Öffentliches Vertrauen als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor in der Mediengesellschaft am Beispiel börsennotierter Unternehmen

Eine empirische Studie


Masterarbeit, 2010

213 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vertrauen in unternehmensrelevanten Wissenschaftsdisziplinen
2.1 Vertrauen in der Psychologie
2.1.1 Vertrauen nach Rotter
2.1.2 Vertrauen nach Deutsch
2.2 Vertrauen in der Soziologie
2.2.1 Vertrauen nach Luhmann
2.2.2 Vertrauen nach Coleman
2.2.3 Vertrauen nach Giddens
2.3 Vertrauen in der Ökonomik
2.3.1 Vertrauen nach Ripperger
2.3.2 Vertrauen nach Williamson
2.4 Zwischenfazit

3. Vertrauen durch Kommunikation
3.1 Zum Begriff der Kommunikation
3.2 Reflexivität von Kommunikation
3.3 Informelle Kommunikation
3.4 Massenkommunikation
3.5 Zwischenfazit

4. Die Rolle der Medien im Vertrauensprozess
4.1 Charakteristika der Mediengesellschaft
4.2 Zum Stand des Vertrauens in die Medien
4.3 Zwischenfazit

5. Public Relations - „Werben um öffentliches Vertrauen"
5.1 Vertrauen als Zielwert der Public Relations
5.2 Öffentlichkeiten als Vertrauensgeber
5.2.1 Normative Öffentlichkeitsmodelle
5.2.1.1 Diskursmodelle
5.2.1.2 Öffentlichkeit als Intermediäres System
5.2.1.3 Spiegelmodelle
5.2.2 Öffentlichkeiten aus der Organisationsperspektive
5.2.2.1 Organisationstheoretischer Ansatz
5.2.2.2 Public Relations-Ansatz
5.2.2.3 Marketing-Ansatz
5.2.3 Zwischenfazit
5.3 Handlungsalternativen und Einzelmaßnahmen der Public Relations
5.4 Media Relations
5.4.1 Begriffsdefinition
5.4.2 Instrumente der Media Relations
5.4.3 Zweistufige Maßnahmenplanung der Pressearbeit
5.5 Öffentliche Meinung lenken, Vertrauen gewinnen
5.5.1 Konzepte und Funktionen öffentlicher Meinung
5.5.2 Struktur öffentlicher Meinung
5.5.3 Konstruktion öffentlicher Meinung durch die Medien
5.5 3.1 Theorie des Meinungsführers
5.5 3.2 Theorie der Schweigespirale
5.5.3.3 Agenda-Setting
5.6 Zwischenfazit

6. Theorie des öffentliches Vertrauens nach Bentele
6.1 Bestandteile desVertrauensprozesses
6.2 Vier Typen öffentlichen Vertrauens
6.3 Vertrauensfaktoren und -dimensionen
6.4 Diskrepanzthese
6.5 Zwischenfazit

7. Entwurf eines Modells zum öffentlichem Vertrauen in der Mediengesellschaft

8. Empirische Studie zu öffentlichem Vertrauen als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor
8.1 Fragestellungen
8.2 Vorgehensweise
8.2.1 Erstellung des CTI-Rankings
8.2.2 Kritik
8.2.3 Modifizierung des CTI
8.2.4 Erstellung des XETRA-Rankings
8.2.5 Gegenüberstellung der Rankings
8.2.6 Korrelationsindikatoren
8.2.7 Variablen- und Indikatorenlegende
8.3 Betrachtungsweisen
8.4 Auswertung
8.4.1 Gesamtübersicht Jahresdurchschnittswerte
8.4.2 Untersuchung der Rangverteilung
8.4.2.1 Gesamtanalyse
8.4.2.2 Branchenanalyse
8.4.3 Untersuchung der "Rangdifferenz isoliert"
8.4.3.1 Gesamtanalyse
8.4.3.2 Branchenanalyse
8.4.3.3 Untersuchung der "Rangdifferenz isoliert" und "Medienresonanz"
8.4.3.4 Untersuchung der "Rangdifferenz isoliert" und "Anzahl Übereinstimmungen Veränderung"
8.4.4 Untersuchung der "Rangdifferenz aggregiert"
8.4.4.1 Gesamtanalyse
8.4.4.2 Branchenanalyse
8.4.4.3 Untersuchung der "Rangdifferenz aggregiert" und "Medienresonanz"
8.4.4.4 Untersuchung der "Rangdifferenz aggregiert" und "Anzahl Übereinstimmungen Veränderung"
8.4.5 Untersuchung der Branchen hinsichtlich der Indikatoren "Medienresonanz", "Rangdifferenz aggregiert" und "Anzahl Übereinstimmung Veränderung"
8.5 Resümee
8.5.1 Thesenentwicklung
8.5.2 Erklärungsansätze

9. Schluss

Abbildungsverzeichnis

Abb. Nr. 1 : Klassisches Gefangenendilemma (Pieper 2000)

Abb. Nr. 2: Vertrauenserwartung (Ripperger 1998)

Abb. Nr. 3: Informelle Kommunikation (Merten 2007)

Abb. Nr. 4: Medien-Nutzungsmotivation (Reitze/Ridder 2006)

Abb. Nr. 5: Vertrauensmodell

Abb. Nr. 6: Modifizierung des CTI-Rankings

Abb. Nr. 7: Ermittlung der monatlichen Kursperformance

Abb. Nr. 8: XETRA-Ranking

Abb. Nr. 9: Beispiel-Index-Verlaufchart

Abb. Nr. 10: Beispiel-Datenmatrix

Abb. Nr. 11: Index-Verlaufchart & Datenmatrix BWM

Abb. Nr. 12: Index-Verlaufchart & Datenmatrix DAIMLER

Abb. Nr. 13: Index-Verlaufchart & Datenmatrix VW 98

Abb. Nr. 14: Branchenübersicht Automobil

Abb. Nr. 15: Index-Verlaufchart & Datenmatrix COMMERZBANK

Abb. Nr. 16: Index-Verlaufchart & Datenmatrix DEUTSCHE BANK

Abb. Nr. 17: Branchenübersicht Bank

Abb. Nr. 18: Index-Verlaufchart & Datenmatrix BASF

Abb. Nr. 19: Index-Verlaufchart & Datenmatrix BAYER

Abb. Nr. 20: Index-Verlaufchart & Datenmatrix K&S

Abb. Nr. 21: Index-Verlaufchart & Datenmatrix LINDE

Abb. Nr. 22: Branchenübersicht Chemie

Abb. Nr. 23: Index-Verlaufchart & Datenmatrix E.ON

Abb. Nr. 24: Index-Verlaufchart & Datenmatrix RWE

Abb. Nr. 25: Branchenübersicht Energie

Abb. Nr. 26: Index-Verlaufchart & Datenmatrix Deutsche Börse

Abb. Nr. 27: Branchenübersicht Finanzdienstleister

Abb. Nr. 28: Index-Verlaufchart & Datenmatrix METRO

Abb. Nr. 29: Branchenübersicht Handel

Abb. Nr. 30: Index-Verlaufchart & Datenmatrix MAN

Abb. Nr. 31: Index-Verlaufchart & Datenmatrix SIEMENS

Abb. Nr. 32: Index-Verlaufchart & Datenmatrix THYSSEN-KRUPP

Abb. Nr. 33: Branchenübersicht Industrie

Abb. Nr. 34: Index-Verlaufchart & Datenmatrix ADIDAS

Abb. Nr. 35: Index-Verlaufchart & Datenmatrix HENKEL

Abb. Nr. 36: Branchenübersicht Konsumer

Abb. Nr. 37: Index-Verlaufchart & Datenmatrix FRESENIUS MC

Abb. Nr. 38: Index-Verlaufchart & Datenmatrix MERCK

Abb. Nr. 39: Branchenübersicht Pharma & Healthcare

Abb. Nr. 40: Index-Verlaufchart & Datenmatrix SAP

Abb. Nr. 41: Branchenübersicht Software

Abb. Nr. 42: Index-Verlaufchart & Datenmatrix Telekom

Abb. Nr. 43: Branchenübersicht Telekommunikation

Abb. Nr. 44: Index-Verlaufchart & Datenmatrix DEUTSCHE POST

Abb. Nr. 45: Index-Verlaufchart & Datenmatrix LUFTHANSA

Abb. Nr. 46: Branchenübersicht Transport

Abb. Nr. 47: Index-Verlaufchart & Datenmatrix ALLIANZ

Abb. Nr. 48: Index-Verlaufchart & Datenmatrix MÜNCHNER RÜCKVERSICHERUNG

Abb. Nr. 49: Branchenübersicht Versicherung

Abb. Nr. 50: Übersicht Jahresdurchschnittswerte

Abb. Nr. 51: Rangverteilung

Abb. Nr. 52 Kreuztabelle CTI/XETRA-Rang

Abb. Nr. 53: Kreuztabelle Medienresonanz/Rangdifferenz isoliert

Abb. Nr. 54: Kreuztabelle Anzahl Übereinstimmungen/ Rangdifferenz isoliert

Abb. Nr. 55: Kreuztabelle Medienresonanz/Rangdifferenz aggregiert

Abb. Nr. 56: Kreuztabelle Rangdifferenz aggregiert/ Anzahl Übereinstimmungen

Abb. Nr. 57: Kreuztabelle Rangdifferenz aggregiert/Anzahl Übereinstimmungen (Branchenbetrachtung)

Abb. Nr. 58: Branchenüberblick Rangdifferenz aggregiert, Anzahl Übereinstimmungen, Medienresonanz

Abb. Nr. 59: Branchen-Datenmatrix

Abb. Nr. 60: CTI/XETRA-Schätzfunktionen

1. Einleitung

Wirtschaftliche Globalisierung, weltweite Finanzkrise, Bad Banks, massive Dezentralisierung, pan-kontinentale Allianzen, internationale Unternehmens­netzwerke, Outsourcing, virtuelle Firmen - die Welt der Wirtschaft zeigt sich im 21. Jahrhundert als diffuse Wolke, deren Struktur sich immer wieder und in rasantem Tempo verändert. Langsam gewachsene kulturelle Gefüge werden in den Medien- und Informationsgesellschaften im Hochgeschwindigkeitstem­po durch medial vermittelte Sinnzusammenhänge abgelöst. Die moderne Wirtschaftswelt ist durch hochkomplexe Strukturen geprägt, deren Auswüch­se und Verflechtungen kaum noch nachvollziehbar sind. Systeme entstehen, entwickeln und verändern sich, leben in einer synthetischen Beziehung, um am Ende zu einer neuen Form zu verschmelzen oder zu sterben. In dieser hoch dynamischen Welt kristallisiert sich das Phänomen "Vertrauen" als Schlüsselfaktor unternehmerischen Erfolges heraus.

Zu den Bedeutungstreibern des Faktors Vertrauen zählen in erster Linie der Wandel zu einer Informations- und Kommunikationsgesellschaft, sodann die fortschreitende Globalisierung, der gesellschaftliche Wertewandel und die dadurch bedingte Diskontinuität, wachsendes Misstrauen gegenüber den Public Relations sowie deren Zentrale Rolle in vielfältigen institutionalisierter Vertrauensbeziehungen (vgl. Bekmeier-Feuerhahn/Eichenlaub 2009, S. 295 ff.; Bentele/Seidenglanz 2008, S. 356), die funktionale Ausdifferenzierung der Gesellschaft sowie deren Fiktionalisierung durch die Medien, dazu eine durch technische Innovationen begünstigte Erhöhung der Risikobereitschaft und schließlich auch die unbeabsichtigten Folgen menschlichen Handelns (vgl. Herger 2006, S. 25 ff.).

All diese multiplen Einflüsse und Prozesse führen dazu, dass sich die Situati­on des Unternehmers zunehmend undurchsichtig gestaltet. Er muss Ge­schäftsbeziehungen eingehen, ohne seinen Geschäftspartner jemals gese­hen und ohne jegliche Kenntnis über dessen Organisationsfunktion zu haben. Er muss darauf vertrauen, dass sein Gegenüber die vertraglich geregelten Bedingungen einhält, dass das System, welches hinter dem Geschäftspartner steht, funktioniert und dass es die spezifischen Leistungsanforderungen er­füllt.

In genau demselben Maß ist aber auch er selbst vom Vertrauen seiner An­sprechgruppen abhängig, den Mitarbeitern, Lieferanten, Investoren, Kreditge­bern und Kunden. Ohne das Vertrauen ihrer Ansprechgruppen können Un­ternehmen am Markt nicht agieren. Oder mit anderen Worten: Ohne Vertrauen geht gar nichts.

In einer Gesellschaft, die maßgeblich von der medialen Durchdringung aller gesellschaftlichen Bereiche geprägt ist, in der die Medien zum konstitutiven Element des Systems avancieren und in der die Welt größtenteils nur über die Medien wahrgenommen wird, ist derjenige, der sich das Vertrauen seines Gegenübers erwerben will, maßgeblich auf die Vermittlungsleistung und die Wirklichkeitsdarstellung der Medien angewiesen.

In der Mediengesellschaft erreicht der jeweilige Akteur seine Zielgruppe fast ausschließlich über die Medien. Es gilt zu überlegen, welche Informationen in welcher Form an welche Medien weitergegeben werden, damit diese die ge­wünschte Wirkung bei der eigentlichen Zielgruppe, den Vertrauensgebern, hervorrufen.

Der Unternehmer hat es in der Mediengesellschaft somit immer mit zwei Ziel­gruppen zu tun. Zum einen mit den Medien, die im Vertrauensprozess primär in der Rolle des Vermittlers und Modellierers beteiligt sind, denen jedoch auch, je nach Medium und Format, mehr oder weniger Vertrauen entgegen­gebracht wird. Und zum anderen die Zielgruppe, an die sich bestimmte Un­ternehmensbotschaften richten. So muss beispielsweise ein Automobilunter­nehmen die Präsentation seines neuen Modells dergestalt inszenieren, dass die Medien die Botschaft aufnehmen, sie über ihre Distributionsplattformen im Sinne des Unternehmens verbreiten und sie schließlich an die eigentliche Zielgruppe, den potenziellen Käufer, herantragen.

Mit den Public Relations verfügen Organisationen über ein professionelles Kommunikationsinstrument, mittels dessen sie ihre Botschaften medienge­recht aufbereiten, so dass diese nicht nur in das Mediensystem "eingespeist" werden können, sondern sich auch gezielt steuern lassen und Vertrauen her­vorrufen. In der Mediengesellschaft sind vor allem die Media Relations bzw. die Pressearbeit von herausragender Bedeutung. Das, was nicht den Weg in die Medien gefunden hat, hat quasi gar nicht stattgefunden, nur "was in der Zeitung steht, hat Gewicht, was im Radio läuft, wird gehört und was das Fernsehen sendet, wird wahrgenommen." (Hepper 2009, S. 2). Hinzukommt, dass die Medien unverzichtbare Multiplikatoren sind, wenn es darum geht, das Vertrauen der einzelnen Ansprechgruppen zu gewinnen.

Was sich hier andeutet und im Verlauf der Arbeit herausgestellt werden soll, ist, dass der Vertrauensaufbau immanent auf medial vermittelten, kommuni­kativen Prozessen beruht.

Ziel des theoretischen Teils dieser Arbeit ist es, Vertrauen als wirtschaftlichen Erfolgsfaktor zu beschreiben sowie die Rolle und Bedeutung der Medien und zusätzlich die Einflussnahme der Public Relations im Vertrauensbildungspro­zess zu analysieren.

Ziel des empirischen Teils ist es, anhand der DAX 30 notierten Unternehmen zu untersuchen, inwieweit wirtschaftlicher Erfolg und öffentliches Vertrauen, wie in der Theorie von Bentele beschrieben, unter besonderer Berücksichti­gung der Medienberichterstattung korrelieren. Dazu wird im Einzelnen fol­gendermaßen vorgegangen:

In Kapitel zwei dieser Arbeit werden verschiedene Vertrauensmodelle aus unternehmensrelevanten Wissenschaftsdisziplinen vorgestellt. Ziel ist es zu­nächst, unterschiedliche Sichtweisen des Phänomens Vertrauen vorzustellen und ein genaueres Verständnis für den Begriff und die Funktionsweise zu generieren und so die Relevanz von Vertrauen für unternehmerischen Erfolg aufzuzeigen. Hierzu werden zunächst die Theorien aus der Psychologie von Rotter, der Vertrauen als generalisierte Erwartungshaltung versteht, und die von Deutsch, der Vertrauen als situationsabhängige Variable beschreibt, er­läutert. Das zweite Feld beinhaltet die soziologischen Modelle von Giddens, Coleman und Luhmann. Während Giddens Vertrauen zur Abgrenzung und Beschreibung moderner Gesellschaften heranzieht, modelliert Coleman den Vertrauensbegriff entlang der Rational-Choice-Theorie, deren charakteristi­sches Element der homo oeconomicus ist. Von besonderer Bedeutung sind die Ausführungen Luhmanns, dessen Theorie in der aktuellen Vertrauensde­batte als Referenzpunkt dient. Darauf aufbauend werden die Überlegungen von Ripperger analysiert, die Vertrauen mittels eines Kosten-Nutzen-Kalküls vor dem Hintergrund der Neuen Institutionenökonomik beschreibt, was ge­wissermaßen als Weiterentwicklung der Rational-Choice-Theorie gilt. Als Ge­genthese zu Rippergers Modell wird die Theorie von Williamsons aufgeführt, der eine kalkulatorische Herleitung von Vertrauen strikt ablehnt. Aus der Kommunikationswissenschaft wird das Modell des öffentlichen Vertrauens von Bentele herangezogen, das jedoch aus argumentativen und logischen Gründen erst unter Punkt 6 erläutert wird.

Darauf aufbauend, den Ausführungen Luhmanns folgend, dass Vertrauen durch Kommunikation entsteht, wird in Kapitel drei dargelegt, auf welchen Ebenen Vertrauen kommunikativ hergestellt werden kann. Hierzu werden insbesondere die Ausführungen von Merten herangezogen, der die spezifi­sche Bedeutung von Reflexivität im Kommunikationsprozess betont. Das E­lement der Reflexivität ist deshalb von so großer Bedeutung, weil Luhmann (2000, S. 92) es als Basis für Systemvertrauen beschreibt.

Unter Kapitel vier werden die Charakteristika der Mediengesellschaft skiz­ziert, um die besonderen Anforderungen, unter denen in modernen Gesell­schaften Vertrauen entsteht, aufzuzeigen. Ziel dieses Abschnitts ist es, die Bedeutung der Medien sowie ihre Rolle im Vertrauensprozess aufzuzeigen und herauszustellen. Dann wird aufgezeigt, welchem Medium mehr und wel­chem weniger Vertrauen entgegengebracht wird und welche Einflussfaktoren dafür ausschlaggebend sind.

Kapitel fünf beschäftigt sich mit den Public Relations als Kommunikationsin­strument, mittels dessen Unternehmen in der Mediengesellschaft Vertrauen zu generieren suchen. Zunächst werden verschiedene Konzepte von Öffent­lichkeit und ihre Relevanz für wirtschaftliche Organisationen erläutert. Dazu werden normative Öffentlichkeitsmodelle beschrieben, die bestimmte gesell­schaftliche Funktionen erfüllen und solche, die Öffentlichkeiten aus organisa­tionstheoretischer Perspektive als Zielwert der Public Relations beschreiben. Darauf aufbauend werden die von Grunig/Hunt ausgewiesenen Handlungsal­ternativen und Einzelmaßnahmen, die zur Beeinflussung der Öffentlichkeit dienen, untersucht. Auf Grund der besonderen Relevanz wird hier auch auf die Media Relations eingegangen. Schließlich wird "Öffentliche Meinung", die auch als "output" der Öffentlichkeit verstanden werden kann (vgl. Neidhard 1994, S. 25 ff.), erläutert und es werden Konzepte vorgestellt, mit deren Hilfe sie sich beeinflussen lässt.

Auf der Grundlage der vorangegangen Erkenntnisse wird im Anschluss unter Kapitel sechs auf die Theorie des öffentlichen Vertrauens von Günter Bentele eingegangen. Sie ist von zentraler Bedeutung für diese Arbeit, weil Bentele darin den Einfluss der Massenmedien explizit berücksichtigt und weil sie die Basis für die im weiteren Verlauf durchgeführte Analyse des Verhältnisses von Vertrauen und wirtschaftlichem Erfolg der DAX 30 notierten Unternehmen bildet.

Das Vertrauensmodell unter Kapitel sieben fasst die bis hierher gewonnenen Erkenntnisse auf vereinfachte Weise grafisch zusammen und soll als Kick-Off für die unter Kapitel acht durchgeführte empirische Studie dienen.

Diese Studie beruht auf der Gegenüberstellung zweier Indizes - nämlich ei­nem Vertrauens-Index, dem CTI (Corporate Trust Index), und einem (wirt­schaftlichen) Erfolgs-Index, einem eigens für diese Studie entwickelten XETRA-Index (Exchange ElectronicTrading). Beide Indizes beziehen sich auf die im DAX 30 notierten Unternehmen. Während der CTI auf den Überlegun­gen der Theorie des öffentlichen Vertrauens beruht und vom PMG-Presse Monitor veröffentlicht wird, beruht der XETRA-Index auf den im XETRA aus­gewiesenen Kursen.

Da wirtschaftlichem Erfolg und Vertrauen aber nicht einfach ein monokausa­ler Zusammenhang unterstellt werden kann, ist davon auszugehen, dass sich die genannten Indizes nicht immer decken. Es geht in der hier durchgeführten Studie also darum, unter Einbezug der quantitativen medialen Berichterstat­tung herauszufinden, bei welchen Unternehmen bzw. Branchen ein Zusam­menhang zwischen Vertrauen und wirtschaftlichem Erfolg feststellbar ist, wie groß dieser Zusammenhang ist und welches die Gründe sind, die sich zur Erklärung für auftretende Divergenzen anführen lassen.

2. Vertrauen in unternehmensrelevanten Wissenschaftsdiszip­linen

„Das Vertrauen [ist] [...] eine der wichtigsten synthetischen Kräfte in­nerhalb der Gesellschaft...“ (Simmel 1992, S. 393)

In der Literatur befinden sich zahlreiche Forschungsarbeiten zum Terminus „Vertrauen“. Es zeigt sich als ein multidisziplinäres Konstrukt, das sich von den unterschiedlichsten Blickwinkeln aus betrachten und untersuchen lässt. Eine einheitliche Bestimmung scheint daher unmöglich. Shapiro spricht ange­sichts der unüberschaubaren Anzahl an Begriffserläuterungen von einem „...confusing potpourri of defintions...“ (Shapiro 1987, S. 625).

Um die Relevanz von Vertrauen für unternehmerischen Erfolg herauszuarbei­ten ist es notwendig, zunächst einige Grundannahmen zum Gegenstand des Vertrauens aus den Bereichen der Psychologie, der Soziologie und der Öko­nomie darzustellen. Die Gemeinsamkeit der hier aufgeführten Disziplinen be­steht zum einen darin, dass sie elementare Relevanz für wirtschaftliche Or­ganisationen haben.

Fünfzig Prozent der Wirtschaft, so der frühere Wirtschaftsminister Ludwig Er­hard, seien Psychologie. Erhard verweist damit auf die bedeutende Rolle, die der Psychologie in wirtschaftlichen Beziehungen zukommt. Die Psychologie hat das Erkennen und Begründen individuellen Verhaltens als Forschungs­gegenstand. Diese Erkenntnisse sind vor allem im Marketing von elementarer Bedeutung, denn fast alle Marketingstrategien beruhen auf bestimmten Ver­haltensannahmen einer Zielgruppe (vgl. Moser 2007, S. 148).

Die Soziologie beschäftigt sich mit der Erklärung und Deutung von sozialem Handeln, wobei es hierbei um das Zusammenwirken und somit auch um das Zusammenarbeiten von wirtschaftlich handelnden Akteuren geht (vgl. Martin­Luther-Universität Halle-Wittenberg 2009). Unter soziales Handeln versteht Weber (1985)

"...ein solches Handeln [...], welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist." (Weber 1985, S. 542)

Mittels der Soziologie lassen sich demnach Verhaltensmuster und Verhal­tensannahmen erklären, wie sie in der Wirtschaft Vorkommen.

Die Ökonomik unersucht die Problematik sozialer Interaktion vor dem Hinter­grund individueller Vorteils- und Nachteilskalkulationen (vgl. Ho­mann/Suchanek 2005, S. 347). Diese Kosten-Nutzen-Überlegungen liegen allen ökonomischen Interaktionen zugrunde und gelten als Basis aller wirt­schaftlichen Beziehungen.

Dass die hier aufgeführten Wissenschaften elementare Erkenntnisse für wirt­schaftliches Handeln liefern, ist eindeutig. Sie werden in der hier vorliegende Arbeit besonders hervorgehoben weil das Vertrauen innerhalb der jeweiligen Disziplin eine elementare Rolle spielt.

In der Psychologie sind es vor allem die Ausführen von Julian Rotter und Morton Deutsch, die in der Wissenschaft große Beachtungen fanden. Wäh­rend Rotter Vertrauen als Persönlichkeitsdisposition auffasst, vertritt Deutsch die Auffassung, dass Vertrauen als Situationsvariable aufzufassen ist.

Im Feld der Soziologie und darüber hinaus, kommt den Arbeiten von Niklas Luhmann, James Coleman und Anthony Giddens große Bedeutung zu. Luh- manns Ausführungen zum Vertrauensbegriff dienen in der aktuellen Vertrau­ensdebatte als Referenzpunkt. In der von ihm entwickelten Systemtheorie beschreibt er die Funktion von Vertrauen innerhalb und zwischen hochkom­plexen, sozialen Systemen, wie es Unternehmen sind. James Coleman be­trachtet Vertrauen aus handlungstheoretischer Perspektive. In seinen Überle­gungen nähert sich Coleman dem Terminus des Vertrauens vor dem Hintergrund der ökonomischen Neoklassik. Coleman modelliert hier Vertrau­en entlang der Rational-Choise-Theorie und verweist so auf die Funktion von Vertrauen in ökonomischen Beziehungen. Anthony Giddens zählt zu den weltweit führenden Sozialtheoretikern der Gegenwart. In seinem Werk „Kon­sequenzen der Moderne" grenzt Giddens mittels Vertrauen vormoderne und moderne Gesellschaften, wie dies die Mediengesellschaft ist, voneinander ab. In seiner Abhandlung verweist er auf die fundamentale Rolle des Vertrauens in modernen Gesellschaften.

Mit ihrem Buch „Ökonomik des Vertrauens“ beschreibt Tanja Ripperger die Funktion von Vertrauen und integriert den Vertrauensmechanismus als Orga­nisationsprinzip zwischenmenschlicher Austauschbeziehungen in die Öko­nomik. Auch der kritischen Auseinandersetzung mit Vertrauen von Oliver Wil­liamson, Träger des Nobelpreises für Wirtschaft, soll hier Beachtung ge­schenkt werden. Er stellt in seiner Abhandlung „The Mechanisms of Gover­nance“ das Paradoxon von Vertrauen und Kalkül dar. Damit ist er einer der bedeutendsten Kritiker alle jener, die Vertrauen mittels einer Kosten/Nutzen­Rechung erklären.

2.1 Vertrauen in der Psychologie

2.1.1 Vertrauen nach Rotter

Rotter begreift in seiner sozialen Lerntheorie Vertrauen als Persönlichkeits­disposition. Nach seiner Auffassung bildet sich diese Disposition über Interak­tionserfahrungen, die ein Individuum über einen längeren Zeitraum hinweg mit seiner Umwelt macht. Der Mensch, so Rotter, zeigt immer jene Verhal­tensweisen, die für ihn in der Vergangenheit mit positiven Konsequenzen verbunden waren. Vertrauen entwickelt sich so über einen Lernprozess. Macht das Individuum als Kind in bestimmten Situationen die Erfahrung, dass sich Vertrauen positiv auswirkt, so wird es diese Erfahrung verallgemeinern und auch als Erwachsener Vertrauen in gleichen und ähnlichen Situationen aufbringen. Aus dieser Verallgemeinerung bzw. Generalisierung entwickelt sich dann „...die stabile Persönlichkeitseigenschaft, entweder vertrauensvoll oder misstrauisch an andere Menschen heranzugehen.“ (Rotter 1981, S. 23). Somit definiert Rotter Vertrauen als

„...generalisierte Erwartungshaltung [...], dass man sich auf das Wort, die Äußerungen, die Versprechen eines Menschen oder einer Gruppe verlassen kann.“(Rotter 1981, S. 23)

Mit der „Interpersonal Trust Scale“ entwickelte Rotter ein Verfahren, anhand dessen sich das generalisierte Vertrauen messen lässt.

Die „Interpersonal Trust Scale“ besteht aus 25 allgemeinen Behauptungen wie „Die Justiz behandelt uns alle gleich und unvoreingenommen“, „Beim Umgang mit Freunden sieht man sich besser vor, bis ihre Vertrauenswürdig­keit bewiesen ist“ oder „Die meisten Menschen würden stehlen, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten und sicher wären, nicht erwischt zu werden“. Die Behauptungen wurden so ausgewählt, dass sich darüber Aussagen über das in Freunde, Bekannte aber auch in fremde Persönlichkeiten sowie in Instituti­onen gesetzte Vertrauen treffen ließen. Jede Behauptung konnte mit Werten zwischen 0 und 5 bewertet werden, sodass sich dadurch die generalisierte Vertrauenserwartung des einzelnen messen ließ.

Das Ergebnis ist, dass vertrauensvolle Menschen nicht etwa naiver bzw. leichtgläubiger sind. Vielmehr gelten Menschen, die anderen vertrauen, selbst als vertrauenswürdig. Misstrauische Menschen hingegen würden nicht nur als weniger vertrauenswürdig eingestuft sondern sind dies auch wirklich, da sie tatsächlich häufiger als vertrauensvolle Menschen zum Lügen und Betrügen neigen (vgl. Rotter 1981, S. 24). Rotter kann ebenfalls ausschließen, dass vertrauensvolle Menschen per se anderen vertrauen - sie unterscheiden e­benso wie die misstrauischen, wem sie vertrauen und wem nicht. Während jedoch der Misstrauische erst dann vertraut, wenn sich ihm sein Gegenüber als vertrauenswürdig erwiesen hat, vertraut der Vertrauensvolle so lange, bis sein Vertrauen enttäuscht wurde (vgl. Rotter 1981, S. 29).

Für Unternehmen die das Vertrauen ihrer Ansprechgruppen benötigen um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, haben diese Überlegungen mehrfache Re­levanz. Prinzipiell ist der Grad der Schwierigkeit, das Vertrauen eines Indivi­duums zu generieren, von dessen Vertrauensdisposition abhängig. Will ein Unternehmen das Vertrauen seiner Ansprechgruppen erwerben, muss es ihnen das Vertrauen "anlernen". Dies kann zum einen durch eine permanente Ansprache und zum anderen durch konstant gute Leistungen bezogen auf Ware oder Dienstleistung bewerkstelligt werden, sodass sich eine generali­sierte, positive Erwartungshaltung von Seiten der Ansprechgruppe gegenüber der Organisation bildet.

Folgt man den Überlegungen Rotters, so wirkt sich die Implementierung einer Vertrauenskultur förderlich auf die Vertrauensgenerierung aus, da der, der selbst Vertrauen schenkt, auch eher als vertrauenswürdig erachtet wird. Eine Vertrauenskultur bewirkt zudem, dass der Organisation insgesamt ein positi­veres Image zugesprochen wird.

2.1.2 Vertrauen nach Deutsch

Im Gegensatz zu Rotter, der Vertrauen als Persönlichkeitsdisposition dar­stellt, sieht Deutsch die Ursache für die Vertrauensvergabe zum einen in den jeweiligen Eigenschaften einer Situation und zum anderen in der Stäke der Motivation der Interaktionspartner, dem jeweils Anderen zu vertrauen. Deutsch bezeichnet Vertrauen als eine risikoreiche Handlung in einer Interak­tionssituation, in der das Erreichen eines Zieles vom eigenen aber auch vom Verhalten Anderer abhängig ist:

„An individual may be said to have trust in the occurrence of an event if he expects its occurrence and his expectation leads to behaviour which he perceives to have greater negative motivational consequences ifthe expectation is not confirmed than positive motivational consequences if itis confirmed.”(Deutsch 1958, S. 266)

Nach Deutsch führt die eigene Kooperationsbereitschaft dazu, dass auch die des Interaktionspartners gefördert wird. Dies ist jedoch abhängig von der je­weiligen Situation. In einer modifizierten Form des Gefangenen-Dilemmas konnte Deutsch die Situationsmerkmale ermitteln, die die Vergabe von Ver­trauen fördern.

Beim Gefangenendilemma stellt sich die Situation wie folgt dar:

Zwei Gefangene sitzen in Einzelhaft, da sie eines gemeinsamen schweren Verbrechens beschuldigt werden. Sie stehen vor der Wahl, das Verbrechen zu leugnen oder den anderen zu beschuldigen. Leugnen beide, bekommen sie jeweils eine Haftstrafe von 1 Jahr, beschuldigen sie sich gegenseitig des Verbrechens, erhalten sie jeweils eine Haftstrafe von 8 Jahren, leugnet hin­gegen einer und der andere beschuldigt ihn, bekommt der Leugner eine Haft­strafe von 10 Jahren, wohingegen der Verräter freigelassen wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. Nr. 1: Klassisches Gefangenendilemma (Quelle: Pieper 2000, S. 98) - leicht ver­änderte Darstellung

Das Dilemma liegt darin, dass wenn jeder Spieler/Gefangene die für sich op­timale Situation (GA = II/ GB = III) erreichen will, beide verlieren. Das best­mögliche Ergebnis erzielen die Gefangenen/Spieler, wenn sie sich gegensei­tig vertrauen und kooperieren (beide leugnen) (GA = I/GB = I). Allerdings ist bei dieser Variante die Gefahr des größten Verlustes am höchsten. Denn ent­scheidet sich ein Gefangener/Spieler für das Leugnen, geht er gleichzeitig das Risiko ein, dass der andere dies nicht tut und ihn beschuldigt. Damit ver­liert er, und der andere gewinnt (GA III/GB II). Wählen beide die Variante "Anschuldigen" (GA/GB = IV), können sie zwar nicht den maximalen Gewinn erlagen, schließen jedoch gleichzeitig auch den maximalen Verlust aus. Prinzipiell wird zwischen zwei Varianten des Gefangendilemmas unterschie­den: Einmal-Spielen und Mehr-Perioden-Spiele die sich wiederum in endliche und unendliche Spiele einteilen lassen. Während Einmal-Spiele und Mehr- Perioden-Spiel, nur eine oder eine begrenzte Anzahl an Spielrunden aufwei­sen, wird in unendlichen Spielen hingegen keine Rundenanzahl von vornher­ein festgesetzt.

Die Anzahl der Runden hat erheblichen Einfluss auf die Vertrauensvergabe. Endliche Spiele zeichnen sich dadurch aus, dass es gegen Ende der Spiel­runden zu einem so genannten "Endspieleffekt" (Pieper 2000, S. 101) kommt, der besagt, dass sich die Spieler in der/den vorletzten Runden(n) nicht mehr kooperativ verhalten, da sie davon ausgehen, dass sich auch der jeweils an dere in der vorletzten Runde einen Vorteil durch unkooperatives Verhalten verschaffen will. In unendlichen Spielen tritt dieser Effekt weitaus weniger häufig bis gar nicht ein. Vielmehr versuchen die teilnehmenden Spieler durch kooperatives Verhalten den jeweils anderen dahingehend zu beeinflussen, dass auch dieser die kooperative Strategie wählt (vgl. Pieper 2000, S. 100 ff.).

In einer modifizierten Form des Gefangenendilemmas fand Deutsch heraus, dass sich unter gewissen Umständen Spieler auch in Einmal- und Endlichen- spielen vertrauenswürdig verhalten. Nach Deutschs Erkenntnissen verhalten sich Spieler dann kooperativ, wenn sie die Möglichkeit der Kommunikation haben. Hierdurch können Informationen hinsichtlich der eigenen Intention und der des Interaktionspartners ausgetauscht werden, sodass sich hierdurch die Chance für ein kooperatives Verhalten erhöht. Ebenfalls positiv wirkte sich die Integrierung einer dritten Person aus, der beide Spieler negativ gegenüber eingestellt sind, da diese Gemeinsamkeit den Zusammenschluss der zwei Spieler fördert (vgl. Schweer2008, S.18).

Das Gefangenendilemma beschreibt eine für Unternehmen typische Situati­on, nämlich das Abwägen, ob eine Kooperation mit einem anderen Marktteil­nehmer eingegangen werden soll oder nicht. Die Entscheidung für oder ge­gen eine Vertrauensbeziehung wird dabei maßgeblich von dem Faktor der Unsicherheit, der bei beiden Akteuren besteht, beeinflusst. Dabei spielt der Grad der Wahrnehmung hinsichtlich der Unsicherheiten und deren Einschät­zung eine wesentliche Rolle. Aus der daraus resultierenden Gesamtsituation wiederum lassen sich Aussagen über die zu Grunde liegende Motivation tref­fen, woraus abgeleitet werden kann ob gegebenes Vertrauen eher honoriert oder missbraucht wird.

Die Spieltheorie zeigt zudem, dass Vertrauen ohne zusätzliche Regulie­rungsmittel eher in dauerhaften (Geschäfts)Beziehungen entsteht. Eine weite­re wichtige Erkenntnis ist, dass die Wahl der Kooperation zu einer insgesamt besseren Situation als die der Konkurrenz führt. Die Wahl der Konkurrenz birgt zwar die Möglichkeit des höchsten Gewinnes, jedoch auch die des höchsten Verlustes.

Nach den oben aufgeführten Darstellungen sollten Organisationen bestrebt sein, dauerhafte Geschäftsbeziehungen aufzubauen, da sich dies auf den Prozess der Vertrauensbildung positiv auswirkt. Zielgerichtete Kommunikati­onsmaßnahmen, durch die Informationen über die Absichten des jeweils an­deren eingeholt und etwaige Gemeinsamkeiten wie Normen und Werte ver­mittelt werden können, fördern den Vertrauensprozess. Vertrauen stellt sich im Gefangenendilemma als Win-Win-Situation für wirtschaftliche Organisatio­nen dar.

2.2 Vertrauen in der Soziologie

2.2.1 Vertrauen nach Luhmann

Die Systemtheorie ist der Versuch Luhmanns, eine universell gültige, allge­meine Theorie aufzustellen. In seinem funktional-strukturellen Ansatz stellt er die Funktion von sozialen Systemen in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Vertrauen stellt sich in Luhmanns Theorie als konstitutives Element dar.

Nach Luhmann ist Vertrauen oder Misstrauen das Resultat doppelter Kontin­genz:

“Eine der wichtigsten Folgen doppelter Kontingenz ist die Entstehung von Vertrauen bzw. Mißtrauen. [Es] tritt auf, wenn das Sich-Einlassen auf Situationen mit doppelter Kontingenz als besonders riskant emp­funden wird. Der andere kann anders handeln, als ich erwarte; und er kann, gerade wenn und gerade weil er weiß, was ich erwarte, anders handeln als ich erwarte. [...] Soll die Bildung sozialer Systeme eine immer präsentere Angstschwelle überwinden, sind entsprechende ,,trotzdem“-Strategien erforderlich. Dabei kann es sich um Vertrauen oder Misstrauen handeln.“ (Luhmann 1984, S. 179).

Luhmann beschreibt damit Vertrauen als eine „...wirksame Form der Reduk­tion von Komplexität.“ (Luhmann 2000, S. 9). Im Vertrauen steht dem Men­schen ein Mechanismus zur Verfügung, der es ihm ermöglicht, in komplexen Sozialsystemen, in denen es mehrere Handlungsalternativen gibt, zu überle­ben (vgl. Luhmann 2000, S. 8). Diese Überlegung beruht auf der Annahme, dass dem Menschen in einer komplexen Welt zum Zeitpunkt X nur ein Bruch­teil aller möglichen Informationen zur Verfügung steht. Mittels Vertrauen in bestimmte Handlungen anderer wird dieses Informationsdefizit kompensiert. Ohne Vertrauen wäre der Mensch deshalb nicht in der Lage morgens sein Bett zu verlassen - die Konfrontation mit der äußern Welt würde ihn überfor­dern (vgl. Luhmann 2000, S. 1). Luhmann beschreibt damit Vertrauen als ein konstitutives Element der Gesellschaft, als „...elementaren] Tatbestand des sozialen Lebens.“ (Luhmann 2000, S. 1).

Luhmann charakterisiert Vertrauen durch mehrere Attribute. Zunächst korre­liert Vertrauen immer mit Zeit. Es wird in der Gegenwart geschenkt, muss dort immer wieder neu bewiesen werden und bezieht sich auf die Zukunft (vgl. Luhmann 2000, S. 9). Hier wird erkennbar, dass Vertrauen auch mit Risiko verbunden ist. Zum einen bezieht es sich auf die Zukunft und zum anderen liegen dem Vertrauen Entscheidungen zu Grunde, die auf der Auswahl von Alternativen beruhen, bei der im Fall des Vertrauensbruchs der Schaden grö­ßer ist als der aus dem Vertrauensverhältnis entstandene Vorteil (vgl. Luh­mann 2000, S. 28 ff.). Daher wird Vertrauen von Luhmann auch als „riskante Vorleistung“ (Luhmann 2000, S. 53) beschrieben. Durch Vertrauen steigen zudem die Handlungsmöglichkeiten des Vertrauensgebers, da solche Hand­lungen ausgeführt werden können, die ohne Vertrauen nicht in Betracht ge­zogen worden wären (vgl. Luhmann 2000, S. 30). Vertrauen beruht weiter auf supererogatorische Qualitäten (vgl. Luhmann 2000, S. 56), das heisst, dass die Handlung weder verpflichtend noch verboten, moralisch gut, eine Unter­lassung aber auch nicht falsch ist und freiwillig ausgeführt wird (vgl. Heyd 1982, S. 115). Letztlich wird aufgeführt, dass Misstrauen nicht nur Gegenteil sondern auch funktionales Äquivalent für Vertrauen ist, da auch mit Hilfe von Negativstrategien (beispielsweise Kampfstrategien oder Liquiditätsstrategien) das Leben drastisch vereinfacht wird, womit Misstrauen auch als Mittel zur Reduktion von Komplexität dient (vgl. Luhmann 2000, S. 92).

Obwohl die Vergabe von Vertrauen durch eine bewusste Handlungswahl charakterisiert ist, weist Luhmann expliziert darauf hin, dass die Vertrauens­vergabe nicht auf einer Verrechung von Nutzen und Kosten basiert.

„Vertrauen ist kein auswählbares Mittel zu bestimmten Zwecken und erst recht keine optimierungsfähige Zweck/Mittel-Struktur. Vertrauen ist auch keine Prognose, deren Richtigkeit am Eintreffen des vorausge­gangene Geschehens gemessen und nach einigen Erfahrungen auf Wahrscheinlichkeitswerte gebracht werden könnte. (Luhmann 2000, S. 116)

Luhmann lehnt damit eine kalkulatorische Ableitung von Vertrauen strikt ab, nicht zuletzt deswegen, weil er es für unbegründbar hält (vgl. Luhmann 2000, S. 31).

Grundsätzlich unterscheidet Luhmann zwischen zwei Arten des Vertrauens, dem Persönlichen Vertrauen und dem Systemvertrauen.

Persönliches Vertrauen bezieht sich immer auf einen individuellen Akteur. Es ist nötig, um im Alltag etwaige Unsicherheiten gegenüber anderen auszu­schließen.

„Da alle Kommunikation, ja jedes sichtbare Verhalten, etwas aussagt über den, der sich verhält, ist Kommunikation, ja schon das Gesehen­werden schlechthin, ein riskantes Unternehmen, das der Absicherung bedarf“ (Luhmann 2000, S. 49).

Die Absicherung besteht im Vertrauen des Menschen, dass sein Erscheinen richtig gedeutet wird. Fehlt ihm dieses Vertrauen, werden seine Handlungs­möglichkeiten stark begrenzt. Dies hat wiederum Auswirkungen auf das ihm entgegengebrachte Vertrauen - denn wer selbst nicht in der Lage ist, Ver­trauen zu erweisen, dem wird auch keines entgegengebracht (vgl. Luhmann 2000, S. 49).

Damit von einer persönlichen Vertrauensbeziehung gesprochen werden kann, muss das persönliche Handeln überhaupt als solches erkennbar sein. „Das Handeln, auf dessen Erfahrung sich das Vertrauen stützt, muß als Aus­druck der Persönlichkeit erscheinen und sie bewähren.“ (Luhmann 2000, S. 51). Erst die Freiheit des Handelns gibt dem Menschen eine Persönlichkeit und hebt ihn von einem „...willkürlichen [...] System...“ (Luhmann 2000, S. 48) ab. Erst dadurch kann es überhaupt zu einem persönlichen Vertrauensver­hältnis kommen. Das Vertrauen bezieht sich auf die Erwartung, dass der Mensch entsprechend seiner Persönlichkeit, die Handlungen wählt, die seiner Persönlichkeit entsprechen (vgl. Luhmann 2000, S. 48 ff.)

Das Systemvertrauen beruht auf der Überlegung, dass das System auf Grund von Rechten, Normen und Werten nach bestimmten Regeln und Ordnungen abläuft, und daher „absehbar“ bleibt. Im Gegensatz zum Persönlichen Ver­trauen „.setzt der [Mensch] sein Vertrauen nicht in bekannte Personen, sondern in das Funktionieren [eines Systems].“ (Luhmann 2000, S. 64). Die­ses generalisierte Vertrauen ersetzt alle individuellen Vertrauensbeziehun­gen, die nötig wären, um jede Handlungsmöglichkeit aller Systemindividuen zu begreifen. Wer beispielsweise in das Währungssystem vertraut, vertraut in das Funktionieren aller hierzu notwendigen konstitutiven Elemente und nicht in all jene Personen, die ihm angehören. Der wesentliche Aspekt hierbei ist, dass Systemvertrauen auf Reflexivität aufbaut. Das bedeutet, dass auch an­dere in das jeweilige System vertrauen und sich alle dieser Gemeinsamkeit bewusst seien müssen (vgl. Luhmann 2000, S. 92). Ein weiterer Unterschied zum Persönlichen Vertrauen liegt darin, das dass Systemvertrauen durch lau­fend sich bestätigende Erfahrungen von selbst aufbaut (vgl. Luhmann 2000, S. 64).

In der freien Marktwirtschaft und in globalisierten Märkten werden Organisatio­nen permanent mit dem Phänomen der Kontingenz konfrontiert. Unternehmen unterhalten weltweite Geschäftbeziehungen und sind somit nicht nur von eini­gen wenigen sondern von zahlreichen lokalen Bedingungen abhängig. Die vielfältigen Geschäftsbeziehungen und -verflechtungen und deren Wirkungs­mechanismen sind kaum noch nachvollziehbar. Zudem tragen die Kommuni­kationsmittel des dritten Jahrtausends dazu bei, dass die Unternehmen im Hochgeschwindigkeitstempo miteinander agieren und kaum Zeit für eine an­gemessene Überprüfung der Reliabilität der Geschäftpartner bleibt. Organisa­tionen bewegen sich in einer Umwelt, die eine hohe Komplexität aufweist und somit durch Risiken und Unsicherheiten geprägt ist. Mittels Systemvertrauen verfügen Organisationen über einen Mechanismus, der die Komplexitäten ihrer Umwelt reduziert. Risikoprobleme werden mittels Vertrauen antizipiert und In­formationsdefizite ausgeglichen. Somit wird das Unternehmen erst durch das Phänomen Vertrauen fähig, unter den beschrieben Umweltbedingungen zu handeln um letztlich erfolgreich handeln und wirtschaften zu können.

Damit Organisationen handlungsfähig bleiben, müssen sie zum einen selbst auf die Fähigkeiten und das Funktionieren diverser Systeme, wie beispielswei­se dem Wirtschaftssystem, dem Bankensystem, dem Geldsystem, dem Schuldverschreibungssystem usw. vertrauen. Da Organisationen aber auf der anderen Seite auch selbst als hoch komplexes System zum Beispiel von Kun­den, Lieferanten, Investoren usw. wahrgenommen werden, sind sie auch von deren Vertrauen in ihr System abhängig. Das Systemvertrauen ihrer An­sprechgruppen zu gewinnen, kann aber nur dann funktionieren, wenn die Or­ganisation zum einem selbst auf Vertrauen basiert und über Selbstvertrauen verfügt. Vertrauen muss dar als Organisationsprinzip in der Organisation ver­ankert sein damit die für Ansprechgruppen nicht nur als vertrauenswürdig er­scheint sondern auch wirklich ist.

Das Persönliche Vertrauen hat für Unternehemn vor allem in einfachen sozia­len Systemen, wie beispielsweise das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, Arzt und Patient oder Anlageberater und Anleger, Relevanz. Dabei sind die beiden Vertrauenssystem nicht immer unabhängig von einan­der, sondern können sich auch gegenseitig beeinflussen. So kann ein ausge­prägtes Persönliches Vertrauen das Systemvertrauen beeinflussen und umge­kehrt.

Da im Zuge der Mediatisierung die direkte, unmittelbare Erfahrbarkeit bzw. die direkte persönliche Vertrauensbeziehung immer weiter abnehmen - man den­ke hier vor allem an den Vertrieb über das Internet sowie die Kommunikation über Email, Telefon oder Fax - und die Welt mit der fortschreitenden Globali­sierung gleichermaßen immer komplexer wird, sind Organisationen mehr denn je aufdas Systemvertrauen angewiesen.

2.2.2 Vertrauen nach Coleman

James Coleman lieferte mit seinem Werk „Grundlagen der Sozialtheorie“ ei­nen der bedeutendsten Beiträge zur ökonomischen Sozialtheorie. In seiner Arbeit werden soziale Beziehungen als wesentliche Wirtschaftsfaktoren cha­rakterisiert.

Unter den Rahmenbedingungen der ökonomischen Neoklassik beschreibt er darin unter Bezugnahme auf die Rational-Choice-Theorie rational handelnde Akteure, deren Entscheidungen auf dem Nutzenmaximierungsprinzip beru­hen. Dadurch gelingt es Coleman, soziale Phänomene durch ökonomisches Handeln zu beschreiben. Vertrauen stellt sich in der Theorie von Coleman als zentraler und emergenter Baustein dar.

Um ein tieferes Verständnis für den Vertrauensbegriff nach Coleman zu schaffen, soll an dieser Stelle zunächst die Charakteristika der ökonomischen Neoklassik kurz erläutert werden.

Kern der Neoklassik ist der Rational-Choice-Ansatz. Diesem Ansatz liegt ein fiktives, idealtypisches und vor einer Entscheidung stehendes Wirtschaftssub­jekt - der homo oeconomicus - zu Grunde. Als homo oeconomicus wird ein Akteur bezeichnet, der vollkommen informiert ist und dem vollkommene Rati­onalität zugesprochen wird. Sein Handeln wird von den folgenden Rahmen­bedingungen bestimmt: In der Umwelt des homo oeconomicus verhalten sich Unternehmen wie eine einzige gewinnmaximierende Person. Der Akteur sieht sich einer klar definierte Menge an Handlungsalternativen gegenüber, auf Grund derer er objektiv rational handelt (vgl. Sprich 2008, S. 70). Des Weite­ren existieren in dieser Modellannahme keine Informationsasymmetrien und Transaktionskosten werden vernachlässigt (Stieglitz 2008, S. 22). Diese Prämissen sind in sofern von besonderer Bedeutung, als dass sich dadurch das Modell des Vertrauens nach Ripperger, das im weitern Verlauf noch er­läutert wird, abgrenzen lässt.

Ausgangspunkt der Colemanschen Theorie ist die Überlegung, dass sich so­ziale Phänomene, die sich auf der Makro-Ebene befinden nur durch Einbezug individueller Phänomene die sich auf der Mikro-Ebene befinden erklären lassen (vgl. Coleman 1991, S. 24 ff.). Demnach basiert seine Überlegung auf drei Kernelementen:

- Makro-Mikro-Übergang, besagt, dass Phänomene auf der Makro-Ebene die Individuen auf der Mirko-Ebene beeinflussen.
- Individuelles auf Nutzenmaximierung ausgerichtetes Handeln, besagt, dass die Individuen zielorientiert handeln und dieses Handeln von bestimmten Werten oder Präferenzen bestimmt ist.
- Mikro-Makro-Übergang, besagt, dass Interdependenzen auf der Mikro­Ebene zu Phänomenen auf der Makro-Ebene führen

1) Vertrauen auf der Mikro-Ebene

Unter Vertrauen versteht Coleman bestimmte Situationen, die ein gewisses Risiko beinhalten. Solche Situationen sind Entscheidungen für oder gegen be­stimmte Handlungen, die, je nach dem wie man sich entscheidet, ein gewisses Risiko in sich bergen. Das Einkalkulieren eines Risikos wird bei Coleman als Vertrauen bezeichnet (vgl. Coleman 1991, S. 115).

Grundsätzlich besteht eine Vertrauensbeziehung aus mindestens 2 Personen - zum einen dem Treugeber, nämlich dem, der das Vertrauen gibt, und dem Treuhänder, der das in ihn gesetzte Vertrauen bestätigt oder missbraucht (vgl. Coleman 1991, S. 121).

Als Merkmale für die Vertrauensvergabe zählt Coleman die folgenden vier auf:

- Die Vertrauensvergabe ermöglicht dem Treuhänder Handlungen, die für ihn sonst nicht möglich gewesen wären (vgl. Coleman 1991, S. 123).
- Der Treugeber verbessert seine Situation durch die Vergabe von Vertrauen, wenn der Treuhänder sich als vertrauenswürdig erweist, andersherum kann sich seine Situation aber auch verschlechtern, wenn das Vertrauen miss­brauchtwird (vgl. Coleman 1991, S. 124).
- Der Treugeber stellt dem Treuhänder Ressourcen zur Verfügung, ohne dass dieser eine Verpflichtung eingehen muss (vgl. Coleman 1991, S. 124)
- Vertrauen hat einen zukunftsbezogenen Charakter, da sich das in der Ge­genwart geschenkte Vertrauen des Treugebers auf zukünftige Handlungen des Treuhänders bezieht (vgl. Coleman 1991, S. 124).

Coleman vergleicht die Überlegungen des Treugebers, ob er eine Vertrauens­beziehung eingehen soll oder nicht, mit denen eines rational handelnden Ak­teurs, ob er eine Wette eingehen soll. Die entscheidenden Elemente dieser Überlegung sind, dass er um den Verlust weiß, den er erleiden kann, dass er den möglichen Gewinn kennt, und welche Chancen er hat, diesen zu bekom­men (vgl. Coleman 1991, S. 125). Somit lassen sich die Überlegungen, die dem Eingehen einer Wette bzw. einer Vertrauensbeziehung zugrunde liegen, mit der Nutzenmaximierung unter Risiko ausdrücken: wenn die Chance zum Gewinn relativ zu der Chance zum Verlieren größer ist, als das Ausmaß des Verlustes relativ zum Ausmaß des Gewinns, stellt die Vertrauensbeziehung eine sinnvolle Alternative dar. Die wesentlichen Elemente dieser Überlegun­gen lassen sich danach in die folgenden Größen unterteilen:

- Gewinnchance (p = Wahrscheinlichkeit der Vertrauenswürdigkeit des Treu­händers)
- möglicher Verlust (L = falls der Treuhänder das Vertrauen missbraucht)
- möglicher Gewinn (G = falls Treuhänder das Vertrauen bestätigt) einteilen (vgl. Coleman 1991, S. 125 ff.).

Die Vergabe von Vertrauen hängt demnach davon ab, ob das Verhältnis der Gewinnchance zur Verlustchance größer ist als das Verhältnis des Ausmaßes des möglichen Verlustes zum Ausmaß des möglichen Gewinns. Coleman (1991, S. 126) fasst dies in den folgenden Formeln zusammen:

Vertrauensvergabe ja wenn:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vertrauensvergabe unentschieden wenn:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vertrauensvergabe nein wenn:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Elementar für die Vergabe von Vertrauen ist der Grad an Informationen, die der Treugeber über die drei Größen p, L und G besitzt. Häufig sind dem Akteur der mögliche Gewinn (G) sowie der mögliche Verlust (L) bekannt. Am wenigs­ten weiß er hingegen darüber, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, ob der Treuhänder das Vertrauen rechtfertigen wird (p). Dabei gilt, dass je mehr In­formationen der Treugeber über den Treuhänder besitzt, desto leichter fällt ihm eine Einschätzung der Gewinnwahrscheinlichkeit. Denn je größer p ist und je weiter es von L/G entfernt ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Vergabe von Vertrauen lohnt (vgl. Coleman 1991, S. 125 ff.).

Die vorangegangenen Überlegungen lassen Coleman demnach Vertrauen als

„...Handlungen [definieren], die die eigene Verwundbarkeit einer ande­ren Person gegenüber verstärken, deren Verhalten man in einer be­stimmten Art von Situation nicht kontrolliert; diese Situation beinhaltet, dass der Verlust, den man erleidet, falls der andere (der Treuhänder) die Verwundbarkeit missbraucht, größer ist als der Gewinn, den man erzielt, wenn der andere die Verwundbarkeit nicht missbraucht.“ (Coleman 1991, S. 126)

2) Vertrauen im Mikro-Makro-Übergang

Mittels dreier Vertrauenssysteme, die aus bis zu drei Akteuren bestehen, be­schreibt Coleman den Mikro-Makro-Übergang.

Das erste System ist das gegenseitige Vertrauen. Hier fungieren zwei Akteure innerhalb einer Vertrauensbeziehung gleichzeitig als Treuhänder und Treuge­ber für den jeweils anderen. Hierdurch entsteht eine Rückkopplungsschleife, die sich positiv auf die Vergabe und die Bestätigung von Vertrauen auswirkt (vgl. Coleman 1991, S. 228 ff.). Das zweite System ist die intermediäre Ver­trauensbeziehung, in dem der Treugeber dem Treuhänder nicht direkt, son­dern nur auf Grund eines weiteren, zwischengeschalteten Akteurs, dem Inter­mediär, vertraut. Coleman unterscheidet hier die Vertrauensintermediäre Berater, Bürge und Unternehmer. Beim Berater vertraut man auf dessen Ur­teilskraft, ob dem potentiellen Treuhänder vertraut werden kann oder nicht. Der Berater verliert das ihm entgegengebrachte Vertrauen, wenn der Treu­händer das Vertrauen missbraucht. Im Unterschied dazu verliert der Bürge bei einem Vertrauensbruch des Treuhänders zwar nicht das Vertrauen des Treu­gebers, dafür verliert er jedoch Ressourcen. Der Unternehmer erwirbt das Ver­trauen verschiedener Treugeber und teilt es auf verschiedene Treuhänder auf (vgl. Coleman 1991, S. 232 ff.). Als drittes System zählt er das Drittparteien- Vertrauen auf, das zwar ähnlich wie die intermediären Vertrauensbeziehungen funktioniert, jedoch nimmt die dritte Person darin eine weitaus passivere und zentralere Rolle ein. Ein Beispiel wäre das Zustandekommen von Geschäften über einen Wechsel - B tätigt mit A (den er nicht für kreditwürdig hält) nur auf Grund des Vertrauens in eine Schuldverschreibung von einer dritten Person C ein Geschäft, weil A B die Schuldverschreibung von C anbietet (vgl. Coleman 1991, S. 239 ff.).

3) Vertrauen auf der Makro-Ebene

Auf der Makro-Ebene definiert Coleman zwei größere Systeme, bei denen die bisher vorgestellten Systeme als Bausteine dienen und die weit über die An­zahl von zwei oder drei Akteuren hinausgehen.

Das System der Gemeinschaft mit gegenseitigem Vertrauen (vgl. Coleman 1991, S. 242 ff.) ist in gewisser Weise eine Erweiterung des gegenseitigen Vertrauens. Eine Gemeinschaft gegenseitigen Vertrauens tritt auf ,,... wenn sich eine Anzahl von Akteuren [...] an einer Aktivität beteiligen, an deren Er­gebnis alle gleichermaßen interessiert sind.“ (vgl. Coleman 1991, S. 242). In solchen großen System ist es dem Einzelnen nicht möglich, alle anderen zu überwachen. Daher muss jeder jedem vertrauen, dass sich auch der andere im Sinne des zu Erreichenden verhält. Jeder Akteur fungiert also sowohl als Treugeber als auch als Treuhänder. Bestimmt eine Gemeinschaft einen Füh­rer, spricht Coleman von einem ,,konjunkte[n] Herrschaftssystem" (Coleman 1991, S. 243). Weiter fügt Coleman an, das in Gemeinschaften dieser Größe soziale Normen die Vertrauenswürdigkeit fördern (vgl. Coleman 1991, S 242 ff.)

Das System beratende Intermediäre beruht auf dem Vertrauen in eine Viel­zahl von Beratern. B vertraut T (Treuhänder). A vertraut T nur, weil er in B vertraut. C vertraut T ebenfalls, da er A vertraut. Nun merkt B, der auch C vertraut, dass C ebenfalls in T vertraut. Dem Vertrauen liegen demnach posi­tive Rückkopplungen zu Grunde, die dazuführen können, dass alle System­angehörige großes Vertrauen zu T haben (vgl. Coleman 1991, S. 244).

Auch Coleman setzt das Konstrukt des Vertrauens in Beziehung zu Risiko und Unsicherheit, die auf Grund von Informationsdefiziten entstehen. Wie bei Luhmann postuliert auch Colemann eine Interdependenz zwischen Vertrau­ensphänomenen auf der Makro-Ebene (bei Luhmann das Systemvertrauen), und der Mikro-Ebene (bei Luhmann das Persönliche Vertrauen).

Coleman bietet im Vergleich zu Luhmann, für den Vertrauen immer unbe­gründbar ist, eine kalkulatorische Erklärung für die Vertrauensgabe an. Die Vertrauensbereitschaft des Treugebers ist primär von der Qualität und Quan­tität der Informationen abhängig, die Treuhänder besitzt.

Die Informationen werden in den von Coleman definierten Vertrauenssyste­men auf dem Mikro-Makro-Übergang generiert, wobei in der Mediengesell­schaft vor allem das intermediäre Vertrauenssystem von Bedeutung ist, in dem, wie im weitern Verlauf noch deutlich gezeigt wird, die Medien immer mehr in der Funktion des Beraters, und damit nicht nur als Informationsträger sondern auch als Informationsmodellierer, agieren.

Als Idealzustand für Organisationen ist sicherlich das System beratender In­termediäre auf der Makro-Ebene, in dem sich die Organisation in der Rolle des Treunehmers befindet und das Vertrauen auf Grund von reflexiver Wahr­nehmung generiert wird.

Somit wird auch in der Theorie von Coleman deutlich, das Vertrauen die Posi­tion des Vertrauensnehmers klar verbessert, er mehr Handlungsalternativen hat, die letztlich wirtschaftlichen Erfolg begünstigen können.

2.2.3 Vertrauen nach Giddens

Giddens verwendet den Vertrauensbegriff zur Unterscheidung zwischen vor­modernen und modernen Gesellschaften. In moderne Gesellschaften ist ein höherer Vertrauensbedarf fest zu stellen als in vormodernen. Dies macht er an drei Charakteristika der modernen Gesellschaften fest: der Trennung von Raum und Zeit als Resultat der Globalisierung, der Entbettung (disembed- ding) der sozialen Systeme als die Mechanismen, mittels derer die Trennung von Raum und Zeit bewerkstelligt werden können, und die reflexive Ordnung und Umordnung gesellschaftlicher Beziehungen (vgl. Giddens 1995, S. 28).

Nach Giddens unterliegen moderne Gesellschaften diversen Globalisierungs­prozessen, die durch eine „...Intensivierung weltweiter sozialer Beziehun­gen...“ (Giddens 1995, S. 85) gekennzeichnet sind und die den „.Verlust re­gional übersichtlicher Raum-Zeit-Relationen...“ (Bentele 1994, 139) nach sich ziehen. Die Überwindung dieser Raum-Zeit-Trennung wird durch Prozesse gewährleistet, die Giddens „Entbettung“ bzw. „disembedding mechanisms“ nennt. Damit sind abstrakte Systeme gemeint, derer sich die Menschen bedie­nen, ohne wirklich ein Verständnis über ihre Funktionsweise zu haben. Gid­dens spricht hier auch von „gesichtsunabhängigen Bindungen“ (Giddens 1995, S. 103) Als „disembedding mechanisms“ zählt er zum einen „symbolische Zeichen“ wie beispielsweise Geld, die er als „Medien des Austauschs“ be­zeichnet (Giddens 1995, S. 34). Ein Individuum kann mit Geld mit einer Viel­zahl von Organisationen in Interaktion treten. Dabei spielt es jedoch keine Rol­le, ob es die Organisation selbst kennt oder das Medium Geld vollständig versteht. Es vertraut einfach darauf, dass das Geld als Transaktionsmedium anerkannt wird.

[...]

Ende der Leseprobe aus 213 Seiten

Details

Titel
Öffentliches Vertrauen als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor in der Mediengesellschaft am Beispiel börsennotierter Unternehmen
Untertitel
Eine empirische Studie
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
213
Katalognummer
V189221
ISBN (eBook)
9783656133728
ISBN (Buch)
9783656133858
Dateigröße
3174 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
öffentliches, vertrauen, erfolgsfaktor, mediengesellschaft, beispiel, unternehmen, eine, studie
Arbeit zitieren
Felix Hock (Autor:in), 2010, Öffentliches Vertrauen als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor in der Mediengesellschaft am Beispiel börsennotierter Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189221

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