Suggestionen und Hinweise - Stanley Kubricks Einsatz von Musik in 'Eyes Wide Shut'


Hausarbeit, 2007

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Prämissen
2.2 Eyes Wide Shut und die Musik
2.2.1 Jazzstandards und Tanzmusik
2.2.2 Jocelyn Pook und György Ligeti
2.3 Das Netz der Bedeutungen in Eyes Wide Shut
2.3.2 Film: Blume in Love
2.3.3 Literatur: Shadows on the Mirror

3. Schluss

1. Einleitung

Nach den Gründen für den Erfolg eines Filmemachers zu fragen, ist ein kompliziertes Unterfangen. Schon die Überlegung, wem diese Aufgabe anzuvertrauen wäre, kann den Ausgang der Untersuchung wesentlich verändern. So ist der Verweis auf die Soziologie ebenso nachvollziehbar wie die Berücksichtigung kulturwissenschaftlicher Paradigmen. Auch der Blick auf die formale Struktur eines Werkes ist eine mögliche und ebenso sinnvolle Annäherung an einen Film und seinen Erfolg. Bei Stanley Kubrick lassen sich zwei fundamentale Grundlagen für die Beantwortung dieser Frage eruieren. Sein Oeuvre exemplifiziert paradigmatisch die Heterogenität eines narrativen Erzählmodells, das sich in seinem komplexen Verfahren eindeutigen Interpretationen verweigert. Auf der anderen Seite sind sowohl selbsternannte Filmliebhaber gleichermaßen fasziniert von seinen Werken wie gewöhnliche Kinogänger, die mit dem Anspruch auf Unterhaltung an einen Film herantreten und nicht zuletzt für den kommerziellen Erfolg verantwortlich zeichnen. Das Spiel der Mehrdeutigkeit scheint sich im Kubrick’schen Werk als das stilbildende Element aufzudrängen, die erzählerische Stringenz bleibt davon jedoch unberührt.

Eyes Wide Shut, der in dieser Hausarbeit diskutierte Film, ist in seiner Polyvalenz kein Einzelfall, wobei die narrative Struktur eine Spur komplexer daherkommt als bei den Vorgängern Clockwork Orange oder The Shining. Schon der Titel spielt auf oxymoronische Zweideutigkeiten an, die - bevor es überhaupt zu einer Sichtung kommt - den geneigten Zuschauer mit einer Paradoxie konfrontieren: Die Augen weit geschlossen – Nomen est Omen?

Diese Hausarbeit lässt sich auf das von Kubrick mysteriös antizipierte Motto ein, das vom Interpreten selbstinitiatorisch aufgedeckt, analysiert und interpretiert werden muss, um es in Gänze zu erkennen. Die Musik soll im Zentrum dieser Untersuchung stehen; narrative Phänomene werden außer Acht gelassen, außer sie beziehen sich auf den Einsatz musikalischer Mittel und erhellen die Intention der hier gewählten Lesart. Nach einer spannenden Auseinandersetzung mit den variierenden Klangkonstellationen, die im Film auftauchen und sich jeweils abwechseln, soll die von Kubrick favorisierte Hinweismentalität ergründet werden, die genauso wenig Schlüssel für das allumfassende Verständnis sein kann wie andere Interpretationsansätze.

Aufgabe ist es vielmehr, jene Hinweise als potenzielle Anspielungen herauszuarbeiten und sie zur Diskussion zu stellen. Am Ende muss der Leser selbst entscheiden, wie viel Zufall bei Kubricks vermeintlichen Andeutungen steckt und wie viel geschickt durchdachte Intention.

2. Hauptteil

2.1 Prämissen

Stanley Kubrick war bekannt dafür, dass er seine Dreharbeiten mit großer Akribie und detaillierten Untersuchungen vorbereitete. Diese intensive Recherche wird meist im Verborgenen, im Hintergrund seiner Filme sichtbar - in Form von Gegenständen, die den inhaltlichen Ablauf leise kommentieren, oder durch das unscheinbare Platzieren verschlüsselter Symbole und kurios montierter Geräusche[1], die sich allesamt erst beim genauen Hinsehen und Hinhören lokalisieren lassen. Meist aber sind es Querverweise auf Kubricks ältere Filme, die humorvoll Filmrealität und außerfilmische Wirklichkeit kontrastieren. Mit einem Augenzwinkern wird dem Zuschauer nahe gelegt, dass sich ein Film immer als Konstruktion offenbart, als ein künstlerisches Produkt, das einer schöpferischen Idee entstammt. Dabei lässt sich der genaue Sinn dieses Spiels nie ganz entschlüsseln. So hat die Filmwissenschaft keine einleuchtende Erklärung dafür gefunden, weshalb in Kubricks neueren Filmen der Topos des Spiegels wiederholt in den Ablauf der filmischen Handlung eingeflochten wird. Auch die in neueren Filmen gestalteten Räumlichkeiten und Settings scheinen sich auf ältere Filme zu beziehen. Sowohl Stilistik als auch die räumliche Anordnung geben Hinweise darauf. Der hermeneutische Vergleich negiert dabei Analogien auf narrativer Ebene. Jenseits der optischen Bezüge lässt sich keine Intention in konventioneller Machart und Eindeutigkeit ermitteln. Deshalb lässt sich nur spekulieren, was Kubrick mit dieser Art von Selbstzitat-Technik bezweckte. Vielleicht beabsichtigte er lediglich, seine besonders engagierten, investigativen und fantasievollen Zuschauer aufs Glatteis zu führen, um herauszufinden, welche potenziellen Bedeutungen und Suggestionen destilliert werden und welche Interpretationen daraus folgen.

Ein ewig diskutiertes Thema ist die Vorliebe Kubricks für den Walzer. Hunderte Indizien wurden von der Filmwissenschaft zusammengetragen und dennoch überzeugt keine Deutung bis aufs letzte. Es wurden Vergleiche zwischen dem Rhythmus des Walzers und den untersuchten Filmsequenzen unternommen; es wurde nach historischen Parallelen in den Biographien der Protagonisten gesucht – all diese Unternehmungen führten ins Leere. Deshalb wurde nach jenem verlorenen Kampf (der nie sinnlos verloren sein will) innerhalb der Filmwissenschaft gemutmaßt, Kubrick hätte wahrscheinlich seine Vorliebe für klassische Musik, insbesondere seine Vorliebe für den Walzer in seinen Filmen zum Ausdruck gebracht. Mit einer derart simplen Erklärung gibt sich ein Musikwissenschaftler ungern zufrieden, was womöglich den Ausschlag für die zahlreichen, auch in den letzten Jahren vermehrt publizierten Musikinterpretationen gab. Dennoch ist diese einfache Lesart, wie unspektakulär sie auch sein mag, eine durchaus mögliche Erklärung für den häufig herbeizitierten Walzer, der sich wie ein roter Faden durch das Werk Kubricks zieht.

Bevor Stanley Kubrick die Filmarbeiten zu Eyes Wide Shut beendete, verriet er seinem Freund Steven Spielberg die Pläne für das nächste große Projekt. Es sollte die technischen, in die Zukunft weisenden Möglichkeiten menschlicher Gentechnik und die damit zusammenhängenden Auswirkungen für den emotionalen Umgang in einer einbrechenden, technologisch geprägten Gesellschaft thematisieren. Künstliche Intelligenz, so der geplante Titel des Films, konnte von Kubrick nicht mehr umgesetzt werden, da er kurz nach den Dreharbeiten zu Eyes Wide Shut verstarb. Steven Spielberg nahm sich dieses Vermächtnisses an und entwickelte, von den Skizzen Kubricks angeregt, das Filmprojekt vom Drehbuch bis hin zur Regie. Die Komposition der Filmmusik realisierte John Williams, der in der Vergangenheit in zahlreichen Spielberg-Filmen mitwirkte. Auf der Bonus-DVD zum Film benennt er in einem Interview, welche Hinweise Kubrick dem Komponisten hinterließ:

„[...] You have a snippet of Tschaikowsky [in this film]. A bit of Rosenkavalier when they go into Rouge City. Incidentally, this Richard Strauss quotation was the one piece of music, Kubrick requested Steven leave in the film. We don’t know why. The waltz from Rosenkavalier. It was something in Kubrick’s mind. We don’t know why. It was the one thing he stipulated. That Strauss melody in some area. It was difficult to find where it fit. There’s a section of about 30 seconds, where they drive into Rouge City, where, on top of my music I threaded the waltz from Rosenkavalier as an homage to Kubrick, without realizing what the connection was.”[2]

Das von John Williams angedeutete Unverständnis kann im Kontext dieser Hausarbeit ebenso in ein positives Urteil umgedeutet werden. John Williams vertritt als ein Komponist Hollywoods den Anspruch, Filmmusik dem Drehbuch und den Wünschen des Regisseurs anzupassen und den musikalischen Ablauf den filmischen Anforderungen zu unterwerfen. Deshalb spricht er von Problemen bei der Berücksichtigung des Rosenkavalier-Walzers. In einem futuristischen Film, der sich vor allem durch seine utopischen Science-Fiktion-Visionen auszeichnet, mag ein klassisches Musikstück aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts nicht so recht überzeugen. Williams bedient sich eines Tricks, der seinem Bedenken Ausdruck verleiht. Er gleicht den Rosenkavalier-Walzer der restlichen Komposition an und verfremdet die Musik durch technische Eingriffe. So entsteht der Eindruck, es handele sich hier um ein Stück Musik aus der Zukunft, die ähnlich „postmodern“ (Williams’ Worte) daherkommt wie der übrige Rest der Filmkomposition. Der musikalisch wenig beflissene Zuschauer realisiert also nicht, dass es sich hierbei um einen klassischen Walzer des Wien um 1900 von Richard Strauss handelt.

[...]


[1] Ein Beispiel ist das Ticken einer Uhr, das sowohl in The Shining als auch in Eyes Wide Shut in vergleichbaren Kontexten aus dem Hintergrund ertönt.

[2] Bonus-DVD: Steven Spielberg: A.I., Künstliche Intelligenz, Kapitel: Der Ton und die Musik von A.I., Musik, Warner Home Video 2002, 00:01:25-00:02:30.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Suggestionen und Hinweise - Stanley Kubricks Einsatz von Musik in 'Eyes Wide Shut'
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V78744
ISBN (eBook)
9783638846691
ISBN (Buch)
9783656191575
Dateigröße
443 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit analysiert Stanley Kubricks Musikeinsatz in Eyes Wide Shut. In der Arbeit werde Erkenntnisse zusammen getragen, die in keiner anderen Publikation zu finden sind.
Schlagworte
Suggestionen, Hinweise, Stanley, Kubricks, Einsatz, Musik, Eyes, Wide, Shut
Arbeit zitieren
Tomasz Kurianowicz (Autor:in), 2007, Suggestionen und Hinweise - Stanley Kubricks Einsatz von Musik in 'Eyes Wide Shut', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78744

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