten Ansätzen aus Wirtschaftswissenschaften und Philosophie unterzogen, um so einen Teil zum philosophischen Überbau beizutragen, dessen Fehlen mitunter bemängelt wurde.[2]

2. Darwinismus: Eine Theorie über die Evolution von Systemen

Die Natur würfelt nicht! Oder etwa doch? Ausgehend von den Beobachtungen, die der Biologe Charles Darwin gemacht hat, kann man annehmen, dass die natürliche Evolution zwar sinnvoll vonstattengeht, jedoch nicht zwingend ein strikter Plan dahinter steckt. In einer sich stetig ändernden Umwelt findet eine kontinuierliche, zufällige Veränderung ihrer Lebewesen statt. Es überlebt, wer an die momentane Situation (per Zufall) am besten angepasst ist.[3]

Darwins Theorie hat bis heute Gültigkeit. Das Reizvolle an ihr ist, dass sie sich auch über die Grenzen der Natur hinweg auf andere Bereiche, wie die Soziologie (mit Einschränkungen) oder die Ökonomie, übertragen lässt, also auf die Gesellschaft, das Subsystem der Natur, und die Wirtschaft, das Subsystem der Gesellschaft (siehe Abbildung 1). In den nachstehenden Punkten wird der ursprüngliche Darwinismus kurz skizziert, um diesen dann auf Gesellschaft und Wirtschaft – die Spielfelder für den Darwiportunismus im 4. Kapitel – übertragen zu können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Grenzen von Systemen und Subsystemen

2.1 Entwicklung des Darwinismus’

Charles Darwin (1809-1882) studierte zunächst Medizin und Theologie.[4] Er brach 1831 zu einer fünfjährigen Expedition auf, um die Tier- und Pflanzenwelt Südamerikas zu erforschen.[5] Seine Aufmerksamkeit widmete er der Evolution, also der Herkunft und Vermehrung, seiner Forschungsobjekte. Er vollendete den Gedanken der gemeinsamen Abstammung aller Arten, den bereits zuvor Wissenschaftler erörtert haben, wie etwa Lamarck in seiner „Philosophie Zoologique“ um 1801.[6] Demnach seien alle existierenden Arten – auch der Mensch – durch Variation, Selektion und Retention aus anderen, früher vorhandenen Lebensformen hervorgegangen.[7] Obwohl Darwins Theorien in ähnlicher Form schon existierten (eben von Lamarck zuvor bzw. Spencer zur etwa selben Zeit), sind sie bis dato nie so öffentlichkeitswirksam wie in seinem „On the Origins of Species“[8] präsentiert worden, was schließlich zu dem Überbegriff „Darwinismus“ führte.

2.2 Darwins Theorien

Ausgehend von der Annahme, dass alle Arten von einer einzigen abstammen, besagt Darwins Variationstheorie, dass sich die eine Art im Laufe der Zeit verändert haben muss. Das heißt, es hat innerhalb der Art zufällige, individuelle Variationen gegeben, die sich für die gegebene Umwelt zunächst als passend erwiesen. Die Variationen sind dabei auf individuelle Anpassungen an zuvor herrschende Lebensbedingungen zurückzuführen, so kann z.B. die Form der Nahrung die Farbe, oder das Klima die Dicke der Haut beeinflussen.[9] Die Variation ist nicht teleologisch[10], da sie kein absolutes Optimum sondern einen momentan akzeptablen Zustand anstrebt. Neben einer progressiven Evolution kann demnach auch eine degressive stattfinden.[11]

In Konsequenz dazu beschreibt Darwin die Selektionstheorie. Da alle Individuen im Konkurrenzkampf mit anderen Individuen derselben Art stehen und sich gleichzeitig mit einer Bedrohung durch physische Einflüsse aus ihrer weiteren Umwelt konfrontiert sehen, sei das Fortbestehen von Individuen mit günstigeren Varietäten und die Zerstörung derer mit nachteiligen wahrscheinlich. Darwin nennt dies „Der Kampf ums Dasein“ oder nach Spencer auch „Überleben des Passendsten“ („survival of the fittest“).[12] Wer oder was schließlich nicht ausselektiert wird, überlebt und kann seine bis dahin individuelle Unterschiedlichkeit durch Vermehrung weitergeben (Retention). Die ehemalige Variation besteht solange fort, bis sie sich für veränderte Umweltgegebenheiten als unpassend erweist und der Selektion zum Opfer fällt.

Nochmals verkürzt zusammengefasst: Darwins Theorien beschreiben unter der Annahme der gleichen Abstammung aller Arten einen kontinuierlichen, nicht teleologischen Prozess, beginnend mit der Ausbildung von individuellen Unterschieden (Variationstheorie), die Entscheidung der Umwelt über Fortbestehen und Vernichtung (Selektionstheorie) und infolge dessen das Überleben von Organismen und Varietäten (Retention).

2.3 Interdisziplinäre Anwendbarkeit

Darwins Theorie, die sich aus seinen Beobachtungen der Natur ableitete, kann auch auf das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem übertragen werden. Während die Wirtschaft zwar gänzlich vom Menschen selbst konstruiert ist und demnach den von ihm entworfenen Regeln folgt, entstammt die Gesellschaft ursprünglich der Natur, erfuhr allerdings beständige menschliche Beeinflussung und Veränderung. Trotz des Elements Mensch bzw. dessen Verstandes, müssten sich entgegen sozialer oder auch temporärer kommunistischer Bestrebungen sowohl in der Wirtschaft als auch in der Gesellschaft auf mittel- bis langfristige Sicht theoretisch darwinistische Tendenzen beobachten lassen, welche ähnlich denen des maßgeblichen Systems der Natur sind. Exponentiell schwindenden Ressourcen und die sich derzeit mit erhöhter Geschwindigkeit ändernden Umweltbedingungen in der Natur legen dies nahe. Bereits Malthus beschrieb einen umso stärkeren Konkurrenz- und Verdrängungswettbewerb, je dichter man sich den Grenzen des Wachstums nähert.[13] Die Versuche des Menschen, auch der Natur und ihren Gesetze seine Handschrift aufzudrücken, sind entweder gescheitert, oder entsprechen objektiv betrachtet bisweilen einem Pyrrhussieg.

2.3.1 Darwinismus im gesellschaftlichen Kontext

„Die Gesetzmäßigkeiten der Artenentwicklung transformieren sich in die Gesetzmäßigkeiten der historischen Gesellschaftsentwicklung“, bemerkte Bucharin zur Genese der Gesellschaft und des damit einhergehenden Sozialdarwinismus, gut ein halbes Jahrhundert nach Aufkommen darwinistischer Strömungen.[14] Im Zusammenhang mit der Gesellschaft mutet die Betrachtung des Darwinismus’ sehr komplex an. Einerseits lassen sich hier die typischen darwinistischen Mechanismen der Veränderung und Selektion erkennen, beispielsweise bei persönlichen Präferenzen bezüglich der Freundes- und Partnerwahl oder auch bei weniger beeinflussbarem wie Schichtzugehörigkeit und Bildung. Andererseits wird aus Gründen der Menschlichkeit und Nächstenliebe versucht, den Darwinismus zu entschärfen. So sollen etwa die Selektionsopfer aus Natur und Wirtschaft[15] aufgefangen werden, da trotz aller Selektion keine physischen Opfer erwünscht sind. Die Vorstellung eines allgemeinverträglichen Darwinismus’ in der Gesellschaft entspricht heute einem lebensbejahenden „Sozialdarwinismus“.

Zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und ca. 1960 war dem vielerorts nicht so. Es herrschte die Überzeugung, die Biologie könne hinsichtlich der Gesellschaft zu elementaren Einsichten führen, woraufhin sich die landläufige Meinung entwickelte, man könne die Natur „unterstützen“. In etlichen Ländern thematisierte und praktizierte die Öffentlichkeit Rassenhygiene, soziale Selektion oder Eugenik. Einzelne Elemente aus Biologie und Soziologie wurden zunehmend vermischt und bald ging es nicht mehr nur darum, etwa den Kreis seiner Nächsten nach persönlichen Präferenzen zu selektieren (soziale Komponente), sondern es wurde aktiv nach angeborenen „Schwächen“ bei Personen gesucht, welche für die Gesellschaft als unpassend angesehen wurden (biologische Komponente). Menschen selektierten also andere Menschen. Den Tiefpunkt markiert dabei das nationalsozialistische Deutschland vor und während dem 2. Weltkrieg. Darwins Theorien stießen hier auf besonders starkes Interesse und wurden als Legitimation für die Nazi-Ideologie herangezogen.[16]

Am Ende des extremen und aus heutiger Sicht zweifellos unmenschlichen Sozialdarwinismus’ standen in Europa die Konventionen zum Schutz der Menschenrechte und in Deutschland der wieder erstarkte Sozialstaat. Die von den Vereinten Nationen 1948 deklarierten Menschenrechtskonventionen versichern jedem Menschen das Recht auf Leben[17] und verurteilen so eine vom Mensch ausgehende Selektion oder schlicht Mord aus ideologischen Beweggründen. Die Gewährleistung einer würdigen Ausübung dieses Rechts ist Aufgabe von Sozialprogrammen. Da das Leben an sich heute eng mit gesellschaftlicher Teilhabe verbunden ist und diese wiederum mit der aus dem Wirtschaftssystem resultierenden Kaufkraft, muss die Kaufkraft für Menschen, die im Wirtschaftssystem selektiert wurden, auf einem gewissen Niveau gehalten werden. Im Sozialstaat Deutschland kommen dieser Aufgabe derzeit noch die Renten- und Arbeitslosenversicherung nach. Der Sozialstaat selbst finanziert sich aus denjenigen, die noch im Wirtschaftssystem aktiv sind und nicht selektiert wurden. Die Tendenz scheint jedoch dahin zu gehen, dass eine kleiner werdende Gruppe von Gewinnern eine größer werdende Gruppe von Verlieren zu versorgen hat.[18]

2.3.2 Darwinismus im wirtschaftlichen Kontext

Der Wettbewerb in der Wirtschaft ist dem der Natur prinzipiell sehr ähnlich. Die Variationen sind hier Innovationen – zum Teil mit Retro-Charakter – und die Entscheidung, wer am besten an den Markt angepasst ist, verläuft oft ähnlich willkürlich, wenngleich auch Unternehmen Versuche zur Anpassung aktiver betreiben als Flora und Fauna. In Zeiten der Globalisierung und der zusammenwachsenden Märkte tritt der Darwinismus in der Wirtschaft nochmals deutlicher zu Tage als in der Natur. Es verschwinden räumliche Nischen. Zuvor konnten Unternehmen durch territoriale Unterschiede Konkurrenz, ausgehend von anderen Unternehmen mit gleichen oder ähnlichen Ansprüchen, verhindern.[19] Wo früher auf vielen lokalen Märkten „nur“ ökonomische Schlachten verloren wurden, droht heute dank immer besserer Vernetzung eine Niederlage im Krieg um den einen globalen Markt. Oder weniger pathetisch ausgedrückt: Durch das Aufbrechen von Marktgrenzen scheint sich vielerorts ein Wandel vom Oligopol hin zum Polypol vollzogen zu haben.

Ginge man hier nun weiterführend von einem vollkommenen, globalen Markt aus, könnte dabei auch ein purer Darwinismus in der Wirtschaft angenommen werden. Der Weltmarkt wäre bestimmt von sich ständig verändernden Umweltbedingungen in Form von pluralistischen Präferenzen der Nachfrager, den Anstrengungen der Unternehmen sich daran anzupassen und der Selektion von Unternehmen durch ausbleibende Nachfrage. Dies wäre für Absatz-, Beschaffungs- und Personalmarkt gleichermaßen der Fall.

Tatsächlich kann man jedoch kaum von einem vollkommenen Markt ausgehen. Es bestehen beispielsweise trotz besserer Vernetzung nach wie vor Zugangsbeschränkungen, etwa in Form von Embargos. Noch wesentlicher ist jedoch, dass Unternehmen nicht zwingend nach den komplexen Regeln des Darwinismus’ spielen. Sie versuchen mögliche Selektionskriterien der Nachfrager aktiv zu beeinflussen, da für sie oftmals nicht die Befriedigung von Kundenwünschen, sondern letztendlich nur der eigene wirtschaftliche Erfolg im Vordergrund steht. Auf der Suche nach dem optimalen Weg zur Erreichung ihres obersten Ziels manipulieren sie so zum Teil ihre Umwelt durch geschicktes Marketing auf breiter Front.[20] Andererseits gibt es auch Ansätze, die – analog zur Natur – konsequent auf den Markt statt auf Planung setzen.[21] Eine solche Vorstellung ist sicherlich interessant, erkannte doch schon Einstein, dass Planung den Zufall nur durch Irrtum ersetze. Um mitunter schnelllebige Nachfrageentwicklungen nicht zu verpassen, wäre dann aber auch eine Reaktionsgeschwindigkeit gefordert, die utopisch hoch sein müsste. Eine aktive Antizipation des Marktes und dessen Selektionskriterien erscheint somit fast unumgänglich.

3. Opportunismus

Unter Opportunismus versteht man ein ambivalentes Verhalten von Individuen oder Gruppierungen, welches unter gegebenen Umständen zur Erreichung eigener Ziele führt. In den Wirtschaftswissenschaften findet eine Erweiterung des Begriffs statt. Hier werden Verhaltensweisen zwischen einem Vorgesetzten oder dem Unternehmen allgemein („Principal“) und dem Mitarbeiter („Agent“) beschrieben. Der Agent handelt dabei nach seinen eigenen Motiven, da er keine oder wenig Nachteile für sich sieht, etwa durch Ignorieren oder Tolerieren seiner Handlung durch den Principal, oder er seinen eigenen Vorteil als so groß erachtet, dass er drohende Sanktion in Kauf nimmt. Es besteht jedoch die grundsätzliche Annahme, dass dem Principal durch das opportunistische Handeln des Agents ein Schaden entstehen kann.[22]

Die Motive für Opportunismus können verschiedenste Ursprünge haben. Sie sollen hier zunächst von Maslows allgemeinen Überlegungen zu den Bedürfnissen des Menschen abgeleitet werden, um so einen Rückschluss darauf zu geben, wann von Natur aus von einer erhöhten Bereitschaft zu opportunistischem Verhalten auszugehen ist. Zudem wird das Streben nach Macht und Leistung betrachtet, von dem ausgehend man in Wirtschaft und Gesellschaft am ehesten Opportunismus erwartet.

3.1 Menschliche Bedürfnisse nach Maslow

Menschliches Handeln lässt sich im Allgemeinen auf menschliche Bedürfnisse zurückführen. Je nachdem, welche Art von Bedürfnis befriedigt werden soll, kann opportunistisches Verhalten zielführend sein oder nicht. Die Intensität des praktizierten Opportunismus’ ist dementsprechend anzupassen. Anhand des qualitativen Modells der Antriebsstruktur von Maslow lässt sich eine mögliche Zuordnung des Opportunismus’ zu verschiedenen Bedürfnissen skizzieren.

Maslows Theorie beschreibt fünf hierarchische Bedürfnisstufen: Physiologische Bedürfnisse (physiological needs), Sicherheitsbedürfnisse (safety needs), Zugehörigkeitsbedürfnisse (love needs, social needs), Wertschätzungsbedürfnisse (ego needs, self-esteem needs) und Selbstverwirklichungsbedürfnisse (self-actualization needs). Ist das Bedürfnis einer Stufe befriedigt, geht von diesem keine Motivation zu weiteren Handlungen aus und das Individuum strebt die Befriedigung des Bedürfnisses der nächst höheren Stufe an. Zudem besteht in der Hierarchie eine etwas unscharfe Zuordnung der unteren dreieinhalb Stufen zu den Defizit-Bedürfnissen und der oberen eineinhalb zu den Wachstumsbedürfnissen.[23] Vereinzelte Kritik an diesem Modell, wie die Einteilung der Bedürfnisse in hierarchische Stufen oder der Verlust der Motivationswirkung von Bedürfnissen nach deren Befriedigung[24], ist wohl berechtigt, wird hier für die skizzenhafte Zuweisung von opportunistischem Potenzial jedoch als nicht ausschlaggebend angesehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Skizze der Opportunismusbereitschaft zur Befriedigung von Bedürfnissen

3.1.1 Opportunismus bei Defizit-Bedürfnissen

Den Defizit-Bedürfnissen lassen sich physiologische, Sicherheits-, Zugehörigkeits- und zum Teil die Wertschätzungsbedürfnisse (ego-needs) zuordnen. Einzelne Beispiele sind in hierarchischer Reihenfolge Selbst- und Arterhaltung, Sicherung des Erreichten, Kontakt zu Mitmenschen und Eingliederung in eine Gruppe, sowie Aufmerksamkeit und Anerkennung durch andere.[25]

Die Defizit-Bedürfnisse sind im Menschen einheitlich veranlagt. Hinsichtlich ihrer Befriedigung besteht eine beträchtliche Abhängigkeit von Dritten bzw. der Umwelt, deren Wünsche und Launen, aber auch Regeln und Gesetze berücksichtigt werden müssen. Das Individuum ist also zu einem gewissen Grad außengeleitet,[26] muss flexibel reagieren und sich an die äußeren Gegebenheiten anpassen können. „Er [der Mensch, Anm. d. Verf.] selbst ist die abhängige Variable; die Umwelt ist die feste, unabhängige Variable.“[27] Die Abhängigkeit wirkt sich auf den zwischenmenschlichen Umgang – egal ob im privaten oder im beruflichen Leben – aus. Der defizit-motivierte Mensch verhält sich fordernder und beurteilt andere nach deren Nützlichkeit als Bedürfnis-Befriediger. Wer dabei die Rolle des Bedürfnis-Befriedigers einnimmt, ist gleichgültig.[28]

[...]


[1] Vgl. www.zitate.de.

[2] Vgl. Schneider (2007), S. 22.

[3] Vgl. Reif (2001), S. 263-267.

[4] Vgl. Barlow (2008), S. 55-74.

[5] Vgl. ebenda, S. 80-92.

[6] Vgl. ebenda, S. 15 f.

[7] Vgl. Darwin (2008), S. 39.

[8] Englischer Orginaltitel: „On the Origins of Species by Mean of Natural Selections, or the Pre servation of Favoured Races in the Struggle for Life“.

[9] Vgl. Darwin (2008), S. 40 f.

[10] Teleologisch: Zielgerichtet.

[11] Vgl. Reif (2001), S. 267.

[12] Vgl. Darwin (2008), S. 94-170.

[13] Vgl. Rieß (1994), S. 69.

[14] Bucharin (1932), S. 149.

[15] Vgl. Scholz (2003), S. 98.

[16] Vgl. Laubichler (2001), S. 229 ff.

[17] Vgl. Kanzlei des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (2010), S. 2.

[18] Vgl. Scholz (2003), S. 18 f.

[19] Vgl. Vollmer (1999), S. 132.

[20] Vgl. Reif (2001), S. 268.

[21] Vgl. Scholz (2003), S. 41 f.

[22] Vgl. Kauth (2007), S. 70.

[23] Vgl. Maslow (1992), S. 37-42; Scholz (2000), S. 878.

[24] Vgl. Scholz (2000), S. 880 f.

[25] Vgl. Scholz (2000), S. 878.

[26] Maslow nennt „außengeleitet“ äquivalent zu dem, was Allport als „opportunistisch“ begreift, vgl. dazu Maslow (1992), S. 50.

[27] Maslow (1992), S. 49.

[28] Vgl. Maslow (1992), S. 48-51.

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Darwiportunismus - Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft
Hochschule
Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten
Veranstaltung
Researchprojekt im Rahmen der Bachelorarbeit
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
37
Katalognummer
V196201
ISBN (eBook)
9783656221784
Dateigröße
635 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Darwiportunismus, Darwinismus, Opportunismus, Arbeitszufriedenheit, Shared Value, Public Value, CSR
Arbeit zitieren
Manuel Steber (Autor:in), 2011, Darwiportunismus - Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/196201

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