Zur Anwendung des Intellectual-Capital-Konzepts in Nonprofit-Organisationen des Sozialen Dienstleistungsbereiches

Eine Untersuchung am Beispiel der Jugendhilfe Oberbayern des Diakonischen Werkes Rosenheim


Masterarbeit, 2008

152 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Gender Statement

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Zwei Definitionen vorab
1.1.1 Eine „Arbeitsdefinition“ des Intellectual Capital
1.1.2 Zum Verständnis sozialer Dienstleistung
1.2 Problemstellung
1.3 Ziele und Vorgehensweise der Arbeit

2. Das Konzept des Intellectual Capital
2.1 Die Begriffe „Vermögen“ und „Kapital“
2.2 Was ist Wissen in Organisationen?
2.1.1 Begriffsbestimmung Wissen und Wissensbasis
2.1.2 Wissen in Organisationen managen
2.1.2 Ein Fazit
2.3 Immaterielles sichtbar machen
2.4 Vier Modelle des Intellectual-Capital-Reporting
2.4.1 SKANDIA Modell
2.4.2 Danish Guideline for Intellectual Capital Statements
2.4.3 Austrian Research Centers Seibersdorf (ARC)
2.4.4 Wissensbilanz - Made in Germany
2.4 Die Adressaten müssen berücksichtigt werden
2.5 Was tun?

3. Soziale NPO’s in Deutschland
3.1 Arbeitsmarktkomponente “Soziale NPO’s“
3.2 Management sozialer NPO’s
3.2.1 Finanzierung sozialer NPO’s
3.2.2 Fachcontrolling
3.2.3 Personalentwicklung
3.3 Die Jugendhilfe Oberbayern

4. Adaptiven Selbstbewertung des Qualitätsmanagements
4.1 Theoretische Grundlagen
4.2 Begriffsklärungen
4.2.1 Qualitätsdefinition
4.2.2 Kundendefinition
4.3 Systematik einer adaptiven Selbstbewertung
4.3.1 Festlegung von Qualitätsstandards
4.3.2 Selbstbewertung des Qualitätsmanagements

5. Die Untersuchung
5.1 Die Evaluation
5.1.1 Dateneinbezug aus Primär- und Sekundärmaterial
5.1.2 Expertenbefragung
5.2 Untersuchungsziel und Ansatz
5.2.1 Entwicklung von Hypothesen
5.2.2 Betriebliche Kennzahlen
5.2.3 Überschneidungen der Selbstbewertung mit dem ICM
5.2.4 Methode der Auswertung der Expertenbefragung

6. Die Ergebnisse
6.1 Betriebliche Daten
6.2 Ergebnisse zur Anschlussfähigkeit WB zum TQM
6.3 Die Einschätzung der Experten
6.3.1 Humankapital
6.3.2 Strukturkapital
6.3.3 Beziehungskapital

7. Kritische Auseinandersetzung
7.1 Das Beispiel Jugendhilfe Oberbayern
7.1.1 Die betriebliche Daten
7.1.2 Anschlussfähigkeit bestehender Instrumente
7.1.3 Die Sicht der Experten
7.2 Auf den zweiten Blick

Literaturverzeichnis

Anhang

Gender Statement

In dieser Master Thesis wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Diese Form stellt in keiner Weise eine Bewertung der Qualifikation männlicher oder weiblicher Fähigkeiten dar und soll weibliche Mitarbeitende nicht benachteiligen. Soweit sprachlich möglich, wird die neutrale Form Mitarbeitende verwendet.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Beispiele für Indikatoren im Skandia-Navigator

Tabelle 2: Methodenvergleich - eine Übersicht

Tabelle 3: Lebensalter: Ausbildungsübersicht

Tabelle 4: Bildungsgrad Mitarbeitende

Tabelle 5: Bereinigte Werte KHJ

Tabelle 6: Personalkennzahlen Jugendhilfe Oberbayern

Tabelle 7: Auswertung Leitungsstellen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: (Quelle: Nakamura, 2005)

Abbildung 2: Vermögen und Kapital in der Bilanz (eigene Abb.)

Abbildung 3: Vergleichbarkeit Finanz- : Wissensbilanz (in Anlehnung an Analyzing ICS)

Abbildung 4: Die Beziehung zwischen den Ebenen der Begriffshierarchie

Abbildung 5: Community of Practice (Quelle: ILTIS GmbH, Rottenburg)

Abbildung 6: Artikel zu Mitarbeiterinitiative (Quelle: WELT KOMPAKT 2008.09.09)

Abbildung 7: Wissensmangement in Organisationen (eigene Darstellung)

Abbildung 8: Ansätze zur Kategorisierung von immateriellen Werten

Abbildung 9: Wert des IC in Organisationen (Quelle: Auer 2007)

Abbildung 10: Ähnlichkeit des SKANDIA-Navigators zur BSC

Abbildung 11: Intellectual Capital Statement Model

Abbildung 12: ARC-Wissensbilanzmodell (Quelle ARC 2003)

Abbildung 13: Wissensbilanzmodell (Quelle: AK-WB)

Abbildung 14: ICMS - Bericht (Quelle: Auer 2007)

Abbildung 15: Freie Wohlfahrtspflege in Deutschland

Abbildung 16: EFQM-Modell für Excellence (eigene Grafik)

Abbildung 17: (Quelle: Becker, et al., 2002)

Abbildung 18: Aufbauorganisation Diakonie Rosenheim

Abbildung 19: Einrichtungsprofil Datenblatt

Abbildung 20: Hermeneutischer Zirkel

Abbildung 21: ServAs Haus (Quelle: Gerull, 1999)

Abbildung 22: Bildungs-Alters-Verteilung

Abbildung 23: Überschneidungen TQM zur Wissensbilanz (eigene Darstellung)

Abbildung 24: TQM: Wissenbilanz Matrix (eigene Darstellung)

Abbildung 25: Expertenbefragung JuHi Oby. 2008 (eigene Darstellung)

Abbildung 26: QQS Diagramm Humankapital (eigene Darstellung)

Abbildung 27: Code-Matrix Humankapital

Abbildung 28: QQS Diagramm Strukturkapital (eigene Darstellung)

Abbildung 29: Code-Matrix Strukturkapital

Abbildung 30: QQS Diagramm Beziehungskapital (eigene Darstellung)

Abbildung 31: Code-Matrix Beziehungskapital

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Es ist eine allgemeine Beobachtung, dass die Führung der Unternehmungen in unserer Zeit zunehmend schwieriger wird; zwei Faktoren scheinen dafür verantwortlich zu sein:

1) „Die Beschleunigung des Wandels und
2) die zunehmende Komplexität aller menschlichen Einrichtungen.“
(Hinterhuber, 1990 S. 17)

Diese Aussage von Hinterhuber aus dem Jahr 1990 beschrieb schon damals den bis heute anhaltenden Trend, der zunehmenden Bedeutung von Intangible Assets auf den Erfolg oder Misserfolg von Unternehmungen.

1.1 Zwei Definitionen vorab

Im Titel der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Intellectual Capital und Dienstleistung (Sozialer Dienstleistungsbereich) verwendet. Beide Begriffe werden in Literatur und Sprache vielfach verwendet und vielfach unterschiedlich definiert. Daher sollen zunächst die für diese Arbeit gültigen Definitionen gefunden werden.

1.1.1 Eine „Arbeitsdefinition“ des Intellectual Capital

Das Intellektuelle Kapital (IC) wird oft als Differenz zwischen dem Marktwert und dem Buchwert eines Unternehmens bezeichnet. Die Ausweisung des Intellectual Capital erfolgt in Reports, die zur Erstellung entweder ein deduktiv-summarisches oder ein induktiv-analytisches Verfahren anwenden (vgl. Kapitel 2). Als Versuch, den in der Literatur vielfältigen Beschreibungen eine verständliche Arbeitsdefinition entgegenzustellen, wird Intellectual Capital in dieser Arbeit verstanden als:

„Das Kapital, das die Mitarbeitenden mit ihrem Wissen und ihrer Expertise, die Beziehungen zu Kunden und Lieferanten und die betrieblichen Prozesse beinhaltet.“

1.1.2 Zum Verständnis sozialer Dienstleistung

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht unterscheidet man Dienstleistungen von den Sachleistungen. Dienstleistungen sind nicht lagerbar, selten übertragbar (Immaterialität) und benötigen einen externen Faktor (Integration des externen Faktors – Kunde). Ihre Erzeugung und der Verbrauch fallen meist zeitlich zusammen (Uno-actu-Prinzip[1] ). Die zunehmende Auflösung der eindeutigen Trennbarkeit von materiellen und immateriellen Gütern ist Ausdruck einer Zeit, in der der Kunde Service rund um das Produkt verlangt. Die vorbeschriebene betriebswirtschaftliche Sicht ist nicht mehr lebensnah. Stahl schreibt hierzu bildhaft: „[…] in einer hedonistisch geprägten Gesellschaft muss auch ein Staubsauger Erlebniswert vermitteln. […]“ (Stahl, 2002 S. 1).

Als Beispiel für die klassischen Dienstleistungen gelten menschliche Leistungen (ROI - International Management Consultants, 2008), bereitgestellt z. B. durch Rechtsanwälte, Ärzte, Pädagogen, den öffentlichen Dienst oder sogar durch Prostitution. Den menschlichen Leistungen, in Form von sozialen Dienstleistungen, gilt die Aufmerksamkeit dieser Arbeit.

Betrachtet man den Begriff Dienstleistung näher, kann er in die Begriffe Dienst und Leistung geteilt werden. Dienst soll in dieser Arbeit als das Dienen, für etwas Gutes, für die Allgemeinheit (Wiktionary, 2008) stehen und in Bezug auf die zu referenzierende Einrichtung, die Jugendhilfe Oberbayern, auch als Diakonie[2] verstanden werden. Leistung soll hier als gezielte Handlung, die zu einem bestimmten Ergebnis bzw. der Lösung einer Aufgabe führt, definiert werden. Soziale Dienstleistungen werden in dieser Arbeit somit verstanden als:

„Gezielte Handlungen mit einem, das Gute fördernde, Ergebnis für den Menschen oder die Allgemeinheit.“

1.2 Problemstellung

Ein wichtiges Ziel von Unternehmen ist, gemäß dem Wirtschaftlichkeitsprinzip, den Unternehmenswert dauerhaft zu erhöhen. Die i. d. R. auf rein betriebswirtschaftliche Kennzahlen basierenden Ansätze, die Steigerung des Unternehmenswerts aufzuzeigen, wie z. B. das Shareholder-Value-Management, vernachlässigen den Faktor des Intellektuellen Kapitals (Intellectual Capital) (Deusen, 2006 S. 13). Unter den Intangible Assets versteht man alle Vermögenswerte, die eine bestimmende Größe in Hinblick auf das Ergebnis des Unternehmens darstellen und für seine dauerhaften Marktchancen wesentlich sind, gleichwohl jedoch keine materiellen Güter (Betriebsmittel, Sachkapital) oder Finanzanlagen sind.

Aufgrund aktueller Diskussionen um die externe Berichterstattung und ihre Gültigkeit kommt der Bewertung des Intellektuellen Kapitals eines Unternehmens höhere Bedeutung zu. Unternehmen beginnen zunehmend, ihre Finanzbilanzen um sog. Wissensbilanzen zu erweitern und diese schwer greifbare Vermögensart sowohl intern als auch extern darzustellen. Der Wichtigkeit des Intellektuellen Kapitals für den künftigen Unternehmenserfolg soll damit Rechnung getragen werden (Grübel, et al., 2004 S. 19).

Schnabel bezieht sich auf Studien, die aussagen, dass ca. 80 Prozent des Markt- bzw. Unternehmenswertes von wissensintensiven Organisationen aus Intellektuellem Kapital besteht (Schnabel, 2002 S. 36). Mitte der 1980er-Jahre lag der geschätzte Anteil des Intellektuellen Kapitals bei ca. 40 Prozent. Heute wird dieser Anteil, insbesondere bei wissensintensiven Unternehmen, wie z. B. Software-, Finanzdienstleistungs-, Beratungs- und Forschungsunternehmen, auf bis zu 90 Prozent geschätzt. Somit werden speziell in diesen Branchen bisher nur ca. 10 Prozent des tatsächlichen Wertes eines Unternehmens abgebildet (Schnabel, 2002 S. 37).

Nonprofit-Organisationen verfolgen keine kommerziellen (Rendite-)Interessen, sondern dienen gemeinnützigen sozialen, kulturellen oder wissenschaftlichen Zielsetzungen. Besonders Unternehmen des Soziale Dienstleistungsbereichs zeichnen sich durch einen hohen Personaleinsatz aus. Eine Personalkostenquote[3] von mehr als 70 Prozent und bis zu über 90 Prozent in reinen Beratungsdiensten[4] verdeutlichen die Bedeutung des Humanvermögens auf den Unternehmenserfolg. Ebenso zeichnen sich soziale Dienstleistungen durch eine hohe Beziehungsfähigkeit, sowohl zu Klienten (Kunden), als auch zu Kostenträgern (Lieferanten / Kunden) aus. Nonprofit-Organisationen in Deutschland sind mehrheitlich als Vereine (e. V.) oder gemeinnützige GmbHs organisiert. Vereine, die einem der fünf Wohlfahrtsverbände[5] angeschlossen sind, werden bei einem Jahresumsatz von mehr als 40.000 € in der Jahresrechnungslegung wie Kapitalgesellschaften gewertet und sind, wenn sie dem Diakonischen Werk der EKD angehören, zur Offenlegung des geprüften Jahresabschlusses verpflichtet (Diakonisches Werk, 2008). Eine Bewertung der Intangible Assets bzw. des Intellectual-Capitals wird in diesen Jahresabschlüssen nicht vorgenommen. Seit dem Haushaltsjahr 2004 erstellt die Bank für Sozialwirtschaft (BfS), einer der Hauptkreditgeber für soziale Dienstleister, für alle Kunden ein Rating zur Kreditwürdigkeit, in das erstmalig Faktoren des Human-, Struktur- und Beziehungskapitals einfließen.

Zuschussgeber legen ihr Augenmerk zunehmend auf die fachliche Potenz, die gesellschaftliche Verankerung sowie die Kommunikationsfähigkeit von Nonprofit-Organisationen, ohne dabei die wirtschaftlichen Aspekte zu vernachlässigen. Die Stärke des eigenen Intellektuellen Kapitals wird, da von den Kunden nachgefragt, zunehmend zu einem Wettbewerbsvorteil für soziale Dienstleister. Hierzu stellt Winterhalter fest: „Die Erstellung einer Wissensbilanz ist kein ‚nice to have‘, kein unnötiges neues Managementtool, sondern wird, auch gerade im sozialen Bereich, mit einer der entscheidenden Faktoren im Überlebenskampf der Organisatoren sein“ (Winterhalter, 2005).

Das Diakonische Werk Rosenheim ist ein regional tätiger sozialer Dienstleister. Seit dem Jahr 2000 sind alle Leistungen, die für Kinder, Jugendliche und Eltern angeboten werden, in der Marke Jugendhilfe Oberbayern zusammengefasst. Das moderne Nonprofit-Unternehmen steht in starkem Wettbewerb mit traditionellen und sich neu etablierenden Anbietern im hart umkämpften Marktplatz Oberbayern und vor der Herausforderung, seine Wettbewerbsfähigkeit u. a. durch die Offenlegung seines Intellektuellen Kapitals zu stärken und weiterhin zu sichern.

1.3 Ziele und Vorgehensweise der Arbeit

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Chancen des Intellectual-Capital-Konzepts für Nonprofit-Organisationen (NPOs) des Sozialen Dienstleistungsbereiches. Es soll untersucht werden, inwieweit die Anwendung des ICM vorteilhaft für die zukünftige Geschäftsentwicklung eines sozialen Dienstleisters, am Beispiel der Jugendhilfe Oberbayern, sein kann.

Zunächst wird das Modell des Intellectual-Capitals beschrieben und zentrale Begriffe zum Thema werden definiert. Im Anschluss an die exemplarische Darstellung von vier Methoden des Intellectual-Capital-Reportings werden die vorgestellten Ansätze diskutiert, um ein Referenzmodell für die Anwendung in einer sozialen NPO zu isolieren.

Anhand der verfügbaren Daten einer Referenzeinrichtung, der Jugendhilfe Oberbayern des Diakonischen Werkes Rosenheim, und der Befragung von Schlüsselpersonen soll folgenden Fragen nachgegangen werden:

1) Benötigen Nonprofit-Organisationen des Sozialen Dienstleistungsbereiches ein Intellectual-Capital-Konzept?

2) Was sind die zentralen Fragestellungen in den Bereichen des:
a. Humankapitals
b. Strukturkapitals und
c. Beziehungskapitals sozialer Nonprofit-Dienstleister?

3) Welche (anschlussfähigen) Methoden wenden soziale Dienstleister schon heute an, um Intellektuelles Kapital oder Teilbereiche dessen zu messen?

Abschließend wird ein Fazit gezogen, das die in den vorausgegangenen Kapiteln dargelegten Sachverhalte nochmals reflektiert, und es werden Schlussfolgerungen für die Anwendung des Intellectual-Capital-Konzepts in Nonprofit-Organisationen des Sozialen Dienstleistungs­bereiches abgeleitet.

2. Das Konzept des Intellectual Capital

“Intellectual Capital is something that you cannot touch,
but still makes you rich“

Thomas A. Stewart, Editor Harvard Business Review (2002-2008)

Die wichtigsten Produktionsfaktoren entwickelter Volkswirtschaften sind heute unsichtbar. Diese immateriellen Vermögenswerte – Mitarbeiterqualifikation, Strategie- und Prozessqualität, Software, Patente, Marken, Zulieferer- und Kundenbeziehungen etc. – liefern einen schnell wachsenden Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen (Hofmann, 2005 S. 3). Und es wird massiv in diese Werte investiert: In den USA waren es 2004 nach einer Schätzung von Nakamura eine Billion USD (Nakamura, 2003), was etwa 9 Prozent des US-BIP entspricht und sich den Investitionen in Materielles nähert (vgl. Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: (Quelle: Nakamura, 2005)

Was ist nun das ‚Unsichtbare‘, das (vgl. Abbildung 1) als wichtigster Produktionsfaktor bezeichnet wird und in das Unternehmen rasant und stetig investieren? In diesem Kapitel soll ein Beitrag zur Visualisierung der Intangibles erfolgen. Zunächst werden die Begriffe Vermögen und Kapital vor dem Hintergrund des Materiellen und Immateriellen diskutiert, und es wird eine Einordnung von Wissen als Unternehmensgröße vorgenommen. Die folgenden Schritte führen hin zum Intellectual-Capital-Reporting und stellen vier exemplarisch gewählte Modelle im Vergleich vor. Die beiden letzten Abschnitte diese Kapitels widmen sich der Anwendbarkeit von Intellectual-Capital-Reports, im Blick auf die Adressaten und auf die Verwendbarkeit im Sinne dieser Arbeit.

2.1 Die Begriffe „Vermögen“ und „Kapital“

In der Betriebswirtschaft werden die Begriffe Kapital und Vermögen im Rechnungswesen verwendet. Kapitalgesellschaften ist gem. - 264 Abs. 2 HGB die Ausweisung des den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften vorgeschrieben. Die Bilanz listet Vermögen auf der linken Seite, den Aktiva und Kapital auf der rechten Seite, den Passiva.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Vermögen und Kapital in der Bilanz (eigene Abb.)

Die Seite der Aktiva stellt die Mittelverwendung dar: Aktiva zeigen, welche Ansprüche (Vermögen) das Unternehmen mit den ihm zur Verfügung stehenden wirtschaftlichen Mitteln erworben hat. Diese Ansprüche können Geldmittel (z. B. Kasse, Bankkonten), Produktionsmittel (z. B. Immobilien, Anlagen), Rohstoffe, Vorprodukte und ähnliche materielle Güter sein. Zu den immateriellen Vermögensgegenständen gehören nach - 266 HGB konkret erfassbare Rechte und Werte, darauf geleistete Anzahlungen und der Geschäfts- oder Firmenwert. Konkret erfassbare Rechte und Werte sind bspw. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte (z. B. Patente oder Urheberrechte), vergleichbare Ansprüche (z. B. Nutzungsrechte oder ungeschützte Erfindungen), Lizenzen an solchen Rechten und Werten sowie Software. Immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens dürfen nach HGB nur dann aktiviert, also in der Bilanz angesetzt werden, wenn sie entgeltlich erworben wurden. Für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens gelten das Aktivierungsverbot des - 248 Abs. 2 HGB und - 5 Abs. 2 EStG.

Becker definiert (Becker, 2008 S. 53):

„Unter Vermögen wird in der Betriebswirtschaftslehre der im Verfügungsbereich eines Wirtschaftssubjektes (natürliche oder juristische Person) befindliche Bestand an Real- und Nominalgütern, Rechten und ähnlichen Werten verstanden, der der unternehmerischen Zielerreichung dient.“

Die Passivseite der Bilanz zeigt die Mittelherkunft, also wie die Mittel finanziert sind, mit denen das Unternehmen wirtschaftet. Unterschieden wird zwischen Fremdkapital und Eigenkapital. Das Eigenkapital umfasst die Mittel, die keinem Rückzahlungsanspruch Dritter unterliegen, das eingebrachte Stamm- und Grundkapital sowie die aus dem Unternehmen selbst erwirtschafteten Rücklagen und thesaurierte Gewinne[6]. Das Fremdkapital umfasst Mittel, die von Dritten (zeitlich befristet) zur Verfügung gestellt werden, bspw. Hypotheken, Anleihen, Darlehen und Lieferantenkredite.

Kapital kann kurz wie folgt definiert werden:

„Kapital ist eine werthaltige Sache, die zur Vergrößerung ihres eigenen Wertes eingesetzt wird.“

Im Hinblick auf die Abbildungsmöglichkeiten von immateriellen Ressourcen in der externen Rechnungslegung kann man festhalten, dass nach deutschem Recht Bilanzierungsregelungen bestehen, die nur eine unzureichende Kommunikation immaterieller Werte ermöglicht (Schmidt, 202 S. 312). Das Vorsichts- und Objektivierungsgebot durch den - 248 Abs. 2 HGB, mit dem ausreichender Gläubigerschutz sichergestellt werden soll (Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen" der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., 2001), steht einer angemessenen bilanziellen Ausweisung des Intellektuellen Kapitals aktuell in Deutschland entgegen (Bentele, 2004 S. 137). Ein Versuch, Wissen und Finanzen vergleichbar zu gestalten, wird in Abbildung 3 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Vergleichbarkeit Finanz- : Wissensbilanz
(in Anlehnung an Analyzing ICS)

2.2 Was ist Wissen in Organisationen?

"Wir ertrinken in Informationen, aber uns dürstet nach Wissen"John Naisbitt, Autor von Global Paradox

Der Kern eines jeden Unternehmens sind die Menschen, die in firmeninternen und
übergreifenden Netzwerken im Rahmen von Projektteams, Joint Ventures, Allianzen oder Communities mit Kunden, Partnern und Lieferanten zusammenarbeiten. Wissen – als eine Kapazität zu Handeln – umfasst die Kombination aus Informationen, Erfahrungen, Kreativität und Fähigkeiten, die man am dringendsten braucht, um erfolgreich in einem solchen Netzwerk von formellen und informellen Beziehungen zu agieren. (Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, 2008)

Der entscheidende Produktionsfaktor der Zukunft werden nicht mehr Anlagen, Maschinen, Immobilien oder Finanzkapital sein, sondern das Wissen bzw. das Intellectual Capital eines Unternehmens (Freimuth, et al., 1997 S. 9). Das Kommissionsmitglied der Europäischen Union, Janez Potočnik, erklärte im Jahr 2005 (Europäische Kommission, 2005): „[…] Wenn sich die gegenwärtige Tendenz fortsetzt, wird Europa die Chance verpassen, eine der führenden wissensbasierten Wirtschaften der Welt zu werden.“

Doch der überwiegende Teil des in den Unternehmen und in den Köpfen der Mitarbeiter vorhandenen Wissens wird nicht genutzt - eine enorme Ressourcenverschwendung und Wertschöpfungsbarriere. Einen Ausweg kann das Wissensmanagement als modernes interdisziplinäres Managementkonzept bieten.

2.1.1 Begriffsbestimmung Wissen und Wissensbasis

Bruns bemängelt, dass der Begriff „Wissen“ innerhalb der Arbeitswelt und insbesondere im Wissensmanagement inflationär gebraucht wird (Bruns, 2008). Zum besseren Verständnis des intellektuellen Kapitals sollten im Vorfeld die Begriffe aus dem Wissensmanagement geklärt werden.

Wissen besteht aus Informationen. Information lässt sich wiederum in Daten aufspalten und diese enthalten letztendlich Zeichen (Probst, et al., 2007 S. 16). Vorgenannte Ebenen spiegeln die Grundelemente der Wissensbasis einer Organisation (Probst, et al., 2007 S. 16) (vgl. Abbildung 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Die Beziehung zwischen den Ebenen der Begriffshierarchie
(Quelle: Probst 2007 S 16)

Probst, Romhardt und Raum definieren:

Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsweisen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursache-Wirkungszusammenhänge.“

„Die organisationale Wissensbasis setzt sich aus individuellen und kollektiven Wissensbeständen zusammen, auf die eine Organisation zur Lösung ihrer Aufgaben zurückgreifen kann. Sie umfasst darüber hinaus die Daten und Informationsbestände, auf welchen individuelles und organisationales Wissen aufbaut.“ (Probst, et al., 2007 S. 22)

Capurro beschreibt, dass Information nur in Organismen und Subjekten "lebt" (weil es nur hier Bedeutungen gibt) - sie kann technisch weder "gespeichert" noch "verarbeitet" werden (Capurro, 2007). Was in technischen Systemen auftaucht, sind lediglich verknüpfte Daten, die höchstens "Spuren" der Wirkung von bedeutungstragender Information enthalten, die selbst ein Eigenleben gewinnen können. Somit kann davon ausgegangen werden, dass in Erweiterung zu Probst, Romhardt und Raum auch Information an Menschen gebunden ist.

Schreyögg bezeichnet die Ressource Wissen als einen den anderen Produktions- und Wettbewerbsfaktoren übergeordneten Faktor, dessen operativem als auch strategischem Management besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht werden muss (Schreyögg, et al., 1996 S. 17).

2.1.2 Wissen in Organisationen managen

Wissensmanagement als ganzheitliches Konzept soll Unternehmen durch eine gezielte Förderung von Wissensaustausch, -akquise und -transparenz unterstützen. Es kann in vier Elemente untergliedert werden (Schreyögg, et al., 2007 S. 382):

1) Generierung und Erwerb neuen Wissens (Veränderung der organisatorischen Wissensbasis)
2) Wissensrepräsentation, -speicherung und -kontrolle
3) Wissensbereitstellung und -verteilung
4) Herstellung eines wissensförderlichen Kontextes.

Im Wissensmanagement geht es darum, das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter und im Betrieb insgesamt zu erschließen. Dabei müssen demnach neben den technischen Grundlagen auch die Mitarbeiter und die Unternehmensorganisation in die Betrachtung einbezogen werden. Erfolgreiches Wissensmanagement wird nicht ausschließlich als ein zusätzliches Managementinstrument verstanden, das sich auf die Schaffung von z. B. Wissensdatenbanken oder Verschriftlichung von Unternehmensprozessen beschränkt, sondern als Einflussinstrument, das die fundamentalen Grundlagen der organisatorischen Handlungsprozesse und deren Veränderung durch Lernen beeinflusst (Schreyögg, et al., 2007 S. 381). Die unterschiedlichen Arten von Wissen und deren sozialer Entstehungs- und Verwendungszusammenhang bilden die Basis der sog. zweiten Generation des Wissensmanagements (Willke, 2007). Hier steht der Wissensaustausch, das Knowledge Sharing, innerhalb von Unternehmen sowie zwischen Organisationen im Vordergrund. Wissensmanagement übernimmt die Aufgabe der Schaffung von Bedingungen, die den Transfer von Wissen zwischen den Akteuren begünstigen (Schreyögg, et al., 2007 S. 382).

Das beschriebene Konzept ermöglicht neue Dimensionen des Wissenstransfers und zeigt Wege auf, die sich vom klassischen Verständnis des Managements (engl. manage von it. maneggiare „an der Hand führen“) entfernen. Es zeichnen sich immer wieder neue Nuancen und Anwendungsgebiete ab: Ein neuer Trend ist die „ Community of Practice (CoP) “ als eine interessante Form des Expertennetzwerkes (Schreyögg, et al., 2007 S. 383), der Knowledge Community. Die Bezeichnung CoP steht für:

- eine informelle Gruppe,
- die sich selbst organisiert,
- selbstgewählte Zwecke erfüllt und
- ihre Führung selbst bestimmt.

Der Begriff „CoP" geht auf Wenger (Wenger, et al., 2002) zurück, der hier eine Möglichkeit sieht, durch informelle Prozesse Wertschöpfung in einem Unternehmen des Informations­zeitalters zu generieren (Wenger, et al., 2002 S. 16). Die CoP zeichnen sich vor allem durch das „gemeinsame Interesse an einem Thema" einzelner Personen oder Gruppen aus, die sich sowohl virtuell als auch physisch treffen. Zboralski schreibt: „CoPs können als Keimzellen lebendigen Wissensmanagements ein Lösungsansatz sein (Zboralski, 2007 S. 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Community of Practice (Quelle: ILTIS GmbH, Rottenburg)

Es findet ein lebendiger Austausch (vgl.: Abbildung 5) zwischen Teilnehmern, Mitarbeitern oder Interessengruppen statt. Ziel ist, dass sich Mitarbeiter nicht nur auf Wissen aus Datenbanken und Experten konzentrieren, sondern ihre Fähigkeiten und Kreativität weiterentwickeln und somit ein umfangreicherer Wissenstransfer stattfindet, der „best practices" fördert. Primär geht es nicht darum, ein Problem zu lösen, sondern ein gemeinsames Interesse zu haben (Henschel, 2001). Es kann um unterschiedlichste Themen gehen, z. B. Strukturierung oder Aufbereitung von bestehendem Wissen, Erfahrungsaustausch oder die Entwicklung neuen Wissens.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Artikel zu Mitarbeiterinitiative (Quelle: WELT KOMPAKT 2008.09.09)

2.1.2 Ein Fazit

Die Vielfalt der Begegnungen, in denen Wissensaustausch stattfindet, zeigt deutlich, dass Wissensmanagement eine äußerst anspruchsvolle und kreative Unternehmensaufgabe ist. Anspruchsvoll im Sinne traditionellen Managements – mit der notwendigen Förderung der Mitarbeitenden durch betriebliche Aus- und Weiterbildung, durch die Sicherung von Wissensbeständen in Datenbanken und durch Verschriftlichung sowie die Generierung und Sicherung von Prozessen, die strukturierte Wissensbewahrung fördern. Kreativ durch den Mut, den Mitarbeitenden zuzutrauen, dass sie, sofern ihnen die Möglichkeiten gegeben werden, Wissen durch Interesse und permanente Kommunikation generieren können. Die vornehmste Aufgabe des Management des Wissens ist zuletzt, Wissen zu identifizieren und im Unternehmen nach innen wie nach außen sichtbar zu machen, als ein Teil eines Intellectual-Capital-Reports.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Wissensmangement in Organisationen (eigene Darstellung)

2.3 Immaterielles sichtbar machen

Das gewandelte Informationsbedürfnis von Eigen- und Fremdkapitalgebern, aber auch anderer Stakeholder, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zur Beurteilung des nachhaltigen Unternehmenswertes, verbunden mit dem Trend zu wachsender Internationalisierung von Unternehmen und Kapitalgebern, hat in der externen Rechnungslegung zu Standards geführt, die im Gegensatz zur deutschen gläubigerorientierten Rechnungslegung stärker eigentümerorientiert sind. (Barthel, et al., 2004 S. 22) In diesem Zusammenhang kommt den immateriellen Vermögensgegenständen eine hohe Bedeutung für unternehmerische Ziele wie Technologieführerschaft, Wettbewerbsvorsprünge, Zukunftsfähigkeit der Arbeitsplätze und Absatzausweitung zu. Zudem unterstützen die neuen Eigenkapitalregeln für Kreditgeber (Basel II), die seit 2006 schrittweise eingeführt werden, die Bewertung von Immateriellem in der Kreditanalyse. Möchte ein Kreditgeber unter Basel II eigene Bonitätsprüfungen vornehmen (Internal Rating-Based Approach), ist er bei der Abschätzung des Ausfallsrisikos angehalten, neben Bilanzdaten auch „ qualitative Information “ einzubeziehen – solche über immaterielle Vermögenswerte (Hofmann, 2005 S. 13). Die in der EU seit Anfang 2005 für börsennotierte Unternehmen vorgeschriebene International Financial Reporting Standards (IFRS, früher IAS) regeln auch den Umgang mit einem breiten Spektrum immaterieller Werte, festgelegt im International Accounting Standard 38 (IAS 38).

Aufgrund der Tatsache, dass der Themenkomplex „Human Ressource Accounting“ ein junges Forschungsgebiet ist, existiert bis heute noch keine allgemein anerkannte Terminologie (Mertins, et al., 2005 S. 2). Es existiert eine Reihe von Begriffen und Definitionen, die nicht immer trennscharf voneinander abgegrenzt sind und z. T. synonym verwendet werden. Eine Definition oder zumindest Umschreibung bildet jedoch die Basis für eine Diskussion über die Erfassung und Bewertung von immateriellen Werten.

Intangibles zeichnen sich mehrheitlich durch fehlende physische Substanz und fehlenden oder schwer zu beschreibenden monetären Wert aus, die jedoch Wertschöpfungspotenzial für das Unternehmen darstellen (Syskowski, 2005 S. 2). Der Verwirrung, die durch synonyme Verwendung unterschiedlicher Begriffe wie intellectual capital, intellectual resources, intangible assets, knowledge assets, knowledge resources, human resources, intangible resources, intellectual assets usw. entsteht (Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen" der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., 2001 S. 991), wird durch eine sich abzeichnende Klärung im Englischen Abhilfe geschaffen. „Intellectual Capital“ scheint sich als Oberbegriff in der Wissensmanagement-Community durchzusetzen, während „Intangible Assets“, geprägt durch die Rechnungslegungsstandards, im betriebswirtschaftlichen Umfeld Verwendung findet (Mertins, et al., 2005 S. 2).

Es können zwei wesentliche Ansätze bei der Bewertung Intellektuellen Kapitals unterschieden werden: die monetäre Gesamtbewertung der Organisation und des Managements oder Steuerungsansätze, denen zumeist ein Strukturmodell des Intellektuellen Kapitals zugrunde liegt (vgl. Mertins, et al., 2005). Geläufig ist auch die Klassifizierung der Bewertungsmethoden durch die Unterscheidung zwischen “deduktiven“ und “induktiven“ Verfahren:

- Deduktiv-summarische Verfahren berechnen die „Marktwert-Buchwert-Lücke“ und wollen mit dieser Berechnung das immaterielle Vermögen eines Unternehmens darstellen. Die Verfahren wollen dadurch das immaterielle Vermögen monetär absolut oder zumindest im Vergleich quantifizierbar und bewertbar machen (Lorson, et al., 2002 S. 377).
- Induktiv-analytische Verfahren beschreiben und bewerten einzelne immaterielle Vermögenswerte. Die Anhaltspunkte zur Werteentwicklung werden durch Betrachtung großteils nicht-finanzieller Indikatoren ermittelt und zur unternehmerischen Steuerung angeboten (North, 2005 S. 226).

In - 248 Abs. 1 HGB ist das Bilanzierungsverbot für immaterielle Vermögensgegenstände explizit festgehalten. Grundsätzlich ist die handelsrechtliche Rechnungslegung so konzipiert, dass gemäß - 242 Abs. 1 HGB in der Bilanz das Vermögen und die Schulden eines Kaufmanns für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres gegenübergestellt werden sollen (Pellens, et al., 2000 S. 124). Da keine eindeutigen gesetzlichen Kriterien zur Bestimmung eines Vermögensgegenstandes und dessen Aktivierungsfähigkeit existieren, haben sich in der Literatur und der Rechtsprechung Konzeptionen herauskristallisiert, die Vermögensgegenstände als selbstständig verwertbare (Bentele, 2004 S. 28) und bilanziell greifbare (Bentele, 2004 S. 30) Objekte verstehen. Mit diesen Kriterien wird das Schuldendeckungspotenzial ermittelt und aus Gläubigerschutzgründen werden deshalb nur die immateriellen Werte als Vermögensgegenstände betrachtet, die die oben genannten Eigenschaften besitzen (Syskowski, 2005 S. 29).

Die Rechnungslegungsvorschriften des IASB definieren immaterielle Vermögenswerte im IAS 38 als nicht monetäre Vermögenswerte ohne physische Substanz, die selbstständig identifizierbar sind und über die das Unternehmen die Kontrolle und Verfügungsmacht besitzt. Weitere Ansatzvoraussetzungen für einen immateriellen Vermögenswert sind:

- Der zukünftige Nutzen muss wahrscheinlich sein, und
- die Kosten müssen zuverlässig ermittelbar sein.

Nicht zu den immateriellen Vermögenswerten zählt ein entgeltlich erworbener Firmenwert, da er nicht selbstständig identifizierbar ist. Immaterielle Vermögenswerte, die zur Veräußerung stehen, fallen nicht unter die Regelungen des IAS 38.

Im Gegensatz zur negativen Abgrenzung des HGB hat sich eine einheitliche und anerkannte positive Definition von Intangibles bislang noch nicht etabliert. Neuere Ansätze, die sich seit den 1990er-Jahren entwickelt haben, konzentrieren sich auf die Messung, Bewertung und Darstellung von Intangibles und führten zu einer Reihe von Kategorisierungsversuchen der immateriellen Werte (Becker, 2008 S. 315). Ziel der induktiv-analytischen Ansätze ist es, den Bereich der immateriellen Werte zu strukturieren und verständlicher zu machen. Im weiteren Verlauf befasst sich diese Arbeit ausschließlich mit Modellen, die ein mehrheitlich nicht-finanzielles Indikatoren-System verwenden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Ansätze zur Kategorisierung von immateriellen Werten (eigene Abb.)

Abbildung 8 stellt verschiedene Kategorisierungsansätze maßgeblicher Autoren auf diesem Gebiet in einer Übersicht dar und veranschaulicht, dass sich in den letzten Jahren eine einheitliche Grundstruktur, mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad, herausgebildet hat (Syskowski, 2005 S. 25).

Eine vielfach verwendete und anerkannte Form der Einteilung von immateriellen Werten geht auf Sveiby zurück (Horvath, et al., 2003 S. 296). Er identifiziert als Quellen zukünftigen Unternehmenserfolgs die Mitarbeiter (Human Capital), Beziehungen zu bspw. Lieferanten und Kunden (External Structure) sowie die interne Struktur des Unternehmens (Internal Structure), mit den Bereichen Organisation und Unternehmenskultur (Sveiby, 1998 S. 26 ff.). Die Kategorisierung des Arbeitskreises „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbachgesellschaft (AKIWSG) weist den höchsten Detaillierungsgrad auf, unterscheidet sich allerdings inhaltlich nicht entscheidend von der Darstellung des „Intellectual-Capital-Reports“ der Austrian Research Centers (ARC) und dessen Weiterentwicklung, der „Wissenbilanz – Made in Germany“. Die von der AKIWSG gelisteten Kategorien „Customer Capital“ und „Supplier Capital“ werden innerhalb des „Relation Capital“ als Faktoren berücksichtigt – die Kategorien „Investor-, Innovation- und Location Capital“ innerhalb des „Structural Capital“ (BMWI, 2006).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Wert des IC in Organisationen (Quelle: Auer 2007)

In allen Kategorisierungsvorschlägen der Abbildung 8 ist Humankapital als eigenständige Bestandskomponente explizit aufgeführt, was dessen Bedeutung für das Erfolgspotenzial von Unternehmen unterstreicht.

- Das Humankapital umfasst die individuelle und organisationale Problemlösungskompetenz der Mitarbeitenden. Es ist eine ausgeliehene Ressource, die zeitlich befristet mit der Organisation ver- und an die jeweiligen Mitarbeitenden gebunden ist. Humankapital sind die persönlichen Erfahrungen und Kenntnisse der Mitarbeitenden wie z. B. Arbeitsabläufe (soweit diese nicht schon in das Strukturkapital übergegangen sind), Fachwissen, Erfahrungen und Expertise. Darüber hinaus werden Arbeitsmittel, Arbeitsmethoden, Teamarbeit, Unternehmenskultur bzw. Arbeitsklima dem Humankapital zugerechnet.

- Das Strukturkapital umfasst alle Strukturen, Prozesse und Abläufe, die im Unternehmen verbleiben, wenn die Mitarbeitenden nach Hause gegangen sind (Koch, et al., 2005 S. 285). Dazu zählen bspw. Verfahrensbeschreibungen, Dokumentationen, Prozesse und Methoden oder Datenbanken mit betrieblichen Informationen.

- Beziehungskapital oder „Relation Capital“ umfasst die Beziehungen der Organisation zur Außenwelt. Hierunter fallen alle Stakeholder, also – neben Kunden und Lieferanten – Kooperationspartner, Presse und andere Meinungsbilder, aber auch „Störergruppen“ wie Konsumentenschutz-Verbände (Auer, 2007 S. 3).

Intellektuelles Kapital wird, wenn es auch noch nicht in der Jahresrechnungslegung von Unternehmen abbildbar ist (s. o.), in modernen wissensbasierten Organisationen ex aequo den liquiden Mitteln oder dem Anlagevermögen bewertet (vgl. Abbildung 9).

2.4 Vier Modelle des Intellectual-Capital-Reporting

Die Begriffe Intellectual-Capital-Report oder auch Intellectual-Capital-Statement werden im deutschen Sprachraum auch als Wissensbilanz bezeichnet (Becker, 2008 S. 331). International ausgerichtete Unternehmungen bevorzugen mehrheitlich einen der englischen Begriffe[7], während das Deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und das Österreichische Wissenschaftsministerium die Begriffe „Wissenbilanz – Made in Germany“ und „Wissensbilanz Österreich“ verwenden. Der Begriff der Wissensbilanz hat in der österreichischen Wissensbilanz-Verordnung (WBV) Eingang in die einschlägige Gesetzgebung gefunden (Republik Österreich, 2006). Die vorgenannten Begriffe werden in dieser Arbeit abwechselnd jedoch synonym verwendet.

Die nachfolgend beschriebenen vier Modelle des Intellectual-Capital-Reporting stellen in chronologischer Reihung einen Ausschnitt der europäischen Entwicklung von Indikatoren orientierter Wissensbilanzierung dar. Den hier diskutierten Wissensbilanzen ist gemein, dass sie das Intellektuelle Kapital als Inputressource verstehen und als Wertschöpfungspotenzial bezeichnen (Leitner, 2005 S. 207). Sie zeigen Zusammenhänge zwischen der Geschäfts- und Wissensstrategie, den Leistungsprozessen, den erzielten Ergebnissen und externen Wirkungen der Unternehmungen in ihren jeweiligen Geschäftsfeldern auf (Alwert, 2005 S. 35).

2.4.1 SKANDIA Modell

Die schwedische Versicherungs- und Finanzdienstleistergesellschaft Skandia veröffentlichte im Jahr 1994 erstmalig eine Beilage zum Geschäftsbericht über die immateriellen Vermögenswerte des Unternehmens (Skandia, 1994). Ziel der mit dem sog. Skandia Navigator ermöglichten Bilanzierung des Intellektuellen Kapitals des Unternehmens war, einen Ausgleich von finanziellem und intellektuellem Vermögen zu repräsentieren (Klingebiel, 2001 S. 128). Skandia publiziert so seit 1994 regelmäßig Intellectual-Capital-Reports zusammen mit den jährlichen Unternehmenszahlen.

Der Skandia Navigator basiert unter anderem auf den Prinzipien der Balanced Scorecard (BSC) (vgl.Abbildung 10). Während die BSC dem Anwender eher freie Wahl der „Stellschrauben“ lässt, bietet Skandia ein vorgefertigtes Set mit einer Vielzahl von Indikatoren, kumulativer, komparativer, kompetitiver und kombinierter Art an (Alwert, 2005 S. 30), das über Jahre entwickelt wurde.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Ähnlichkeit des SKANDIA-Navigators zur BSC (Eigene Darstellung in Anlehnung an Skandia und Kaplan / Norton)

Es gelten die gleichen Annahmen wie bei der BSC, die über den Vergleich von Ziel- und Istwerten prüft, inwieweit die festgesetzten Ziele durch initiierte Maßnahmen erreicht wurden (Alwert, 2005 S. 27). Zusätzlich wird angenommen, dass “Intellectual Capital“ definiert werden kann als Summe des Humankapitals und des Strukturkapitals (Skandia, 1994).

Wie beim BSC-Verfahren erfolgt eine Einteilung in Sichten (Männel, et al., 2001 S. 59 f.)

- Finanzfokus (Vergangenheit):Unterscheidung zwischen der "Finanzdokumentation" (Bilanz) im klassischen Sinn, der "finanziellen Kapitalisierung" wie zum Beispiel das Geldvermögen, die Einkünfte oder der Marktwert der Mitarbeiter, und den "rohen Finanzdaten", das sind alle aktuellen, neu im Unternehmen transportierten Finanzinformationen.

- Kundenfokus (Gegenwart):

Wert der Informationen, die langfristige Kundenbeziehungen betreffen. Als Indikatoren dienen bspw. die telefonische Erreichbarkeit (telephone accessibility, in Prozent) oder “number of individual policies“.

- Humanfokus (Gegenwart):Der Kern des Modells. (Indizes siehe Tabelle 1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Beispiele für Indikatoren im Skandia-Navigator

- Prozessfokus (Gegenwart):

Inwieweit unterstützt Technik die Wertschöpfung des betreffenden Unternehmens? Ist es die Richtige? Wert des IT-Inventars, das nicht älter als zwei Jahre ist; der Beitrag dieses Inventars im Hinblick auf ein Qualitätsziel. Zum Beispiel dient als Kennzahl der Quotient aus IT-Angestellten und der Gesamtanzahl der Mitarbeiter.

- Fokus Erneuerung und Entwicklung (Zukunft):

Beispiel für Indikatoren sind Investitionen in neue Kundendienste; Kosten für gemeinsame Schulungen eines Unternehmens und seiner Partner; der Wert des Sales-Information-Systems des Unternehmens.

Der Skandia-Navigator wird oft als Musterbeispiel für das Intellectual-Capital-Reporting genannt, wird jedoch auch kritisiert, da die Ursache-Wirkung-Zusammenhänge nicht immer nachvollziehbar sind. Als Beispiel nennt Günther den Indikator “Frauenquote“, aus dem kein sichtbarer Zusammenhang zum Wert des Intellektuellen Kapitals abzuleiten ist (Wucknitz, 2002 S. 12).

Der Versicherungskonzern Skandia hat das eigenständige Intellectual-Capital-Reporting 1999 eingestellt und verwendet den Skandia Navigator heute als internes Steuerungsinstrument (Skandia, 1999 S. 21)

2.4.2 Danish Guideline for Intellectual Capital Statements

Im Anschluss an ein zweijähriges Forschungsprojekt veröffentlichte die Danish Agency for Trade and Industry im November 2000 die weltweit erste „Guideline for Intellectual Capital Statements“. Sie wurden im Rahmen eines Pilotprojekts von mehr als 100 Unternehmen angewandt (North, 2005 S. 231). Aus dessen Erkenntnissen entstand im Februar 2003 der Leitfaden „Intellectual Capital Statements – The New Guideline“, der vom Danish Ministry of Science, Technology and Innovation veröffentlicht wurde.

Das Intellectual Capital Statement beginnt mit dem so genannten „Knowledge Narrative“ (Danish Agency for Trade and Industry, 2000 S. 18-23). Das Knowledge Narrative beschreibt, wie ein Unternehmen sicherstellt, dass seine Produkte oder Dienstleistungen den Kundenanforderungen entsprechen, und spezifiziert, wie die Firma ihre Ressourcen so organisiert, dass sie dies erreicht. Es soll die grundlegende Idee des Unternehmens (sein Zweck) beschrieben werden. Dazu muss das Produkt oder die Dienstleistung des Unternehmens mit dessen Wissensressourcen in Beziehung gesetzt werden, die wiederum so strukturiert und organisiert werden sollen, dass sie den Gebrauchswert der Produkte oder Dienstleistungen unterstützen. Das Knowledge Narrative spiegelt die Absicht und Strategie eines Unternehmens wieder, Anwenderbedürfnisse und Unternehmensperformance in Einklang zu bringen (Daum, 2003 S. 147).

Das zweite Element stellen die „Management Challenges“ dar, die alle Wissensressourcen beleuchten, die durch Inhouse-Entwicklung oder durch Nutzung externer Beratung gestärkt werden sollen (Danish Ministry of Science, Technologie and Innovation, 2003 S. 12). Dabei geht es um die Implementierung von Projektmanagement- und Problemlösungsverfahren sowie Arbeitsprozessen, erweitert um die Beschreibung von Maßnahmen, die sich alle auf Kunden, Mitarbeiter, Prozesse und Technologien beziehen. Diese Maßnahmen betreffen typischerweise das Tagesgeschäft im Unternehmen (Qualitätssicherung, Aus- und Weiterbildung, Kundenkontakte etc.) (Daum, 2003 S. 148).

Aus diesen werden in einem dritten Schritt „Initiatives“, die zur Erreichung der Management Challenges notwendigen operativen Maßnahmen, abgeleitet. Um deren Wirkung in Bezug auf die gesetzten Ziele messbar zu machen, werden sie mit Indicators unterlegt (Danish Agency for Trade and Industry, 2000 S. 40-46). Aus dem festgestellten Zielerreichungsgrad lässt sich die Entwicklung des Intellektuellen Kapitals im vorangegangenen Zeitraum ablesen und lassen sich für den folgenden Zeitraum neue Ziele ableiten. Die Ergebnisse des Prozesses werden im Wissenskapitalbericht (Reporting) interpretiert und der internen und externen Zielgruppe in unterschiedlicher Ausführlichkeit präsentiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11: Intellectual Capital Statement Model (eigene Darstellung/
Quelle: Danish Ministry of Science, Technologie and Innovation, 2003)

2.4.3 Austrian Research Centers Seibersdorf (ARC)

Im Jahr 1999 starteten die Austrian Research Centers Seibersdorf (ARC[8] ) ein Modell zur Wissensbilanzierung und entwickelten dieses parallel zur Danish Guideline. Ein Jahr später veröffentlichen die ARC zukunftsweisend die weltweit erste Wissensbilanz einer Forschungseinrichtung, die sich bis heute zur am weitest verbreiteten Intellectual-Capital-Reporting-Methode im deutschsprachigen Raum entwickelt hat (Koch, et al., 2006).

Das Executive Summary des Jahres 2006 beginnt mit der Aussage: „Die jährlich publizierte Wissensbilanz der ARC setzt sich zum Ziel, neue Wissensbestände und Wissensflüsse transparent zu machen und Interessierten sowie potenziellen Kunden über das umfangreiche Leistungspotenzial des Unternehmens Auskunft zu geben“ (Austrian Research Centers GmbH - ARC, 2006 S. 8).

Das ursprüngliche Strukturmodell unterteilt Intellektuelles Kapital in Human- und Strukturkapital und stellt in diesen das Wertschöpfungspotenzial der ARC dar. Die aktuellen ARC-Wissensbilanzen fügen zusätzlich das Beziehungskapital hinzu. Ihnen werden hauptsächlich Bestandskennzahlen zugeordnet. Die gemessenen Prozessgrößen werden anhand der Kernprozesse der Organisation strukturiert. Eine Besonderheit des ARC-Modells ist die Unterscheidung innerhalb der Ergebnisse in finanzielle und nicht-finanzielle Kennzahlen. Die nicht-finanziellen Kennzahlen gliedert ARC in wirtschafts-, forschungs- und gesellschaftsbezogene Ergebnisse (North, 2005). Diese wurden allesamt als immaterielle Ergebnisse bezeichnet. Durch die Ausweisung wichtiger finanzieller Ergebnisse sollte der Konnex zur Finanzbilanz hergestellt werden. ARC folgte dieser Logik, um die Umwandlung immaterieller Ergebnisse periodenübergreifend in finanzielle Ergebnisse zu ermöglichen, etwa wenn Forschungsergebnisse kommerzialisiert werden können (Leitner, 2005 S. 208).

Auch wenn Leitner (2005 S. 214) betont: „Wohlgemerkt sollte die Wissensbilanz kein alleiniges PR-Instrument sein, sondern Informationen bereitstellen, die externe Stakeholder bei Entscheidungen unterstützen.“, so hatte die Wissensbilanz der ARC von Beginn an das explizite Ziel, externen Stakeholdern Informationen über das Intellektuelle Kapital des Unternehmens bereitzustellen. Inwieweit die Wissensbilanz dazu beigetragen hat, dass die ARC zusätzliche Forschungsmittel akquirieren oder Kunden ansprechen konnte, kann im Einzelnen nicht nachvollzogen werden (Leitner, 2005 S. 214).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12: ARC-Wissensbilanzmodell (Quelle ARC 2003)

2.4.4 Wissensbilanz - Made in Germany

Angesichts der auffälligen, internationalen Aktivitäten im Bereich des IC-Reporting und der daraus geschlossenen Notwendigkeit, auch in Deutschland ein derartiges Projekt ins Leben zu rufen, hat das BMWA den Leitfaden „Wissensbilanzen – Made in Germany“ initiiert.

Der Leitfaden ist in Form eines Handbuches zur Erstellung einer Wissensbilanz aufgebaut und richtet sich hauptsächlich an KMUs (Koch, et al., 2006 S. 116), Mittelständige Unternehmungen mit bis zu 500 Mitarbeitenden, die in Deutschland mit Abstand die meisten Arbeitsplätze halten (Bornemann, et al., 2005 S. 41). Neben der Erklärung der wesentlichen Begriffe und Voraussetzungen zur Wissensbilanzierung enthält der Leitfaden eine detaillierte Beschreibung von Erfahrungen bei der Implementierung sowie konkrete Anleitungshinweise zur Umsetzung im eigenen Unternehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13: Wissensbilanzmodell (Quelle: AK-WB)

In Erweiterung des ARC-Verfahrens (vgl. 2.4.3 Austrian Research Centers Seibersdorf (ARC)), auf dem auch die deutsche Methode aufbaut (Becker, 2008 S. 336), wurden zusätzliche Methodenbausteine in den Leitfaden aufgenommen, die sich in den Unternehmen bei erstmaligen Durchführungen von Wissensbilanzprojekten als besonders veränderungsproduktiv erwiesen haben (Koch, et al., 2006 S. 116):

- Eine Ursache-Wirkungs-Analyse für vor allem diejenigen Vorgänge, die nach Auffassung der Mitarbeiter nicht so „rund laufen“ wie es sein müsste, von deren professioneller Beherrschung aber der Unternehmenserfolg maßgeblich abhängt,

eine jeweils absolute und relative Positionierung des Unternehmens bezüglich seiner Kompetenzposition und der Wettbewerbsposition gegenüber dem Mitbewerber.

Die Definition des Arbeitskreises Wissensbilanz einer Wissensbilanz lautet:

„Eine Wissensbilanz ist ein Instrument zur gezielten Darstellung des Intellektuellen Kapitals einer Organisation. Sie zeigt die Zusammenhänge zwischen den organisationalen Zielen, den Geschäftsprozessen, dem Intellektuellen Kapital (IK) und dem Geschäftserfolg einer Organisation auf und beschreibt diese Elemente mittels Indikatoren“ (BMWI, 2006 S. 13).

Auch die hier diskutierte Form der Wissensbilanz zeigt Ähnlichkeiten zur BSC. Sie unterscheidet sich im Wesentlichen dadurch, dass Kennzahlen nicht auf einzelnen Tafeln präsentiert werden – vielmehr eine eher untergeordnete Rolle spielen. Im Vordergrund steht der Mitarbeitende als Repräsentant des Humankapitals und dessen Verständnis, wie in der Organisation Wertschöpfung erzielt wird (Bornemann, et al., 2005 S. 43).

Der Prozess der Erstellung einer Wissensbilanz ist ein Akt interner Kommunikation in einem Unternehmen und in folgende Schritte unterteilt (Becker, 2008 S. 336):

- Beschreibung der Ausgangssituation
- Erfassung des Intellektuellen Kapitals
- Bewertung des Intellektuellen Kapitals
- Erarbeitung von Indikatoren für das Intellektuelle Kapital
- Kommunikation des Intellektuellen Kapitals und
- Steuerung des Intellektuellen Kapitals.

Die Darstellung der Ausgangssituation und die Erfassung des Intellektuellen Kapitals (Vision, Geschäfts- und Wissensstrategie, Maßnahmen) erfolgt narrativ. Die Messung des Intellektuellen Kapitals (Human-, Struktur-, Beziehungskapital) und der sonstigen Ressourcen erfolgt durch gewichtete Indikatoren im QQS[9] Verfahren. In einem weiteren Schritt wird die Wechselwirkung der Indikatoren aufeinander gewichtet (BMWI, 2006).

Die Auswertung erfolgt zur internen Steuerung des Intellektuellen Kapitals und dient in einem weiteren Schritt zur besseren Kommunikation mit externen Stake- und Shareholdern. Vorrangiges Ziel ist dabei, das Unternehmen und seine strategischen Entscheidungsprozesse für externe Zielgruppen transparent und nachvollziehbarer zu machen.

2.4 Die Adressaten müssen berücksichtigt werden

Das Management eines jeden Unternehmens muss für sich selber entscheiden, ob und welche Wissensbestände relevant, entwicklungsfähig oder obsolet sind. Je nach Ausrichtung der Wissensziele kann sich eine der beschriebenen Methoden optimaler als andere zur Steuerung und Bewertung der immateriellen Ressourcen erweisen. Drei der vorgestellten Modellen ist gemeinsam, dass sie den Schwerpunkt auf eine Berichterstattung externer Zielgruppen legen, die „Wissensbilanz – Made in Germany“ auch interne Zielgruppen gleichwertig bedient und diese mit wertvollen Informationen für strategische Entscheidungen unterstützen (vgl. Tabelle 2).

Die Erwartungen externer Zielgruppen an einen Intellectual-Capital-Report richten sich nach deren unterschiedlichen Interessen. Gemein ist ihnen, dass sie neben Transparenz (BMWI, 2006 S. 14) Vergleichbarkeit erwarten, um Unternehmen und Organisationen in ihrem Intellektuellen Kapital vergleichen können.

Alle vorgestellten Wissensbilanzen richten ihre Informationen zunächst an die Außenwelt. Die jeweils zugehörigen Intellectual-Capital-Reports zeichnen sich mehrheitlich durch eine sehr umfangreiche Darstellung aus (vgl. Skandia Annual Report 1994-1999; ARC Wissensbilanz 2006; Wissensbilanz Schloss Zinneberg 2007 etc.). Unternehmensexterne – z. B. Aktienanalysten und Kapitalgeber – haben jedoch andere Ziele und Voraussetzungen als interne Stakeholder. Sie wollen eine Vielzahl von Unternehmen im Auge behalten und sind an übersichtlich aufbereiteten Vergleichsinformationen / -zahlen interessiert. Eine umfangreiche, für interne Zielgruppen interessante Wissensbilanz, muss daher für die Kommunikation an Externe auf einige wenige, besonders charakteristische Einblicke in das Intellektuelle Kapital eines Unternehmens reduziert werden (Hofmann, 2008 S. 14).

[...]


[1] Uno-actu-Prinzip (auch Uno-acto-Prinzip) beschreibt ein Merkmal, mit dem sich eine Dienstleistung von einer Sachleistung abgrenzen lässt: Produktion und Konsumption (auch Konsumtion, lat. consumptio) fallen zeitlich zusammen. Die Dienstleistung ist daher in der Regel nicht konservierbar.

[2] Diakonie (altgriech. διακονία, diakonia, wörtl. δια dia „durch“ und κονία konia „Haus“ frei übersetzt: „Hauswirtschaft“, besser: „Dienst“)

[3] (Personalaufwendungen/Umsatzerlöse)*100

[4] Der angegebene Wert ist entnommen aus: Curacon Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – Personalkennzahlen-Benchmarking der Diakonischen Werke in Bayern (interne Veröffentlichung)

[5] Arbeiterwohlfahrt (AWO), Deutscher Caritasverband (DCV), Der Paritätische Wohlfahrtsverband (DER PARITÄTISCHE), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (DW der EKD), Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST)

[6] Gewinne die nicht ausgegeben oder ausgeschüttet werden, sondern in der Organisation selbst verbleiben.

[7] Bspw. hat die ‚rheinische‘, eine Teilnehmerin am Pilotprojekt Wissensbilanz – Made in Germany des BMWI, ihre jährlich erscheinende „Wissenbilanz“ seit 2005 in „Intellectual Capital Report“ umbenannt.

[8] Die Abkürzung für Austrian Research Centers Seibersdorf variieren in der Literatur zwischen ARC und ARCS. Ich verwende in dieser Arbeit die auf der Unternehmenshomepage (http://www.arcs.ac.at) verwendete Abkürzung „ARC“.

[9] Messgrößen sind (Q)uantität, (Q)ualität und (S)ystematik

Ende der Leseprobe aus 152 Seiten

Details

Titel
Zur Anwendung des Intellectual-Capital-Konzepts in Nonprofit-Organisationen des Sozialen Dienstleistungsbereiches
Untertitel
Eine Untersuchung am Beispiel der Jugendhilfe Oberbayern des Diakonischen Werkes Rosenheim
Hochschule
Management Center Innsbruck Internationale Fachhochschulgesellschaft mbH
Note
1.0
Autor
Jahr
2008
Seiten
152
Katalognummer
V171174
ISBN (eBook)
9783640904082
ISBN (Buch)
9783640904396
Dateigröße
2756 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wissensbilanz, Management, Intellectual Capital, Reporting, Unternehmenssteuerung, Nonprofit, Dienstleistung, Sozialwesen
Arbeit zitieren
Rolf Negele (Autor:in), 2008, Zur Anwendung des Intellectual-Capital-Konzepts in Nonprofit-Organisationen des Sozialen Dienstleistungsbereiches, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/171174

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