Werbung als öffentliche Kommunikation - Veränderte Geschlechterrollen in der Werbewelt


Diplomarbeit, 2010

148 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Werbung und Kommunikation
2.1. Kommunikation
2.2. Werbung
2.2.1 Werbung als Teil des Funktionssystems der Massenmedien
2.2.2. Die Strategie der Benetton Werbung
2.2.3. Werbewirkung
2.3. Das Image einer Marke
2.3.1. Imagetransfer
2.4. Zielgruppe
2.5. Fernsehen als Werbemedium

3. Der Gender- Begriff
3.1. Exkurs: Erving Goffman
3.2. Die soziale Konstruktion der Geschlechterrollen
3.2.1. Geschlechterstereotype
3.2.2. Die Sozialisation der Geschlechtsrolle durch die Medien

4. Forschungsstand
4.1. Einige Studien im Überblick

5. Methodisches Vorgehen
5.1. Erkenntnisinteresse
5.2. Ausgangsmaterial
5.3. Methode
5.4. Die Objektive Hermeneutik
5.4.1 Theoretische Einordnung
5.4.2. Methodische Umsetzung

6. Analyse
6.1. Deskription des Liedtextes
6.2. Analyse der Textbedeutung
6.3. Deskription der Bildebene
6.4. Interpretation der Bildebene
6.5. Die musikalische Untermalung des Werbespot
6.6. Gesamtinterpretation von Text und Bild

7. Interpretation des Werbespots hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes dieser Arbeit
7.1. Frauengold (1955)
7.1.2. Overstolz (1956)
7.1.3. Dr. Oetker (1961)
7.1.4. Miele (1977)
7.1.5. VW (1998)
7.2. Zusammenfassung der Ergebnisse hinsichtlich der Geschlechterdarstellung
7.3. Melitta Zielgruppen
7.4. Melitta Image

8. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang 1

Anhang 2

1. Einleitung

Sie ist ein Phänomen, das uns jeden Tag überall begegnet, und als ein Bestand- teil der Massenmedien allgegenwärtig ist. Ob im Fernsehen, in der Zeitung, auf Plakatwänden auf der Straße, im Internet, in der Infopost im Briefkasten, Wer- bung kann sich niemand entziehen. Für den Betrachter ist sie manchmal lang- weilig und nichtssagend, penetrant oder aber humorvoll. Oft wird sie gar nicht mehr bewusst wahr genommen, wie es beispielsweise bei Plakatwerbung der Fall ist. Werbung dient der gezielt bewussten und unbewussten Beeinflussung der Menschen zum kommerziellen Zweck. Werbung ist nicht nur Abbild, sondern auch Mitgestalter der Gesellschaft. Es muss immer Neues präsentiert werden, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Fernsehen gilt nach wie vor als wichtigstes Leitmedium für die Alltagskultur. Durch Werbung wird kommuniziert. Doch wie setzt sich Werbung genau zusammen und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit sie erfolgreich ist? Werbespots müssen mit Hilfe bestimmter Strategien, wie der Abweichung vom Normativen, zielgruppenübergreifend Auf- merksamkeit beim Publikum herstellen. Wie Werbung und Kommunikation ge- nau miteinander in Verbindung stehen soll anhand dieser Arbeit aufgezeigt wer- den. Der Fokus ist auf die unterschiedlichsten Personendarstellungen gerichtet, die eingesetzt werden, um die Aufmerksamkeit der Rezipienten zu erlangen. Be- sonders auffällig war dabei in der Vergangenheit die Darstellung von Frauen. Jung, schön, schlank und makellos, das sind nur einige Attribute durch die Frau- en in der Werbung gekennzeichnet sind. Man identifiziert sich, meist unbewusst, mit dem vermittelten Bild der Werbefiguren. Werbung gilt als Spiegelbild der Ge- sellschaft, daher stellt sich die Frage, welche Geschlechterrollen in der Fern- sehwerbung innerhalb der letzten Jahrzehnte präsentiert wurden. Gibt es Rol- lenstereotype, die sich, trotz des gesellschaftlichen Wandels, konsequent hal- ten?

Die Arbeit untersucht die Darstellung von Geschlechterrollen in der Werbung anhand eines exemplarischen Werbespots.

Zunächst geht das Kapitel 2 der Arbeit auf die Frage ein, wie Werbung kommu- niziert. Dabei wird auch ein Blick auf die Werbewirkung und die Imagefunktion einer Marke sowie die Zielgruppenkommunikation geworfen. Bevor eine Betrach- tung von Frauen- und Männerbilder untersucht wird, geht das Kapitel 3 darauf ein, wie die Rollen der Männlichkeit und Weiblichkeit überhaupt entstehen und welche Bedeutung sie in der Gesellschaft haben. Das Geschlecht war schon oft Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Kapitel 4 gibt daher einen kurzen Überblick über bereits vorhandene Studien.

Kapitel 5 stellt das methodische Vorgehen in der Arbeit und die angewendete Methode der objektiven Hermeneutik vor, bevor in Kapitel 6 die eigentliche Ana- lyse des Werbespots beginnt. Zum Vergleich des untersuchten Werbespots wer- den in Kapitel 7 die Ergebnisse der Analyse mit anderen Werbespots aus den letzten Jahrzehnten verglichen. Kapitel 8 fasst alle Ergebnisse zusammen und gibt einen kurzen Ausblick.

2. Werbung und Kommunikation

Warum Werbung als Teil von Kommunikation begriffen wird, soll im Folgenden Abschnitt erläutert werden.

2.1. Kommunikation

Der Begriff der Kommunikation ist abgeleitet von den lateinischen Begriffen communis (gemeinsam), agere (handeln, tun) oder communicare (vereinigen, sich besprechen) (vgl. Sowinski 1998: 20). Er bezeichnet den allgemeinen Aus- tausch von sprachlicher und nicht - sprachlicher Äußerungen (Informationen) zwischen mindestens zwei Personen und gilt als elementare Notwendigkeit menschlicher Existenz und wichtigstes soziales Bindemittel. Nach Luhmann lässt sich eine Gesellschaft nur durch Kommunikation bilden und aufrecht erhalten, da soziale Handlungen durch Kommunikation ausgeführt werden. Soziale Systeme operieren durch Kommunikation. Das „Sich - Austauschen“ bedeutet ein gegen- seitiges Verständnis der Kommunikationspartner und die Fähigkeit sich in den jeweils anderen Kommunikationspartner hineinversetzen zu können (vgl. Hi- ckethier 2003: 37). Im Kommunikationsprozess wird also versucht, eine Gemein- samkeit darüber herzustellen, was gemeint ist. Kommunikation kann über Spra- che, Mimik, Gestik, durch schriftlichen Austausch oder Medien stattfinden. Der Medienbegriff wird im Alltag, in der Medienpraxis und den Wissenschaften unter- schiedlich verwendet. Das lateinische Wort für Medien ist Medium und meint Mit- telpunkt, tägliches Leben, Publikum oder Öffentlichkeit (vgl. Hickethier 2003: 18).

Mit Medien werden im allgemeinen Sprachgebrauch meist Massenmedien bzw.

Medien der öffentlichen Kommunikation sowie der technisch vermittelten inter- personellen Kommunikation wie elektronische Medien (Radio, Fernsehen, Mul- timedia), Printmedien (Presse) und Bild- / Tonträgermedien (Film) bezeichnet. Sie sind die Voraussetzung von Kommunikationsprozessen. Jede Kommunikati- on braucht ein Medium (z.B. Sprache) um vermittelt werden zu können. Kommu- nikation ist immer ein sozialer und emotionaler Prozess, der in einem kulturellen Kontext geschieht und der aufgrund gemeinsam akzeptierter Konzepte Informa- tion generiert wird. Diese Information stellt objektivierte Konzepte dar, die ge- speichert, transportiert und übertragen werden können. Es lassen sich verschie- dene Kommunikationsarten unterscheiden (vgl. Schubert/ Klein 2006). Eines der wichtigsten Instrumente der Kommunikation ist die Sprache. Durch sie können komplexe und schwierige Sachverhalte am deutlichsten beschrieben werden. Eines der ältesten Kommunikationsmodelle beschreibt die wichtigsten Elemente des Kommunikationsprozesses als Sender und Empfänger. Der Sender übermit- telt über einen bestimmten Kanal eine Botschaft (Information) an den Empfän- ger. Der Sender wird dabei als aktiv und mächtig, der Empfänger als passiv und abhängig angesehen. Dieses Grundmodell der Kommunikation ist jedoch längst veraltet und überholt. Es ist unspezifisch, da es sowohl auf die direkte und inter- personale face- to - face Kommunikation, als auch auf die technisch vermittelte Kommunikation sowie auf Massenkommunikation angewandt wird. Dennoch fin- den sich die Grundbausteine dieses Modells, der Sender und Empfänger, in na- hezu jeder Definition von Kommunikation. Lasswell formulierte 1948 als erster die Mehrschichtigkeit von Kommunikation:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hierbei hat man es dieser Konzeption zufolge mit den klassischen W- Fragen zu tun. Lasswell legte diesem Kommunikationsentwurf das behavioristische Stimu- lus - Response - Modell zugrunde (vgl. Schützeichel 2004: 26). Es werden fol- gende Komponenten unterschieden: Kommunikation gilt als ein Prozess zwi- schen mindesten zwei Kommunikatoren. Es liegen mit der Mitteilung seitens des Senders und der Rezeption dieser Mitteilung seitens des Empfängers zwei kommunikative Handlungen vor. Sender und Empfänger müssen über einen ähnlichen Vorrat an Zeichen und Symbolen verfügen. Eine erfolgreiche Kommunikation ist die Reziprozität im Sinne des wechselseitigen Austauschs. Situatio- nen, in denen Kommunikationsprozesse möglich sind, variieren durch verschie- denste gesellschaftliche und soziale Aspekte. Nicht jede Situation ermöglicht eine „freie“ Kommunikation. Gesellschaftliche Normen schränken die Kommuni- kation ein. So darf im Schulunterricht erst nach dem Finger aufzeigen gespro- chen werden. Auf Kommunikation kann Anschlusskommunikation als eine direk- te Anschlusshandlung erfolgen. Als Beispiel kann eine Verabschiedung durch den Ausspruch „Auf Wiedersehen“ genannt werden, auf den die Handlung des Weggehens folgt. Die Kommunikationsform Sprache beinhaltet also immer eine gesellschaftliche Handlung, die entweder direkt während der Kommunikation oder im Anschluss erfolgt. „ Im kommunikativen Prozess selbst ist also eine gesell- schaftliche Handlung enthalten, die sich nicht in der Ü bermittlung von Meinungen, Be- deutungen und Inhalten ersch ö pft “ (Hickethier 2003: 39). Das Ziel jeder Kommunika- tion ist, ein gemeinsames Verständnis der Botschaft von Sender und Empfänger zu erzielen. Das Kommunikationsziel innerhalb der Werbung ist die Information über das Produkt zu vermitteln und den potentiellen Konsumenten zum Kauf zu animieren. Letztendlich entscheidet der Konsument selbst, welches Produktan- gebot der Werbung er wahrnehmen will. Um die zu vermittelnde Botschaft an die Zielpersonen heranzutragen, wird sie verschlüsselt in Worte und Bilder gefasst und in einer Anzeige oder einem TV-Spot umgesetzt.

Werbung als Teil der Massenkommunikation

Massenkommunikation bezeichnet jene Form der Kommunikation, die sich

- indirekt mit Hilfe technischer Verbreitungsmittel,
- an ein disperses Publikum,
- einseitig, ohne Feedback

richtet. Der Bereich der Massenmedien wird in Printwerbung, Hörfunk-, Film- und Fernsehwerbung unterteilt. Werbliche Kommunikationsangebote werden mit Hil- fe dieser unterschiedlichen Bereiche mittelbar und jedem Rezipienten zugäng- lich. Die Medien sorgen dafür, dass Werbung gesellschaftsfähig ist. Ein rezipro- kes Verhältnis zwischen Medium und Publikum wird in ersten Überlegungen ver- eint, da die Kommunikation, ausgehend vom Medium, einseitig ist. Durch die Reaktion des Nutzers auf die mediale Information wird Anschlusskommunikation deutlich. Der Rezipient kann sich mit anderen Personen über die Werbebotschaft austauschen, die durch diese ebenfalls informiert wurden.

Marshall McLuhan beschreibt die Massenmedien als dermaßen durchgreifend in ihren persönlichen, politischen, ökonomischen, psychologischen, moralischen und sozialen Auswirkungen, dass sie keinen Teil von uns unberührt, unbeeinflusst oder unverändert lassen (vgl. McLuhan 1969: 26). Massenkommunikation ist ein fester Bestandteil der modernen Gesellschaft und damit Mitgestalter unseres Alltags. Massenmedien übertragen gesellschaftliche Werte, so dass ihnen neben der Informationsfunktion auch eine Motivations- und Sozialisationsfunktion zuzuschreiben ist (vgl. Gottschlich 1987:7).

Werbung fungiert dabei als „“Spiegelinstanz “ der Gesellschaft; Als eine “ omnipräsen- te Erscheinung des Alltags ““ (Zurstiege 2002: 122). Es besteht ein Rezeptionsver- hältnis zwischen Webung und Publikum. Medienangebote gelten als Ressourcen relationaler und struktureller interpersonaler Kommunikation. Es wird über Wer- bung diskutiert, sich ausgetauscht. Gleichzeitig ist Werbung verantwortlich für die Strukturierung der Medienrezeption. Die Massenmedien gewinnen an Macht. Sie können somit Einstellungen und Meinungen generieren bzw. verstärken. Mit- tels Stereotypenvermittlung wirken sie sozialisierend. Hier lässt sich auf die Rol- lenverteilung des Geschlechts in der Gesellschaft verweisen, die durch die Ein- flussnahme der Werbung noch verstärkt werden. Ein weiterer Aspekt ist die un- terschiedliche Zielgruppenansprache der Werbung. Werbung ist Zielgruppen- kommunikation, und es geht vor allem darum, die zu vermittelnden Werbebot- schaften vor den Augen und Ohren lukrativer Zielgruppen optimal zu platzieren. Sie gilt als eine Form der strategischen Kommunikation, deren Interesse darin besteht, Rezipienten in ihren privaten Interessen zu manipulieren. Für die Wer- betreibenden ist es von besonderer Bedeutung, wie viele Rezipienten durch die jeweiligen Werbemaßnahmen erreicht werden, und in welchem Umfang welches Werbeangebot rezipiert wird (vgl. Zurstiege 2002: 127). Eine große Anzahl von Werbeslogans ist inzwischen fester Bestandteil der Alltagskommunikation. Wer- bepräsenz erzeugt Öffentlichkeit, indem gesellschaftliche Themen in der Wer- bung aufgegriffen werden. Werbung ist gekennzeichnet durch das Versprechen nach effektiver Kreativität, durch die Bevorzugung komprimierter Darstellungen und auffälligen Inszenierungen, da Werberaum und - zeit knappe und teure Güter sind, wird eben durch besonders auffällige Inszenierungen versucht, Aufmerksamkeit zu erlangen.

Für die Entstehung eines Werbespots ist es von besonderer Bedeutung, dass die werbenden Unternehmen die beeinflussenden Wechselwirkungen zwischen sich und der sozialen als auch kulturellen Umwelt berücksichtigen, auf die Ent- wicklungen in der Gesellschaft Bezug nehmen und deren Werte als Werbeargu- ment benutzen (vgl. Skowronnek 1964: 19). Wie sich eine solche beeinflussende Wechselwirkung zwischen Werbung und gesellschaftlichem Wandel bemerkbar macht, zeigt sich deutlich an dem Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit (sie- he auch 7. - 7.2.).

Die Wirkung der Massenkommunikation hängt nicht nur vom Sender und dem Inhalt der Botschaft ab, sondern auch von den Merkmalen des Mediums, wel- ches der Sender zur Übermittlung seiner Botschaft nutzt. Bei den Empfängern handelt es sich um einen anonymen Personenkreis. Somit ist es nicht möglich, die Kommunikation auf die Eigenschaften und Bedürfnisse einzelner Zielperso- nen abzustimmen. Durch den einseitigen Kommunikationsvorgang besteht für den Empfänger keine Möglichkeit auf die Botschaft direkt zu reagieren. Lediglich durch die im Anschluss folgende Reaktion kann indirekt darauf reagiert werden. Auf Kommunikation erfolgt immer eine Handlung, die durch den Kommunikator manipulierbar ist. Durch die „gesendeten“ Informationen an den Rezipienten wird eine Absicht verfolgt. Damit der Empfänger der Botschaft die Intention des Sen- ders auch bemerkt, müssen die Informationen so ausgelegt sein, dass die Ab- sicht auch erreicht werden kann. Hinter jeder medialen Produktion steht eine Ab- sicht. „ Jede mediale Kommunikation ist dem Verdacht ausgesetzt, dass der Kommuni- kator mit ihr etwas anderes erreichen will, als aus der Mitteilung hervorgeht “ (Hickethier 2003: 47). Daher wird versucht, Werbung möglichst originell und individuell zu entwickeln, damit darüber ein Austausch erfolgt. So können beispielsweise me- dial vermittelte Inhalte maßgeblich mitentscheidend über das jeweilige Ge- sprächsthema, eine bestimmte Einstellung oder ein Verhalten sein. Anschluss- kommunikation unterstützt somit die individuelle Herausbildung von Teilen der Medienkompetenz, wie beispielsweise der Medienkritikfähigkeit und fungiert da- mit als Richtungsweiser für die Entwicklung eines Individuums zum gesellschaft- lich handlungsfähigen Subjekt (vgl. Groeben 2004: 27 ff.). Die seit einigen Jah- ren bestehenden sozialen Netzwerke sind eine neue Art von Kommunikationsaustausch, werden doch hier persönliche Meinungen und Ansichten über mediale Ereignisse oft bereits binnen Sekunden veröffentlicht, wie es die sozialen Netzwerke Twitter (www.twitter.com) und Facebook (www.facebook.com) deut- lich machen. Besonders deutlich wird das durch die sogenannte „Hetzkampag- ne“ gegen den Ghanaischen Fußballnationalspieler Prince Kevin Boateng, der mit einem Foulspiel dafür sorgte, dass der Kapitän Michael Ballack bei der WM Fußball Weltmeisterschaft in Südafrika nicht spielen konnte. Auf Facebook bilde- ten sich binnen weniger Stunden nach der Aussage das Ballack verletzt ist, Hassgruppen gegen Boateng, in denen der Wut freien Lauf gelassen wurde. So- ziale Netzwerke praktizieren eine ganz neue Art des Informationsmanagements. Mit ihnen eröffnet sich daher eine ganz neue Art der Werbemaßnahmen.

Betrachtet man Kommunikation im Kontext von Unternehmenskommunikation, so wird versucht bestimmte Informationen über ein Produkt zu vermitteln, um auf diese Weise eine Beziehung zu dem potentiellen Kunden (Empfänger) herzustel- len und so ein Produktimage aufzubauen. Der Rezipient der Werbung soll in sei- ner Meinung, seiner Einstellung und seinen Erwartungen hinsichtlich des Pro- dukts beeinflusst werden. Soziale Netzwerke wie beispielsweise Facebook (www.facebook.com), werden mittlerweile ganz gezielt genutzt um Werbung zu verbreiten. Durch virales Marketing gelingt es, in kürzester Zeit viele Nutzer zu erreichen. Der aktuelle Kampagnen Auftritt der schwarzen Dose 28, ein Energy- Drink mit natürlichen Inhaltsstoffen, setzt verstärkt auf Online- Kommunikation. So wird Schwarze Dose 28 seit Anfang Juni mit diversen social media Maßnah- men, von Facebook bis zu gezielten Blog-Marketing, inszeniert. Durch zusätzli- che Banner- Schaltung im Umfeld der Kernzielgruppe der 25- bis 40- Jährigen wird die erzeugte Präsenz und Aufmerksamkeit noch unterstützt.1

2.2. Werbung

Werbung ist ein spezieller Bereich der Kommunikation und wird definiert als Versuch der Beeinflussung von Zielgruppen über Massenkommunikationsmittel. Eine Art „medialer Balztanz“, bei der Aufmerksamkeit des Gegenübers erregt und diese dann auf ein bestimmtes Produkt gelenkt werden soll (vgl. Schmidt 1995: 31). Es gibt drei Grundprinzipien der Werbung:

1. Auffälligkeit
2. Originalität
3. Informativität

Werbung soll Beachtung beim Rezipienten finden. Sie soll sich in ihrer Gestaltungsform möglichst von Anderen absetzen und dem potentiellen Kunden Informationen über das jeweilige Produkt vermitteln.

Das Werbesystem ist ein Funktionssystem, mit dessen Hilfe sich moderne Ge- sellschaften über sich selbst informieren. Werbung fungiert dabei, wie schon er- wähnt, als Spiegelbild der Gesellschaft. Ob Werbung dabei letztlich Spiegel oder Motor des gesellschaftlichen Wandels ist, lässt sich in zweifacher Sicht bejahen (vgl. Zurstiege 2002: 136). Sie reflektiert auch immer den jeweiligen Zeitgeist und die Bedürfnisse einer Gesellschaft und gilt damit als Indikator gesellschaftli- cher Entwicklungen: „ Werbung muss die Gesellschaft in ihren Wertvorstellungen adä- quat abbilden. Wenn Werbung nicht die Wertvorstellung [ … ] ausreichend berücksichtigt, ist es unwahrscheinlich, dass es zu einer (geglückten) Kommunikation kommt “ (Bergler 1987, zitiert nach Schierl 2003: 205). Die Wertvorstellungen, die in unserer Gesell- schaft gelten, sind einem steten Wandel unterworfen. Soziale wie kulturelle Ver- änderungen, die sich im Zuge gesellschaftlicher Modernisierung vollziehen, tra- gen dazu bei, dass sich die gesellschaftlichen Werte verändern. Die Produktion von Aufmerksamkeit ist für die erfolgsorientierte ökonomische Unternehmung der Werbung eine der wichtigsten Zielsetzungen. Werbung und Gesellschaft sol- len in einem reziproken Verhältnis zueinander stehen. Sie sollte sich daher im- mer am Zeitgeist der Gesellschaft orientieren, um auf diese Weise besser auf die angesprochenen Zielgruppen einwirken zu können. „ In der Welt der Werbung gibt es für alles (k)eine L ö sung: Wie keine andere Kommunikationsform kann sie Konflikte, Gegensätze und Ungleichzeitigkeiten durch Ironie, Mythos oder die bloße Behauptung aufl ö sen “ (Zurstiege 2002: 136).

2.2.1 Werbung als Teil des Funktionssystems der Massenmedien

Im Laufe der Evolution hat sich die Gesellschaft immer stärker ausdifferenziert. Es sind eine Vielzahl von autopoietischen2 Teilsystemen entstanden, unter ande- rem auch das System der Massenmedien, zu dem Luhmann den Werbebereich zählt. Jedes Teilsystem zeichnet sich dadurch aus, dass es jeweils spezielle und exklusive Funktionen hat, die gesamtgesellschaftlich betrachtet nirgends sonst zu finden sind. Luhmann spricht daher auch von Funktionssystemen der Gesell schaft.

Er definiert das System der Massenmedien folgendermaßen: „ Mit dem Begriff der Massenmedien sollen [ … ] alle Einrichtungen der Gesellschaft erfasst werden, die sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der Vervielfältigung bedienen. [ … ] sofern sie Produkte „ in großer Zahl mit noch unbestimmten Adressaten erzeugen ““ (Luhmann 2004: 10). Daher werden die Erzeugnisse der Druckpresse, Funk und Fernsehen und Erzeugnisse weiterer photographischer und elektronischer Ko- pierverfahren - sofern sie allgemein zugänglich sind - unter den Begriff der Mas- senmedien gefasst. Durch die Zwischenschaltung der Techniken erfolgt eine Kontaktunterbrechung (vgl. Luhmann 2004: 11) zwischen Sender und Empfän- ger. Der Kommunikationsvorgang der Massenmedien ist daher einseitig geprägt. Eine direkte Interaktion unter Anwesenden wird ausgeschlossen.

Die gesellschaftliche Funktion der Massenmedien greift weiter als die bloße Verbreitung von Kommunikation auf die Adressaten. „ Was wirüber unsere Gesell schaft, jaüber die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien “ (Luhmann 2004: 9). Um Informationen über unsere Gesellschaft und über die Welt zu erhalten, sind wir auf Mitteilungen aus zweiter Hand angewiesen. Die Massenmedien haben eine Art Orientierungsfunktion für die Realität. „ Die Massenme dien garantieren allen Funktionssystemen eine gesellschaftsweit akzeptierte, auch den Individuen bekannte Gegenwart, [ … ] “ (Luhmann 2004: 176).

Bei dieser Gegenwart handelt es sich um eine konstruierte Realität zweiter Ord- nung, produziert und hervorgerufen durch die Massenmedien. Anders als die reale Realität erster Ordnung, die aus den real ablaufenden Systemoperationen besteht, umfasst die Realität zweiter Ordnung die Sequenz von Beobachtungen. Durch ihre laufende Realitätskonstruktion leisten die Massenmedien eine Selbstbeschreibung der Gesellschaft für die Gesellschaft. Somit werden sie zu deren Gedächtnis. Sie erzeugen Hintergrundwissen, das bei Anschlusskommu- nikation als bekannt vorausgesetzt werden kann (vgl. Luhmann 2004: 120). Werbung als System der Massenmedien hat neben dieser latenten Funktion noch eine andere Bedeutung: sie leistet die Stabilisierung des Verhältnisses von Redundanz und Varietät im Alltag (vgl. Luhmann 2004: 94).

Systemtheoretisch lässt sich Werbekommunikation wie jede andere Kommunika- tion auch, als Synthese dreier Selektionen denken: eine Einheit aus Information, Mitteilung und Verstehen. Wie schon erwähnt ist Kommunikation realisiert, wenn Verstehen zustande kommt, was gerade bei Werbung besonders von der Aufmerksamkeit der Rezipienten abhängt.

Neben der Stabilisierung von Redundanz und Varietät ermöglicht Werbung, eine große Gruppe von Zielpersonen gleichzeitig und wiederholt anzusprechen zu können. Der Verbraucher kann so über mögliche Produktneuheiten oder Verän- derungen besser informiert werden. Es gibt dabei unterschiedliche Werbearten um darüber zu informieren. Das Textilunternehmen Benetton brach mit der Wer- betradition, indem es mit einer „kaputten Welt“ provozierte. Benetton -Motive wurden redaktionell besprochen und waren in aller Munde. Werbung wurde zum Ereignis, zeitweise zu einer Ideologie in der Benetton -Zielgruppe: „Endlich mal jemand, der die Dinge so zeigt, wie sie wirklich sind“. Benetton hat mit seinen Werbekampagnen erstmalig in großer Breite die Frage der Moral in der Werbung aufgeworfen (vgl. hierzu 2.2.2)

Werbung ist zudem eine den verkaufspolitischen Zwecken dienende, absichtliche und zwangfreie Form der Kommunikation. Mit Hilfe spezieller Kommunikationsmittel wird gezielt versucht, die Einstellungen von Personen zu beeinflussen (vgl. Kloss 2007: 6; Behrens 1963: 14; In: Rogge 2004: 13).

Schnell verständliche Themen werden besonders gut wahrgenommen. Aufmerk- samkeit lässt sich durch Veränderung und Überraschungen erzeugen. Die Wer- bung macht sich das zu Nutzen: „ Die fortlaufende Betonung des Neuen stellt die Werbung vor das Problem, neben der ständigen Varietät des Angebots auch die n ö tige Markentreue zu erzeugen. Werbung muss stets um einen Ausgleich zwischen Varietät (Neuheit) und Redundanz (Markentreue) bemüht sein, und sie tut dies mit dem Hinweis darauf, dass das Neue das Alte sei - nur eben besser, billiger, praktischer, umweltver- träglicher, sparsamer, etc. “ (Luhmann 1996: 94; zitiert nach Zurstiege 1998: 103).

Nachdem nun der Zusammenhang zwischen Werbung und Kommunikation erläutert wurde, soll es im Folgenden um Strategien und Ziele der Werbung gehen. Als beispielhafte Darstellung dient dazu das Unternehmen Benetton.

2.2.2. Die Strategie der Benetton Werbung

Wie bereits dargestellt, verfolgte die Bekleidungsmarke Benetton in den Jahren von 1982 bis 1996 eine stark umstrittene Art von Werbekampagne. Immer wie- der wurden provozierende und schockierende Motive auf Plakatwänden und in Printmedien gezeigt. Dargestellt wurden Aidskranke, Menschen mit Downsyndrom, schreiende, blutverschmierte Babys, die noch an der Nabelschnur der Mutter hingen oder tote, ölverschmierte Vögel. Motive, die schockieren und Em- pörung hervorrufen sollten, gesellschaftliche Abnormalitäten und Tabubrüche. Der Bezug zur Mode ließ sich lediglich am immer dargestellten grünen Marken- logo des Benetton Unternehmens herstellen. Die Werbeinhalte dieser Kampagne entfachten in der Öffentlichkeit hitzige Diskussionen über Moral in der Werbung und die Beeinflussbarkeit des Menschen. Es wurden Beschwerden beim deut- schen Werberat eingereicht. Der Bundesgerichtshof und das Bundesverfas- sungsgericht schalteten sich in die Debatte ein3. Empirische Studien belegen, dass sich durch emotional erregende Kontexte Themen oder Produktnamen besser ins Gedächtnis einprägen. Emotionale Erregung kann Angst, Ekel oder Wut hervorrufen. Eine hohe Aufmerksamkeit lässt sich mit einer Tabu- oder Schockwerbung durch negativ besetzte Motive erzielen. Den Betreibern der Kampagne war es wichtig, dass auch Menschen, die nicht zu ihren Kunden zähl- ten über sie sprachen.

2.2.3. Werbewirkung

Die Benetton - Kampagnen waren zwar eine nicht alltägliche Art von Werbung, doch erfüllten sie ihren Zweck. Werbung soll bewirken, dass die beworbenen Produkte und Leistungen gekauft werden. Je nach Werbeziel lassen sich kurz- fristige und langfristige Wirkungszeiträume unterscheiden. Es gilt, die Aufmerk- samkeit des Konsumenten auf das umworbene Produkt zu lenken und ihn zum Kauf zu animieren. Werbung wird in erster Linie durch die daran beteiligten Men- schen interessant. Nach wie vor ist die Auffassung weit verbreitet, dass „ von der Fernsehwerbung unter allen modernen Formen der Werbung wahrscheinlich die stärks- te Wirkung ausgeht “ (Harris 1975: 37; Frey 1999: 30; zitiert nach Schierl 2003: 18).

Werbung wird durchaus als ein Instrument der Konsumentenbeeinflussung ver- standen. Die Gestaltung der Werbebotschaft ist von entscheidender Bedeutung für die Steigerung der Effektivität. Das AIDA - Modell ist das älteste Modell in der Werbewirkungsforschung. AIDA steht für A ttention I nterest D esire A ction und zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit des Kunden zu wecken, ein Interesse bei ihm hervorzurufen, den Wunsch nach dem Produkt entstehen zu lassen und ihn letztendlich zum Kauf anzuregen. Besonders entscheidend ist die übermittelte Botschaft. Dadurch wird erst der direkte Kontakt zum Konsumenten hergestellt. Die Aufmerksamkeit ist über einen bestimmten Zeitraum aufrecht zu erhal- ten, um die Aufnahme der grundlegendsten Kernaussagen zu erreichen. Gelingt dieser Schritt nicht und Werbung wird nicht wahrgenommen, ist sie nicht erfolg- reich und ineffektiv. Für den Werbetreibenden hat sie keinen höheren kulturellen Zweck: „ Werbespots werden nicht - man h ö re und staune - geschrieben, gedreht und bezahlt, um der Meinungsvielfalt einer pluralistischen Gesellschaft Ausdruck zu verlei- hen. Sie werden auch nicht gedreht, um das neue Rollenverständnis der progressiven Frau ins Land zu tragen, sondern - erschreckend nüchtern - für einschlägige Gespräche an intellektuellen Kaminen. Um Zahnpasta zu verkaufen, Lebensversicherungen und Autoradios. Wenn sie das tun, erfüllen sie ihren Zweck “ (Fechler 1975: 100f.; zitiert nach Schierl 2003: 107).

Das Unternehmen Benetton hat sich mit seinen umstrittenen Werbekampagnen ein etwas anderes Image einer Modefirma aufgebaut. Benetton gilt als provokant und aufrüttelnd. Die Werbung des Unternehmens ist das genaue Gegenteil der sonst abgebildeten künstlichen heilen Welt von der jeder weiß, dass sie nicht existiert. Besonders durch solche Werbemaßnahmen wie die des Unternehmens Benetton werden Diskussionen in der medialen Öffentlichkeit entfacht. Werbung hat grundsätzlich das Ziel, im Gedächtnis des Menschen zu bleiben um somit das Kaufinteresse zu wecken. Daneben trägt Werbung entscheidend zum Image einer Marke bei. Eine kommunikative Rückkopplung, ein sogenanntes feedback, ist in der Regel nur anhand von Kaufreaktionen, also über den Konsum möglich (vgl. Sowinski 1998: 23). Eine andere Möglichkeit bietet die Kundenbefragung. Hier könnte die Wirkung z. B. eines Werbespots erfragt werden und dem Unter- nehmen wichtige Hinweise für eine Optimierung geben.

2.3. Das Image einer Marke

Welche Bedeutung hat der Markenname?

Die Marke ist in den letzten Jahren zunehmend in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Interesses gerückt. Um die Jahrhundertwende entstanden in Deutschland die ersten bedeutenden Markenartikel wie beispielsweise Maggi (1887), Persil (1907) oder Nivea-Creme (1912).

Funktion der Marke

Vom Ursprung her stand die Marke als Kennzeichnung für die Herkunft eines Produktes. Kotler definiert die Marke als „ einen Namen, Begriff, ein Zeichen, Symbol oder eine Gestaltungsform oder eine Kombination aus beiden Bestandteilen zum Zwe- cke der Kennzeichnung der Produkte oder Dienstleistungen eines Anbieters oder einer Anbietergruppe und zu ihrer Differenzierung gegenüber Konkurrenzangeboten … Die Marke bewirkt jedoch sowohl aus Kunden- als auch aus Herstellersicht weit mehr als nur die Identifikation der Herkunft “ (Kotler, Bliemel 1999: 689; zitiert nach Schweiger 2005: 78). Es entsteht eine Markenpersönlichkeit. Diese wird durch jeglichen di- rekten und indirekten Kontakt mit der Marke determiniert. Neben marktpoliti- schen Maßnahmen wie Markennamen, Logo, Verpackung, Produkteigenschaft oder Werbestil sind auch das Image des Herstellers und Persönlichkeitsmerkma- le typischer Nutzer des Markenproduktes an der Entstehung der Markenpersön- lichkeit beteiligt. Markenname, Logo und Produkt- bzw. Packungsgestaltung sol- len charakteristische Merkmale aufweisen, um eine unmittelbare Unterscheidung von anderen Produkten zu ermöglichen. Dabei ist der Markenname selbst von großer Bedeutung. Durch gestalterische Elemente des Logos, wie beispielswei- se das Symbol oder die Farbgebung soll der Markenname unterstützt werden. Der Markenname übernimmt eine Art Orientierungsfunktion für den Verbraucher beim Einkauf. Durch den Markennamen kann der Verbraucher eine Reihe ein- zelner Informationen über Qualität und Image des Herstellers zueinander in Ver- bindung setzen.

„ In der heutigen Zeit müssen Marken Orientierungen geben, und das für immer kleinere Zielgruppen. [ … ] Anweisung für eine bestimmte Art mit dem Leben umzugehen, das Leben zu gestalten und darin Befriedigung zu erhalten. Wenn eine Marke das alles sein soll, mußnicht oberflächlicher Lifestyle demonstriert, sondern ein individuelles Lebens- gefühl vermittelt werden “ (Schmidt/ Spieß1997: 22; zitiert nach Wilk 2002: 77). Bei Markenlogos unterscheidet man zwischen Bild-, Wort-, und Buchstabenmarken (vgl. Schweiger 2005: 87). Der Bedeutungsgehalt eines Markenlogos ist abhän- gig von dessen konkreter Gestaltung wie Farbe, Form, Schrifttyp, Symbole, Zei- chen bzw. Bilder und aus den Erfahrungswerten mit dem Logo. Die Marke Frosch beispielsweise, ruft aufgrund der Farbe „grün“ und dem „Frosch“ Assozia- tionen zur Natur und Umwelt hervor und steht somit für den ökologischen As- pekt einer umweltschonenden Reinigung.

Marken erfüllen in der Zeiten der Informationsüberlastung durch die Medien zunehmend eine Orientierungsfunktion für den Konsumenten. Differenzierung ist ein Wesensmerkmal der Marke. Es wird versucht, sich von anderen gleichwertigen und gleichartigen Produkten abzusetzen. Gelingt dies, spricht man von einer „Markenpersönlichkeit“.

Funktion von Image

Image bezeichnet das Bild eines Gegenstandes beim Konsumenten. Ein Image gibt die subjektiven Ansichten und Vorstellungen wieder. Der Image- und der Markenbegriff sind nicht voneinander zu trennen. Marken werden ähnlich defi- niert; als „ Vorstellungsbilder in den K ö pfen der Konsumenten, die eine Identifikations- und Differenzierungsfunktionübernehmen und das Wahlverhalten prägen “ (Esch 2004: 23; vgl. Kloss 2007: 129).

Das jeweilige Produktimage setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen

(vgl. Kloss 2007: 129):

- Image des Landes aus dem das Produkt stammt
- Image der Produktgruppe, der das Produkt angehört
- Firmenimage des Herstellers
- Markenimage des Produktes
- Nutzungsimage

Das Image eines Produktes wird als eine der entscheidenden Variablen angesehen, welche die Kaufentscheidung beeinflussen können. Der Konsument orientiert seine Entscheidung für oder gegen ein angebotenes Produkt nicht an der Realität („wie es ist“), sondern an seinen Vorstellungen („wie es sein könnte“). Die vermittelte Werbebotschaft ist demzufolge ein bedeutendes Entscheidungskriterium für oder gegen den Kauf.

Zur Verdeutlichung der Imagefunktion im Kaufentscheidungsprozess folgende Abbildung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung

Mit der Umweltbewältigung ist eine Orientierungsfunktion bei der Bewertung von möglichen Alternativen und der damit verbundenen Kaufentscheidung verbun- den.

Bei der Selbstbestätigungsfunktion ist der Konsument bestrebt, die Produkte zu kaufen, die seinem eigenen Selbstbild gerecht werden.

Die Wertausdrucksfunktion soll sie eigene Position und den Status verdeutli- chen. Produkte sollen die eigene Umwelt beeinflussen. Der Besitzer eines be- stimmten Produktes assoziiert das mit der Marke verbundene Image. Die Anpassungsfunktion von Images bezieht sich auf das Bemühen um Akzep- tanz durch die Umwelt. Produkte signalisieren ein Zugehörigkeitsgefühl zu be- stimmten Gruppen. Der Verbraucher muss in der Lage sein, Marken wieder zu erkennen. Hierfür sind seine damit verbundenen Wahrnehmungen, Vorstellun- gen und Erinnerungen entscheidend.

Das Markenlogo ist der visuelle Bestandteil der Marke und der Schlüssel zum Markenimage. Daher hat es innerhalb der Kommunikation auch eine besondere Bedeutung.

2.3.1. Imagetransfer

Imagetransfer ist der Versuch, ein bestehendes positives Image auf ein anderes Objekt zu übertragen. Für einen erfolgreichen Imagetransfer müssen drei Voraussetzungen gegeben sein:

- Gemeinsamer Markenname
- Möglichst hohe gemeinsame Konsumentenanteile
- Hohe emotionale Affinität

Ein bekannter Markenname verfügt aus Konsumentensicht über einen hohen Nutzwert, wenn er beispielsweise bei der Beurteilung der zu erwartenden Quali- tät des Produktes hilft. Besonders starken Einfluss auf die Wahrnehmung der Konsumenten haben die Erwartungen, die aus der Kenntnis einer bekannten Marke abgeleitet werden können. Ein bekannter Markenname aktiviert ein Mar- kenschema und beeinflusst automatisch die gesamte Produktwahrnehmung.

Dieser Effekt wird bei Markenerweiterungen oft genutzt. Ein bekannter Marken- name wird für neue Produkte verwendet. Somit sollen die Qualitätserwartungen beeinflusst werden. Bekannte Marken können fehlende Produktinformationen wie Preis und Qualität ersetzen bzw. ergänzen. Ausgangspunkt des Imagetrans- fers ist immer die Kernkompetenz der Marke, mit der sie im Bewusstsein des Verbrauchers verankert ist. Melitta stand als Dachmarke für über 200 verschie- dene Produkte, vom Kaffeefilter bis hin zum Luftreiniger. Das führte zunächst zu einem diffusen Markenbild. Eine Umstrukturierung in strategische Geschäftsfel- der wurde vollzogen, wobei jeweils eigene Marken erschaffen wurden (siehe da- zu auch 5.2.).

In der späteren Analyse dieser Arbeit sollen auch mögliche Aspekte eines Imagewandels miteinbezogen werden. Es soll betrachtet werden, wie sich die Außendarstellung der Firma Melitta seit Beginn des Werbezeitalters geändert hat, bzw. welche Zielgruppenunterschiede sich im Zeitablauf erkennen lassen.

2.4. Zielgruppe

Wer soll sich angesprochen fühlen?

Die Zielgruppe umfasst eine Gruppe von Personen/Institutionen, an die sich Werbemaßnahmen richten, um gewünschte Werbeziele zu erreichen. Werbezie- le müssen vor der Festlegung auf bestimmte Zielgruppen bereits existieren. Um Aufmerksamkeit für ein Produkt zu erlangen wird versucht, die Werbebotschaf- ten mit Ideen, Überzeugungen und Werten zu verbinden, die beim Zielpublikum Akzeptanz erfahren. Werbung richtet sich nie an die gesamten Verbraucher, sondern nur an bestimmte Personengruppen. Unternehmen richten ihre Wer- bung an die Gruppen, die grundsätzlich ein größeres Interesse an dem bewor- benen Produkt haben könnten, als andere Personen. Jeder Werbetreibende muss bei der Werbeentwicklung die anvisierte Zielgruppe eingrenzen und be- schreiben um sie greifbarer zu machen. Bei der Festlegung sollten zwei Kriterien erfüllt sein:

1. Homogenität der Zielgruppe: Ähnlich strukturierte Bedürfnisse, Merkmale, Einstellungen, die deutlich von der nicht Zielgruppe zu unterscheiden sind.

2. Operationalisierbarkeit der Zielgruppendefinition: Die Merkmale sollen sich für Werbeplanung eignen.

Zielgruppen lassen sich nach verschiedenen Merkmalen bilden, die in Klassen eingeteilt werden können. Am häufigsten werden Zielgruppen soziodemogra- phisch bestimmt; also nach Alter, Beruf, Einkommen, Bildung, Familienstand und Geschlecht. Eine weitere Zielgruppenbestimmung kann auch über psychografi- sche Merkmale erfolgen. Hier sind die Kaufgewohnheiten, das Ver- und Gebrauchsverhalten sowie Einstellung und Werte der betreffenden Personen und das daraus resultierende Konsumverhalten, das jeweilige Statusbewusst- sein sowie Offenheit für Neues und bestehende Vorlieben ausschlaggebend für die Festlegung der Zielgruppe. Durch die Festlegung auf Zielgruppen bilden sich in der Werbung immer nur Teilwirklichkeiten der Gesellschaft ab. Andere Grup- pen werden dadurch ausgeschlossen. Gesamtgesellschaftliche Darstellungen sind daher in der Werbung nicht zu erwarten.

2.5. Fernsehen als Werbemedium

Fernsehen ist ein Massenmedium, bei dem die zu übermittelnden Botschaften audiovisuell gesendet werden. Es ist der bedeutendste nationale Werbeträger. Mit einem Werbevolumen von rund 3,9 Milliarden Euro lagen 2005 ca. 20 Pro- zent des gesamten Werbevolumens beim Fernsehen (vgl. Kloss 2007: 324). Das Werbefernsehen ist der größte Werbeträger für klassische Markenartikel- und Produktwerbung4. Die werbestärkste Branche stellt die Automobilindustrie dar, gefolgt von Schokolade und Süßwaren. Fernsehen ist zugleich einer der jüngeren Werbeträger und wird dem Bereich der neuen Medien zugeordnet (vgl. Kloss 2007: 327). Am 01.11.1954 wurde das Deutsche Fernsehen erstmalig in Betrieb genommen. Die erste Werbung wurde am 03.11.1956 im Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt. Knapp dreißig Jahre später folgte mit RTL plus der erste private Fernsehsender. Privatsender werden nicht wie die öffentlich rechtlichen Sendeanstalten von den Bundesländern bezuschusst. Sie sind zu ihrer Finanzie- rung vor allem auf Werbeeinnahmen angewiesen (vgl. Kloss 2007: 327f.). Fernsehen ist als Massenmedium nur eingeschränkt zielgruppenspezifisch steu- erbar. Eine exakte Zielgruppenabgrenzung ist in der Regel nicht möglich. Die Werbetreibenden richten ihre Spots an dem Programm des TV-Senders aus. Sie versuchen Zielgruppenschwerpunkte durch eingeschobene Werbeblöcke zu set- zen. Durch die kurzfristig erzielte hohe Reichweite wird ein schneller Aufbau und Bekanntheitsgrad von Markenimages erreicht. Das Medium Fernsehen ermög- licht die Vermittlung detaillierter Informationen durch den simultanen Einsatz von Text, bewegten Bilder und Ton. Um einen ersten Zugang zum Werbespot als werbliche Darstellungsform zu bekommen, ist die grundsätzlichen Frage ent- scheidend: mit welchem Ziel und in welcher Funktion ein Werbespot die Unter- nehmens- oder Produktinformation mit Hilfe technischer Verbreitungsmittel ohne direktes „Feedback“ an ein disperses Publikum heranträgt. Die Verbreitung von Informationen über ein Werbeobjekt, die Erweiterung des Marktanteils und die Ausbildung des Produktwissens, der Markenkenntnis und des Produktimages stellen grundlegende Ziele des kommerziellen Werbespots dar. Nachdem nun ein Überblick über die Kommunikationsform und Wirkungsweise von Werbung gegeben wurde, soll im Folgenden der Geschlechterbegriff erläu- tert und im Zusammenhang mit der medialen Darstellungsweise von Geschlecht in der Werbung dargestellt werden.

3. Der Gender- Begriff

„ In allen Gesellschaften bildet die anfängliche Zuordnung zu einer Geschlechtsklasse den ersten Schritt in einem fortwährenden Sortierungsvorgang, der die Angeh ö rigen beider Klassen einer unterschiedlichen Sozialisation unterwirft “ (Goffman 2001: 109).

Im Alltag wissen wir unbewusst sofort, welches Geschlecht uns gegenüber steht: männlich oder weiblich. Das Geschlecht des Menschen ist neben dem Alter, der Hautfarbe oder Ethnie die elementarste Klassifikationskategorie, die innerhalb einer Gesellschaft Bestand hat. Die Einordnung der Geschlechtsklassen gilt als eine Art Prototyp sozialer Klassifikation (vgl. Goffman 2001: 108). Wir haben auch bestimmte Vorstellungen davon, welche typischen Eigenschaften zum jeweiligen Geschlecht gehören. Doch das Geschlechterverhältnis ist in den letzten Jahrzehnten durcheinander geraten. Die Grenzen zwischen den Geschlechtern in Bezug auf das Erscheinungsbild, ihr Verhalten oder die soziale Positionierung sind aufgeweicht. In einigen Bereichen wie Einkommen, Hausarbeit oder sexuel- le Gewalt5 ist dagegen die Geschlechterungleichheit nahezu unverändert wäh- rend im Bildungs- und Rechtssystem die Unterschiede verschwunden sind. Bet- tina Heintz spricht von einer Vielfalt von Formen und Intensitätsgraden ge- schlechtlicher Differenzierung und Ungleichheit (vgl. Heintz 2001: 9).

Um die Relevanz des thematischen Schwerpunktes dieser Arbeit für eine sozio- logische Fragestellung zu verdeutlichen, sollen im Folgenden zunächst einige grundlegende Erkenntnisse aus der Geschlechtersoziologie aufgezeigt werden. Die mediale Darstellung des weiblichen und männlichen Körpers ist, gerade in den letzten Jahren, zu einem bedeutenden Untersuchungsgegenstand in der Geschlechterforschung geworden. Es werden vor allem der gesellschaftliche Kontext, das Verhältnis der Geschlechter zueinander und insbesondere auch die Charakteristika und Bedingungen des Prozesses der medialen Umsetzung und ihrer Vermittlung einbezogen. Die Medien haben spezifische Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit. Mit Hilfe des Gender-Begriffs kann der besondere Beitrag der Medien zum Prozess der Konstruktion von Weiblichkeit als dem an- deren, schwachen und schönen Geschlecht differenziert werden. Zentrale Kate- gorie dieses neuen Forschungsansatzes ist der Gender-Begriff.

In diesem Kapitel soll zunächst erläutert werden, was sich hinter dem Begriff „Gender“ verbirgt, wie der Forschungsbereich entstanden ist und wie sich die Zusammenhänge zwischen dem biologischen und dem sozialen Geschlecht dar- stellen.

Unter „Gender“ versteht man die Summe aller Vorstellungen und Erwartungen, im Hinblick auf die Geschlechtseigenschaften, die von der Gesellschaft mit Weiblichkeit und Männlichkeit verbunden und somit sozial geprägt sind. Die „Genderisierung“ bezeichnet den Prozess der kulturellen Konstruktion von Ge- schlecht; einer Verbindung von zwei im Ursprung her unabhängig voneinander existierenden Geschlechtskategorien: die biologische Kategorie „Sex“ und die kulturelle Kategorie „Gender“(vgl. Wenger 2000: 16). Diese kategoriale Unterscheidung entwickelte sich in den sechziger und siebziger Jahren innerhalb der Frauen- und Geschlechterforschung. „Sex“ bezeichnet das biologische Ge- schlecht, welches bei Geburt bereits fest steht und als natürlich und unveränder- lich gilt. „Gender“ bezeichnet das kulturelle und soziale Geschlecht, welches sich, im Gegensatz zum „Sex“ im Wandel der Zeit immer wieder verändert und sich in verschiedenen Kulturen ganz unterschiedlich ausdrückt (vgl. Klaus 2004: 165). Die Verbindung von „Sex“ und „Gender“ wird im Verlauf der individuellen Sozialisation hergestellt. An deren Ende steht eine komplexe Geschlechtsidenti- tät.

Es gibt zwei verschiedene konstruktivistische Theorierichtungen in der Ge- schlechterforschung. Zum einen sind es die sprachphilosophischen Arbeiten Ju- dith Butlers (1991, 1993), die sich an Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Michel Foucault und Jacques Lacan orientierten6. Butler hat den Gedanken der performativen Konstruktion von Geschlecht eingeführt. Sie schätzt die Rolle des Körpers als völlig nebensächlich ein und spricht davon, dass Geschlecht nur dis- kursiv konstruiert sei. Zum anderen gibt es die soziologischen Arbeiten zur Theo- rie des „Doing Gender“, die in der Tradition der Ethnomethodologie7 Harold Gar- finkels (1967) stehen. In seiner Studie über den Geschlechtswechsel von Trans- sexuellen zeigte er erstmals, wie Geschlechtszugehörigkeit von Personen in all- täglichen Situationen immer wieder neu hergestellt wird. Garfinkels Studie über die transsexuelle Agnes bildete den Ausgangspunkt für den von West/ Zimmer- mann entwickelten Ansatz des „Doing Gender“. Dieser Begriff wurde bereits 1987 geprägt. Das Konzept wurde in einer expliziten Abgrenzung zur üblichen Sex/Gender - Unterscheidung entwickelt, die implizit von einer natürlichen Un- terscheidung ausgeht. Die kulturelle Ausprägung des „Gender“ wird als gesell- schaftlicher Reflex auf die Natur aufgefasst.

Das Doing Gender - Konzept besagt im Kern, dass Geschlechtszugehörigkeit und Geschlechtsidentität ein fortlaufender Herstellungsprozess sei. Geschlecht ist nicht als Eigenschaft oder Merkmal von Individuen zu sehen, sondern das Konzept betrachtet hingegen jene sozialen Prozesse, in denen Geschlecht als sozial folgenreiche Unterscheidung hervorgebracht und reproduziert wird: „ Das Herstellen von Geschlecht (doing gender) umfasst eine gebündelte Vielfalt sozial ge- steuerter Tätigkeiten auf der Ebene der Wahrnehmung, der Interaktion und der Alltags- politik, welche bestimmte Handlungen mit der Bedeutung versehen, Ausdruck weiblicher oder männlicher `Natur` zu sein. Wenn wir das Geschlecht (gender) als eine Leistung ansehen, als ein erworbenes Merkmal des Handelns in sozialen Situationen, wendet sich unsere Aufmerksamkeit von Faktoren ab, die im Individuum verankert sind, und konzentriert sich auf interaktive und letztlich institutionelle Bereiche. In gewissem Sinne sind es die Individuen, die das Geschlecht hervorbringen. Aber es ist ein Tun, das in der sozialen Situation verankert ist und das in der virtuellen oder realen Gegenwart anderer vollzogen wird, von denen wir annehmen, dass sie sich daran orientieren. Wir betrach- ten das Geschlecht weniger als Eigenschaft von Individuen, sondern vielmehr als ein Element, das in sozialen Situationen entsteht: Es ist sowohl das Ergebnis wie auch die Rechtfertigung verschiedener sozialer Arrangements sowie ein Mittel, eine der grundle- genden Teilungen der Gesellschaft zu legitimieren “ (West/Zimmermann 1987: 14; zitiert nach Gildemeister 2004: 130). Geschlecht wird demnach nicht mehr als natürlicher Ausgangspunkt von Unterscheidungen im menschlichen Handeln, Verhalten und Erleben angesehen, sondern als das Ergebnis komplexer sozialer Prozesse.

„ Erst diese im „ doing gender “ gebündelten Prozesse machen die Gebärfähigkeit von Frauen zur Grundlage eines separierten und tendenziell benachteiligten Status - und nicht umgekehrt “ (Lorber 1991: 356; zitiert nach Gildemeister 2004: 130).

West / Zimmermann haben mit dem Doing Gender - Konzept folgende dreigliedrige Neufassung der Unterscheidung erarbeitet:

Sex Geburtsklassifikation des körperlichen Geschlechts aufgrund sozial vereinbarter biologischer Kriterien Sex-category die soziale Zuordnung zum Geschlecht im Alltag aufgrund ge- forderter Darstellung einer erkennbaren Zugehörigkeit zur einen oder anderen Kategorie. Dies muss der Geburtsklassifikation nicht mehr entsprechen Gender intersubjektive Validierung in Interaktionsprozessen durch situations- adäquates Verhalten und Handeln nach normativen Vorgaben und unter Berück- sichtigung der Tätigkeiten, welche der in Anspruch genommenen Geschlechts- kategorie angemessen sind. In dieser Neufassung der Unterscheidung gelten die drei Kategorien als analytisch voneinander unabhängig (vgl. Gildemeister 2004: 131).

Um die Auffassung von West/Zimmermann besser nachvollziehen zu können, ist es von Bedeutung, sich den Kontext soziologischer Interaktionstheorien zu vergegenwärtigen. Interaktion findet immer dann statt, wenn Personen körperlich anwesend sind und sich wechselseitig wahrnehmen, so dass sie aufeinander reagieren können.8 Interaktion impliziert Zwänge, in welche die Teilnehmer involviert sind und nicht ausweichen können.

Bereits Ende der siebziger Jahre wurde die Bedeutung von Körpersprache als Instrument der Genderkonstruktion in den Mittelpunkt des Interesses gestellt. In den USA untersuchte Erving Goffman Reklamefotos im Hinblick auf die Darstel- lungsprinzipien von Frauen und Männern. Er zeigte, dass dabei hierarchische Verhältnisse entstanden. Die konstruktivistischen Ansätze gelangten in Deutsch- land erst in den neunziger Jahren durch die Arbeiten Butlers in den gesellschaft- lichen Fokus der Aufmerksamkeit. Konstruktivismus meint im Kontext der Ge- schlechterforschung eine Perspektive, bei der das Geschlecht nicht als natürlich angesehen werden kann, sondern als Produkt sozialen Tuns begriffen werden muss (vgl. Villa 2004: 143).

Nach neueren Forschungen wird das Geschlecht erst innerhalb der Kommunikation, durch Stereotypisierungen und bestimmtes Kommunikationsverhalten der Teilnehmer, hergestellt und vermittelt.

Kessler/Mc Kenna führten eine der ersten feministisch - ethnomethodologischen Studien durch. Für sie gibt es eine zentrale Unterscheidung zwischen der Ge- schlechtszuschreibung und der Geschlechtszuweisung. Die Zuweisung erfolgt nach der Geburt, die Zuschreibung findet lebenslang, immer wieder neu, statt und wird meist nicht an den primären Geschlechtsmerkmalen festgemacht son- dern an Informationen wie Gang, Stimme, Gesichtsausdruck oder Körperhaltung. Mit den Theorieansätzen des Poststrukturalismus und der Postmoderne vollzieht sich ein Paradigmawechsel der Frauen- und Geschlechterforschung hin zu den „Gender Studies“. Judith Butlers 1991 erschienenes Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ ist exemplarisch dafür. Butler kritisiert in diesem Werk vehement die feministische Konzeption der Trennung von „Sex“ und „Gender“. Das biologi- sche Geschlecht sieht sie untrennbar mit dem sozialen und kulturellen Ge- schlecht verbunden. Sie spricht von einer sozialen und kulturellen Konstruktion des biologischen Geschlechts (vgl. Butler 1991: 167). Für Butler ist die Festle- gung auf primäre Geschlechtsmerkmale und die selbstverständliche Annahme der Natürlichkeit von genau zwei Geschlechtern und deren heterosexuellen Be- ziehungen die Folge eines kulturellen Naturalisierungsprozesses. Das Ge- schlecht wird ständig von jedem selbst neu erschaffen, es gibt kein fixes Ge- schlecht mehr. „Gender“ und „Sex“ werden gleichermaßen konstruiert. Ge- schlechterrollen sind einem ständigen Wandel unterzogen. Es stellt sich insbe- sondere für die Soziologie die Frage, wie Geschlechterrollen legitimiert und auf- recht erhalten werden können. Wie wandelbar ist das Geschlecht wirklich, wenn es bereits auf eine bestimmte Art und Weise fest in der Gesellschaft verankert ist. Frauen und Männer haben zunehmend andere Vorstellungen davon, wie sie sich selbst in der Gesellschaft sehen wollen und welche Rollen ihnen zuteil wer- den sollen. Frauen wollen heraus aus dem gängigen Klischee der Hausfrau, Mutter und Ehefrau. Dabei wird den Männern die zunehmende Aufgabe zuteil, selbst für Kinder und Haushalt zu sorgen. Der Mann als „Hausmann“ rückt immer mehr in den Vordergrund. Nach Goffman steht das Geschlecht in einer interde- pendenten Beziehung zur Gesellschaft. Er verwendet dafür den Begriff der „insti- tutionellen Reflexivität“. Das Geschlecht wird tagtäglich in der zwischenmensch- lichen Interaktion neu reproduziert. Allerdings geben gesellschaftliche Institutio- nen das Verhalten und Handeln von Männern und Frauen in einem erheblichen Maße vor. Folglich stellt sich die Frage, wie die natürlichen Unterschiede zwi- schen den Geschlechtern - also im Hinblick auf die Emotionalität, die Psyche, den Intellekt, etc. - in der Gesellschaft institutionalisiert und reproduziert werden.

3.1. Exkurs: Erving Goffman

Der Geschlechterbegriff bei Goffman

Goffman sieht das Geschlecht als Grundlage eines zentralen Codes, demgemäß soziale Interaktion und Strukturen aufgebaut sind. Für ihn ist Geschlecht ein ka- tegoriales individuelles Identifizierungsmerkmal und kann als Kreuzungspunkt des sozialen Lebens verstanden werden (Goffman 1983: 4; vgl. Länger 1994: 29). Geschlechtlichkeit beginnt für ihn mit der genitalen Klassifikation, die bei der Geburt erfolgt. Das Geschlecht prägt die Vorstellung des einzelnen von seiner grundlegenden menschlichen Natur. Er sieht die Geschlechtsklassifikation als soziale Einteilung. Für Goffman ist es wichtig, nicht die sozialen Konsequenzen der angeborenen Geschlechtsunterschiede zu erklären sondern eher, wie diese Unterschiede als Garanten für unsere sozialen Arrangements geltend gemacht werden.

Der Unterschied zwischen den Geschlechtern wird in der Interaktion erzeugt und zugleich von Institutionen wie Arbeitsplatz oder Familie geregelt. Die institutionelle Reflexion ist eine Form von Schnittstelle zwischen Interaktionsordnung und Gesellschaftsstruktur.

Goffman untersuchte die Anordnung der Geschlechter in sozialen Situationen; ihr Arrangement, das sie gegenseitig treffen, wenn sie sich begegnen. Seiner Auffassung nach wird diese Anordnung vor allem durch bestehende Institutionen geregelt. Der von ihm geprägte Ausdruck der institutionellen Reflexivität zeigt deutlich seine Vorstellungen darüber, wie Geschlecht entsteht und konstant be- stehen bleiben kann. Kotthoff schreibt dazu: „ D.h., dass das soziale Geschlecht so institutionalisiert wird, dass es genau die Merkmale des Männlichen und Weiblichen entwickelt, welche angeblich die differente Institutionalisierung begründen “ (2001: 162).

Goffman selbst ist gegen die formulierte Vorstellung des „Doing Gender“, wie sie beispielsweise von West und Zimmermann formuliert wurde: „ ( … ) doing gender merely involves making use of discrete, well-defined bundles of behavior that can simply be plugged into interactional situations to produce recognizable enactments of masculinity and feminity “ (1991: 22).

Goffman verneint den biologischen Unterschied nicht. Er sieht die modernen Gesellschaften hingegen in der Lage, geringe körperliche Differenzen entspre- chend ausgleichen zu können. Tatsächlich verhält sich die Realität gegensätzlich zu seiner Annahme. Der minimalistische Unterschied zwischen den Geschlech- tern wird in hohem Maße überzeichnet. Das Geschlecht dient somit als Instru- ment zur Herstellung sozialer Ordnung. Die Institutionen kontrollieren und regeln das Geschlecht. Es wird von den Individuen täglich neu übernommen und repro- duziert, so dass dadurch den Individuen in der Gesellschaft automatisch be- stimmte soziale Plätze zugewiesen werden, welche ohne weiteres nicht wieder zu verlassen sind (vgl. Dauber 2006: 22). Die Geschlechtszugehörigkeit ist eines der am tiefsten verankerten Merkmale des Menschen. Goffman spricht in dem Zusammenhang von einem Prototypen des essentiellen Ausdrucks: „ [ … ] etwas, das in jeder sozialen Situation mühelos vermittelt werden kann, und doch zugleich et- was, das die elementarste Charakterisierung eines Menschen abgibt “ (1981: 34).

Männlichkeit und Weiblichkeit haben keine Natur der Geschlechter, sondern sind Abbilder der gesellschaftlich vermittelten Vorstellungen.

Goffmans Arrangement der Geschlechter

Goffman bezeichnet mit dem Begriff Arrangement zum einen die Konstellatio- nen, in den Frauen und Männer zueinander stehen. Männer und Frauen arran- gieren sich demzufolge so, dass die ihnen zugeschriebenen Eigenheiten zum Ausdruck gebracht werden können. Zum anderen meint er damit die Anordnung, in welche die Geschlechter durch Kulturmuster gebracht werden, die nicht zur Disposition stehen und die in ihren Handlungen nicht frei wählbar sind. Jeder Mensch verkörpert eine Rolle, sobald er mit anderen interagiert. Es werden tradi- tionelle Handlungsmuster übernommen. Die Geschlechterkategorie wird für Goffman durch die institutionelle Reflexivität vorbestimmt. Er versucht damit zu beschreiben, dass in alltäglichen Interaktionen Geschlechterkonstruktionen sich immer wieder neu produzieren. Institutionen greifen auf diese zurück und nutzen sie als Legitimation für genderbasierte Rangordnungen innerhalb der Gesell- schaftsordnung. Diese künstlich geschaffene Positionierung von Frauen und Männern wirkt wiederum auf deren eigene Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit. Eigene Erfahrungen bestätigen das Alltagsverständnis von Ge- schlechterdifferenzen. Parsons und Bales gehen davon aus, dass Kinder im Lau- fe ihrer Sozialisation jeweils Aspekte des väterlichen und mütterlichen Verhal- tens verinnerlichen, sich jedoch stärker mit der sozialen Rolle des gleichge- schlechtlichen Elternteils identifizieren. Sie internalisieren die Aufgaben- und Au- toritätsverteilungen, die ihnen von Haus aus vorgelebt werden (vgl. ebd).

Es gibt unterschiedliche Handlungsräume für Männer und Frauen. Kindererzie- hung und Nahrungsaufnahme spielen sich tendenziell eher in den Haushalten ab. Die sozialen Rollen von Männern und Frauen werden dadurch deutlich aus- differenziert. Frauen gelten in der Gesellschaft eher noch als Hausfrau und Mut- ter als Männern die Rolle des Hausmannes zugesprochen wird. Zudem erhalten Frauen dabei den niedrigeren Rang und weniger Macht. Ihr Zugang zum öffentli- chen Raum wird eingeschränkt und ihr Leben ist insgesamt in höherem Maße von Haushaltspflichten bestimmt. Frauen sind eine benachteiligte Gruppe der besonderen Art, da sie bestimmte Privilegien in der Gesellschaft genießen. Sie sind oft ideologisiert und mythologisiert mit Werten wie Unschuld, Mütterlichkeit oder Sanftheit und werden in Glaubensvorstellungen als wertvoll angesehen. Im Verhältnis zum Mann und gleicher Leistung sind sie benachteiligt unter anderem bei der Entlohnung und bei Beförderungen. Ungleich anderer benachteiligter Gruppen werden Frauen in hohen Ehren gehalten. Die Interaktion zwischen Männern und Frauen ist vom Regelwerk des Hofierens und dem System des höflichen Umgangs geprägt. Frauen sind gehalten, Männer durch äußere sexuelle Attraktivität anzusprechen und der Mann ist gehalten sich anlocken zu lassen. Frauen werden dabei auf die Standards der äußeren Erscheinung verpflichtet, von denen sie aber - je älter sie werden - immer mehr abweichen.

Die Glaubensvorstellungen von sozialem Geschlecht, Männlichkeit und Weib- lichkeit stehen in einer engen wechselseitigen Beziehung zueinander. Idealbilder wirken sich, durch Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung verstärkt, auf das tatsächliche Verhalten der Geschlechter aus. Glaubensvorstellungen sind kein Bestandteil des sozialen Geschlechts. Durch andere Verknüpfungen als zwischen den Geschlechtsklassen können sie jedoch zu einem wesentlichen Teil des sozialen Geschlechts werden. In diesen sozialen Arrangements produzieren die Geschlechter ihre Geschichte und Rangordnung immer schon mit und erzäh- len sie auch. Selbstkategorisierung als normativ weiblich oder männlich geht zwanglos vonstatten: Männer und Frauen bestätigen sich in den herrschenden Glaubensvorstellungen der Geschlechter im heterosexuellen Paarungsverhalten gegenseitig. Goffman war in den siebziger Jahren der erste, der die weibliche und männliche Körpersprache und deren mediale Präsentation untersuchte. Er erkannte geschlechtsrollentypische Muster. Weibliche Unterwerfung unter männ- liche Dominanz zeigte sich in der räumlichen Anordnung der Geschlechter auf den Fotos durch Körperhaltungen und gegenseitige Berührungen. Der Mann wird immer größer dargestellt und symbolisiert ein Machtgefälle. Bei gemeinsa- mer Aktivität übernahm der Mann stets die Führung. Wenn Männer im traditio- nellen Wirkungsbereich der Frau (Küche, Kinder) oder bei Verrichtung traditionell weiblicher Tätigkeiten abgebildet waren, entsprach dies entweder einem Scherz oder betonte eine Professionalität.

Erving Goffmans Gender Advertisments (1976; deutsch: „Geschlecht und Wer- bung“ 1981) liefert eine qualitative Untersuchung über ritualisierte Darstellungs- weisen von Frauen und Männern in der Werbung. Er analysierte Werbeannon- cen amerikanischer Zeitschriften im Hinblick auf die visuelle Darstellung von Männern und Frauen. Im Zentrum seiner Analyse steht die fiktive Sozialwelt als Konstruktion der Werbung. Er untersuchte einzelne Aspekte des bildlichen Arrangements, wie unter anderem die räumliche Anordnung von Personen, die Gestik und Mimik. Nach Beendigung der Untersuchung von über 500 Werbean- noncen beschreibt Goffman die Darstellung des einzelnen Geschlechts nach unterschiedlichen Auffälligkeiten (1981: 120ff.). Er fand heraus, dass Anzeigen mit Frauen- und Männerabbildungen häufig mit relativen Größenunterschieden arbeiten. Männer sind nicht nur durchgängig größer als Frauen, sondern stehen oder sitzen in der Regel auch höher, umgreifen die Frau von oben, beschirmen sie oder blicken auf sie herab. Bei abgebildeten Paaren wird so auf ähnliche Weise die höhere Rangordnung des Mannes ausgedrückt. Der Mann übernimmt die Führung, erklärt, weist an oder ist der belehrende Experte, dem die Frau folgt, zuhört oder die sie bewundert. Dass der Mann einen höheren Status und somit die führende Funktion besitzt, drückt sich im Bildaufbau und im gestischen Zueinander der Geschlechter aus. Wichtige Darstellungselemente ergeben sich nach Goffman aus Berührungsritualen: der zärtlich schmiegenden Berührung eines Glases wird mit einem männlich utilitaristischen Zugriff begegnet. Selbst- berührungen sind fast ausschließlich bei Frauen zu beobachten. Sie vermitteln ebenfalls zurückgenommen dezente Ausdrucksformen. „ Ich und mein K ö rper - wir sind schon etwas Kostbares, vorsichtig zu Berührendes “ (Goffman 1977b:131; vgl. Län- ger 1994: 33). Frau bzw. Mann zu sein bedeutet, die Darstellungsweisen einzu- nehmen, die mit den Labeln männlich oder weiblich besetzt sind. Abweichende Verhaltensweisen werden durch das sprachliche Repertoire diskreditiert: Mem- me, Mannweib, Emanze, Weichei.

In den Abbildungen vieler Körperhaltungen von Frauen drücken sich Unsicher- heit, Zartheit, Verträumtheit und Sensibilität aus (Schräghaltung und Abknicken des Kopfes, Abwinkeln von Händen, Beinen, Armen). Goffman sieht die von ihm analysierten Körpersprachen und Bildarrangements als immanente Stereotype unserer Kultur an, die von der Werbung aufgegriffen und durch „Hyperritualisie- rung“ übertrieben wieder-inszeniert werden. Werbung greift auf einen kulturell vorhandenen Vorrat an Klischees zurück, welche der wirklichen Geschlechterbe- ziehung keineswegs entsprechen müssen, um überstilisiert und ästhetisiert das vorbildliche Ideal für „natürliche“ Geschlechterbeziehungen vorführen zu können. Es stellt sich die Frage, ob Goffmans Analysen demzufolge heute noch zutref- fend sein können. Werbung steht unter ständigem Wandlungsdruck und vor al- lem die mediale Form der Werbung wechselt andauernd ihre Präsentationsform, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erreichen und auch zu erhalten. Ayaß stellt fest, dass obwohl Werbung die sich am schnellsten verändernde mediale Gattung überhaupt ist, sich die Darstellungen der Geschlechtsritualisierungen nur wenig verändert haben. Es ist daher zu vermuten, dass sich Form und Inhalt der Hyperritualisierung ändern, die Hyperritualisierung an sich aber weniger (vgl. 2008: 130). Ob auch in heutigen Werbespots noch Hyperritualisierungen Verwendung finden, wird in der Analyse untersucht.

Ute Frevert fasste 1995 die damaligen gängigen Diskurse zum Thema Geschlechterentstehung und Geschlechterdifferenz zusammen. Sie spricht von dem Geschlecht, das konstruiert, dekonstruiert und rekonstruiert wird. Teile der Gesellschaft beharren förmlich auf der „ Materialität der Kategorie “ (1995:13), nach der das Geschlecht biologisch determiniert sei und somit auch alle in diesem Zusammenhang stehenden Implikationen gerechtfertigt sind. Andere sehen hingegen das Geschlecht als etwas Wandelbares an, so dass Implikationen und Konsequenzen abhängig von dem jeweiligen soziokulturellen und geschichtlichen Hintergrund gestaltet werden können (vgl. ebd.).

Der ethnomethodologische Ansatz des „Doing Gender“ nimmt die Gestaltungs- möglichkeiten des Geschlechts noch genauer ins Blickfeld und vertritt die Sicht- weise, dass sich Geschlecht tagtäglich durch das menschliche Handeln neu konstruieren muss; zum Beispiel in der Art und Weise, wie Männer und Frauen miteinander kommunizieren. Allen Ansätzen der Geschlechterforschung ist zu- mindest eines gemeinsam: das Geschlecht wird nicht als natürlich-ontologische, also als eine nicht real existierende Kategorie angesehen, sondern als Konstruk- tion im weitesten Sinne. „Gender“, als das soziale Geschlecht, sowie die damit in Verbindung stehenden soziokulturellen, politischen und ökonomischen Attribute und „Sex“, als das biologische Substrat, das Körpergeschlecht, werden glei- chermaßen konstruiert (vgl. ebd.).

Regine Gildemeister und Angelika Wetterer sehen in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen „Sex“ und „Gender“ letztendlich als einen „verla- gerten Biologismus“ an. Dass es unabhängig von den vorhandenen Sozialisati- onseffekten und kulturellen Prägungen eine Natur der Geschlechter gäbe, sei im Grunde unangefochten geblieben (vgl. Gildemeister 1995: 206). Daher könne der Aspekt der Geschlechterkonstruktion durch die Unterscheidung zwischen „Sex“ und „Gender“ nicht angemessen zum Ausdruck gebracht werden (vgl. ebd.: 206).

3.2. Die soziale Konstruktion der Geschlechterrollen

Distinktion zwischen Geschlechterrollen und Geschlechterstereotypen

Geschlechterrollen beschreiben zwei unterschiedliche, für das jeweilige Geschlecht festgelegte soziale Verhaltensmuster. Rollen beziehen sich immer auf die jeweils besetzte Position. Die Rolle beschreibt eine Reihe von Erwartungen, welche an die jeweilige Position herangetragen werden. So soll ein Lehrer eine Vorbildfunktion für seine Schüler erfüllen. Eine Mutter soll sich liebevoll und aufopfernd um die Erziehung der Kinder und den Haushalt kümmern. Frauen wird unterstellt, dass sie gerne die Mutterrolle ausfüllen.

Unter Stereotypen versteht man ganz allgemein „ von Gruppen geteilte Vorstellun- genüber die Mitglieder anderer Gruppen “ (Schenk 1979: 106). Diese Vorstellungen werden als kognitive Wissensbestände im Laufe der Sozialisation erworben (vgl. Alfermann 1996: 9). Soziale Stereotype existieren für Frauen und Männer glei- chermaßen und beinhalten Klischees, verfolgen zunächst aber keine negativen Absichten. Sie zeigen immer ein verzerrtes Bild der gesellschaftlichen Gegeben- heiten, da sie der Differenziertheit der sozialen Realität nicht gerecht werden können. Stereotype werden in der Regel von ganzen Gesellschaften geteilt und bestehen unabhängig vom Einzelnen. Das Individuum übernimmt sie im Laufe seines Sozialisationsprozesses. Die Stereotypisierung ist ein in vielen Ländern homogener Prozess, der immer wieder dieselben Stereotype und Rollen produ- ziert. Die Exklusivität von Stereotypen ist ein Merkmal dieses Prozesses. Eigen- schaften die für Frauen gelten sollen, gelten niemals für Männer und umgekehrt. Mit der Wertigkeit der Eigenschaften wird ein zweites Merkmal offensichtlich: männliche Eigenschaften erfahren oftmals eine positivere Wertung als weibliche Eigenschaften. Wie schon erwähnt, gilt der Mann demzufolge immer als das starke, die Frau dagegen als das schwache Geschlecht.

3.2.1. Geschlechterstereotype

Es gibt eine Reihe von Definitionen für Geschlechterstereotype. Thomas Eckes definiert sie als „ kognitive Strukturen, die sozial geteiltes Wissenüber die charakteristi-schen Merkmale von Frauen und Männern enthalten “ (2004: 165). Kennzeichnend sind die deskriptiven und präskriptiven Komponenten. Die deskriptive Komponente beinhaltet die Annahmen darüber, wie Frauen und Männer sind. Ihnen werden aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit ein ganz bestimmtes Verhalten und ganz bestimmte Merkmale zugeschrieben. Die präskriptive Komponente umschreibt wie Männer und Frauen sich verhalten sollen.

Geschlechterstereotype werden als „ vermutete Unterschiede, soziale Konventionen oder Normen, gelerntes Verhalten, Einstellungen und Erwartungen “ (vgl. Keller 1978: 10) definiert und entstehen durch die in der Gesellschaft festgelegten Geschlechtsrollen. Frauen werden, aufgrund ihres im Vergleich zum Mann gesellschaftlich niedrigeren Status, eher stereotypisiert behandelt oder dargestellt. Als typische Aufgabe der Frau gelten Kindererziehung, die Organisation des Familienlebens und die Erledigung des Haushalts. Der Mann hingegen ist verantwortlich für die Erwerbstätigkeit und hat die Entscheidungsmacht.

Stereotype Rollenbilder haben normativen Charakter und drücken Erwartungs- haltungen desjenigen aus, dessen Denken von einem solchen Stereotyp geprägt ist. Die normative Erwartungshaltung führt zu vorangegangen Beurteilungen an- derer Personen, die als Träger bestimmter Rollen oder Mitglieder einer Gruppe spezielle Eigenschaften haben müssen. Durch eine solche Art der Beurteilung werden Entscheidungen beeinflusst. Frauen können nicht logisch denken, daher kann eine Frau keine Mathematik-Professorin werden (vgl. Hofstätter, P.R., nach Quasthoff, U.: 1973; 45 ff.). Die Träger von stereotypen Rollen neigen dazu sich diesen anzupassen. Das beginnt bereits in der elterlichen Sozialisationsphase. Danach weinen Jungen nicht und spielen nicht mit Puppen9, Mädchen sollen sich grazil bewegen. Dieses Verhalten, das Frauen und Männer bereits im Kin- desalter erlernen, zeigt deutlich die Zugehörigkeit zur jeweiligen Geschlechterka- tegorie und hebt die soziale Trennung der Geschlechter besonders hervor. Der subtil ausgeführte Zwang führt entweder zur Anpassung oder zur Ablehnung des vermittelten Rollenbildes. Dies führt unvermeidlich zu sozialen Konflikten. Rol- lenstereotype sind fälschlicherweise meist durch verallgemeinernde Wesens- merkmale von bestimmten Funktionen, die Menschen im sozialen Gefüge aus- üben, gekennzeichnet (vgl. Quasthoff 1973: 144). Langer - El Sayed analysierte das Frauenbild deutscher Illustrierten und fasst ihre Ergebnisse wie folgt zu sammen: „ Sie ist jung, sch ö n, schlank, gepflegt, eine gute, heitere Mutter, liebenswürdig usw. Die Primärgruppenbeziehungen und die daraus abgeleiteten Verhaltensmuster haben wesentlichen Vorrang für sie. Auch hier steht hinter dem Stereotyp wieder die Vorstellung vom „ Wesen “ der Frau, das weitgehend biologisch festgelegt und damit als unveränderlich gilt “ (1971: 266). Der Stereotyp der Männlichkeit hingegen wird in der Regel mit der Vorstellung vom erfolgreichen Manager kombiniert. Die Me- dien und insbesondere die Werbung, vermitteln oft ein stereotypisiertes Ge- schlechterbild, welches keineswegs mehr der Norm entspricht. So wird die Frau in der Werbung meist noch im Haushaltskontext dargestellt. Werbung spielt mit Stereotypen. Sie ist gezwungen ständig neuartig zu sein und überraschend zu wirken. Daher sind traditionelle Geschlechterrollenstereotype in der Werbung noch häufig zu finden. Die Medien greifen das in der Gesellschaft vorhandene Gendersystem auf und vertiefen es durch geschlechtsrollenstereotype Rollenbe- setzungen und die Inszenierung weiblicher und männlicher Charaktere. Be- stimmte Handlungsspielräume und Verhaltensmuster werden in der Fiktion der Werbemedien in scheinbar immer neuen Rahmenhandlungen stereotyp dem jeweiligen Geschlecht zugeordnet. Die Geschlechterrollen werden meist nach ein und demselben Muster konstruiert. Durch ihre Häufung in der Werbung wird die Darstellungsform von Rezipienten meist nicht mehr hinterfragt oder kritisiert, oder aber durch die stereotypisierte Darstellung wird provoziert um so zu mehr Aufmerksamkeit zu gelangen. Heutzutage gibt es Werbefilme die ganz bewusst die traditionellen Rollenvorstellungen umkehren, wie es bei homosexuellen Wer- bepaaren der Fall ist. Besonders diese Art des Werbespots mit verkehrten Rol- len bringt Aufmerksamkeit.

3.2.2. Die Sozialisation der Geschlechtsrolle durch die Medien

Zunächst ist zwischen der Geschlechtsrolle und der sozialen Rolle zu unterschieden.

Die soziale Rolle wird verstanden als ein Netzwerk präskriptiver Regeln und Verhaltensanweisungen für Personen einer bestimmten Kategorie (vgl. Keller 1978: 16). Diese Verhaltensregeln werden zunächst durch die Gesellschaft festgelegt und bestimmten Personenkreisen zugeschrieben.

[...]


1 http://www.stroeer.de/markt_news.1049.0.html?newsid=5271 Stand: 15.06.2010

2 Sich selbst reproduzierend

3 Siehe auch BVerfG; 12.12. 2000 - 1 BvR 1762/ 95

4 Quelle: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft 2001

5 Das lässt sich allerdings auch auf den natürlichen Unterschied im Körperbau zurückführen. Frauen sind nicht so kräftig, die Muskulatur ist in der Regel nicht so stark ausgeprägt wie beim Mann.

6 Butler gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen des dekonstruktiven Feminismus. Sie analysierte eine heterosexuelle Matrix, die den binären Rahmen des Begriffs „Geschlecht“ sichert und um die Untersuchung normativer Prinzipien, die das biologische Geschlecht (sex) regulieren.

7 Das Hauptinteresse der Ethnomethodologie gilt den Regelstrukturen des Alltagslebens. Zentral ist die

Betonung der Wichtigkeit jedes einzelnen Augenblicks für die Konstitution von Bedeutungen und Interak- tionen.

8 Luhmann hingegen unterteilt die Interaktionsformen in Interaktion unter Anwesenden und Interaktion unter Abwesenden. Er spricht auch bei den sogenannten Grenzfällen, wie Telefonate oder e-mail Kontakt, Chat von Interaktion.

9 Goffman - institutionelle Reflexivität

Ende der Leseprobe aus 148 Seiten

Details

Titel
Werbung als öffentliche Kommunikation - Veränderte Geschlechterrollen in der Werbewelt
Hochschule
Universität Bielefeld
Veranstaltung
Soziologie - Methodologie und Methoden
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
148
Katalognummer
V190198
ISBN (eBook)
9783656162995
ISBN (Buch)
9783656163886
Dateigröße
14406 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Werbung, Medien
Arbeit zitieren
Kristina Schmidt (Autor:in), 2010, Werbung als öffentliche Kommunikation - Veränderte Geschlechterrollen in der Werbewelt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190198

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