Schleiermacher - Über das Wesen der Religion


Hausarbeit, 2005

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Wesen der Religion nach Schleiermacher
2.1. Die Eigenständigkeit der Religion gegenüber Philosophie und Moral
2.2. Was ist Religion?
2.2.1. Das Universum
2.2.2. Anschauung und Gefühl
2.2.3. Gemüt und Sinn
2.2.4. Konkretisierung der Anschauung: Natur, Menschheit und Geschichte
2.3. Zusammenfassung

3. Die Utopie

4. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Hat von Euch jeder seinen Ring von seinem Vater: So glaube jeder sicher seinen Ring den echten. – Möglich; dass der Vater nun die Tyrannei des Einen Rings nicht länger in seinem Hause dulden wollen! – Und gewiss; Dass er euch alle drei geliebt, und gleich geliebt. (Lessing – Nathan der Weise)[1]

1. Einleitung

Mit seinem Projekt Weltethos will Hans Küng zur Schaffung einer friedlicheren Welt beitragen. Wenn er darin schreibt: „Kein Weltfriede ohne Religionsfriede“[2], so könnte ein Religionsverständnis im Sinne Schleiermachers dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

2. Das Wesen der Religion nach Schleiermacher

Der Begriff „Religion“ wurde im ausgehenden 18. Jahrhundert zwar von aller Welt verwendet, seine genaue Bedeutung war jedoch nur unscharf umrissen. Schleiermacher schlägt daher für seine Zeit recht unkonventionelle Wege ein, wenn er sich in der zweiten Rede daran macht, die Frage: Was ist Religion? zu beantworten und somit eine Begriffsbestimmung zu liefern.[3] Er möchte seinen Lesern zeigen, dass der Religion „eine eigne Provinz im Gemüte angehört“[4]. Dazu hält er es für notwendig, die Umrisse der Religion, ihre Gestalt, klar zu zeichnen, sie also gegenüber anderen Disziplinen abzugrenzen. Es soll deutlich werden, dass sie „ein himmlisches Wesen“[5] besitzt.

Das erste Problem, das sich beim Versuch einer Bestimmung des Begriffs Religion ergibt, ist, dass die Religion laut Schleiermacher nirgends mehr unvermischt angetroffen werden kann. Überall wo man hinsieht, ist sie durch Metaphysik, also Philosophie, und Moral verdünnt. Schleiermacher grenzt daher im folgenden die drei Bereiche gegeneinander ab und weist ihnen ihr jeweiliges Gebiet zu.

2.1. Die Eigenständigkeit der Religion gegenüber Philosophie und Moral

Mengt aber und rührt, wie Ihr wollt, dies geht nie zusammen.[6]

Metaphysik, Moral und Religion speisen sich alle aus einer gemeinsamen Quelle; oder anders gesagt, sie haben alle „denselben Gegenstand“, den „gleichen Stoff“[7], von dem sie ausgehen. Diesen Stoff nennt Schleiermacher: das Universum. Allein damit ist es jedoch noch nicht getan, denn soll aus diesem Stoff etwas entstehen, so bedarf es des Menschen und seines Verhältnisses zu dem Stoff, also zum Universum. Dieser gemeinsame Bezugspunkt ist nach Schleiermacher auch der Grund für die gegenseitige Durchmischung der drei Bereiche.

Damit sich Religion also von den anderen zwei Disziplinen unterscheiden kann, muss sie den gegebenen gleichen Stoff einerseits anders behandeln, eine eigene Methodik anwenden, andererseits muss das Verhältnis von anderer Art sein.

Die Metaphysik „klassifiziert das Universum“[8], sie unterteilt, bestimmt, setzt und erklärt. Sie sucht nach Gründen, Gesetzen, nach letzten Ursachen und ewigen Wahrheiten. Die Religion aber darf sich nicht „in dieses Gebiet […] versteigen“, sich nicht „in ein Unendliches […] verlieren“[9]. Die Moral dagegen „entwickelt […] ein System von Pflichten“, sie erschafft Handlungsgebote, einen „Kodex von Gesetzen“[10]. Auch dies darf die Religion nicht aus dem Universum ableiten.

So stellt sich – nach dieser Negativbestimmung, auf welche Weise die Religion das Universum nicht behandeln darf – nun freilich die Frage nach der ihr gemäßen Herangehensweise.

2.2. Was ist Religion?

Nicht der hat Religion, der an eine heilige Schrift glaubt, sondern, welcher keiner bedarf und wohl selbst eine machen könnte.[11]

2.2.1. Das Universum

Genau wie Philosophie und Moral hat Religion ihren Ausgangspunkt nach Schleiermacher im Universum. Franz Courth hat die Bedeutungsvielfalt des Schleiermacherschen Universum-Begriffs aufgelistet; als Synonyme für Universum verwendet Schleiermacher demnach: „das Unendliche, das Unermessliche, die unendliche, lebendige Natur, die unendliche Natur des Ganzen, des Einen und Allen, Weltgeist, Geist, der das Ganze leitet, das Heilige, das Unsichtbare, die lebendigen Götter, die Gottheit. Das Universum ist das alles Seiende, Welt, Geschichte und Menschheit“[12].

Das Universum ist aktiv und handelnd, es ist in „einer ununterbrochenen Tätigkeit“[13] begriffen. In jedem Augenblick offenbart es sich dem Menschen. Der Mensch hingegen übernimmt in der Wechselbeziehung zwischen ihm und dem Universum die passive, rezipierende Rolle.

Das Universum ist also der gemeinsame Bezugspunkt der drei Disziplinen, darüber hinaus unterscheiden sie sich jedoch in der Art, wie sie es behandeln. Schleiermacher will daher „mit dem schneidenden Gegensatz anheben, in welchen sich die Religion gegen Moral und Metaphysik befindet“[14].

2.2.2. Anschauung und Gefühl

Nicht wie die Metaphysik denken, sondern das Universum „belauschen“ will die Religion; nicht aktiv handeln wie die Moral will sie, sondern sich „ergreifen und erfüllen lassen“[15]. Ihrem Wesen nach besteht sie daher aus Anschauung und Gefühl. Und im Gegensatz zu Metaphysik und Moral geht sie nicht vom Menschen als Mittelpunkt aus, um von dort dann das Universum zu betrachten, sondern sie sieht den Menschen als nur eine einzige von unendlich vielen möglichen Erscheinungsformen des Universums an. (Man könnte also vielleicht sagen, dass für sie das Universum das Maß aller Dinge ist.)

Anschauung „ist die allgemeinste und höchste Formel der Religion“, sie ist deren „Angel“[16]. Bedingung für die Möglichkeit etwas anzuschauen ist laut Schleiermacher, dass das Angeschaute aktiv auf den Anschauenden einwirkt, dass es ihn reizt. Der Mensch nimmt in der religiösen Anschauung somit eine Handlung, die das Universum an ihm vollzieht, wahr. Jede Form solch einer Handlung des Universums am Menschen kann also prinzipiell zu einem religiösen Erleben führen; wichtig dabei ist nur, dass „alles Beschränkte als eine Darstellung des Unendlichen“[17] hingenommen wird.

Wissen, Glauben oder Denken hingegen gehen schon über das bloße Anschauen hinaus und gehören folglich auch nicht mehr in den Bereich der Religion. Anschauung vollzieht sich unmittelbar, keine Denkinstanz ist Wahrnehmendem und Wahrgenommenem zwischengeschaltet oder andersartig involviert. Daher ergibt sich auch keinerlei Zusammenhang aus dem Angeschauten; das Entstehen[können] eines Systems gehört nicht mehr ins Gebiet der Religion. Schleiermacher bringt den Gedanken der Zusammenhangslosigkeit auf den Punkt, wenn er fragt: „Könnt Ihr sagen, man muss dieses so sehen, weil man jenes so sehen musste?“[18] Das Universum drängt sich dem passiv betrachtenden Menschen förmlich auf, es offenbart sich ihm in unendlicher Mannigfaltigkeit. Und wenn Schleiermacher dann noch schreibt: „Wenn Tausende von Euch dieselben religiösen Anschauungen haben könnten, so würde gewiss jeder andere Umrisse ziehen […]“[19], so zeigt sich, dass auch der einzelne Mensch, aufgrund seines individuell je verschiedenen Blickwinkels, für die Einmaligkeit einer jeden Anschauung mitverantwortlich ist. Für sich genommen ist jede Anschauung, jedes Einzelne daher auch wahr und notwendig.

[...]


[1] Lessing, Nathan der Weise, S. 82

[2] Hans Küng, Projekt Weltethos, S. 13

[3] Kurt Nowak, Schleiermacher, S. 97

[4] Schleiermacher, Über die Religion, S. 37

[5] ebd., S. 39

[6] ebd., S. 44

[7] ebd., S. 41f.

[8] ebd., S. 42

[9] ebd., S. 42

[10] ebd., S. 43

[11] ebd., S. 122

[12] Franz Courth, Das Wesen des Christentums in der Liberalen Theologie, S. 42

[13] Schleiermacher, Über die Religion, S. 56

[14] ebd., S. 50

[15] ebd., S. 50

[16] ebd., S. 55

[17] ebd., S. 56

[18] ebd., S. 59

[19] ebd., S. 61

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Schleiermacher - Über das Wesen der Religion
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Veranstaltung
Schleiermacher - Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
14
Katalognummer
V49191
ISBN (eBook)
9783638457118
ISBN (Buch)
9783656205364
Dateigröße
482 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schleiermacher, Wesen, Religion, Schleiermacher, Religion, Reden, Gebildeten, Verächtern
Arbeit zitieren
Joachim Waldmann (Autor:in), 2005, Schleiermacher - Über das Wesen der Religion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49191

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