Bruno Hanuschke (1892-1922) - "Das Küken" vom alten Startplatz. Aus dem Leben eines Flugzeugführers und Unternehmers.

Heft 5 der Dokumentenreihe über den Flugplatz Berlin-Johannisthal 1909-1914.


Fachbuch, 2011

90 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Anmerkung der Autoren

Kurzbiografie Bruno Hanuschke

Kurzbiografie und Lebensweg seines Bruders Willi Hanuschke

Chronologie des Lebensweges von Bruno Hanuschke
Die Jahre 1909-1910, der Beginn auf dem Flugplatz Johannisthal
Das Jahr 1911 - Flugveranstaltungen mit Bruno Hanuschke
Das Jahr 1912 - Flugveranstaltungen mit Bruno Hanuschke
Das Jahr 1913 - Flugveranstaltungen mit Bruno Hanuschke
Das Jahr 1914 - Flugveranstaltungen mit Bruno Hanuschke
Die Jahre 1918-1922 - Die letzten Jahre Bruno Hanuschkes
Bruno Hanuschkes Flugzeugbau/gebaute Flugzeugtypen

Anlage 1 - Bauplan vom „Hanuschke-Eindecker 1913“
Anlage 2 - Auszug aus dem Stadtteilmagazin „Blickpunkt Tegel“, Juli 2013
Anlage 3 - Artikel über Willi Hanuschke im Saulgauer Heft Nr. 12/1998
Anlage 4 - Artikel über Willi Hanuschke in der Stuttgarter Zeitung 1969

Personenregister

Quellen

Literatur

Zeitungen und Periodika

Bildnachweis

Anmerkungen der Autoren

Der Johannisthaler Flugplatz - der erste Motorflugplatz Deutschlands - existiert nicht mehr. Er hat 1945 mit der letzten Landung des Flugzeugs Lissunow Li-2 aus Moskau und 1995 mit einer historischen Flugschau endgültig ausgedient.

Heute stehen viele neue Häuser auf dem Flugfeld und fast nichts erinnert mehr an diesen historischen Ort. Kennen die jetzt dort angesiedelten Haus- und Grundstückbesitzer die Geschichten, die mit den Straßen - benannt nach Luftfahrtpionieren - verbunden sind? Obwohl dort selbst auf dem Platz nicht wohnhaft, interessierte uns, ob noch zeitgeschichtliche Bilder und Dokumente aufzufinden wären, die über diese Personen Auskunft geben. Wir begannen zu recherchieren, nachzulesen und zusammenzutragen. Während unserer Spurensuche hatten wir Kontakt mit vielen uns bisher unbekannten Menschen, die uns ausnahmslos freundlich anhörten und - soweit es ihnen möglich war - aktiv und mit Interesse unterstützten.

Die Biografie über Bruno Hanuschke und seines Bruders Willi soll dem interessierten Leser zum Zurückschauen und Erinnern an diese couragierten Flugpioniere dienen.

Zur Vervollständigung und Ergänzung sind wir weiterhin an Erlebnisberichten, Dokumenten und Fotografien über die Flugzeugführer und Unternehmer Bruno und Willi Hanuschke interessiert.

Seit 11. September 2002 Hanuschkestraße in 1 2487 Berlin-Johannisthal. (Abgehend von der Melli-Beese-Straße und Wrightallee)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ehefrau Tora Selma Hanuschke, geb. Sjöborg und Bruno Hanuschke im Jahre 1911

Aus einem Brief geht hervor, dass Tora Selma Hanuschke, geb. Sjöborg „vor einigen Jahren“ (vor 1953) verstorben war.1 Weitere Hinweise zu ihr sind leider nicht bekannt.

Tora Hanuschke besuchte die Flugschule „Melli Beese“. Vermutlich erhielt sie keine Flugzeugführererlaubnis, denn sie erscheint in keinen offiziellen Listen.

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Flugschülerin Tora Sjöborg

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Die Flugschüler von Melle-Beese (Mitte) am 8. März 1913 Zweite von links Tora Sjöborg

Willi Karl Heinrich Hanuschke

(Bruder)

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Gemeinsam mit seinem Bruder Bruno Hanuschke baute er 1908 in Berlin einen erfolglosen Gitterrumpf-Doppeldecker und arbeitete mit ihm gemeinsam in dessen Flugzeugbau in Johannisthal bis Anfang 1913.

Am 1. Juli 1913 schrieb Willi Hanuschke an den Flugzeugführer und Fluglehrer Josef Suwelack 2:

„Zurückkommend auf unsere Bekanntschaft vom Jahre 1911 bis 12 gestatte ich mir die ganz erg. Anfrage, ob Sie geneigt wären, mich bei Ihrer Firma zum Piloten auszubilden. Ich habe bei meinem Bruder bereits eine Zeitlang Flugunterricht genossen, viele Passagierflüge mitgemacht und schon selbstständig Rollversuche ausgeführt. Mein Bruder hat sich vor kurzem aus privaten Gründen mit mir überworfen, sodass ich mich gezwungen sah, den Flugunterricht bei ihm aufzugeben.

Zu meinem Bedauern bin ich jedoch jetzt nicht in der Lage das Lehrgeld sofort zu zahlen und erlaube mir Ihnen den Vorschlag zu machen, dasselbe von den Stundenprämien aus der Nationalflugspende, die ich bei Ihnen absolvieren würde, abzuziehen. Ich bin 21 Jahre alt, besitze das Zeugnis zum Einjährigen freiwilligen Dienst und bin seit 1909 ununterbrochen in der Aviatik tätig. Seit 2 Jahren habe ich die gesamte geschäftliche Korrespondenz im Betrieb meines Bruders mit großem Erfolg geführt.

Ich könnte Ihnen also auch bei der Erledigung Ihrer geschäftlichen Korrespondenzen behilflich sein. Auch stehe ich in Verbindung mit allen grösseren Zeitungen, sodass ich für Sie eine grosse Reklame entfalten würde.

Ich habe mit gleicher Post ein Schreiben desselben Inhaltes an Ihre Firma gesandt und würde ich Sie erg. Bitten, dasselbe in Anbetracht unserer Johannisthaler Bekanntschaft zu befürworten.

Falls Sie eine Auskunft brauchen bitte ich Sie höflichst sich nicht an meinen Bruder, mit dem ich nichts mehr zu tun habe, sondern an Herrn Heinrich Hanuschke3. Berlin-Tegel, Schlieperstr. 27 wenden zu wollen.

Indem ich Sie nochmals bitte mein Schreiben zu befürworten zeichne ich

Mit freundlichen Grüssen, Hochachtungsvoll ergebenst Willi Hanuschke Berlin-Tegel, Schönebergerstr. 63“

Josef Suwelack bildete ihn nicht aus. Daraufhin ging Willi Hanuschke nach München und legte dort seine Fliegerprüfung zeitgleich mit den Flugpionieren Hans Sedlmayr4 und Dr. Ludwig Hörmann5 beim Münchner Ingenieur Gustav Otto6 dessen Flugzeug „Otto-Doppeldecker“ ab.

Gustav Otto war der Sohn von Nikolaus August Otto, dem Erfinder des „Otto- Motors“.

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Gustav Otto, Flieger und Konstrukteur

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Otto-Doppeldecker

Nach dem Ersten Weltkrieg, den Willi Hanuschke mit Auszeichnungen bis zu seiner Entlassung als Schwerbeschädigter mitmachte, arbeitete er infolge des damaligen Flugzeug-Bauverbotes als ehrenamtlicher „Sachverständiger für Luftfahrt“ beim Deutschen Reichstag.

Im Jahre 1943, anlässlich seines 50. Geburtstages, wurde in der Zeitschrift „Flieger“ geschrieben, dass Willi Hanuschke neben Dr. Alfred Hildebrandt (1870-1949),

Vorsitzender des Berliner-Flugsport-Verbandes, einer der ältesten Luftfahrtjournalisten der Welt war.

1943 wurde er für seine Verdienste um die Förderung der Luftfahrt von der Lilienthal-Gesellschaft für Luftfahrtforschung mit der Lilienthal-Medaille ausgezeichnet. Die Gesellschaft wurde 1936 auf Initiative des Reichsluftfahrtministeriums aus der vor dem Ersten Weltkrieg geschaffenen „Wissenschaftlichen Gesellschaft für Luftfahrt“ (WGL) und der 1933 gebildeten „Vereinigung für Luftfahrtforschung (VLF)“ gegründet. Ferner ist er Inhaber des silbernen Ehrenbechers der Alten Adler, der goldenen Ehrennadel des Deutschen Aero-Clubs“ und dessen Ehrenmitglied.7

Er war wohl der einzige Deutsche, der alle AERO-Salons im Grand Palais bis 1939 besuchte. Noch in Berlin-Tegel wohnend, hatte Willi Hanuschke als MotorFachschriftleiter („Automobil und Luftfahrt“) eine unter dem Namen „Archiv Hanuschke“ mit etwa 350.000 Fotos umfassende Sammlung. Leider wurden davon große Teile durch Kriegseinwirkungen vernichtet.8

Während des Zweiten Weltkrieges war er Pressechef der Junkers-Flugzeug- und Motorenwerke in Dessau. In den letzten Kriegstagen ging er von Berlin weg, zog zu seinen Eltern nach Schlesien, wo er bei seiner Vertreibung weiteres Material seiner Sammlung verlor.

Überliefert ist ein Schriftverkehr aus 1953 mit dem Chefredakteur der Zeitschrift „Die Luftwelt“, Peter Supf (1886-1961). Willi Hanuschke bat Dr. Supf für Schadenersatzansprüche um eine Erklärung, dass er im Besitz eines umfassenden

Archivs war. Am 30. Juli 1953 schrieb Dr. Supf eine solche Erklärung und er unterzeichnete diese mit „Major der Luftwaffe

d. R. a. D“.9 Der Prozess wegen seines Kriegs-Schadenersatzes blieb in den Netzen der Bürokratie hängen. Am 12. Dezember 1953 wurde in der Zeitung berichtet, dass Willi Hanuschke mit dem Aufbau eines „Luftfahrt-Archivs“ beschäftigt ist.10 (Siehe auch Anlage 4-Stuttgarter-Zeitung vom 24.12.1969.)

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Peter Supf11

In Saulgau 1963 gratulierte in einer Feierstunde der Staatssekretär Dr. Adalbert Seifritz (1902-1990), Bundesbevollmächtigter Baden-Württembergs beim Bundesrat in Bonn und Ehrenpräsident des Baden-Württembergischen Luftsportverbandes, anlĝųslich des 70. Geburtstages von Willi Hanuschke.

Seine Ehefrau, Marie Theresia, geb. Pfleghaar12 (*29.09.1891 in Buchau (Schlesien)‚03.01.1970 in Saulgau), die er am 25. April 1916 in Großenhain/Sachsen heiratete, nahm an der Feierstunde teil.

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Staatssekretär Dr. Adalbert Seifritz gratuliert Willi Hanuschke zum 70. Geburtstag

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Im „Ostpreußenblatt“ aus dem Jahre 1965 sind unter dem Ort „Werben im Landkreis Schloßberg“ in einer Liste die Namen Hermann Hanuschke , Willi Hanuschka und Max Hanuschka aufgeführt. In dieser Liste sind „Schuldbuchgläubiger genannt, die ihre im Reichsschuldbuch eingetragenen Reichsanleihen bisher noch nicht zur Ablösung nach den Allgemeinen Kriegsfolgengesetz (AGG)13 angemeldet haben14 “.

Ob es sich dabei um Familie Hanuschke handelt, ist nicht belegt und wurde auch nicht weiter geprüft. Zu beachten ist, dass im August 1943 Willi Hanuschkes Hab und Gut einem Luftangriff auf Berlin zum Opfer fiel. Für einige Monate zog er in die Heimat seiner Eltern nach Schlesien und von dort im Dezember 1943 nach Saulgau.

Die letzten Jahre Willi Hanuschke

Dezember 1968:

In der Zeitung (welche nicht bekannt) wurde anlässlich des 75. Geburtstages von Willi Hanuschke ein kurzer Artikel geschrieben und das Foto veröffentlicht.

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Es zeigt ihn mit dem Dipl.-Ing., Flugzeugingenieur und Unternehmer Ludwig Bölkow (* 30. Juni 1912-‚ 25. Juli 2003 in Grünwald/b. München).

Bölkow studierte zwischen 1934 und 1938 an der Technischen Universität in Charlottenburg, Fachrichtung Maschinenbau. 1939 arbeitete Bölkow im Projektbüro der Messerschmitt AG in Augsburg an der Entwicklung des düsengetriebenen Jagdflugzeuges. Noch Anfang April 1945 wurde Bölkow gemeinsam mit seinem Chef Willi Messerschmitt (1898-1978)

von Adolf Hitler in der schon schwer zerstörten Reichskanzlei empfangen; der Führer wünschte sich von Düsenjägerexperten einen neuen Höhenbomber, der den Panamakanal unpassierbar machen sollte.

Von 1976-1982 war Bölkow Präsident des Bundesverbandes der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie.

Vom 21. Dezember 1976 bis 4. Oktober 1977 war Willi Hanuschke mit Zweitwohnsitz in 88427 Bad Schussenried, Schloßstraße 1 gemeldet.

Er starb am 5. Oktober 1977 in Bad Schussenied und wurde am 9. Oktober 1977 auf dem Friedhof in Bad Saulgau beerdigt. Die Grabstätte wurde im Jahre 1970, nach dem Tod seiner Ehefrau, für 40 Jahre gekauft. 2010 wurde das Grab „Hanuschke“ abgeräumt, ein Ehrengrab der Stadt kam aus unbekannten Gründen leider nicht zustande.

An der Beisetzung nahm auch der damalige Präsident der Traditionsgemeinschaft „Alte Adler“ und Kooperatives Ehrenmitglied des Deutschen AERO Clubs e. V., General a. D. Wolfram Eisenlohr (1893-1991)15, teil.

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Wolfram Eisenlohr16

Am Grab widmete er dem Mitglied der Gemeinschaft Willi Hanuschke folgenden Nachruf:

„Die Gemeinschaft „ALTE ADLER“, die Vereinigung der Flugpioniere aus dem ersten Jahrzehnt der Fliegerei, verliert in Willi Hanuschke einen der ältesten Vorkämpfer der Luftfahrt Deutschlands. Schon 1909, im Alter von 16 Jahren, begann er mit seinem ein Jahr älteren Bruder einen eigenen Eindecker zu bauen. Die beiden kessen Berliner Jungens gingen damals schon einen eigenen Weg auf diesem Gebiet und waren in manchem der Zeit schon weit voraus. Bauten die anderen Aeroplane, wie man damals sagte, so daß sie überhaupt wenigstens in die Luft kamen, die Hanuschkes bauten speziell ein schnelles Sportflugzeug, das sich durch besondere Festigkeit auszeichnete. Wenn kein anderer mehr wegen schlechten Wetters flog, dann waren die Hanuschkes in ihrem Element. So wurde Hanuschke damals als der „Sturmflieger“17 bekannt. Ihm gebührt ein besonderer Platz unter den Pionieren der Anfangszeit. Als Präsident der Gemeinschaft „ALTE ADLER“ überreiche ich das Emblem dieser Vereinigung Herrn Professor Weber, dem Freund und hilfreichen Betreuer Hanuschkes in den letzten Jahren. Es soll auf seinem Grabe davon Zeugnis ablegen, daß hier ein wahrer Pionier der Luftfahrt seine letzte Ruhestätte gefunden hat.“18

Im Jahre 1978 stellte der Studienrat Rudolf Weber (*1920) aus Bad Saulgau als Nutzungsberechtigter der Grabstelle des Ehepaars Willi und Marie Hanuschke, den Antrag für das Aufstellen eines Denkmals und Grabeinfassung.

Die Arbeiten übernahm nach Bestätigung des Stadtbauamtes der damalige Steinmetz und Steinbildbaumeister Franz Schuhmacher aus Bad Saulgau. Die Gemeinschaft „Alte Adler“ stellte die Grabplakette19 (mit dem Logo der Gemeinschaft) zur Verfügung. Das war auch bei anderen Gräbern ihrer Mitglieder üblich.

Nach dem Tod von Marie Hanuschke betreute Rudolf Weber den Witwer, vermutlich auch im Auftrage einer namentlich unbekannten Verwandten von Willi Hanuschke.

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Antrag für das Grabdenkmal aus dem Stadtarchiv Bad Saulgau

In den „Saulgauer Heft“, Herausgeber Stadtarchiv Saulgau, erschien im Heft Nr. 12 aus dem Jahre 1998 ein Artikel „Ein Leben für die Fliegerei Willi Hanuschke (1893- 1977)“. Autor war der Leiter der Redaktion der Saulgauer Hefte und Realschulkonrektor i. R. Hans Willbold (1929-2013). Er versuchte ausführlich das Leben von Willi Hanuschke aus bekannten Veröffentlichtungen in der Literatur und sicher auch aus persönlichen Gesprächen mit ihm nachzuzeichnen. Der gesamte Artikel ist als Anlage 3 dieser Dokumentation beigefügt. Darin wird behauptet, dass der Vater der Brüder Hanuschke mit Otto Lilienthal (1848-1898) befreundent gewesen war. Dafür fanden wir keinen Beleg und vom Leiter des Otto Lilienthal-Museums in Anklam konnte das ebenfalls nicht bestätigt werden. In einem Zeitungsartikel der „Neckar- Chronik“ vom 13. Oktober 1977 anlässlich des Todes Willi Hanuschkes wird er sogar als ein persönlicher Freund Otto Lilienthals bezeichnet.

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Willi Hanuschke, vermutlich um 197520

Was der Autor Hans Willbold vielleicht nicht wusste, ist, dass beide Brüder seit Mitte 1913 aus uns unbekannten Gründen zerstritten waren. Im Artikel werden einige Erfindungen und Aktionen beiden Brüdern zugeschrieben. Bruno Hanuschke war aber der Hauptakteur, das Unternehmen und die Flugschule führte er allein, seine Flugzeugführerlizenz erhielt er bereits im Oktober 1910 und sein ein Jahr jüngerer Bruder Willi erst im April 1914. Außerdem war Willi H. ab Ende 1913 nicht mehr in Johannisthal. Zu vermuten ist, dass das brüderliche Zerwürfnis bis zum Tod von Bruno H. im Jahre 1922 anhielt.

Ein interessanter Artikel aus der Stuttgarter Zeitung von 1969 über das Luftfahrtarchiv und verlorene Vermögen Willi Hanuschkes mit der Überschrift „Bruchlandung im Alter“ ist als Anlage 4 beigefügt.

Chronologie des Lebensweges vom „Küken“ Bruno Hanuschke

Die Jahre 1908-1910 - der Beginn auf dem Flugplatz Berlin-Johannisthal

Die Brüder Bruno und Willi Hanuschke wuchsen bei ihren Eltern auf. Sein Vater, Heinrich (* 9. September 1855 in Schlesien-‚ 6. Mai 1928 in Berlin-Tegel) war Gastwirt. Über die Mutter, Pauline, geb. Lange, ist nichts bekannt. Sie war vermutlich Hausfrau oder unterstützte ihren Mann im Restaurant.

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Von den 25 Gaststätten in Tegel im Jahre 1897 betrieb Heinrich Hanuschke bis zum Jahre 1905 das Restaurant in der damaligen Schlieperstraße 27/Ecke Schöneberger Straße 63-64 (seit 1936 Medebacher Weg). Im Geburtsjahr seines ersten Sohnes Bruno beauftragte er den Maurermeister Hermann Valtink, ein großes Mietshaus zu errichten.21 Im Erdgeschoss befand sich das Restaurant, in den oberen Stockwerken wohnte seine Familie. Das erste dreistöckige Wohnhaus in Tegel war Eigentum von Heinrich Hanuschke und im Haus wohnten dort weitere 16 Mietsparteien.22

Im Stadtteilmagazin „Blickpunkt Tegel“, Ausgabe Juli 2013, Seite 10, schrieb Gerhard Völzmann über den Lebensweg Heinrich Hanuschke:

„(…) Im Jahre 1871 meldete er sich als Freiwilliger bei den „braunen Husaren“, die in Ohlau/Schlesien stationiert und 1870/71 gegen Frankreich eingesetzt waren. Wann Hanuschke nach Tegel zog, ist nicht bekannt. Nach einer Tätigkeit als Kutscher auf dem Tegeler Gut machte er sich selbststätig.

(…) Heinrich Hanuschke betrieb die Gastwirtschaft bis 1905, um sie dann an den Gastwirt F. Giersch zu übergeben. In der Folgezeit lebte er als Rentier bzw. Privatier, wie man damals sagte.

(…) Heinrich Hanuschke hatte schon 1908 die Bedeutung des Flugwesens erkannt. Er stellte seinem Sohn Bruno Mittel zum Bau erster Flugzeuge zur Verfügung, die dieser zusammen mit Bruder Willi entsprechend einsetzte.

(…) Heinrich Hanuschke wurde auch Mitbegründer des Deutschen Luftflotten-Vereins, dessen Provinzialverband Brandenburg seine Geschäftsstelle in

Pankow, Spandauer Str. 5 hatte. Hanuschke war zudem Mitglied des Männerchors von 1899, des Kirchenchors und 38 Jahre Mitglied des 1875 gegründeten Kriegervereins Tegel.

(…) Heinrich Hanuschke starb im 73. Lebensjahr am 6. Mai 1928. Die Beisetzung erfolgte am 10. Mai um 15 Uhr auf dem Tegeler Friedhof. Pfarrer Beschoren23 hielt die Trauerandacht, zu der neben den Mitgliedern der kirchlichen Körperschaften auch die bereits genannten Vereine gekommen waren.“24

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Pfarrer Wilhelm Beschoren

Bruno Hanuschke besuchte das 1882 in Berlin gegründete Lessing- und Realgymnasium, ein humanistisches Gymnasium für Bessergestellte. Schon als 15jähriger Schüler, mit der bereits erwähnten finanziellen Unterstützung seines Vaters, baute er mit seinem Bruder Willi im Jahre 1908/09 ein Sportflugzeug, mit dem sie Gleitflüge auf dem damaligen „Tegeler Steinberg“ in Waidmannslust (heute Steinbergpark in Berlin-Wittenau) ausgeführten. Ihnen gelangten damit Startüberhöhungen, deren Wert man damals nicht erkannte, bis zu 14 m.

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Erster Doppeldecker mit Zweizylinder. Bruno Hanuschke in Johannisthal

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„Gleitflieger Hanuschke“, aufgenommen 1908/09 auf dem Tegeler Steinberg

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Foto eines Handgleitfliegers mit Bruno Hanuschke

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Der Monteur Wilhelm (Willi) Donner und Bruno Hanuschke vor ihrem Flugzeugschuppen.

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Bruno Hanuschke und sein Monteur Willi Donner 1910 vor dem Flugzeugschuppen mit einem Doppeldecker.

Die B. Z. am Mittag berichtete am 26. August 1910:

„Auf dem Flugplatz Johannisthal gelang es gestern Nachmittag dem jungen Flieger Bruno Hanuschke, die Bedingungen für das Führerzeugnis zu erfüllen. Die Sportkommission bestand aus dem Flugplatzdirektor Major Georg von Tschudi und Direktor Arthur Müller“.25

Am 8. Oktober 1910 wurde ihm die Flugführererlaubnis Nr. 35 des DeutschenLuftfahrer-Verbandes (DLV) auf dem Flugplatz Johannisthal mit dem Eigenbau „Hanuschke-Eindecker“ ausgehändigt. Damit war er der jüngste deutsche Motorflugkonstrukteur, der zweitjüngste Flieger in Deutschland und er konnte somit am nächsten Tag an der „Nationalen Flugwoche“ teilnehmen.

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Technische Zeichnung des „Hanuschke Eindeckers“ 1910 in der Seitenansicht.

Dann bauten beide den „Gitterrumpf-Doppeldecker“ oder auch „Gleitdoppeldecker“ genannt. Für diesen Flugapparat erwarb sich Bruno Hanuschke von Max Schüler (1888-1978) einen von ihm konstruierten Motor.

Max Schüler hatte die Flugzeugführerlizenz Nr. 436 am 17. Juni 1913 mit einem „AGO-Zweidecker“ auf dem Flugfeld Johannisthal erworben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Max Schüler 26

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Bruno Hanuschke im Pilotensitz

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Gleitflieger, gebaut von Bruno und Willi Hanuschke

Bruno und Willi Hanuschke brachten den Flugkörper aber nie zum Fliegen. Noch im Jahre 1910 löste sich Bruno Hanuschke vom Doppeldeckerkonzept und baute Eindecker-Flugmaschinen.

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„Hanuschke - Motorflugdoppedecker“ im Jahre 1910 mit Bruno Hanuschke am Steuer. Rechts Monteur Willi Donner (1890-1987). Es war eine Konstruktion von acht Meter Spannweite, mit der nur Sprünge gelangten.

Bruno Hanuschke war erst 18 Jahre, als er etwa zum Jahresbeginn 1910 in Johannisthal ankam und versuchte, sich auf dem Flugplatz eine eigene Existenz aufzubauen. Der „Hanuschke-Flugzeugbau“ wurde gegründet. Er war der erste rein deutsche Betrieb, der sich auf dem neugegründeten Flugplatz Johannisthal ansiedelte.

In den Fliegerschuppen, die von der ersten Berliner Flugwoche im Herbst 1909 übriggeblieben sind, haben sich die ersten deutschen Flugtechniker einquartiert. Darunter Bruno Hanuschke und der Ingenieur Hermann Dorner27.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bruno Hanuschke 1909/10

Das erste Motorflugzeug, das die Brüder Hanuschke überhaupt gebaut haben, war eine gewaltig vergrößerte Bleriotkopie, die der Kraftfuhrunternehmer Ingenieur R. Conrad28 bei ihnen bestellt hatte, der sich dann auch selbst mit Flugzeugkonstruktionen herumschlug.

Im „Hanuschke-Flugzeugbau“ entstanden einige Sportflugzeuge, schnittige kleine Eindecker in Stahlrohrbauweise.

Interessant ist auch, dass die Brüder Hanuschke schon im Jahre 1909 den ersten verstellbaren Metallpropeller verwendeten, der allerdings eines Tages durch das Schuppendach flog, was eine für sie schmerzliche Reparaturrechnung zur Folge hatte.

Später begann Bruno Hanuschke mit dem Bau von rumpfverkleideten Eindeckern, die deutliche Ähnlichkeiten mit dem französischen „Morane-Saulnier-Eindecker“29 hatten. Dieses Flugzeugmuster wurde mit zwei hintereinanderliegenden Sitzen gebaut und erwies sich als zuverlässiges Schul- und Sportflugzeug. Er konnte davon 30 Stück verkaufen.

In einem Teil des sechseckigen Schuppen am alten Startplatz, genannt „Sternschuppen“ oder „alter Schuppenplatz“, hatte 1912 Bruno Hanuschke seine Flugzeugbauwerkstatt und Fliegerschule eingerichtet.

Der Vermietungsschuppen wurde für die Aufnahme von 6 Flugzeugen gebaut. Gebaut wurden die Schuppen von der „Ballonhallenbau Arthur Müller GmbH, Berlin-Charlottenburg“.30

Um die Schuppenmiete bezahlen zu können, nahm Hanuschke die Brüder und Konstrukteure Otto und Paul Timm31 aus Berlin-Rixdorf in seine Werksgemeinschaft auf. Sie teilten sich die Werkstätten im „Sternschuppen“ und später im Flugzeugschuppen Nr. 21.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Drachenflieger Paul Timm in Johannisthal mit seinem 170-Kg-Fluggerät

[...]


1 Briefe 28. Juli 1953, Deutsches Museum München vom Bruder Willi Hanuschke. 11

2 Josef Suwelack (1888-1915), Flugzeugführererlaubnis Nr. 102 am 30.08.1911 auf einer Etrich- Rumpler-Taube in Johannisthal. Der Brief stammt aus dem Suwelack-Archiv von Walter Suwelack aus Warendorf.

3 Heinrich Hanuschke war der Vater von Willi und Bruno Hanuschke.

4 Hans Sedlmayr (1889-1916), Flugzeugführerlizenz Nr. 736 am 25. April 1914 auf „Otto-Zweidecker“, Flugfeld Milbertshofen.

5 Ludwig Hörmann (1892-?), Flugzeugführerlizenz Nr. 732 am 24. April 1914 auf „Otto-Zweidecker“, Flugfeld Milbertshofen.

6 Gustav Otto (1883-1926), Flugzeugführerlizenz Nr. 34 am 4. Oktober 1910 auf „Farman-Zweidecker“, Flugfeld Mildbertshofen.

7 Zeitschrift „Flieger“, 1943.

8 „FW“, 1. Januar 1959.

9 Brief vom 30. Juli 1953, Deutsches Museum München.

10 Zeitschrift „Der Schlesier“, 1953.

11 Foto aus dem Buch „Ikaros-Ein Fliegerleben“ von Rudolf Müller, Seite 201. 14

12 Eltern: Franz-Xaver und Marie Theresia Pfleghaar, geb. Ladescher.

13 Das Allgemeine Kriegsfolgengesetz (AKG) ist ein deutsches Bundesgesetz, das 1957 in Kraft trat und regelt, welche Ansprüche gegen das Deutsche Reich nicht durch den Krieg erloschen, sondern ausnahmsweise von der Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen sind

14 Ostpreußenblatt vom 10. April 1965, Seite 20, Jahrgang 16, Folge 15. 15

15 Deutscher Seeflieger im Ersten Weltkrieg, 1940 Oberst-Ingenieur und 1941 General-Ingenieur. Von 1977 bis 1986 war er Präsident der Gemeinschaft „Alte Adler“.

16 Foto Internetseite www.alteadler.de.

17 Ehrenname für tollkühne Flieger.

18 Rundbrief der Gemeinschaft Alte Adler Nr. 5/1977 vom 20. Oktober 1977.

19 Foto 2014 vom Steinmetz Claus Schuhmacher. Die Platte befindet sich in seinem Privatbesitz. 17

20 Foto aus „Saulgauer Heft Nr. 12/1998.

21 Foto aus einer Mehrbildpostkarte und Textinhalt entnommen dem Stadtteilmagazin „Blickpunkt Tegel“, Ausgabe Juli 2013.

22 Adressbuch 1900.

23 Wilhelm Beschoren (1895-1967) kam 1923 als Pfarrer nach Tegel. Er wurde am 22. November 1935 durch die Gestapo vernommen. Er wurde wegen einer am 27. Oktober gehaltenen Predigt angezeigt. Um Widerständler mundtot zu machen, zogen sie ihn 1939 zur Wehrmacht ein. 1941 kam er als Kriegsversehrter, nur mit einem Bein, zurück und nahm seine Tätigkeit als Pfarrer in Tegel wieder auf.

24 Der gesamte Artikel von Gerhard Völzmann „Warum sich Gastwirt Hanuschke über das Gaslicht ärgerte“ und die Traueranzeigen sind als Anlage 2, ab Seite 73 beigefügt.

25 B. Z. am Mittag vom 26.08.1910.

26 Foto von Gerlinde Rydmann, München (www.rydmann-design.de). 25

27 Hermann Dorner (1882-1963), Flugzeugführerlizenz Nr. 18 am 25. Juli 1910 auf „Dorner-Eindecker“, Flugfeld Johannisthal.

28 R. Conrad von der „Automobil- und Flugtechnischen Gesellschaft“.

29 Die Firma Morane-Saulnier war ein französischer Flugzeughersteller. Gegründet wurde das Unter- nehmen unter dem Namen Société Anonyme des Aéroplanes Morane-Saulnier am 10. Oktober 1911 in Puteaux von den Brüdern Léon und Robert Morane sowie deren Freund Raymond Saulnier.

30 Arthur Müller (1871-1935) war der Gründer des Flugplatzes Johannisthal. Über sein Leben siehe die PowerPoint-Präsentation „Der Unternehmer und Visionär Arthur Müller“, 2013, A. Kauther

31 Heft 13 „Paul und Otto Timm“ der Dokumentenreihe Flugplatz Berlin-Johannisthal 1909-1914. 27

Ende der Leseprobe aus 90 Seiten

Details

Titel
Bruno Hanuschke (1892-1922) - "Das Küken" vom alten Startplatz. Aus dem Leben eines Flugzeugführers und Unternehmers.
Untertitel
Heft 5 der Dokumentenreihe über den Flugplatz Berlin-Johannisthal 1909-1914.
Autoren
Jahr
2011
Seiten
90
Katalognummer
V177507
ISBN (eBook)
9783640993444
ISBN (Buch)
9783640994946
Dateigröße
7684 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Flugplatz, Johannisthal, Hanuschke, Luftfahrt, Adlershof, Pilot, Startplatz, Motorflugplatz
Arbeit zitieren
Alexander Kauther (Autor:in)Paul Wirtz (Autor:in), 2011, Bruno Hanuschke (1892-1922) - "Das Küken" vom alten Startplatz. Aus dem Leben eines Flugzeugführers und Unternehmers., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177507

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