"Maria Stuart" - ein Trauerspiel: Ästhetische Reflexion einer Phase des Absolutismus


Forschungsarbeit, 1985

28 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Schon die Zeitgenossen hatten große Schwierigkeiten, so etwas wie ein Thema zu sehen. Von Goethe soll die Bemerkung sein: Mich soll nur wundern, was das Publikum sagen wird, wenn die beiden Huren zusammenkommen und sich ihre Aventuren vorwerfen.[1] Was immer Goethe gesagt hat, die Äußerung ist symptomatisch für die Ratlosigkeit über das, was in dem Stück gestaltet ist. Dabei hätte eine genaue Lektüre bes. des Anfangs werterhelfen können. Schreibt doch Schiller eben an Goethe, daß man die Catastrophe gleich in den ersten Szenen sieht (18.06.99). Damit ist nicht nur der Untergang der Titelheldin gemeint, vielmehr all das, was ihn im Sinne der Tragödie notwendig macht. Man sieht in den ersten Szenen das Thema des Dramas.

Dieses Thema ist mehrfach dimensioniert; in formalbegrifflicher Erfassung hat es eine subjektive und eine objektive Seite. Die subjektive Dimension ist die individuelle der Personen, was man poetologisch deren Charakter nennt; die objektive ist das, freilich an die Personen geknüpfte, doch über sie hinausgehende, Gesellschaftliche, Staatlich Politische. Beide Ebenen sind in ihrer Antithetik und Verschränkung anhand des Textes zu explizieren.

(1)

Caroline Schlegel schreibt am 7. Mai 1801 an ihren Gatten August Wilhelm: Das Politische darin [in der Maria Stuar t] hat auch die Deutlichkeit einer Deduktion nicht los werden können.[2] Freilich läßt sie uns mit einer näheren Bestimmung dieses Politischen allein, sie geht darauf nicht weiter ein. Zu fragen bleibt also, was in dem Stück das deutlich deduzierte Politische sein könnte.

Dem germanistisch geschulten Ohr entgeht nicht bei der Lektüre das Rekurrente, wiederholt Auftauchende; es weist in der Form des Leitmotivs auf Zentrales hin: Paulet wirft gleich zu Beginn im Gespräch mit der Gesellschafterin Marias dieser vor,

die Fackel

Des Bürgerkrieges in das Reich zu schleudern (V. 65)

Bürgerkrieg erscheint wörtlich mindestens noch zweimal (V. 822, 841), auch wieder in Form des Vorwurfs gegen Maria, jetzt von Burleigh:

Da Ihr ... durch die Flammen

Des Bürgerkriegs zum Throne steigen wolltet. (V. 840 f.)

Nicht wörtlich, aber nur substituiert durch Zwietracht (in V. 834), wird dieses Motiv noch einmal verstärkt. Mit Bürgerkrieg ist ein ganz zentrales Moment der Thematik des Stückes getroffen. Poetisiert ist vom Dichter eine bestimmte Epoche der Geschichte der Menschheit, am Ende des Absolutismus dessen Anfang. Gezeigt wird, wie der eine absolut regierende Monarch, im Stück Elisabeth, aus einem Konkurrenzkampf entsteht, sich aus der Situation des religiösen Bürgerkriegs: nicht umsonst ist Maria katholisch und Elisabeth anglikanisch reformiert, als Garant der inneren Ordnung entwickelt. Und, um das vorweg zu nehmen: gezeigt wird, welch eine erbärmliche Figur dieser Monarch ist, der am Ende, reduziert auf die Ordnungsfunktion, völlig vereinsamt dasteht:

Der Lord läßt sich

Entschuldigen, er ist zu Schiff nach Frankreich. (V. 4032 f.)

Dies erhält Elisabeth zur Antwort, als sie menschlichen Trost suchend nach dem Geliebten fragt. Der pointierte Schluß des Stückes hat die Zeitkritik des klassischen Poeten in sich: er weist auf die inhumane Rolle hin, die die absoluten Fürsten zu spielen gezwungen sind. Mit der Moral, die sie in der Politik nicht gebrauchen können, haben sie auch die Menschlichkeit aus sich vertrieben. In der Figur der Elisabeth hat Schiller, u. U. gegen seine bewußte Absicht und ohne sein Wissen, die Situation der Herrschenden erfaßt. Das bleibt aber noch zu erläutern. In der neueren Forschung hat der Historiker Koselleck, auf die Genese des absolutistischen Staates aus der Situation des religiösen Bürgerkrieges[3] hingewiesen. Der Anfang ... des klassischen Absolutismus ... war der religiöse Bürgerkrieg. In mühseligen Kämpfen hatte sich der moderne Staat aus den Religionswirren erhoben.[4] Schiller hat dieses Moment des religiösen Gegensatzes als Grund des Konflikts zwischen Elisabeth und Maria nicht in extenso thematisiert, aber nachdrücklich genannt, daneben andere Momente angespielt: Besonders Maria versteht sich als eine freie Königin des Auslands (V. 727), es ist ihr wichtig, im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Verurteilung, nicht dieses Reiches Bürgerin zu sein (V. 726). So wird der Vorwurf des Eroberungskrieges motiviert, den Paulet vorbringt: Maria hoffe, diese ganze Insel / Aus ihrem Kerker zu erobern (V. 114 f.). Bürgerkrieg und Eroberungskrieg gehören für den Poeten, der das Ganze verbalisiert, zusammen. Sie sind für ihn Mittel, zentrale geschichtliche Strukturen darzustellen. Deren Formulierung überträgt er Maria:

Denn nicht vom Rechte, von Gewalt allein

Ist zwischen mir und Engelland die Rede. (V. 957 F.)

Recht als positiv geltende Satzung wird erst durch den Sieg des dann absolut regierenden Monarchen ermöglicht. Solange um die bestimmende Funktion gerungen wird, gilt nur Gewalt, Faustrecht, bellum omnium contra omnes; es ist die Situation des Naturzustandes, bzw. genauer: des sich bildenden Absolutismus.

Maria sieht die geltenden Handlungsmaximen deutlich:

Ich bin die Schwache, sie die Mächtge

Wohl! Sie brauche die Gewalt, sie töte mich,

Sie bringe ihrer Sicherheit das Opfer.

Doch sie gestehe dann, daß sie die Macht

Allein, nicht die Gerechtigkeit geübt.

Nicht vom Gesetze borge sie das Schwert,

Sich der verhaßten Feindin zu entladen

Und kleide nicht in heiliges Gewand

Der rohen Stärke blutiges Erkühnen.

Solch Gaukelspiel betrüge nicht die Welt!

Ermorden lassen kann sie mich, nicht richten! (V. 961 ff.)

Gewalt, Macht, rohe Stärke beschreiben eine Geschichte, die anders verläuft als die von ihr betroffenen Subjekte es wünschen können. Dagegen wird von Maria die Utopie eines anderen Zustandes gesetzt:

Ja ich gesteht daß ich die Hoffnung nährte,

Zwei edle Nationen unterm Schatten

Des Ölbaums frei und fröhlich zu vereinen [...]

Der alten Zwietracht unglückselge Glut

Hofft ich auf ewge Tage zu ersticken,[...]

die Kronen

Schottland und England friedlich zu vermählen. (V. 829 ff.)

Eine zentrale tragische Struktur des Stückes liegt darin, daß Maria mit diesem Programm nicht zum Zuge kommt. Was richtig wäre, realisiert sich nicht. Das ist eine Erfahrung des klassischen Poeten, dessen Leben auch durch die Revolution bzw. napoleonischen Kriege tangiert wird. Im letzten Auftritt des Stückes und hier rundet sich diese Thematik stellt Shrewsbury das Ergebnis fest:

Die Gegnerin ist tot. Du hast von nun an

Nichts mehr zu fürchten, brauchst nichts mehr zu achten. (V. 4030 f.)

Damit ist die Position des absoluten Fürsten umschrieben. Schiller hat dabei die Betonung auf das gelegt, was man die Anthropologie des Herrschers nennen könnte. Es geht ihm um dessen Person, den König als Menschen. Das zeigt im Ganzen der Gang der Handlung: daß Elisabeth vereinsamt zurückbleibt: Sie bezwingt sich und steht mit ruhiger Fassung da.[5] Gezeigt wird, wie menschliche Bedürfnisse in der politischen Maschine deformiert werden.

Ich darf ja

Mein Herz nicht fragen. Ach! Das hätte anders

Gewählt. Und wie beneid ich andre Weiber,

Die das erhöhen dürfen, was sie lieben,

So glücklich bin i c h nicht, daß ich dem Manne,

Der mir vor allen teuer ist, die Krone

Aufsetzen kann! Der Stuart wards vergönnt,

Die Hand nach ihrer Neigung zu verschenken, .. (V. 1968 ff.)

Gegenübergestellt, und diese Opposition ist ein tragisches Moment in Elisabeth, werden Coeur und (Staats-) raison. Besonders der zweite Aufzug, der die von Burleigh geplante Vermählung Elisabeths mit Monsieur (dem Bruder des französischen Königs) in ihrer Problematik entfaltet, gibt dazu Gelegenheit. Elisabeth scheint sich ganz für die Pflicht entschieden zu haben, genauer: sie muß es, wenn der Poet seine Absicht: sie in der Rolle des absoluten Herrschers zu zeigen, darstellen will. Notwendig, und das ist im Sinn der Alten ein Moment von Nemesis (Schicksal), ist diese Verbindung von Herrschaft und menschlicher Entfremdung. Leicester versucht, diese von Schiller als notwendig gewußte und poetisierte Korrelation zu leugnen, indem er sie personalisiert, die Schuld allein dem Burleigh in die Schuhe schiebt:

Der denkt allem auf deinen Staatsvorteil

Auch deine Weiblichkeit hat ihre Rechte,

Der zarte Punkt gehört vor D e i n Gericht

Nicht vor des Staatsmanns ... (V 20i5 f.)

Das Stück zeigt gegen diese Meinung des Lords, daß das Recht der Weiblichkeit dann nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn die öffentliche Funktion den Menschen einseitig deformiert hat. Ein zentrales Thema der Klassiker: die nicht mögliche allseitige Realisierung der menschlichen Möglichkeiten, Bedürfnisse ist hier mitartikuliert. Gezeigt wird, pur konstatierend, was man begrifflich Entfremdung nennen könnte, eine Entfremdung von einem emphatisch gedachten, aber nicht voll positiv ausgedrückten Menschentum. Elisabeth sieht das als Betroffene deutlicher als Leicester, dessen Forderung der Harmonie von Pflicht und Neigung nur tröstende, psychotherapeutische, nicht aber realgeschichtliche Funktion hat:

Leicht wurd es ihr [Maria] zu leben, nimmer lud sie

Das Joch sich auf, dem i c h mich unterwarf.

Hätt ich doch auch Ansprüche machen können

Des Lebens mich, der Erde Lust zu freun,

Doch ich zog strenge Königspflichten vor. (V. 1980 ff.)

So gilt nicht nur für den Umgang mit den Untertanen, sondern auch mit sich selbst:

Der Herrscher

Muß hart sein können, ... (V. 3160 f.)

Die Resignation der Elisabeth im vierten Aufzug wird so verständlich:

Ich bin des Lebens und des Herrschens müd. (V. 3145)

Objektiv gesehen ist diese subjektive Verzweiflung Ausdruck der gesellschaftlich bestimmten Verfassung des Herrschenden Er ist zur Härte, Brutalität gezwungen, um die Ordnung garantieren zu können; diese Härte kann er (wohl in der Wirklichkeit, nicht im Drama, dem es um Richtigkeit geht) nicht durchhalten.

Die absolutistische Allmacht ist mit Entmenschlichung erkauft, das ist ein Beweisinteresse, das der Marbacher in diesem Stück hat. Das zu zeigen, bestimmt ihn zu dem Stoff aus der englischen Geschichte. Nun ist es freilich ein bekanntes Mißverständnis, von poetischen Texten zu meinen, diese formulierten, etwa gar defizient, was man begrifflich besser sagen könne. Was der Poet geben will, ist das ganze geschichtliche Leben in seiner Aspektvielfalt und letztendlich, beim vorhandenen Stand der Entwicklung von Praxis, Vieldeutigkeit. Die Anthropologie des Herrschers als deformiertem Menschen ist die eine Seite des Themas. Es ist die Wahrheit dessen, was Elisabeth zunächst in ihrem Selbstverständnis von sich hält: gerechte Herrscherin sein zu können. Das ist der falsche Schein, den sie selbst am Ende des Stückes durchschaut hat. Das ist ihre Entwicklung, die Desillusionierung der Meinung über sich selbst. Was sie glaubte sein zu können, ist sie wirklich nicht.

Insofern jedoch als dem Herrscher, in Theorie und Praxis des Absolutismus, der Untertan korreliert ist, ist dies nur die eine Seite des Problems. Die andere zeigt sich, wenn Maria für sich gesehen wird, in ihrem Selbstverständnis. Sie ist die Gefangene, als Usurpatorin Verurteilte, die auf die Hinrichtung wartet. Sie erhebt einen Rechtsanspruch (V. 592), fühlt sich nicht gerecht behandelt. Sie steht somit für den von der unmoralischen Macht Unterdrückten, der für sich Gerechtigkeit reklamiert. Das versichert ihr auch die treue Amme:

Was Ihr auch zu bereuen habt, in England

Seid Ihr nicht schuldig ...

Macht ists, die Euch hier unterdrückt (V. 373 ff.)

Das hatte sie schon dem Gefängniswärter gegenüber betont:

In England ist kein Richter über sie (V. 61)

Maria greift auf, daß sie nicht verurteilt werden kann, allerdings in einer den Sachverhalt sehr komplizierenden Weise:

Verordnet ist im englischen Gesetz,

Daß jeder Angeklagte durch Geschworene

Von seines Gleichen soll gerichtet werden.

Wer in der Committee ist meines Gleichen?

Nur Könige sind meine Peers. (V. 702 ff )

Worauf sie sich hier kapriziert, ist ihre Rolle als Herrscherin: damit weicht sie von ihrem Selbstverständnis als (purer) Mensch ab und bestätigt die Einschätzung durch Elisabeth, daß sie aktuelle Konkurrentin um die Macht ist.

Mit dieser Argumentation begeht sie einen Fehler: sie fordert etwas für sich, was es nicht geben kann, konkret: Könige als Richter, geschichtlich: pardon in einem Kampf um die Herrschaft, der von seinem Prinzip her keine Gnade kennen kann. Gerechtigkeit ist, wenn sie selbst Anspruch auf Macht erhebt, nicht möglich. Maria bezieht sich hier auf anscheinend schriftlich fixierte Rechte, auf Tradition, die es noch nicht geben kann, weil sie allererst vom starken, friedenbringenden Herrscher gestiftet wird. Maria fordert hier Behandlung als öffentliche Person, als Funktionsträger, in ihrer Rolle als Königin. Das ist ihre eine Hamartia: denn auf diesem Felde gilt nur die blanke Macht. Das demonstriert die Handlung des Stückes ad oculos. Sie müßte sich aber als Privatperson aufführen, so tun, als habe sie mit Herrschaft nichts im Sinn. Die Möglichkeit hierzu bestände, sie ist vom Poeten klug in der Vorgeschichte angelegt: deren Rekapitulation zeigt die persönliche Schuld der Maria, daß sie den Mord am Gatten unterstützte, jedenfalls nicht verhinderte, daß sie den Mörder heiratete. Die Tröstungen der Amme prallen hier ab:

Die Jugend mildert Eure Schuld. Ihr wart

So zarten Alters noch.

MARIA

So zart, und lud

Die schwere Schuld auf mein so junges Leben. (V. 294 ff.)

Um diese private Schuld der Maria geht es aber durchaus nicht bei ihrer Verurteilung. Vorwurf ist, daß sie Elisabeth stürzen will:

Erregte sie aus diesen Mauern nicht

Den Böswicht Parry und den Babington

Zu der verfluchten Tat des Königsmords? (V. 69 ff.)

Daß sie einen Macht- und Herrschaftsanspruch anmeldet, ist das, was ihren Untergang hervorruft. Sie tritt als öffentliche Person auf, und hier gilt für Elisabeth

Gewalt nur ist die einzge Sicherheit,

Kein Bündnis ist mit dem Gezücht der Schlangen. (V. 2361 f.)

Sie kann auf die vermeintliche Herausforderung nur so reagieren. Die Schwierigkeiten des Verständnisses dieses Stückes entstehen einmal daraus, daß diese Thematik nicht erfaßt wird: daß es um gesellschaftliche, hier für den Absolutismus in seiner Genese typische Probleme geht. Dieser Sinn muß mühsam aus der klassischen Stilisierung herausfiltriert werden. Wenn diese Thematik einmal erkannt ist, bleiben die Probleme insofern, als die Handelnden in ihrer doppelten Erscheinung erfaßt werden müssen: sie fungieren auf der Bühne als Menschen mit menschlichen Bedürfnissen (wie Liebe), als Privatpersonen; dann aber als Funktionsträger in einer öffentlichen, politischen Rolle. Das Stück wäre nicht von Schiller, wenn es nicht diese Verbindung zeigte: von privaten, häuslichen, dem bürgerlichen Drama verpflichteten Motiven mit staatlichen, politischen der alten heroischen Tragödie verbundenen Momenten. Besonders in der Figur der Maria sind beide ineinander verknüpft. Maria weiß selbst nicht, was eigentlich sie ist oder klugerweise sein sollte: private oder öffentliche Person. Für Elisabeth ist das entschieden (zunächst); sie ist Funktionsträger. Das ist poetisch sehr klug gelöst, entspricht doch der objektiven Schwäche der katholischen Schottin ihre psychische Ungewißheit, das unsichere Schwanken.

Nun geht es dem Weimarer Klassiker freilich nicht allein um diese Poetisierung eines geschichtlichen Stadiums anhand zweier Huren. Der Untertitel lautet: ein Trauerspiel. Es geht, implizite, um die ästhetische Exemplifizierung tragischer Verhältnisse. Das weiß, wer die Briefe Schillers liest: Ein paar tragische Hauptmotive haben sich mir gleich dargeboten und mir großen Glauben an diesen Stoff gegeben, der unstreitig sehr viele dankbare Seiten hat. (an Goethe, 26.04.991 Ich fange schon jetzt an, bei der Ausführung, mich von der eigentlich tragischen Qualität meines Stoffs immer mehr zu überzeugen. (an Goethe 18.06.99). Wobei es dem Leser (auch Goethe) überlassen bleibt, zu ermitteln, was unter tragisch begriffen wird. Es läßt sich unterschiedlich verbalisieren, jedenfalls nur umständlich (und mit Hilfe der eigenen kognitiven Kraft des Lesers): tragisch ist zunächst, schlicht, der Konflikt der Protagonistinnen, der sich als unschlichtbar herausstellt. Dann, bei genauerem Hinsehen, daß dieser Konflikt sich als einer der Selbstverständnisse der Figuren erweist: Elisabeth weiß sich als gute Herrscherin, ebendas aber möchte Maria bewirken. Elisabeth vermutet die Usurpatorin, die Konkurrentin Maria möchte so nicht verstanden sein. Gezeigt wird damit vom Poeten die heillose Verstrickung, die Überwältigung der Subjekte gegen ihre bewußten Absichten; wirklich ist das Leid; die schöne Humanität bleibt Rhetorik.

(2)

Der erste Akt des Dramas ist so gesehen kaum zu überschätzen; nicht zuletzt von dieser komprimierten Thematik her dürfte bedingt sein, was Schiller an Goethe schreibt: ... dieser Akt hat mir deßwegen viel Zeit gekostet und kostet mir noch 8 Tage, weil ich den poetischen Kampf mit dem historischen Stoff darinn bestehen mußte und Mühe brauchte, der Phantasie eine Freiheit über die Geschichte zu verschaffen, indem ich zugleich von allem, was diese brauchbares hat, Besitz zu nehmen suchte. (an Goethe 19.07.99). Das Historische im Unterschied zum Poetischen ist das faktische Geschehen, so wie Schiller es aus seinen Quellen kannte.[6] Das Poetische ist das, was hier andeutend herausgearbeitet werden sollte: daß es auch außer dem einzelnen Fall aus der englischen Geschichte, der dafür noch nicht einmal historisch genau heranziehbar sein mag, um die Genese des Absolutismus geht: als eines Problems, das Schiller aktuell bewegen mußte, war doch, durch die Französische Revolution, die Frage nach dessen Legitimation gestellt. Es geht weiter um Anthropologie, um das Bild des Menschen in den historischen Prozessen: wie steht es um den absoluten Herrscher? Was macht seine Deformation aus? Wie steht es um den, der diesem Machtnucleus ausgesetzt ist? Was ergibt sich für die Affektstruktur beider Betroffenen? Die Poesie nimmt sich das Recht, diese Fragen vor dem Forum humaner Vernunft zu verhandeln. Gegen die Geschichte, in der das bloß Faktische als Barbarisches real wurde, stellt sie ästhetische Nachforschungen nach dem ganz Anderen an.

Die ausstehende Nachzeichnung des Stückes muß das und anderes weiter explizieren. Betont der erste Aufzug in der Ausbreitung der Problemiage der Maria mehr die objektiven Verhältnisse, so liegt im zweiten Aufzug der Schwerpunkt primär auf der subjektiven Seite. Das ist, freilich nur beiher, eine gekonnte Verschrankeng: die private Person erregt die staatliche Problematik, die öffentliche Person der Königin mehr die bürgerlichen Aspekte. Denn gezeigt wird, worauf oben schon hingewiesen wurde, das diplomatische Spiel um die geplante Vermählung der Elisabeth mit dem Bruder des französischen Königs. Gerade diese Thematik läßt sich zum Modell für Entmenschlichung stilisieren:

Die Könige sind nur Sklaven ihres Standes,

Dem eignen Herzen dürfen sie nicht folgen. (V. 1155 f.)

Elisabeth soll aus Staatsraison tun, was sie durchaus nicht will. Die Funktion verdrängt, was menschlich sein könnte. Schiller benutzt die Thematik, um einige Lieblingstheoreme zu plazieren. So, ganz ähnlich wie in der Jungfrau von Orleans[7], seine Vorstellungen von der Rolle der Frau:

Wohl weiß ich, daß man Gott nicht dient, wenn man

Die Ordnung der Natur verläßt. (V. 1172 F.)[8]

Er weist damit, was für das klassische Muster von Welterfahrung zentral ist, auf die Macht der Physis hin, die ihm als eine der Bedingungen sich gibt, unter denen Unaufhebbar menschliches Leben verläuft. Dieser Hinweis auf die natürliche Rolle der Frau: Mutter zu werden, wird verbunden, und Schiller kann solche Spitzen nicht lassen wenn sie auch, in diesem Fall, die Aufführung des Stückes im katholischen Süden des deutschsprachigen Raumes erschweren -, mit aufklärerisch-kritischen Bemerkungen:

Lob

Verdienen sie, die vor mir hier gewaltet,

Daß sie die Klöster aufgetan, und tausend

Schlachtopfer einer falschverstandnen Andacht

Den Pflichten der Natur zurückgegeben. (V. 1173 ff.)

Das ist nicht allein protestantisches Erbe, gegen die Klöster zu votieren, sondern Übernahme liberalistischer Positionen in der Auseinandersetzung mit positiver Religion.

Bei Gelegenheit der Religion und der geplanten Heirat des katholischen Franzosen mit der reformierten Engländerin kann Schiller ein weiteres Thema anspielen, das als zentrale Struktur durch das Stück zieht:

Die schwierigsten Artikel sind bereits

Berichtigt und von Frankreich zugestanden.

Monsieur begnügt sich, in verschlossener

Kapelle seinen Gottesdienst zu halten,

Und öffentlich die Reichsreligion

Zu ehren und zu schützen (V. 1102 ff.)

Daß es hier besonders um eine für den Absolutismus typische Angelegenheit geht, die zu poetisieren Absicht des Poeten war, beweist die leitmotivische Durchflechtung des zweiten Aufzugs; Leicester kommt sich besonders klug vor, wenn er ausführt:

Wahr ists, ich habe selber meine Stimme

Zu ihrem Tod gegeben im G e r i c h t .

Im S t a a t s r a t sprech ich anders. Hier ist nicht

Die Rede von dem Recht, nur von dem Vorteil. (V. 1438 ff.)

Das Gericht mag öffentlich getagt haben, hier gilt es, den Schein des Rechts zu wahren. Im Staatsrat wird die wahre Politik arkan betrieben. Damit wird der Täuschung schwere Kunst (V. 1574) zum Prinzip des Handelns. Daß damit der Gegensatz von Schein und Sein bemüht ist, weiß Elisabeth:

Was man s c h e i n t,

Hat jedermann zum Richter, was man i s t, hat keinen. (V. 1601 f.)

Sie beklagt diesen Zustand, so wie Mortimer, der dessen Konsequenzen am Grafen Leicester, dem gewieften Kabinettsadligen, erkennt[9]

Ich seh Euch zweierlei Gesichter zeigen (V. t703)

Er formuliert dann, was aufkiärerisch-bürgerliche Maxime ist, Fahnenprogramm des 18. Jahrhunderts:

Weg mit Verstellung! Handelt öffentlich! (V. 1923)

Öffentliches Handeln ist das, was dem denkenden Subjekt der Epoche als primäre Forderung wichtig wird. Das schlägt hier, am stilisierten Fall aus der englischen Geschichte durch; das ist poetische Wahrheit gegen historische gesetzt.

Für Schiller ist dies zu zeigen zweifellos ästhetisches Beweisinteresse; es ist ein geschichtstheoretisches Moment. Der Marbacher wäre aber nicht erfaßt, wenn man nicht sähe, daß dies nur ein zu demonstrierendes ist, dasselbe, bis in den Wortlaut:

Weg mit der Verstellung! (V. 1679)

hatte Mortimer gerade vorher von seinem aufgeklärten Onkel Paulet gesagt bekommen. Nun gibt er es an Leicester weiter: was er selbst von andern fordert, darauf glaubt er, für sich verzichten zu können. Damit ist, als weiteres Beweisinteresse, die allseitige Heuchelei, Unaufrichtigkeit angeprangert.[10] Für den Poeten ist das ein anderer anthropologischer Aspekt, der dem Optimismus der Geschichtstheorie entgegenarbeitet. Auch er ist, im Stück und in diesem Akt, ausgebaut; Elisabeth jammert:

Was ist der Mensch! Was ist das Glück der Erde! (V. 1528)

Deutlich, daß hier Rudimente barocker Überzeugungen vorliegen; das ist das vanitas- und fortuna-Motiv des Barock, die menschliche Ohnmacht angesichts der übermächtigen Objekte,

Wehmut ergreift mich und die Seele blutet,

Daß Irdisches nicht fester steht, das Schicksal

Der Menschheit, das entsetzliche, ... (V. 1539 ff.)

Das macht die Dignität dieses Stückes wesentlich mit aus; daß neben der zentralen Thematik: die politischen Konstellationen des Absolutismus in ihren Auswirkungen auf den Menschen darzustellen, eine Fülle von unterschiedlichen, in sich und gegeneinander durchaus nicht verträglichen Theoremen mit zu gestalten.[11]

Auf einige solcher Theoreme soll noch hingewiesen werden; ins Auge fielen schon die aufklärerischen Thesen, hier z.B. von Paulet vertreten; seinem Neffen versichert er:

Am Hofe

Ward u n s e r s Hauses Ehre nicht gesammelt. (V. 1669 f.)

Er warnt ihn damit vor den Folgen des Auftrags der Königin, Maria zu beseitigen. Deutlich aber ist, für den Zeitgenossen, der Ohren hat zu hören, die Kritik am Hofe als der zentralen und allmächtigen Verwaltungsinstanz des 18. Jahrhunderts.[12] Zu diesem Motivsyndrom gehört auch die nachdrückliche Versicherung der Selbständigkeit:

... und ich, Mylord, verlasse mich

Auf mich und meine beiden offnen Augen. (V 1692 f.)

Damit ist das Selbstdenker- und Prüfertum der rationalen Aufklärer zitiert (das nur vermittelt mit dem Selbsthelfertum der Stürmer und Dränger verbunden ist). Solche Momente sind aber beiherspielend, es sind, wenn solche Metaphorik gestattet ist, die bunten blühenden Blumen auf der sonst grünen Wiese. Und Wiese ist hier das Grundthema, was mit dem Menschen, speziell dem Fürsten, im Absolutismus geschieht. Es zieht durch, ist mit dem zweiten Auftritt, wo Staatsraison und Coeur aneinandergeraten, nicht beiseite gelegt. Elisabeth klagt:

Hat die Königin doch nichts

Voraus mit dem gemeinen Bürgerweibe! (V. 1207 f.)

Konkret meint sie: in ihrer Rolle als Frau. Sie relativiert damit aber implizite die absolute Funktion des Fürsten; auch er ist Mensch.[13] Das ist ihr von Melancholie bestimmtes Selbstverständnis. Ihre Berater, und hier sogar der verständige, aufgeklärte Talbot (der vom Typ her identisch ist mit dem Grafen Lerma im Don Karlos), sehen das anders Sie wollen ihr das Bewußtsein der offiziellen absolutistischen Doktrin einprägen:

Sag nicht, du müssest der Notwendigkeit

Gehorchen und dem Dringen deines Volks.

Sobald du willst, in jedem Augenblick

Kannst du erproben, daß dein Wille frei ist. (V. 1330 ff.)

Damit ist Elisabeth nicht als Mensch gemeint, sondern als absoluter Herrscher. Talbot ist hier einer der letzten Vertreter der absolutistischen Doktrin.[14]

(3)

Das Problem des Verhältnisses von Mensch und Herrscher ist damit noch nicht abgetan. Der dritte Aufzug verhandelt es weiter, freilich im Streit der Königinnen nur beiher.[15] Zentral ist etwas anderes, was aber aus dem Ganzen herausgelöst werden muß. Es liegt nicht ohne weireres am Tage. Schiller selbst dürfte darauf hingewiesen haben, ohne es konkret iu nennen, wenn er an Goethe schreibt, diese Frage des Gesprächs der Königinnen gehe zugleich die Poesie überhaupt an (30.09.99). Gezeigt wird hier nämlich und das ist eine Sache der Poesie nichtgelingende, scheiternde Kommunikation.[16] Das ist eines der obersten Themen schöner Literatur, das ihre Produzenten immer wieder bewegt. Was sind Bedingungen gelingenden Gespräches, wann scheitert es (und führt im Streit zu Leid)? Die Bemerkungen der Maria vor dem Gespräch lassen keinen guten Anfang erwarten. Die Beziehungsebene, die den Modus des der Redenden bestimmt, ist vergiftet:

In blutgen Haß gewendet wider sie

Ist mir [Maria ] das Herz (V. 2184 f.)

Ich bin zu schwer verletzt.

Nie ist zwischen uns Versöhnung! (V. 2204 f.)

Was Ziel der Kommunikation sein müßte: Versöhnung der Feindinnen, ist hier ab initio angezweifelt. Abverlangt wird von Maria, was moderne Theorie asymmetrische Sprechsituation nennt[17]:

Sie ist die Mächtige demütigt Euch! (V. 2193)

Maria ist nach erstem Weigern dazu dann doch bereit:

Seis !

Ich will mich auch noch diesem unterwerfen. (V. 2244 f.)

Sie [Maria] fällt vor ihr [Elisabeth] nieder.[18]

Schließlich ist auch ihre Gegnerin von ihren Beratern zu Großmut und Mitleid (V. 2238) angespornt worden. Wichtig ist hier aber die Form; Shrewsbury sagt zu Elisabeth:

Laß dich erbitten, königliche Frau, (V. 2239)

Leicht wäre es für den Poeten gewesen, zu setzen:

Laß dich erbitten, edle Königin,

Ob das Schiller bewußt pointiert hat, was durch die interpretative Substitution deutlich wird, ist nicht das Problem. In der substituierten Fassung wäre Elisabeth nur als Funktionsträger angesprochen, in ihrer Rolle als absoluter Herrscher. In der von Schiller gewählten Form ist aber neben dieser Funktion noch ihre humane als Mensch mitgetroffen. Verstärkt wird, was ebendieser Graf schon vorher gemeint hatte:

Nicht Strenge legte Gott ins weiche Herz

Des Weibes - Und die Stifter dieses Reichs,

Die auch dem Weib die Herrscherzügel gaben,

Sie zeigten an, daß Strenge nicht die Tugend

Der Könige soll sein in diesem Lande. (V. 1343 ff.)

Das zeigt die Legitimationsprobleme des Absolutismus, der hier von seiner ursprünglichen, machiavellistischen Härte weit weg ist. Mit diesem Argument ist ein wichtiger Prozeß angedeutet: die Könige werden als Menschen gezeigt; auch insofern sie hier in anscheinend kleinlichem Konflikt liegen, sich private Dinge vorwerfen:

Ja, es ist aus, Lady Maria. Ihr verführt

Mir keinen mehr. (V. 2407 f.)

Das Schauspiet in königlicher, heroischer Umwelt wird unter der Hand zum bürgerlichen Trauerspiel im Verstande der Zeit; die Helden werden in ihren häuslichen Problemen auf die Bühne gebracht.

Das ist auch der Kern des letzten Vorwurfs der Maria:

Der Thron von England ist durch einen Bastard

Entweiht, der Briten edelherzig Volk

Durch eine listige Gauklerin betrogen. (V. 2447 ff.)

So wird die Menschlichkeit der Könige gezeigt, ihre von der Theorie behauptete außerordentliche Stellung also negiert, ihre Autorität untergraben, das Recht des Souverains implizite bestritten. Das ist ein progressives Moment des Stückes, des Poeten Verarbeitung der Französischen Revolution. Die Dignität der Souveraine, die noch immer sich als von Gottes Gnaden ausgeben, ist durch den Blick in ihr Privatleben erschüttert. Wenn die Szene des Königinnen- Gezänks an sich selbst moralisch unmöglich ist (wie Schiller an Goethe in dem schon genannten Brief vom 3. Sept. 1799 bemerkt), dann auch aus diesem Grund: weil hier offiziell Geltendes für den, der Ohren hat, angezweifelt wird.

Denn es geht schon, weiterhin, um staatliche Probleme; Maria bekräftigt ihren Rechtsanspruch:

Ihr habt an mir gehandelt, wie nicht recht ist,

Denn ich bin eine Königin wie Ihr (V. 2295 f.)

Elisabeth hat nichts Eiligeres zu tun, als dieses Moment aufzugreifen und zum Vorwurf, der der Verurteilung Legitimität geben kann, umzumünzen: Euch meine Königstitel zuzueignen (V. 2337), sei Absicht der Maria. Das erhält sie von Elisabeth als Antwort, als sie nach ihrer Schuld fragt (V. 2321). Die Hamartia der Titelheldin besteht in dieser durch Geburt erlangten Eigenschaft: als Tochter eines Königs selbst Königin zu sein. Die Schuld ist daher, echt antiktragisch, außer der Verfügung der Betroffenen; es ist alles eine Schickung (V. 2307). Damit ist das politische Motiv im Konflikt genannt, das nicht ohne Schaden für die Semantik des Textes vergessen werden kann freilich in bestimmter, für Schillers klassische Dichtung typischer, tragisch-anthropologischer Weise. Elisabeth verbindet es historisch richtig mit dem Religiösen:

Die Kirche trennet aller Pflichten Band,

Den Treubruch heiligt sie, den Königsmord (V. 2354 f.)

Nur beiher ist hier (wie so oft bei Schiller) zu spüren, was G. Storz die heftige Ablehnung alles katholischen Wesens nennt, die für den Geist des Landes kennzeichnend (sei), in dem er (Schiller) seine Kindheit verlebte[19]. Substantiell ist, was zur Genese des Absolutismus zählt, ebenso wie zur Theorie seines Bestands. Der Herrscher, der in permanentem Legitimationszwang lebt, weil die Vernunft in der Geschichte sich nicht stillstellen läßt, darf kein Herz (V. 2232) haben. So kann Maria zur Elisabeth sagen:

[...]


[1] Äußerung Goethes, von Wilhelm Grimm berichtet, hier zitiert nach NA 9, S. 371

[2] Zit. nach NA 9, S. 380.

[3] R. Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bür­gerlichen Welt, zuerst Freiburg 1959; dann: Frankfurt 1976; hier S. V.

[4] Ebd. S. 11. Im Stück selbst wird genügend genau auf diese Thematik hingewiesen: Nicht alle deine Briten denken gleich,/Noch viele heim­liche Verehrer zählt / Der römische Götzendienst auf dieser Insel. / Die alle nähren feindliche Gedanken (V. 1261ff.). Königsmord (V. 1273) werde in diesen Zirkeln gelehrt. Dagegen steht die Aufgabe der absoluten Elisabeth: das Glück / Des Friedens diesem Reiche zu verlängern (V.1 307f.).

[5] Letzte Regieanweisung Schillers am Schluß des Stückes; bei Schiller kursiv.

[6] Vgl. dazu NA 9, S. 340.

[7] Vgl. dort V.2205ff.

[8] Schiller ist mit seinen Vorstellungen über Frauen nicht zimperlich. Den Mortimer läßt er über Elisabeth sagen: Das e i n e Höchste, was das Leben schmückt,/Wenn sich ein Herz, entzückend und ent­zückt, / Dem Herzen schenkt in süßem Selbstvergessen, / Die Frauen­krone hast du nie besessen,/Nie hast du liebend einen Mann be­glückt! (V.1652ff.).

[9] Leicester versichert in 11,8 Mortimer seiner Liebe zu Maria; gleich darauf in 11,9 gesteht er Elisabeth Ich liebe Dich (V 1964). Das ist sowohl ein Beitrag zur Charakteristik des Grafen wie zum Thema Schein - Sein.

[10] Etwas, was für moderne Sprechakttheoretiker eines der schlimmsten Dinge ist. Habermas fordert für die ideale Sprechsituation, daß die Sprecher weder sich noch andere über ihre Intention täuschen dürfen. Habermas/Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozial­technologie, 1971, S. 138.

[11] Darauf wird auch besonders bei der Braut von Messina hinzuweisen sein.

[12] Auch hier ist Schiller nicht originär (als ob es darum ginge); die Kritik des Hofes als dekadent läßt sich ebenfalls schon bei Gryphius nachweisen.

[13] Auch hier ist wieder ein Vergleich mit Gryphius sinnvoll; im Leo Arminius sagt ein Rebell: Was ist ein Printz? [ er meint, ein abso­luter Fürst ] ein Mensch! und ich so gut als er! (1,41) Thema ist die Kritik des Untertan am Herrscher.

[14] Die Beziehungen zu Gryphius sind in dieser Thematik nicht zu über­sehen; vgl. z B. Großmütiger Rechtsgelehrter..., 11,70 Der Fürst ist von dem Recht und allen Banden frey. Das versichert Laetus, ganz im Sinne absolutistischer Theorie. Wichtig wäre eine Untersu­chung, die Legitimationsprobleme des Absolutismus vom Barock bis ans Ende des 18. Jahrhunderts untersuchte; denn diese Thesen bleiben nicht unwidersprochen. Das untertänige Subjekt findet sich damit nicht ab.

[15] So G. Storz, Der Dichter Fr. Schiller, Stuttgart 1959, S. 338, in: Anlehnung an das Nibelungenlied.

[16] Darum geht es z.B. auch ganz wesentlich in Goethes Iphigenie ­wie und ob Gespräche gelingen, was Aufrichtigkeit darin bedeutet ­nur daß Goethe, untragisch, gelingende Interaktion zeigt.

[17] Vgl. R. Searle, Sprechakte, 1971; John L. Austin, Zur Theorie der Sprechakte, 1972 und den in A. 11) genannten Titel von Habermas.

[18] NA 9, S. 86; bei Schiller kursiv.

[19] Titel A.16) S 343f. Kritik katholischen Wesens erscheint allent­halben, z.T. implizite, so wenn Mortimer sagt, um die geplanten Ver­brechen zur Befreiung Marias zu begründen: Ablaß ist uns erteilt für alle Schulden, Die wir begingen, Ablaß im voraus Für alle, die wir noch begehen werden. (V. 2305ff.).

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
"Maria Stuart" - ein Trauerspiel: Ästhetische Reflexion einer Phase des Absolutismus
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
sehr gut
Autor
Jahr
1985
Seiten
28
Katalognummer
V187321
ISBN (eBook)
9783656107385
ISBN (Buch)
9783656107545
Dateigröße
546 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schiller Drama wird für uns heute gelesen und interpretiert, dabie wird die wissenschaftliche Literatur kritisch einbezogen.
Schlagworte
maria, stuart, trauerspiel, ästhetische, reflexion, phase, absolutismus
Arbeit zitieren
Prof. Dr. Erwin Leibfried (Autor:in), 1985, "Maria Stuart" - ein Trauerspiel: Ästhetische Reflexion einer Phase des Absolutismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187321

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