Weibliche Autorschaft im 18. Jahrhundert

Die Markierung weiblicher Autorschaft in Christoph Martin Wielands Vorwort zur „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“


Hausarbeit, 2009

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Einleitung

„Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim“ wurde von Christoph Martin Wieland 1771 herausgegeben. Die Autorin des nach der Veröffentlichung insgesamt positiv aufgenommenen Werks war Sophie von La Roche, zu der Wieland seit längerem eine intensive Beziehung pflegte.

La Roches Roman wurde der erste deutsche Frauenroman, von einer Frau, über eine Frau und für Frauen geschrieben. Dieser Roman machte seine Verfasserin zur berühmtesten deutschen Schriftstellerin Deutschlands der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Roman wurde allerdings zunächst anonym veröffentlicht, Wieland schrieb als Herausgeber ein Vorwort, das primär eventuellen Kritikern des Romans zuvorkommen und eine positive Leserlenkung erzeugen sollte. Auch „Mängel“ des Romans werden im Vorwort von Wieland besprochen. Insgesamt ist aber zu sagen, dass Wieland mit seinem Vorwort die damals herrschenden Ideale bedient, insbesondere herausstellt, dass die Verfasserin des Romans trotz ihrer Autorschaft nicht von dem allgemein gültigen Ideal abweicht.

Gegenstand dieser Hausarbeit wird nach einem kurzen Abriss der Beziehung Wieland - La Roche die Darstellung weiblicher Autorschaft Wielands in seinem Vorwort im Kontext der sozialen Verhältnisse des 18. Jahrhunderts - insbesondere mit Blick auf die Stellung der Frau - sein. Zum Schluss soll herausgestellt werden, dass sich die Aussagen Wielands zwar mit den damaligen Idealen decken, diese Äußerungen jedoch nicht aus Wielands innerer Überzeugung, sondern vielmehr zum Schutz der Autorin getroffen wurden.

1 Die Beziehung Wieland - La Roche

Wieland und La Roche lernten sich 1750 in Biberach kennen. Sophie von La Roche - geborene Gutermann1 - wurde von ihren Eltern zu ihren Verwandten geschickt, um von ihrer ersten gescheiterten Verlobung mit Bianconi Abstand gewinnen zu können. Nur drei Tage später wurde die Verlobung „auf die Zeit und Ewigkeit“2 zwischen La Roche und Wieland, ihrem Vetter, bekannt gegeben. Wieland indes verliebte sich schon vor ihrer ersten Begegnung in La Roche, nämlich aufgrund der Briefe, die Sophie zunächst an Wielands Mutter und dann auch an ihn selbst verfasste.3

Wieland machte La Roche zu seiner „Muse“: Bei einem gemeinsamen Spaziergang nach einer Predigt von Wielands Vater machte sich Wieland aufgrund des schlechten Urteils derselben daran, zum gleichen Thema vor Sophie eine Rede zu halten, die beide gleichermaßen faszinierte. La Roche bat Wieland, das Gesagte niederzuschreiben. Daraus entstand Wielands erstes (Lehr-) Gedicht „Über die Natur der Dinge“. La Roche war für Wieland also eine Art „Schreibinspiration“, für die er sie auch stets lob pries. Schier unendlich war seine Dankbarkeit, dass sie ihn „zum Dichter gemacht habe“4.

Jedoch nicht nur seine Dankbarkeit, auch Wielands Liebe zu La Roche war sehr groß und sollte ein Leben lang anhalten. In seinem ersten Gedicht über La Roche, „Ode“5, beschreibt er zum einen schwärmerisch La Roches „Anmut“, „schöne Blicke“ und ihren „liebenswerten Mund“ (S. 20) - alles körperliche/äußerliche Eigenschaften - zum anderen vergisst er jedoch nicht zu erwähnen, dass aus diesem „liebenswerten Mund“ auch „kluge Worte […] fließen“ (S. 20). La Roche ist für Wieland die personifizierte Tugend.6

Die Wege von La Roche und Wieland trennten sich zunächst, La Roche heiratete 1753, für Wieland völlig überraschend, Franck von La Roche, Sohn des Staatsministers von Kurmainz, Friedrich von StadionWarthausen. Trotz der räumlichen Trennung blieben Wieland und La Roche - besonders über Briefe - stets in Kontakt.

Auch La Roche begann wenig später, Texte zu verfassen. Wieland war ständiger Helfer und Begleiter des Romans „Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim“, La Roche schickte ihm Manuskripte, Wieland korrigierte sie, ermutigte La Roche, weiterzuschreiben und gab ihr Ratschläge. Somit erfüllte dieses Mal Wieland die Musen-Funktion für seine Freundin La Roche, war aber gleichzeitig auch Kunstrichter über ihr Werk. 1771 wurde der Roman schließlich veröffentlicht - mit einem Vorwort von Wieland.

2 Das Vorwort Wielands in Sophie La Roches Roman „Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim“

Wieland beginnt sein Vorwort7 zu La Roches Roman mit der Anspielung auf eine von ihm begangenen „Verräterei“ (S. 9), die er an der Freundin verübt habe. Darauf folgt ein kurzer Ausschnitt eines Briefes La Roches an Wieland8, in dem sie schildert, wie sie die Manuskripte ihres Buches an Wieland mit der Bitte um Kritik übersendet. Sie beschreibt, ihr Werk wäre nur in „Nebenstunden“ entstanden, so dass ihr genügend Zeit zur „Erfüllung [ihrer] wesentliche[n] Pflichten […] blieb“ (S. 9). Wieland hatte zuvor schon darauf hingewiesen, dass La Roche ihr Werk „bloß zu Ihrer eigenen Unterhaltung aufgesetzt“ (S. 9) habe. Auch La Roche schreibt in ihrem Brief an Wieland, dass das Werk nur für sie beide und die Kinder bestimmt sei. Nun erklärt sich auch die anfangs aufgeworfene Anspielung auf die „Verräterei“ Wielands: Er hat das Werk seiner Freundin ohne deren Wissen, geschweige denn Einverständnis, veröffentlicht.

[...]


1 Trotz der erst späteren Namensänderung aufgrund der Heirat von Sophie Gutermann zu von La Roche wird im übrigen Text die Bezeichnung „La Roche“ der Einheitlichkeit halber beibehalten.

2 Ehrich-Haefeli, Verena: Gestehungskosten tugendempfindsamer Freundschaft: Probleme der weiblichen Rolle im Briefwechsel Wieland - Sophie La Roche bis zum Erscheinen der Sternheim (1750 - 1771). In: Frauenfreundschaft - Männerfreundschaft: Literarische Diskurse im 18. Jahrhundert. Hrsg. von Wolfram Mauser und Barbara Becker-Cantarino. Tübingen 1991, S. 79.

3 Ebd., S. 78 ff.

4 Ebd., S. 79 ff.

5 Wieland Lesebuch. Hrsg. von Heinrich Bock. Frankfurt am Main 1983, S. 20 - 21.

6 Bemerkenswert hieran ist nicht nur der Inhalt der Wielandschen Ode, sondern auch die Form, mit Hilfe derer Wieland seine schwärmerischen Äußerungen vermittelt: Er entscheidet sich für eine Ode, die schon per se eine tiefe Ergriffenheit vom Erlebten und einen erhabenen, feierlichen und schwärmerischen Pathos innehat. Also auch die Ode an sich drückt - neben dem Inhaltlichen - die tiefe Beziehung Wieland - La Roche aus. (Vgl. zum Begriff der Ode auch: Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 2001.)

7 Wieland, Christoph Martin: An D. F. G. R. V. Vorwort zur Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Stuttgart 1983.

8 Trotz der Recherchen ist der Verfasserin nicht klar, ob es sich bei diesem Brief um einen fiktiven oder realen handelt. In Anbetracht der Entstehung des Buches und dem damit einhergehenden Briefaustausch Wieland - La Roche könnte er real sein. Da er jedoch auch die später näher ausgeführten Äußerungen zum Schutz von La Roches Weiblichkeit trotz ihrer Autorschaft beinhaltet, wirkt er zumindestens in dieser Hinsicht von Wieland fingiert. (Anmerkung der Verfasserin.)

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Weibliche Autorschaft im 18. Jahrhundert
Untertitel
Die Markierung weiblicher Autorschaft in Christoph Martin Wielands Vorwort zur „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Deutsche Sprache und Literatur)
Veranstaltung
Wieland - auch ein Weimarer Klassiker
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
15
Katalognummer
V173528
ISBN (eBook)
9783640937134
ISBN (Buch)
9783640937301
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wieland, La Roche, Fräulein von Sternheim
Arbeit zitieren
Julia Hans (Autor:in), 2009, Weibliche Autorschaft im 18. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/173528

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