Verführerische Werbespielchen? Eine Untersuchung von Text und Bild in Sex-sells-Anzeigen


Magisterarbeit, 2008

92 Seiten, Note: 2,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Dankwort

Einleitung

1. Sprache und Gesellschaft Ein bedingter Zusammenhang zwischen Sprach- und Wertwandel

2. Werbung. Werbesprache. Definition und Abgrenzung Ist Werbesprache eine Sondersprache?

3. Werbung als ein „verführerisches“ Kommunikationsprozess
3.1 Wie funktioniert Werbung?
3.2 Welche Ziele verfolgt Werbung?
3.3 Was versteht man unter einer Zielgruppe?
3.4 Wie wirkt Werbung?
3.5 Wie geht Werbung strategisch vor?

4. Let's talk aubout Sex(-sells)
4.1 Entwicklung der Sex-sells-Strategie
4.2 Das Wortfeld „Sex“ in der modernen Auffassung

5. Verlockende Werbespielchen mit Text in der Werbung
5.1 Textsegmente einer Werbeanzeige in Bezug auf Sex-sells
5.1.1 Schlagzeile
5.1.2 Fließtext
5.1.3 Slogan
5.1.4 Produkt- und Markenname
5.2 Sprachliche „Tricks“ zur Gestaltung einer Werbeanzeige
5.2.1 Gestaltung der Argumentation
5.2.2 Rhetorische Gestaltung
5.2.3 Stilistische Gestaltung
5.2.3.1 Lexikalische Stilfiguren
5.2.3.2 Syntaktische Stilfiguren
5.2.3.3 Figuren der Wiederholung
5.2.3.4 Kompositorische Stilfiguren
5.3 Textuelle Übertragung der sexuellen Inhalte bei der Gestaltung der Werbebotschaft am Beispiel der Werbekampagne Gib AIDS keine Chance

6. Bild in der Werbung. Darstellung von Erotik in den Sex-sells-Printanzeigen
6.1 Geschlechtsspezifische Bilder in der Werbung
6.1.1 Frauenbilder
6.1.2 Männerbilder
6.2 Radikale Sex-sells und ihre Grenzen. Untersuchung der Werbekampagnen von Benetton und Diesel

7. Text trifft Bild
7.1 Text- und Bildrealtionen in den Werbeanzeigen
7.2 Kommunikativer Zusammenhang zwischen Text und Bild in den Sex-sells-Werbekampagnen Alice und Dove

Fazit

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Dankwort

Bevor ich meine an der Universität erworbenen Kenntnisse in germanistischer Sprachwissenschaft in einem vielleicht etwas ungewöhnlichen Thema zusammenfasse und unter Beweis stelle, möchte ich mich ganz herzlich bei denjenigen bedanken, die zur Entstehung dieser Arbeit beigetragen haben. Zunächst danke ich dem Betreuer meiner Magisterarbeit, Prof. Dr. Martin Wengeler, dafür, dass er einverstanden war, dieses unorthodoxe Thema zu betreuen, und mich als Sprachwissenschaftlerin verständnisvoll unterstützt hat. Einen persönlichen Dank möchte ich an Freunde, Bekannte und Nachbarn aussprechen, die mich bei den Diskussionen zum Thema „Sex-Sells“ unterstützt und mir Zeitschriften und Modemagazine zur Verfügung gestellt haben.

Einleitung

- Werbung, Sprache und Erotik - wie kommt man auf so ein Thema?
- Aus der Betrachtung unseres gesellschaftlichen Systems und der Feststellung diverser Zusammenhänge und Widersprüche.

Sprache ist ein Teil der Gesellschaft, ohne den kein soziales System existieren könnte. Dadurch ergeben sich Wechselwirkungen zwischen der Sprache und der Gesellschaft. Sobald die Gesellschaft äußeren Einflussfaktoren ausgesetzt wird (historische Ereignisse, Trends in Politik, Kultur, Wirtschaft), nimmt die Sprache diese Einflüsse mit auf und berücksichtigt sie wiederum. Besonders deutlich macht sich dieses Phänomen in den Medien und in der Werbung bemerkbar.

Durch die voranschreitende Dynamisierung und Komplexität des modernen Informationsflusses, steigen die Probleme der Werbetreibenden, Aufmerksamkeit für die beworbenen Produkte beim Konsumenten zu erregen. Die Informationsüberlastung durch Werbung beträgt in Deutschland mehr als 95 Prozent. Das heißt, dass höchstens fünf Prozent der angebotenen Werbeinformationen den Empfänger erreichen und akzeptiert werden.[1] Klassische Werbestrategien verlieren im Laufe der Zeit wegen der gesellschaftlichen Veränderungen ihre Wirkung. Werbeproduzenten sind deshalb darauf angewiesen, ihre Anzeigen so zu gestalten, dass diese wirksam bleiben und wahrgenommen werden. Dies erfordert zwangsläufig das Beschreiten neuer Wege zur Aktivierung von Aufmerksamkeit bei den Rezipienten. Da Werbung - bestehend aus Bild und Text - ein Spiegelbild der Gesellschaft darstellt, nimmt sie sowohl die sprachlichen, als auch die gesellschaftlichen Veränderungen auf und setzt diese in Werbetext und -bild um. Dies zeigt sich besonders bei der Darbietung der aktuellen Werbeanzeigen, indem die Werbeinstrumente in neu­kreierte Kontexte integriert werden. Also spielt nicht nur die Aktualität der Werbeanzeigen eine bedeutende Rolle, sondern auch das Herstellen einer geschickten Verbindung zwischen den bestehenden Normen und der anlockenden Darbietung bekommt einen höheren Stellenwert in der modernen Werbebranche. Doch im Laufe der Jahre haben sich bestimmte Werbestrategien zur Erzeugung von Aufmerksamkeit beim Rezipienten herausgebildet, unter den Werbung mit erotischen Stimuli einen besonderen Wert besitzt. Durch den Wertewandel der modernen Gesellschaft und ihrer Medien haben sich die Moralvorstellungen über das Thema „Sex“ jedoch derart gewandelt, dass es heute als gewöhnlich und banal betrachtet wird. Deshalb wurde auch diese Strategie modifiziert. Indem das banale Thema „Sex“ in neue Kontexte integriert und mit anderen Strategien kombiniert wird, bekommt es eine wiederkehrende Aufmerksamkeit.

Sex in der Gesellschaft wird nicht plakativ und direkt kommuniziert, sondern unterliegt - trotz aller Banalisierung - immer noch einem gewissen Tabu. Obwohl das Thema Sex seit Jahrhunderten einen tabuisierten Charakter besitzt, war im Laufe der Jahre zu beobachten, dass Sex und Erotik nicht mehr so dogmatisch angesehen werden, da Sex ein natürlicher Bestandteil der menschlichen Existenz ist. Sex-sells als Strategie berücksichtigt diesen Umstand, indem erotische Botschaften immer wieder auftreten, aber in hohem Maße nonverbal (durch Bilder) und indirekt dargeboten werden. Selbst bei kaum auffindbaren Textbotschaften in den Sex-sells-Anzeigen wird der sexuelle Aspekt nur verschleiert oder durch Sprachspiele kommuniziert.

Unter den aktuellen Sex-sells-Werbekampagnen befinden sich einige, die eine beachtliche Aufmerksamkeit erreicht haben, indem sie Sex und Erotik in ungewöhnlichen Aufmachungen darstellten. Zu ihnen gehören Werbekampagnen von Diesel, United Colors of Benetton, Gib AIDS keine Chance usw.

Wie schon erwähnt wurde, unterliegen auch die Textbotschaften in den Sex-sells- Anzeigen den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. Das Wortfeld Sex verliert im Laufe der Zeit an seiner negativen Konnotation und gewinnt erweiterte Bedeutungen. Anhand von diversen Beispielen wird in der Arbeit verdeutlicht, dass das Wortfeld Sex in verschiedenen Kontexten Verwendung findet.

Aus diesen Überlegungen heraus ist es das Ziel dieser Arbeit herauszufinden, inwiefern die Gesellschaft und die Sprache als soziale Konstrukte auf Werbung Einfluss nehmen, und dies mit besonderem Fokus auf Sex-sells.

Um das Phänomen „Werbung“ zu erklären, bedarf es Erkenntnisse verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. So sind hier Psychologie und Soziologie, Politik- und Medienwissenschaft mit der Sprachwissenschaft verwoben. Diverse Fachdisziplinen versuchen Werbung und explizit Sex-sells isoliert zu betrachten.

Vor allem Studien zu wirtschaftlichen, soziologischen oder psychologischen Wirkungen sind vorhanden. Um dennoch die gewünschte Werbewirkung zu erzielen, müssen diverse Lösungswege aufgezeigt werden, die auf dem Zusammenspiel mehrerer Wissenschaften beruhen. In dieser sprachwissenschaftlichen Arbeit wird deshalb ebenso von wirtschaftlichen, politischen, medienwissenschaftlichen und psychologischen Aspekten Gebrauch gemacht, sofern die Linguistik Ereignisse der Werbung nicht erklären kann.

So will diese Arbeit als zentrale Untersuchungsobjekte folgenden Fragestellungen nachgehen: Wie gelingt es Sex-sells als Werbestrategie, die Gesellschaft nicht nur zu provozieren, sondern auch zu überzeugen? Und mit welchen Mitteln wird es zu erreichen versucht? Denn zu einem Werbeprozess gehört nicht nur der eigentliche Vertrieb eines Produktes, sondern auch seine Präsentation, die sich in der Werbung im Zusammenspiel von Gestaltungselementen wie Text und Bild entfaltet.

Die vorliegende Arbeit bezweckt nicht die Aufdeckung jedes einzelnes Problems in Bezug auf Werbung und Sex-sells. Stattdessen sollen Zusammenhänge zwischen Gesellschaft, Werbung und Sex und damit verbundene Tatsachen angeschnitten werden. Somit besteht diese Arbeit aus verschiedenen Segmenten, die angefangen beim Skizzieren der Begriffe wie Gesellschaft, Kommunikation und Werbung zum Hauptteil der Untersuchung, Sex-sells, verleiten. Bezüglich der bedeutenden Begriffen sollen in den ersten drei Kapiteln Wechselwirkungen und wichtigste Merkmale zwischen Gesellschaft, Sprache und Werbung aufgedeckt werden. Ferner liegt der zentrale Fokus der Arbeit auf dem Thema Sex und dessen Präsentation in der Werbung durch Bilder und Wortspiele. Hier werden die theoretischen Vor- und Nachteile der verbalen und nonverbalen Kommunikation dargestellt; die Bild- und Textrelationen in der Werbung und insbesondere in Sex- sells sollen ebenso angeschnitten werden. Anhand der vorgestellten Beispielen werden die praktischen Umsetzungen von Sex in der Werbung aufgezeigt, womit bewiesen werden soll, dass die Themen Sex und Erotik in verschiedene Kontexte integriert werden können und nicht nur die gesellschaftlichen Vorstellungen widerspiegeln, sondern auch neue Leitbilder auf Grund der Umstrukturierung der gesellschaftlichen Wertenormen modifiziert werden.

1. Sprache und Gesellschaft. Ein bedingter Zusammenhang zwischen Sprach- und Wertewandel

Die Soziolinguistik ist eine Teilwissenschaft der Sprachwissenschaft. Der Gegenstand soziolinguistischer Untersuchungen ist die soziale Bedeutung sprachlicher Systeme und der Variationen des Sprachgebrauchs in der Gesellschaft. „In der Soziolinguistik werden sprachliche Gegebenheiten beschrieben, die auf gesellschaftliche zurückzuführen sind.“[2] Soziolinguistisch wird die Sprache als Objekt untersucht und dabei jener Aspekt in Betracht gezogen, wie die Gesellschaft die Sprache beeinflusst oder wie sprachliche Äußerungen wiederum menschliches Verhalten beeinträchtigen.

Um diesen Umstand näher erläutern zu können, müssen zunächst die Begriffe Kommunikation und Gesellschaft voneinander abgegrenzt werden.

Menschen befinden sich untereinander mittels Sprache im soziolingualen Handeln.[3] Soziales Handeln basiert auf dem Austausch von Informationen und ist somit auch als kommunikatives Handeln oder Kommunikation zu bezeichnen. „Kommunizieren heißt in soziale Beziehungen einzutreten.“[4] Unter Kommunikation wird ein Austausch von Informationen oder Nachrichten verstanden, der den menschlichen Wissensbestand, die „Summe von Informationen, die der Mensch gespeichert hat und verwenden kann,“[5] durch neue Informationen ergänzt und erweitert.

Da Handlungspartner zugleich Kommunikationspartner sind, vollziehen sie durch Sprache eine sprachliche Interaktion,[6] deren Ziel Bahrdt folgendermaßen definiert: „Ziel ist die Herstellung gemeinsames Wissens, das zum mindesten bei einem Kommunikationspartner anders sein soll, als es vorher war.“[7] Die Kommunikation besteht aus den direkten (verbalen) und indirekten (nonverbalen) Kommunikationsmitteln. Zu den verbalen Mitteln gehören sprachliche Zeichen und deren Semantik. Die nonverbalen Mitteln umfassen Gesten, Mimik, Körperhaltung und gehören zu den wichtigen Signalen (Codes) der

Kommunikation. Da die nonverbalen Elemente in der Regel bekannt sind, vereinfachen sie die gesamte Kommunikation, indem sie im Unbewussten der Menschen Emotionen und assoziative Bilder hervorrufen und somit verstanden werden.

Gumperz strukturiert die Gesellschaft anhand von vier Unterscheidungsmerkmalen:

- Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal besteht in der Zuordnung der gesellschaftlichen Rollen und der damit verbundenen Handlungsformen. Die sozialen und sprachlichen Normen werden insbesondere in der frühen Erziehungsphase eines Kindes erworben: So werden ihm geschlechtsspezifische Verhaltens- und Sprachmuster beigebracht, die später das soziale Engagement eines Individuums beeinflussen.

- Das zweite Merkmal bezieht sich auf die Art der Verbindung und der Mobilität dieser Rollen in der Gesellschaft.
- Das dritte Unterscheidungsmerkmal umfasst Verhaltensunterschiede der Individuen in der Gesellschaft gegenüber den anderen sozialen Gruppen.
- Das vierte Unterscheidungsmerkmal reduziert sich auf die Gesamtheit einer Sprachstruktur in der Gesellschaft sowie ihre Abweichungen gegenüber den anderen sozialen Gruppen.[8]

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass innerhalb von verschiedenen sozialen Gruppen ein Unterschied im Spracherwerb, im Sprachverhalten und in der Sprachverwendung besteht.[9]

Die Gesellschaft als Ganzes benutzt eine Gesamtsprache, das Gegenwartsdeutsch: „Die Standardsprache ist die Bezeichnung der sprachlichen Norm des Deutschen. Sie ist bestimmt von der Gesamtheit der im Duden festgehaltenen amtlichen Regelungen zur deutschen Rechtschreibung sowie der deutschen Grammatik.“[10] Abhängig von der sozialen Zugehörigkeit eines Individuums, seinem sozialen Engagement oder bestimmten sozialen Verhaltenssituationen unterscheidet sich sein Sprachgebrauch oder seine Rollensprache von den Gebrauchsmustern anderer Individuen. Diese Sprachunterschiede werden als Sprachvarietäten bezeichnet. „Mit dem Begriff sprachliche Varietät bezeichnet man Variationen ein- und derselben Sprache, die sich historisch aus der gegenseitigen Beeinflussung von Sprache und Sozialstruktur einer bestimmten Sprachgemeinschaft entwickeln“.[11] Die sprachlichen Varietäten jeder Sprache sind Umgangssprache, Gruppensprache, Sondersprache, Funktiolekt, Jargon oder Alltagssprache, die sich sowohl in ihrer Lexik, aber auch in ihrer Grammatik von der standardsprachlich definierten Norm unterscheiden. In all diesen verschiedenen Sprachvarietäten hat man es, wie Glück und Sauer erklären, „mit besonderen Wortschätzen, Stilelementen und manchmal spezifischen Verwendungsweisen bestimmter grammatischer und Wortbildungsmittel zu tun“.[12] Die Sprache kennt keinen festen Zustand. „So lange sie aber lebt und benutzt wird, steht sie in einem soziokulturellen Zusammenhang, dessen Entwicklungen und Ereignisse in ihr und an ihr Spuren hinterlassen, sie prägen und verändern.“[13] In den einzelnen Varietäten der Sprache lassen sich ebenso Veränderungen und Entwicklungen beobachten. Da die Sprachvariationen jedoch in ausgeprägten wechselseitigen Einflussverhältnissen zueinander stehen, können diese die Begriffe untereinander austauschen. Einen bedeutenden Einfluss verspürt die deutsche Sprache ganz besonders aus dem meinungsführenden anglo-amerikanischen Raum. Als dessen Folge werden nicht nur die Spracheinheiten übernommen, sondern auch diverse Verhaltensmuster.[14]

Demzufolge verlieren manche deutsche Begriffe an Wert, gelten als veraltete Formen oder werden mit einer erweiterten Bedeutung verwendet. Ferner finden neue Begriffe, Fachwörter, Anglizismen und Neologismen Eingang in die Standardsprache, so dass es schwer festzustellen ist, ob Sprache die Gesellschaft bedingt oder umgekehrt. Jedenfalls befinden sich Sprache und Gesellschaft im ständigen, raschen und sich gegenseitig beeinflussenden Wandel. Gleichermaßen verhält sich auch die Werbesprache: ihr Dasein und ihre Wandlungen bestimmen das Leben unserer Gesellschaft, die sie wiederum aus der Gesellschaft schöpft.

2. Werbung. Werbesprache. Definition und Abgrenzung. Ist die Werbesprache eine Sondersprache?

Die meisten Untersuchungen, darunter auch sehr kritische Befunde zum Thema Werbung, stammen aus den 60er bis 80er Jahren, „ein Zeitraum, in dem ein starkes Interesse an Konsumwerbung bestand. Das Wirtschaftswunder hatte die Wirtschaftswerbung geschaffen, - und die Rezipienten sahen sich dadurch einem neuen Einfluss ausgesetzt, der ihr Denken und Handeln lenken wollte.“[15] Weiter heißt es: „[...] Die Zeit blieb nicht stehen, sondern brachte auf diesem Gebiet Veränderungen mit sich. Allmählich waren die „Gefahren“ der Werbung [...] jedermann bekannt, so dass das kritische Interesse nachließ, die Werbung mehr und mehr akzeptiert wurde und heute wie selbstverständlich zur Medienlandschaft gehört.“[16] Die heutige Werbung ist eine andere als vor 20 Jahren.[17] „Die Inhalte von Werbeaussagen haben sich verändert, die Werte verschoben.“[18] Somit ist Werbung aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken und ein fester Bestandteil unseres Gesellschaftssystems.

Der Terminus Werbung hat seinen Ursprung im althochdeutschen Verb hwerban und bedeutet sich drehen, sich umtun oder sich bemühen. Seit dem 19.Jahrhundert wird dieses Verb im Sinne von sich um Kunden bemühen gebraucht.[19] Aus dieser Bedeutung heraus entwickelte sich Werbung hin zu einer moderneren Auslegung: „Der Begriff Werbung wird erst seit Mitte der 30er Jahre verwendet. Vorher war die Bezeichnung Reklame üblich.“[20] Im Laufe der Jahre bekam „Reklame“ einen abwertenden Charakter und wurde als Synonym für „schlechte Werbung“ benutzt. Werbung ist seit Jahren ein Untersuchungsaspekt verschiedener Disziplinen. Somit lassen sich in der wissenschaftlichen Literatur völlig unterschiedliche Definitionen für diesen Begriff finden. Doch meistens wird darunter Wirtschaftswerbung verstanden, deren Ziel es ist, den Absatz zu steigern.[21] Kroeber-Riel und Werner definieren Werbung als „versuchte Einstellungs- und Verhaltensbeeinflussung mittels besonderer Kommunikationsmittel,“[22] die in jedem Gesellschaftssystem angewandt wird und daher als „legitime Sozialtechnik“[23] bezeichnet werden kann.

Sowinski versteht unter Wirtschaftswerbung eine „geplante öffentliche Kommunikation zum Zwecke einer ökonomisch wirksamen Information, Persuasion und Entscheidungssteuerung.“[24]

Der sprachwissenschaftlicher Perspektive und den Untersuchungsschwerpunkten dieser Arbeit entspricht die folgende komplexe Begriffsdefinition von Silbermann: „Werbung ist der Versuch eines Unternehmens/Vereins/einer Institution/Behörde/politischen Partei o.dgl. (Werbungtreibender/Sender), durch Einsatz auffällig gestalteter Werbemittel (z.B. Anzeigen, Werbefilme, Hörfunkspots), die sprachlich und visuell merkintensiv codierte Werbebotschaften (Messages) enthalten, über zwischengeschaltete Medien (z.B. Zeitung, Zeitschrift, Fernsehen, Radio/Werbeträger) mit einer Gruppe von Personen (Zielgruppe), deren Mitglieder (Umworbene/Rezipienten) in der Regel nicht persönlich, sondern nur in Form soziodemografischer und/oder verhaltensbezogener Daten bekannt sind, kommunikativ in Kontakt zu treten. Solchermaßen zustande kommende Werbekontakte dienen dem Zweck, bei den Umworbenen für ein Waren- oder Dienstleistungsangebot/Vorhaben/Programm/eine Veranstaltung o.dgl. (Beworbenes) Aufmerksamkeit zu erzielen und Interesse zu wecken, individuelle Wünsche nach näherer Kenntnis, Besitz, Partizipation, Zugehörigkeit o.ä. zu stimulieren und im Idealfall eine bewusste Auseinandersetzung sowie ggf. eine Kontaktaufnahme mit dem Werbungtreibenden und/oder dem Beworbenen zu erwirken.“[25]

Die oben genannten Definitionen weisen somit einige gemeinsame Merkmale auf. Es handelt sich bei Werbung zum einen um einen Kommunikationsprozess, der zum zweiten mit verschiedenen Mitteln auf die Veränderung des Konsumentenverhaltens gerichtet ist.[26]

Rippel beschreibt die Funktionalität und Ablaufprozesse der zeitgenössischen Werbung: „Moderne Wirtschaftswerbung arbeitet auf Grundlage von Überzeugungsargumenten, die an vielerlei Faktoren appellieren, die den Verbraucher beeinflussen und rational oder emotional geartet sein können. Die letzte Entscheidung jedoch liegt schließlich beim Verbraucher, demgegenüber das beworbene Produkt die versprochenen, durch die Werbung ausgelobten Qualitäten einlösen muss, wobei Rationalität oder Emotion hinter das subjektive Befriedigungserlebnis treten müssen.“[27]

Werbung bedient sich also den „auffällig gestalteten Werbemitteln“ und setzt diese in den „codierten Botschaften“ um. Daraus folgernd ist festzuhalten, dass Werbebotschaften durch bestimmte Codes gestaltet werden können, die in verbalen (Text) und nonverbalen (Bild) Werbemitteln verborgen sind.

Aus dem Aspekt der Gestaltung einer Werbeanzeige unterscheidet man zwischen emotionaler und informativer Werbung.[28]

Unter der informativen Werbung verstehen Kroeber-Riel und Weinberg „eine Werbestrategie, die sich im Wesentlichen darauf beschränkt, dem Empfänger sachliche Informationen zu vermitteln. Das sind beispielsweise Informationen über den Preis, über Design, Firmengröße, Angebotsbedingungen usw“[29] Im kommerziellen Bereich wird informative Werbung häufig für erklärungsbedürftige und neue Produkte benutzt. Die informative Werbung bietet meistens verbale Informationen an.“[30]

„In der emotionalen Werbung dominiert dagegen die Darbietung emotionaler Reize wie Bilder einer Traumlandschaft oder politische Reizwörter. Die emotionale Werbebotschaft kann sich direkt auf das Produkt [...] beziehen. Oder sie wird lediglich in einem räumlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit dem Produkt dargeboten.“[31] Die emotionale Werbung löst emotionale Prozesse aus, und die hervorgerufenen emotionalen Eindrücke werden direkt mit Produkteigenschaften assoziiert.[32]

Werbung, in der Elemente sowohl der informativen als auch der emotionalen Werbung vorhanden sind, bezeichnet man als gemischte Werbung oder Werbe- Mix.[33] Diese Art von Werbung wird am häufigsten angewendet.

Die Sprachwissenschaft setzt sich seit längerem mit Fragen auseinander, inwiefern sich Werbung und ihre Sprache von anderen Textsorten unterscheidet und was sie so eigenartig macht. Um die weitere Frage zu beantworten, ob Werbung der Gegenwartssprache angehört oder eine selbständige Sprachsorte darstellt, ist es zunächst notwendig, den Begriff der Sondersprache zu deuten.

Unter einer Sondersprache versteht Römer eine Sprache, die „a) von einem beschränkten Personenkreis gesprochen wird,

b) einen besonderen Wortschatz hat,
c) zum Zwecke einer esoterischen Kommunikation gesprochen wird,
d) ein besonderes Ausdrucksbedürfnis erfüllt.“[34]

Wenn Werbesprache eine Sondersprache wäre, würde sie von einem beschränkten Personenkreis oder einer Interessentengruppe benutzt. In der Tat wird die Werbesprache von einer bestimmten Personengruppe kreiert.[35] Diese Sprache wird aber in Form einer textuellen Botschaft verfasst und mittels diverser Werbekanäle übertragen. Hinzu kommt, dass sich die Werbesprache an die gesamte Gesellschaft wendet und in der Regel von jedem einzelnen Empfänger verstanden wird (Ausnahmen sind Neologismen, Fachwörter, Anglizismen o.ä.). Somit fällt das Kriterium der Werbesprache als Sondersprache unter diesem Aspekt weg. Das wichtigste Kriterium von Sondersprachen ist deren besonderer Wortschatz. Dies unterscheidet die Werbesprache von der Standardsprache. Um neue Waren anzubieten und für schon auf dem Markt befindliche Waren immer neue, Aufmerksamkeit erregende Hinweise, Darstellungen und Schlagwörter zu finden, ist ein Werbetexter gezwungen, sich immer neue Ausdrücke sowie neue Methoden der Wort- und Satzbildung auszudenken.[36] Außerdem werden in der Werbesprache bestimmte Sprachregeln benutzt oder umgekehrt gegen diese verstoßen. Trotzdem werden hier allgemein bekannte Lexika der Gemeinsprache benutzt, die jeder versteht. Darüber hinaus gehört die Werbesprache mit all ihren Neubildungen und ihren rhetorischen Mitteln der Gemeinsprache an[37] und kann nicht als eine Sondersprache abgegrenzt werden.

Die meisten Sondersprachen dienen u.a der isolierten Kommunikation einer Personengruppe über ihre Lebensformen, ihre Ideen und ihr gemeinsames Interessengebiet. Da Werbesprache sich an einer oder mehreren Zielgruppen orientiert, könnte man dieser Aussage von Römer zustimmen. Allerdings ist Werbung nicht an eine bestimmte Personengruppe gerichtet, sondern sie versucht, wie schon erwähnt wurde, jedes Individuum der Gesellschaft anzusprechen. „Die Sprache der Werbung hat wie Sondersprachen ein besonderes Ausdrucksbedürfnis [...] Besondere Gedankeninhalte, besondere Bedürfnisse, besondere Zwecke prägen besondere sprachliche Formen und Mittel. In diesem Sinne ist die Werbesprache eine Sondersprache, denn ihr außerordentlich großes Ausdrucksbedürfnis veranlasst sie zu vielen eigentümlichen Ausdrucksformen.“[38] Dennoch werden diese Formen aus der Umgangssprache, Fachsprache usw. entnommen und bilden somit neue Formen der Werbesprache, jedoch in keinem Fall eine neue Textsorte.

Die Fragestellung, ob Werbesprache einer Sondersprache gehöre, kann also verneint werden. Die Werbesprache verfolgt zwar das Ziel bestimmte Zielgruppen mit einem spezifischen Wortschatz und einer eigenen Stilistik anzusprechen, diese werden aber aus der Standardsprache wie aus verschiedenen Sprachvarietäten geschöpft.

Somit kommt Baumgart zu dem Schluss, dass die Werbesprache „lediglich eine instrumentalisierte, zweckgerichtete und ausschließlich auf Anwendung konzipierte Sonderform der sprachlichen Verwendung darstellt, die naturgemäß eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, aber dennoch aufs engste mit der Alltagssprache verwoben ist.“[39]

3. Werbung als ein „verführerischer“ Kommunikationsprozess

„ Werbung ist eine Form von Kommunikation: [...] von Mensch zu Mensch, von Händler zu Kunde. [...]. “[40] Laut dem zwischenmenschlichen Kommunikationsmodell besteht eine Kommunikationskette aus folgenden Fragmenten: einem Sender, einer Botschaft, die durch einen Sprachkanal übertragen wird, und einem Empfänger. In Bezug auf die Werbekommunikation wird unter einem Sender ein Produkthersteller verstanden, der das Produkt auf den Markt herausbringt, und eine Werbeinstitution, die für dieses Produkt wirbt. Die so genannten Übertragungskanäle der Werbung sind Werbeträger oder Medien wie Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Radio, Internet usw. Die übermittelnde Botschaft ist die Werbebotschaft selbst, die aus textuellen und visuellen Gestaltungselementen besteht. Der Empfänger einer Werbebotschaft ist der potenzielle Käufer, der Konsument, der zu einer bestimmten Zielgruppe gehört und dessen Interesse an dem Produkt geweckt werden soll.[41]

„Die Kommunikationspolitik beschäftigt sich mit der bewussten Gestaltung aller auf den Marktteilnehmer gerichteten Informationen, die das Verhalten aktueller und potenzieller Kunden beeinflussen sollen.“[42] Dieser Aspekt der bewussten Werbegestaltung durch Text und Bild beschäftigt seit Jahren die Sprachwissenschaft.

Werbekommunikation basiert wie jeder Kommunikationsakt auf der Übertragung einer Information, einer Idee, und zwar durch verbale und nonverbale Kanäle. Die nonverbalen Mittel können den Sinn einer verbalen Nachricht in einem bestimmten Kontext gravierend verändern, so dass der Empfänger die Botschaft unterschiedlich definieren kann. Je komplexer die Idee verpackt ist, desto schwieriger ist es, ihren Sinn zu entziffern. Die Information oder die Idee einer Printanzeige wird durch die Werbebotschaft präsentiert, die ebenso visuell und/oder verbal kodiert und dann dargeboten werden kann. Visuelle Werbemittel (in den Printanzeigen sind es Bilder) sind die Repräsentanten der kodierten Informationen, wie die verbalen Werbebotschaften (im Fall einer Printanzeige sind es Texte). Da viele Wörter einen assoziativen Gehalt besitzen, rufen sie bestimmte Assoziationen in Bezug auf Emotionen und Sachinhalte hervor. Dies betrifft auch die Bilder: Darstellungen von emotionalen Situationen rufen im Unbewussten bekannte Gefühle hervor, und somit kann der Konsument dem Produkt bestimmte Assoziationen zuordnen.[43] Je komplexer die Werbebotschaft ist, desto größer die Gefahr, dass sie von dem Konsumenten missverstanden wird. Der Unterschied der werblichen Kommunikation zu der gewohnten zwischenmenschlichen besteht darin, dass die erste zunächst einseitig verläuft. Erst nachdem die Botschaft den Konsumenten zum Kauf eines Produktes animiert hat, kann sie als eine zweiseitige und somit gelungene Kommunikation bezeichnet werden. Denn in diesem Fall hat Werbung ihr Ziel erreicht, nämlich die Reaktion des Konsumenten und die Absatzsteigerung.

Als Kommunikationsprozess gilt Werbung als ein Spiegelbild der Gesellschaft. Nickel behauptet, dass Werbung sogar gezwungen ist, Entwicklungen in der Gesellschaft nachzuvollziehen, wenn sie akzeptiert werden will.[44] „Werbung funktioniert genau dann, wenn die Wirklichkeit der Konsumenten mit der Wirklichkeit der Werbenden korrespondiert.“[45]

Die potenziellen Konsumenten begegnen der Werbung tagtäglich in vielen verschiedenen Erscheinungsformen, die gesellschaftliche Normen und Werte wie Anerkennung, Prestige, äußere Attraktivität, Sexualität oder Lebensfreude bewusst in den Mittelpunkt stellen, um den Konsum zu fördern. „Die Wünsche, Hoffnungen, Ideale oder gar Sehnsüchte einer Generation werden von der nachfolgenden oft nicht mehr geteilt. Mit der allgemeinen Veränderung, die eine Gesellschaft im Laufe von einigen Jahren erfährt, geht auch ein Wandel der sogenannten „Werte“ einher.“[46] Die diversen Generationen wiederum werden dazu verleitet, diese Werthandlungen entweder anzunehmen oder abzulehnen.[47] Daher soll Werbung immer bestrebt sein, aktuell und interessant zu bleiben. „Sie muss sich wandeln, wenn sich die Gesellschaft wandelt, der Mensch soll die Möglichkeit haben, sich selbst in der Werbung zu begegnen.“[48] Hastenteufel stellt zum Zweck einer Werbebotschaft fest: „Im Mittelpunkt der Werbeaussage steht nicht das Produkt, sondern die (soziale) Situation [...].“[49] [50]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Werbung „eine große Bedeutung nicht nur für Konsumenten, sondern auch für die Volks- und Betriebswirtschaft, u.a.

Investitions-, Wettbewerbs- und die Arbeitspolitik, aber auch für die Medien hat.“

Da Werbung in vielerlei Hinsicht zur Entwicklung der modernen Gesellschaft beiträgt, kann sie als soziales Phänomen und als Kommunikationsprozess bezeichnet werden.

3.1 Wie funktioniert Werbung ?

Um Werbung als komplexe Kommunikationsstrategie zu verstehen, ist es u.a. von Bedeutung herauszufinden, welche Funktionen sie erfüllt. Franke[51] unterscheidet zwischen den ökonomischen und psychologischen Funktionen der Werbung. Die ökonomische Funktion umfasst die Arbeitgeberfunktion der Werbewirtschaft und zum anderen den Güteraustausch und bildet daher keinen Untersuchungsgegenstand für die Sprachwissenschaft. Die psychologische Funktion dagegen umfasst vier Gesichtspunkte, die als Informations-, Motivations-, Sozialisations- und Verstärkungsfunktion kategorisiert werden können.

Aus der Informationsperspektive hat Werbung die Aufgabe, auf neue Produkte aufmerksam zu machen. Durch die Information über Eigenschaften und Vorteile gegenüber anderen Produkten, sowie über Beschaffungsmöglichkeiten und Preise wird eine bessere Markttransparenz erreicht. Die Motivationsfunktion bezieht sich auf die Ausrichtung der Konsumentenbedürfnisse. Die Sozialisationsfunktion beinhaltet die Veränderung des Konsumverhaltens in der Gesellschaft. Die Aufgaben der Verstärkungsfunktion liegen zum einen in der Unterstreichung der Kaufentscheidung mit Hilfe von diversen Werbemitteln wie Text und Bild.

Doch ist es ebenso wichtig, Auswirkungen und Vorteile der Werbung aus der Sicht eines Rezipienten zu betrachten. Kroeber-Riel und Weinberg[52] unterscheiden hier zwischen vier Funktionen der Werbung:

- Zeitvertrieb und Unterhaltung,
- emotionale Konsumerlebnisse,
- Informationen für Konsumentenentscheidungen,
- Normen und Modelle für das Konsumentenverhalten.

Es ist allgemein bekannt, dass Werbung dem Konsumenten oft zum Zeitvertreib und der Unterhaltung dient. Diese Funktion besteht zwar offensichtlich, wird aber in der Regel vergessen und nicht akzeptiert. So vermittelt Werbung dem Konsumenten emotionale Erlebnisse. Dies gilt vor allem für Werbung mit einem hohen Anteil an Bildern. Abbildungen von erotischen Personen oder schönen Landschaften sind Beispiele für emotional anregende Motive, die zur Kaufentscheidung verleiten sollen. Eine weitere Funktion der Werbung stellt die Bereicherung des Konsumenten mit nützlichen Informationen dar. So unterrichtet Werbung über das aktuelle Angebot sowie über konkurrierende Produkte und Dienstleistungen. Außerdem vermittelt sie Normen und Verhaltensmodelle der Gesellschaft: Werbung stellt dem Konsumenten fertige Verhaltensmodelle zur Verfügung, an die sich der Konsument in Kaufsituationen erinnern und halten kann. „Werbung stellt nicht nur ein bestimmtes Produkt vor, sie koppelt Konsum mit Problemlösung, körperlichem (Gesundheit, Sauberkeit) und seelischem (Optimismus, Lebensfreude) Wohlbefinden, mit Erfolg, Prestige, Wohlstand, Liebe[...]. Werbung verheißt: Alles ist käuflich - konsumiere und Du wirst glücklich.“[53]

3.2 Welche Ziele verfolgt Werbung?

Um eine Werbekampagne starten zu können, sollten zunächst die Werbeziele beachtet werden. Franke unterscheidet zwischen den ökonomischen und psychologischen Zielen:

1. Die ökonomischen Ziele richten sich auf Werbegewinn, Werbeumsatz oder realisierte Marktanteile.
2. Die psychologischen Ziele beziehen sich auf den kognitiven Prozess, der dem Kaufakt vorausgeht. Hier kann es um die Erhöhung der Bekanntheit einer Marke (und ihres Produktnamens) gehen, das Betonen individueller Produkteigenschaften, die Steigerung einer Kaufabsicht, sowie eine positive Beeinflussung des Konsumentenverhaltens.[54] Für die Werbewirkung sind die psychologischen Aspekte der Werbung wichtig. Sie dienen zur Aktivierung von emotionalen Reaktionen, zur Informationsaufnahme sowie zur Verarbeitung, Speicherung und Akzeptanz der Werbebotschaft. Beim Werbeerfolg geht es um die ökonomische Seite (Absatz, Umsatz, Kostenreduktion, Gewinn).[55]
3. Schweiger und Schrattenecker erweitern die Liste und fügen die kommunikativen Werbeziele hinzu. Darunter werden die Wahrnehmung der Empfänger verstanden sowie die Mittel zur Erregung der Aufmerksamkeit, das Allgemeinwissen über das beworbene Produkt und die Erinnerung an Marken nach der gesendeten Werbebotschaft.[56]

3.3 Was versteht man unter einer Zielgruppe?

Die richtige Definition der Zielgruppe ist „ der Schlüssel zum Werbeerfolg.“[57]

Jeder Planungsprozess einer Werbekampagne sollte mit einer Werbeanalyse und gesammelten Marktforschungsdaten über die Zielgruppe beginnen, „deren Meinungen und deren Verhalten zu beeinflussen sind. Sie ist daher zentraler Bezugspunkt der Botschaftsgestaltung und Mediaselektion. Sie sollte anhand soziodemografischer und psychografischer Verhaltensmerkmale beschrieben werden, um eine werbliche Ansprache zu finden, die „ankommt“. Die Wirkung der geplanten Botschaftsgestaltung und Medienauswahl ist unter dem Blickwinkel der Werbezielerreichung abzuschätzen.“[58]

Bei der Auswahl einer Zielgruppe sind zunächst folgende soziodemografischen Merkmale wie z.B. Alter, Beruf, Einkommen, Bildung, Familienzustand, Wohnsituation u.ä. zu beachten. Demnach sollen die Kaufmotive, Informationsinteressen und Wünsche der Zielgruppe berücksichtigt werden.[59] Wird die Zielgruppe falsch definiert, geht die Werbebotschaft an den richtigen Empfängern vorbei. Stattdessen wurde ein erfolgloser, aufwändiger und kostspieliger Kommunikationsprozess betrieben. Deshalb sollte jedes Detail in der Werbung durchdacht sein. Deshalb sollen die Werbetreibenden die Vorlieben und Gewohnheiten der Zielgruppe berücksichtigen und deren Sprache sprechen. Außerdem ist es sehr wichtig, „up to date“ über die aktuellen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Ereignisse und Entwicklungen des Landes zu sein, um sie entsprechend berücksichtigen zu können. Pietzcker nennt diese Tatsache eine „frontale Auseinandersetzung mit dem Hier und Jetzt“.[60] „Erfolgreiche Werbung orientiert sich vielmehr an den primären Kaufmotiven der Zielgruppe, hinterfragt, was der Kunde wirklich will und stellt das eigene Produkt in der Werbung als beste Lösung für diese Bedürfnisse dar.“[61] Und umgekehrt: Je mehr Wissen die Mitglieder der Zielgruppe bereits über ein Produkt gesammelt haben, desto leichter können sie neue Informationen verarbeiten und dem bekannten Produktwissen zuordnen.[62]

3.4 Wie wirkt Werbung?

„ Werbung, die nicht auffällt, wirkt nicht.“[63],

Werbewirkung ist ein bedeutender Faktor in der Werbebranche, weil damit der Erfolg einer Werbekampagne verbunden ist. Werbewirkung ist ein Teil der Werbepsychologie, die das Konsumentenverhalten untersucht. Die Forschungsgebiete beziehen sich auf die Aktivierung des Konsumenten und die Beeinflussung seines Kaufverhaltens. Kroeber-Riel und Weinberg unterscheiden zwischen den inneren und äußeren Reizen, die die Werbewirkung erhöhen sollen. Reize können auch als Stimuli[64] bezeichnet werden. Um die Wirkung der Kommunikation zu erhöhen, kann man ein Individuum gezielt durch äußere Reize (z.B. durch emotionale Appelle) aktivieren und dadurch den Beeinflussungserfolg steigern.[65] Reize können gezielt eingesetzt und nach ihren Wirkungen differenziert werden:

- emotionale Reizwirkungen,
- kognitive Reizwirkungen,
- physische Reizwirkungen.[66]

Emotional wirkende Reize stellen die klassische Werbemethode dar, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen. Eine besonders zuverlässige Auswirkung sollen diejenigen Schlüsselreize erreichen, die biologisch vorprogrammierte Reaktionen auslösen und die Empfänger unabhängig von soziodemografischen Merkmalen weitgehend automatisch erregen.[67] Bekannte emotional wirkende Reize sind Kinderschemata, erotische Bilder und Bilder mit Appellen an Humor und Angst. Die emotionalen Stimuli lösen bei Rezipienten innere Erregung aus, die von ihm nicht bewusst kontrolliert werden können. Andererseits besteht bei erotischen Reizen die Gefahr, dass sie von der Werbebotschaft ablenken können.[68]

Bei den physikalischen Reizen geht es um die Größe, Farbe und zusätzliche Gestaltungseffekte der Werbemittel,[69] die für die vorliegende Arbeit aber nur wenig Untersuchungsstoff bieten. Eine andere Art von Aktivierung entsteht durch gedankliche Konflikte sowie durch Widersprüche und Überraschungen. Dazu eignen sich Verfremdungen und die so genannten Irritationen. Der Rezipient denkt über die Darstellung nach und sucht nach einer Lösung.[70] Irritationen können aber auch eine negative Wirkung entfalten, weil darunter ein Gefühl der Verunsicherung und der Störung verstanden wird, das vor allem dann entsteht, wenn intensive Reize als aufdringlich empfunden werden oder emotionale Reize dümmlich, peinlich oder geschmacklos wirken.[71]

Ein weiterer Faktor, der die Aufmerksamkeit der Rezipienten erhöhen kann, ist die Wiederholung der Werbebotschaft. Je öfter eine Werbung dargeboten wird, desto eher wird die Werbung von der Zielgruppe wahrgenommen und erinnert.[72] Sicher ist, dass Werbung wirkt. Um die Wirkung der Werbung zu erklären, wurden eine Reihe von Werbe- oder Kommunikationswirkungsmodellen entwickelt.

Das älteste und populärste Werbewirkungsmodell ist die AIDA'-Regel, die 1898 von Lewis bekannt gemacht worden ist. Sie schildert eine Abfolge der Wahrnehmung von Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse für die beworbene Marke), Desire (Besitzwunsch) und Action (Kaufhandlung). Zunächst soll der Empfänger auf die Anzeige und damit auf das Produkt aufmerksam gemacht werden.

[...]


[1] Vgl.: Kroeber-Riel, Werner/Esch, Franz-Rudolf: Strategie und Technik der Werbung. Verhaltenswissenschaftliche Ansätze, 6. Auflage, Stuttgart 2004, S. 17.

[2] Veith, Werner H.: Soziolinguistik. Ein Arbeitsbuch. 2. Auflage, Tübingen, 2005, S. 1

[3] Ebd., S. 2

[4] Ebd., S. 6

[5] Ebd., S. 8

[6] Ebd., S. 8, oder Hauswaldt-Windmüller, Brigitte: Sprachliches Handeln in der Konsumwerbung, Weinheim/Basel 1977, S. 39.

[7] Veith, Soziolinguistik, S. 9.

[8] Weber, Ursula: Sprache und Gesellschaft. Zusammenfassung einer Vorlesung, http://www.prof- uweber.de/8_sprache_und_gesenschaft.pdf, S. 7-11.

[9] Ebd., S. 38.

[10] Janich, Nina: Werbesprache. Ein Arbeitsbuch, 2. Auflage, Tübingen 2001, S. 36.

[11] Weber, Sprache und Gesellschaft, S. 13.

[12] Glück, Helmut/Sauer, Wolfgang: Gegenwartsdeutsch, Stuttgart 1997, S. 21.

[13] Baumgart, Manuela: Die Sprache der Anzeigenwerbung. Eine linguistische Analyse der Anzeigenwerbung, Heidelberg 1992, S. 1.

[14] Vgl.: Arens, Daniela: Funktion und Gestalt von Werbung, phil. Diss. Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Books on Demand, Norderstedt 2001,S. 81.

[15] Baumgart, Die Sprache der Anzeigenwerbung, S. 18.

[16] Ebd., S. 19.

[17] Ebd., S. 5.

[18] Ebd., S. 5

[19] Vgl. ebd., S. 28.

[20] Behrens 1996. Nach: Fährmann, Rosemarie: Die historische Entwicklung der Werbesprache. Eine empirische Untersuchung von Text- und Bildwerbung im Zeitraum vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2006, S. 19.

[21] Vgl. Hastenteufel, Regina: Das Bild von Mann und Frau in der Werbung. Eine Inhaltsanalyse zur Geschlechtsspezifität der Menschendarstellung in der Anzeigenwerbung ausgewählter Zeitschriften unter besonderer Berücksichtigung des alten Menschen, phil. Diss. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 1980, S. 77.

[22] Kroeber-Riel, Werner/Weinberg, Peter: Konsumentenverhalten, 8., aktualisierte und ergänzte Auflage, München 2003, S. 605.

[23] Ebd., S. 607.

[24] Sowinski 1979. Nach: Behrens, Gerold: Werbung. Entscheidung - Erklärung - Gestaltung, München 1996, S. 41.

[25] Silbermann, Alphons: Handwörterbuch der Massenkommunikation und Medienforschung. Nach: Zielke, Achim: Beispiellos ist beispielhaft oder: Überlegungen zur Analyse und zur Kreation des kommunikativen Codes von Werbebotschaften in Zeitungs- und Zeitschriftenanzeigen, Herbolzheim, 1991, S. 31.

[26] Zielke, Beispiellos ist beispielhaft, S. 28

[27] Rippel, Kurt: Grundlagen der Werbung. Nach: Zielke, Beispiellos ist beispielhaft, S. 29.

[28] Kroeber-Riel/Weinberg, Konsumentenverhalten, S. 613.

[29] Ebd., S. 616 f.

[30] Ebd., S. 621.

[31] Ebd., S. 617 f.

[32] Ebd., S. 625 f.

[33] Ebd., S. 620.

[34] Römer, Ruth: Die Sprache der Anzeigenwerbung, 6. Auflage, Düsseldorf 1968, S. 202.

[35] Ebd., S. 203.

[36] Ebd., S. 212.

[37] Ebd., S. 204.

[38] Ebd., S.204.

[39] Baumgart, Die Sprache der Anzeigenwerbung, S. 34.

[40] Vieser, Susanne: Slogans, Spots & Strategien: Die erfolgreichsten Werbeagenturen und ihre Kampagnen. In: Arens, Funktion und Gestalt von Werbung, S. 44.

[41] Mayer, Hans: Werbewirkung und Kaufverhalten unter ökonomischen und psychologischen Aspekten, Stuttgart 1990, S. 15 f.

[42] Krieg, Ulrike: Wortbildungsstrategien in der Werbung. Zur Funktion und Struktur von Wortneubildungen in Printanzeigen, Hamburg 2005, S. 3.

[43] Zu verbalem und visuellem Code siehe Heiz, André: Wie argumentiert Werbung, München 1978, S. 83, und Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander reden. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Band 1, Hamburg 2007, S. 23-35.

[44] Vgl. Nickel, Volker: Nackte Tatsachen. Das Frauenbild in der Werbung, ZAW, Bonn 1993, S. 14 f.

[45] Cölfen, Hermann: Werbeweltbilder im Wandel. Eine linguistische Untersuchung deutscher Werbeanzeigen im Zeitvergleich (1960-1990), Frankfurt am Main 1999, S. 13.

[46] Ebd., S. 12.

[47] Vgl. Baszczyk, Evelin: Werbung. Frau. Erotik, Marburg 2003, S. 22.

[48] Ebd., S. 192.

[49] Hastenteufel, Bild von Mann und Frau in der Werbung, S. 84.

[50] Baszczyk, Werbung. Frau. Erotik, S. 16 f.

[51] Vgl. Franke, Michael: Erotik in der Werbung. Grundlagen und Praxis, Saarbrücken 2006, S. 36­38.

[52] Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, Konsumentenverhalten, S. 608-611.

[53] Hastenteufel, Bild von Mann und Frau in der Werbung, S. 85.

[54] Franke, Erotik in der Werbung, S. 39.

[55] Ebd., S. 42.

[56] Schweiger, Günter/Schrattenecker, Gertraud: Werbung. Eine Einführung, Stuttgart 2005, S. 56.

[57] Pietzcker, Dominik: Werbung texten. Von der Idee zum Konzept zur medienwirksamen Botschaft, Berlin 2005, S. 16.

[58] Schweiger/Schrattenecker, Werbung, S. 160.

[59] Monzel, Monika: 99 Tipps für erfolgreiche Werbung, Berlin 2006, S. 14.

[60] Pietzcker, Werbung texten, S. 17.

[61] Monzel, 99 Tipps, S. 18.

[62] Franke, Erotik in der Werbung, S. 59.

[63] Monzel, 99 Tipps, S. 49.

[64] Kroeber-Riel/Weinberg, Konsumentenverhalten, S. 322.

[65] Vgl. ebd., S. 71.

[66] Ebd., S. 71.

[67] Ebd., S. 71.

[68] Ebd., S. 72.

[69] Vgl. ebd., S. 70-77.

[70] Monzel, 99 Tipps, S. 49 f.

[71] Kroeber-Riel/Weinberg, Konsumentenverhalten, S. 77.

[72] Monzel, 99 Tipps, S. 50.

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
Verführerische Werbespielchen? Eine Untersuchung von Text und Bild in Sex-sells-Anzeigen
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Note
2,1
Autor
Jahr
2008
Seiten
92
Katalognummer
V186873
ISBN (eBook)
9783656104063
ISBN (Buch)
9783656103806
Dateigröße
7280 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sex-sells;, Werbestrategie;, Bild;, Text;, Werbekampagne, Reklame, Slogan, Werbetext, Kampagne, Sex, Sprachwissenschaft, Werbung;, Sprache;, Medien;, Anzeige;, Marketing;, Strategie;
Arbeit zitieren
Elena Kaznina (Autor:in), 2008, Verführerische Werbespielchen? Eine Untersuchung von Text und Bild in Sex-sells-Anzeigen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186873

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