Naturwissenschaften und Technik im Kindergarten

Ein Weg aus der Bildungskrise in Deutschland? Möglichkeiten und Grenzen der Kompetenzförderung - ein Vergleich der BRD mit Bildungssiegern


Bachelorarbeit, 2010

75 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsangabe

Einleitung

1. Naturwissenschaftliches Arbeiten im Kindergarten
1.1 Kinder als Naturwissenschaftler
1.2 Entwicklungspsychologische Erkenntnisse
1.2.1 Säuglingsforschung
1.2.2 Neo Piagetian Psychologist
1.2.3 Selbstbildungsprozess
1.3 Bildungstheoretische Erkenntnisse
1.4 Lerntheoretische Erkenntnisse
1.4.1 Methakognition
1.4.2 Lernen lernen
1.4.3 Motivation
1.5 Bindungstheoretische Erkenntnisse

2. Internationaler Bildungsvergleich Deutschland im PISA – Schock!?
2.1 PISA Vergleichsergebnisse
2.1.1 PISA und Gender
2.1.2 Sozioökonomischer Aspekt und PISA
2.2 TIMSS

3. Bildungsverständnis
3.1 Einflüsse auf das Bildungsverständnis für die frühen Jahre
3.2 Neue Entwicklung innerhalb der Bildungsdebatte
3.3 Bildung als Politikum
3.4 Bildung als soziales Erbe
3.5 Bildung im Wandel von Familienmodellen
3.6 Bildung und Gerechtigkeit
3.7 Kritische Stimmen in der Bildungsdiskussion

4. Bildungsverständnis der Europäischen Gemeinschaft - Historie
4.1 Entwicklung gemeinsamer Projekte
4.2 Differenziertes Bildungsverständnis in der Gemeinschaft
4.3 Zuständige Administration für Bildungs- und Betreuungsangebote
4.4 Qualifizierungsvergleich der pädagogischen Fachkräfte
4.5 Gemeinsame Europäische Standards

5. Bildungspläne der Bundesländer für den frühkindlichen Bereich
5.1 Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung
5.2 Der Hessische Bildungs- und Erziehungsplan
5.3 Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für die Baden- Württembergischen Kindergärten
5.4 Der Sächsische Bildungsplan – ein Leitfaden für pädago-gische Fachkräfte in Kinderkrippen und Kindergärten
5.5 Bildungsprogramm für Kindertageseinrichtungen in Sachsen - Anhalt

6. Zum Schwedischen Bildungsplan

7. Zum Englischen Bildungsplan

8. Zum Französischen Bildungsplan

9. Multifaktorelle Einflüsse
9.1 Rahmenbedingungen in frühkindlichen Bildungsinstitutionen in Deutschland
9.2 Stolperstein Föderalismus
9.3 Qualifikation der Fachkräfte in Deutschland
Erzieherinnen
Kinderpflegerinnen

10. Rahmenbedingungen für frühkindlichen Bildungsinstitutionen in Schweden
10.1 Qualitative Entwicklung im frühkindlichen Bildungssystem in Schweden
10.2 Qualifikation der Fachkräfte in Schweden

11. Rahmenbedingungen für frühkindliche Einrichtungen in England
11.1 Qualitätsentwicklung im Bildungssektor des Vereinigten Königreiches
11.2 Qualifikation der Fachkräfte in England

12. Rahmenbedingungen für frühkindliche Bildungsinstitutionen in Frankreich
12.1 Bildungstradition in Frankreich
12.2 Qualifikation der Fachkräfte in Frankreich

13. Internationale Professionalisierungstendenz

14. Möglichkeiten und Grenzen frühkindlicher Bildung im Kaleidoskop der Perspektiven
14.1 Soziokulturelle Bedingungen
14.2 Naturwissenschaften und Technik als Bildungsindikatoren?
14.3 Die Kunst im Dialog zur Bildung
14.4 Musik als Bildungsindikator
14.5 Transfereffekte – Möglichkeiten und Grenzen

15. Resümee

Literatur

Anhang 1

Einleitung

Das Thema meiner Arbeit, Naturwissenschaften und Technik im Kindergarten, ist aktueller Inhalt internationaler Bildungsdiskurse.

Weltweit wurde das Thema frühkindliche Bildung auf die politische Agenda gesetzt (vgl. Fthenakis, W.E./ 2008a/ 1). Das Verständnis und die Bedeutung frühkindlicher Bildung haben sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt.

Ein entscheidender Wendepunkt in der gesellschaftlichen Debatte waren u. a. die Ergebnisse internationaler Vergleichsstudien wie PISA* und TIMSS*. Diese machten im deutschen Bildungssystem deutliche Defizite erkennbar (Stiftung HdkF*, Ph./2009/7).

Vor diesem Hintergrund haben die Bundesländer während der letzten Jahre Bildungspläne von unterschiedlicher Qualität vorgelegt, Bildungsbereiche sind unter anderem Naturwissenschaft, Technik und Mathematik (vgl. Fthenakis, W.E. / 2008a/ 4).

Nach Pauen et al. (2009) ist „eine Wissensgesellschaft wie die unsere darauf angewiesen, dass sich ihre Mitglieder für solche Themen interessieren, denn andernfalls entsteht ein Mangel an Fachkräften und Forschern. In der Folge fehlen wichtige Impulse für Wirtschaft und Wissenschaft“ (Pauen, S. et al./2009/12).

Fthenakis (2001) meint, dass es “von der Bildung und Erziehung der heranwachsenden Generation abhängen wird, ob die Kinder von heute den Ansprüchen Herausforderungen und Belastungen der Welt von morgen gewachsen sein werden“ (vgl. Fthenakis, W.E./2001/139).

Es gehört laut Wolfgang Franz (2008) nicht viel Phantasie dazu, die Herausforderungen zu identifizieren, mit denen sich die Akteure auf den Arbeitsmärkten der Zeit konfrontiert sehen werden. Es sind dies unter anderem die weiter fortschreitende Internationalisierung aller Märkte, der technische Fortschritt, die zunehmende Alterung der Erdbevölkerung sowie ein sich verschärfender Fachkräftemangel bei bestimmten Berufen (vgl. Kauder, V. et al. / 2008 / 15).

Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anette Schavan fordert daher: „Wir brauchen in Zukunft mehr junge Menschen, die sich für einen Bildungs- und Berufsweg in den Naturwissenschaften entscheiden“ (Hdkf /Jb.08/2009/3).

PISA* P rogramm for I nternational S tudent A ssessment

TIMSS* Trends in International Mathematics and Science Study

HdkF* Stiftung Haus der kleinen Forscher

Bezogen auf die vorliegende Thematik sind es also m. E. die Bereiche im Makrosystem, wie Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Sozial- und Rechtssystem, die Einfluss nehmen sowohl auf Mesosysteme wie z.B. Sozialeinrichtungen und Schulen, als auch auf die Ebene der Mikrosysteme, die Familien und die Kinder.

Unter diesem Aspekt muss die Entwicklung im Bildungssektor kritisch hinterfragt werden.

Ohne Zweifel nähren m. M. nach auch Wissenschaft und Forschung auf internationaler Ebene die Hoffnung auf den frühkindlichen Bereich, auf die Möglichkeit, kompetente Fachkräfte der Zukunft bereits in Windeln zu fördern.

Dieser enorme Druck aus dem Makrosystem auf die nachwachsende Generation, auf frühkindliche Bildungseinrichtungen und nicht zuletzt auf die Familien stellt m. E. in hohem Maße die Persönlichkeitsbildung in den Schatten der Kompetenzförderung.

Herrmann Veith (2003) sagt: “Wie kaum ein anderer wissenschaftlicher Diskurs zehrt die bildungstheoretische Diskussion in Deutschland von einer semantischen Traditionssubstanz, die historisch betrachtet ebenso facettenreich wie einzigartig erscheint. (…) Von den frühmodernen Volksbildungskonzepten bis hin zur Kompetenzdiskussion unserer Tage modellieren Bildungstheorien pädagogische Lösungen für gesellschaftlich virulent gewordene Probleme. (…) Bildung muss sich in praktischen Handlungssituationen bewähren, ihr Wert jedoch ist universell“ (Veith, H. / 2007 / 41).

In meiner täglichen Arbeit mit Kindern im Kindergarten erlebe ich die aktuelle Bildungssituation hautnah mit. Es ist ein ständiger Spagat zwischen Bildungs- und Qualitätsforderung auf der einen Seite und finanziellen Engpässen auf der anderen Seite. Doch nicht nur die Einrichtungen, sondern vor allem die Eltern sind dem m. E. ungerechten Frühkindlichen Bildungssystem ausgeliefert.

Es stellt sich die Frage, ob naturwissenschaftliches Arbeiten mit Kindern im Kindergarten ein Weg aus der Bildungskrise sein kann. Wie groß ist diese Chance unter Berücksichtigung aktueller politischer Bedingungen in Deutschland?

„Gerechte Bildung für Alle“ ist meine Forderung. Ob diese Forderung eine Chance zur Umsetzung hat, möchte ich in der vorliegenden Arbeit eruieren.

Die Komplexität und Aktualität der Thematik kann jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

1. Naturwissenschaftliches Arbeiten im Kindergarten

Die Psychologin Sabina Pauen (2009) sagt: „Der Bildungsbereich Naturwissenschaften und Technik ist in der Kita besonders in das Blickfeld geraten. Die Stufentheorie von Jean Piaget war u. a. ausschlaggebend dafür, dass mathematisch-naturwissenschaftliche Themen statt bereits im Elementarbereich erst in der Schule ihren Platz fanden. Es wurde schlichtweg verkannt, dass auch Kinder im Vorschulalter bereits über die nötigen kognitiven Fähigkeiten verfügen, um sich naturwissenschaftlichen und technischen Themen zu widmen“ (Stiftung HdkF* Ph./2009/7).

Nach Pauen et al.(2009) sind Kinder zwischen drei und sechs Jahren hoch motiviert, Naturphänomene zu untersuchen. Wenn dafür Möglichkeiten geschaffen werden, stärkt dies die Lust der Kinder auf das Leben und ihre Selbstwirksamkeit. (…) Wenn Kinder in diesen Bereichen früh gefördert werden, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre geistigen Potenziale voll ausschöpfen können (Pauen et al. /2009/11 ff).

1.1 Kinder als Naturwissenschaftler

Die Chemie-Didaktikerin Gisela Lück (2003) erinnert daran, dass es genau genommen eigentlich nichts Neues ist, Kinder im frühen Kindesalter mit Naturphänomenen vertraut zu machen. Während heute das frühzeitige Heranführen an Phänomene der unbelebten Natur oft mit Erstaunen und manchmal sogar mit Skepsis betrachtet wird, gehörte dies zu anderen Zeiten zum selbstverständlichen Bildungskanon, sagt Lück (2003).

Laut Lück, liegt diese Zeit allerdings schon etliche Jahre zurück. Nachdem im 18. und 19. Jahrhundert die Naturwissenschaften eine nie zuvor gekannte Blüte erlebten und viele neue Entdeckungen hervorbrachten, die das alltägliche Leben erleichterten - etwa die Erfindung des elektrischen Lichts oder der künstlichen Düngemittel -, entwickelte sich im viktorianischen England geradezu eine Naturwissenschaftseuphorie (…) [vgl. Lück, G./2007/9].

Eine zweite Welle der Naturwissenschaftseuphorie liegt weniger lange zurück und erfasste auch die Menschen hierzulande: Nach dem so genannten Sputnikschock in Folge der ersten Weltraumerkundungen, der den Mangel an naturwissenschaftlichen Kenntnissen aufdeckte, wurden in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Unterrichtspläne neu formuliert und gerade auch jüngeren Kindern das Lernen von Chemie und Physik nahe gebracht, oder besser gesagt: „verordnet“ (vgl. Lück, G./2007/10).

Kritisch sieht das die Kognitionspsychologin Elsbeth Stern (2005, 4), sie sagt: „Ich sehe die Gefahr, dass man jetzt schon im Kindergarten die Fehler macht, die bisher in der Mittelstufe gemacht wurden: Kinder mit Inhalten zu konfrontieren, die sie nicht verstehen können, weil Vorwissen fehlt ( Gläser, E./2007/255).“

Die Aussage von Jank, W. (1991 /1992) finde ich zu diesem Diskurs passend: “Es gibt kein Wissen, das hochwertiger als anderes Wissen wäre, sondern nur verschiedene viable Möglichkeiten der Welterklärung“ (Jank, W./1991/1992 /292).

Nach Vygotski (1977) setzen Erwachsene zwar Anreize zur Denkentwicklung, aber den Schritt, eine neue Einsicht zu gewinnen, muss das Kind von sich aus tun und das wird ihm nur gelingen, wenn es geistig so weit ist, dass es das Angebot des erwachsenen Begleiters auch tatsächlich annehmen kann (vgl. Pauen et al. /2009/104).

Pauen (2009) sagt: „Im Prinzip gehen moderne Entwicklungspsychologen davon aus, dass Kinder über die gleichen Denkmöglichkeiten verfügen wie Erwachsene, dass es ihnen aber an Wissen und Erfahrung fehlt, diese Denkmöglichkeiten in geeigneter Weise einzusetzen. Demnach suchen Menschen jeden Alters nach Erklärungen für Phänomene, die sie in der Welt beobachten“ (ebd./2009/105).

Nach Vygotski (1977) ist es deshalb entscheidend, dass der Erwachsene sich zum einen Zeit nimmt um das Kind zu begleiten und zum anderen über das Wissen verfügt, wie die Zone der proximalen Entwicklung optimal gestaltet werden kann, so dass es dem Kind gelingt, seinen nächsten Entwicklungsschritt selbst zu tun (vgl. Pauen /2009/104 ff).

Warum aber soll gerade naturwissenschaftliche Bildung Bestandteil der Elementarpädagogik sein?

Gisela Lück (2003) formuliert es folgendermaßen: “Gerade die Naturwissenschaften können viele Erkenntnisse im Hinblick auf Vernetzung und Zusammenhänge hervorbringen, die uns eine differenzierte Einsicht in Prozesse unserer Umwelt vermitteln, die uns helfen, selbstverantwortlich und eigeninitiativ an der Gestaltung unserer zukünftigen Lebensbedingungen mitzuwirken und die uns erfahren lassen, wie wir unsere Umwelt nutzen können und wann wir sie schützen müssen“ (vgl. Lück, G./2003/18).

Lück (2003) ist deshalb der Meinung, dass: „Naturwissenschaftliche Grundkenntnisse wesentliche Kompetenzen für die partizipative Gestaltung unserer Gesellschaft eröffnen und neben beruflichen Perspektiven vor allem auch Wege zu einer eigenständigen Meinungsbildung in Bezug auf technische bzw. naturwissenschaftliche Entwicklungen eröffnen“ (vgl. Lück, G. /2003/19).

Warum aber sprechen wir von Naturwissenschaften und nicht von einem Wissen über die Natur?

Nach Lück (2003) vermitteln zuverlässig wiederkehrende Naturereignisse in der belebten Natur ein Gefühl der Vertrautheit und des Verstehens.

Biologische Phänomene bieten sich allerdings weniger für Deutungen an. Denn bei allem Handlungsdrang muss das Kind erst einmal in der Beobachterrolle verharren. Lück (2003) differenziert in diesem Zusammenhang zwischen naturwissenschaftlich- em Wissen über die belebte Natur und naturwissenschaftlicher Bildung wie sie aus einem Beziehungsgeflecht von Erkenntnissen u. a. über die unbelebte Natur erwächst (vgl. ebd. /2003/15 ff).

Sodian (2004) sieht diese Aussage in Bezug zum Bayerischen Curriculum, denn: „Die Zielsetzung insbesondere im Bayerischen Bildungsplan sieht im Bereich Chemie ein erstes Kennenlernen von Konsistenz, Dichte und Erscheinungsformen von Stoffen vor. Auch hier wird der aktive Zugang des Kindes durch eigene Messungen (Größen-, Längen-, Gewichts-, Temperatur-, Zeitmessungen) gefordert. Im Bereich Physik und Technik werden erste Erfahrungen mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten zum Ziel gesetzt und technische Anwendungen dieser Gesetzmäßigkeiten, wie Hebel, Balken etc. sollen systematisch erkundet werden“ (Sodian, B. et al /2004/140).

„Im Vordergrund stehen dabei nicht der Erwerb von Wissen“, so Gläser (2007), „sondern die Entwicklung von nachhaltigem Interesse an diesen Themen und der Erwerb von lernmethodischer Kompetenz“ (vgl. Gläser, E. /2007/260).

Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (1998) hat in einem Katalog von Bildungsforderungen unter anderem drei wesentliche Schlüsselqualifikationen für den Elementarbereich hervorgehoben. Dazu zählen:

- System und Problemlöseorientierung, also das Verstehen komplexer Situationen sowie die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel.
- Situations-, Handlungs- und Partizipationsorientierung: Diese Fähigkeit soll u. a. zur Entscheidungsfähigkeit beitragen, Mitbestimmung ermöglichen und Handlungskompetenz fördern.
- Ganzheitlichkeit: Sie umfasst u. a. eine möglichst umfassende Wahr-nehmungs- und Erfahrungsfähigkeit (vgl. Lück, G./2003/20).

Meiner Meinung nach stehen Erzieherinnen und Erzieher einer Reihe neuer Herausforderungen gegenüber, die sowohl auf der thematisch-inhaltlichen Ebene liegen als auch die methodische Umsetzung betreffen. Deshalb wird die Qualifikation des Fachpersonals an anderer Stelle noch ausführlich diskutiert

(Koerber, S. /2006/193 ff.).

1.2 Entwicklungspsychologische Erkenntnisse

In der traditionellen, an Piaget orientierten Forschung wurde Kindern vor dem formal-operatorischen Stadium (ab ca. 12 Jahren) wichtige Komponenten wissenschaftlichen Denkens im Sinne eines idealen wissenschaftlichen Standards abgesprochen (Koerber, S. /2006/193 ff.).

1.2.1 Säuglingsforschung

Die neuere Forschung zeigt jedoch grundlegende Ähnlichkeiten zwischen den Begriffen von Kindern und Erwachsenen. Schon Säuglinge bilden Begriffe und nutzen sie als Basis für induktive Schlüsse; spätestens gegen Ende des ersten Lebensjahres sind die Konzepte von Säuglingen wissensbasiert (Oerter, R. u. Montada, L./2002/468).

Spelke et al. (1995) zitieren Mandler & McDonough (1998), die feststellten, dass Säuglinge schon im ersten Lebensjahr Tiere kategorial von Fahrzeugen oder Möbeln unterscheiden und erwarten, dass sich Tiere und Menschen, nicht aber Bauklötze oder Möbel selbstinitiiert bewegen können ( Sodian, B. et al. /2004/141).

Sodian (1998) meint: „Im Bereich des formalen wissenschaftlichen Denkens geht es um die Entwicklung der Fähigkeit, Hypothesen abzuleiten, sie systematisch zu prüfen und gegebenenfalls zu revidieren und schließlich, was sehr wichtig ist, über diesen Prozess zu reflektieren“ (vgl. Koerber, S. /2006/193).

Koerber ergänzt: „Formal wissenschaftliches Denken ist nicht nur per se eine wichtige Kompetenz der Kinder sich die Welt zu erschliessen, es gilt auch als bereichsübergreifende Voraussetzung für die Entwicklung physikalischer, chemischer und biologischer Konzepte“ (Koerber, S. /2006/193f).

Spelke (1996) und Wilkening et al. (2006) setzen sich mit der Tatsache auseinander, dass bereits Babys im Alter von 2,5 Monaten die physikalischen Prinzipien der Solidität (ein Gegenstand ist fest und kann nicht durch andere hindurchgehen) und Kontinuität (ein Gegenstand existiert weiter, auch wenn man ihn nicht sieht) berücksichtigen.

Das führt zu der Vermutung, dass dieses Wissen angeboren sein könnte. Jedoch zeigt sich auch, dass Kinder diese Prinzipien nicht immer und durchgängig anwenden und von daher ist es wahrscheinlich, dass angeborenes Wissen eine rudimentäre Basis für den späteren Wissenserwerb bietet und dieses Wissen im Verlauf der Entwicklung zunehmend komplexer und differenzierter wird (vgl. Fthenakis W.E. /2009/73).

Carey (1985) sagt: “Auch das Phänomen des kindlichen Animismus (Überattribution von Wünschen und Absichten; Zuschreibung des Merkmals „Leben“ nach dem Kriterium der selbstinitiierten Bewegung), das nach Piaget (1929) als Indiz für das mangelnde Kausalverständnis des Vorschulkindes galt, lässt sich als Mangel an biologischem Wissen interpretieren“ (Sodian, B. et al./2004/142).

Lück (2003) beschreibt dazu die Biodidaktikbewegung der 70ger: „Ziel war, den „Abbau der affektiven Identifikation der Kinder mit den Dingen zu fördern“ (…) oder die „Anthropomorphisierungen abzubauen und durch ein echtes Verständnis […] zu ersetzen (…)“ (Lück, G. / 2003/80 ff).

Psychologen wie Oerter (1973) oder auch Vincze gehen sogar davon aus, dass die Anlage zum Animismus ein Leben lang vorhanden ist, und nur allmählich durch Zunahme an Sachkenntnissen ersetzt bzw. ergänzt wird (Lück, G. /2003/82).

Fthenakis (2008) sagt: „Kindergartenkinder stellen sich Fragen zu möglichen Ursachen für einen bestimmten beobachteten Effekt, sie begeben sich auf die Suche nach kausalen Mechanismen (Erklärungen). Zwischen dem kausalen Denken von Kindern im Vorschulalter und dem von Erwachsenen besteht also bereits in einigen Aspekten eine strukturelle Ähnlichkeit.

Die Unterschiede im Denken sind vor allem durch die unterschiedliche Verfügbarkeit von themenspezifischem begrifflichem Wissen zu erklären (Fthenakis W.E./2008/9).

Sodian (2004) meint, dass das nicht bedeutet, dass das biologische Wissen des Vorschulkindes aus völlig unzusammenhängenden Bruchstücken besteht. Vielmehr zeigte Backscheider (1994), der hier von Sodian (2004) zitiert wird, dass schon 4-jährige kohärente Erwartungen über Organismen ausbilden, wenn ihnen gesagt wird, dass das Zielobjekt ein biologisches Merkmal hat (wenn sie z.B. erfahren, dass x etwas ist, „das wächst“, dann schließen sie daraus, dass es nicht von Schrauben und Nägeln zusammengehalten wird, dass ein Kratzer an x von selbst ausheilen wird, etc.) [vgl. Sodian, B. et al. /2004/144].

Sodian (2004) schließt daraus, dass: „Die Metapher vom „Kind als Wissenschaftler“ vor dem Hintergrund neuer entwicklungspsychologischer Erkenntnis also nicht fragwürdig zu sein scheint. Kinder nutzen nicht nur empirische Beobachtungen zur Bildung, Prüfung und Revision eigener intuitiver Theorien über die belebte und unbelebte Natur, sondern sie sind bereits im Vorschulalter zu (rudimentären) Reflexionen über diesen Prozess fähig“ (Sodian, B./2004/148).

1.2.2 Neo Piagetian Psychologist

Die amerikanische Psychologie Professorin Kathrin Nelson (2009), die auch als neo Piagetian psychologist bezeichnet wird, macht zu den voraus gegangenen Befunden absolut konträre Aussagen.

Ihre grundlegende Kritik richtet sich an die Konzeption der aktuellen Entwicklungspsychologie und deren Auffassung, das Kind sei ein kleiner Wissenschaftler, bzw. ein Spezialist in verschiedenen Wissensbereichen und aktiv bestrebt, folgerichtige Theorien über die wahrgenommene Welt zu gestalten.

Nelson (2009) sagt:

„Today the most striking conception of children in developmental psychology – and arguably the most widely accepted one – is that the very young are „little scientists“ or „theorists,“ specialists in different domains of knowledge who are actively attempting to carve out coherent theories about the real observed world (…)”. [vgl. Nelson, K. / 2009/1].

Nelson (2009) nennt es einen obskuren Vergleich zum Schaden beider Seiten. Denn, ein Kind zu sein, das mit begrenzten Ressourcen, pragmatisch in einem begrenzten Bereich der Welt agiert, oder ein Wissenschaftler zu sein, in einer sozialhistorischen Gemeinschaft von Wissenschaften, Symbolen und Technologien ist ein Unterschied:

„ The real difference between being a child with limited resources operating pragmatically in a limited corner of the world and being a scientist in a social-historical community of science, symbols, and technologies, is obscured in this simile, to the detriment of both sides (vgl. ebd. /2009/5).

Nelson (2009) ist auch uneinig mit den Behauptungen zur Kognition, auf die das Modell des kleinen Wissenschaftlers basiert (vgl. ebd. /2009/2).

Denn Erkenntnis vollzieht sich nach Nelson (2009) modular, baut also aufeinander auf. Es gibt ihrer Meinung nach einige angeborene Anlagen (Module), z. B. das Sehvermögen und einige die sich mit der Zeit entwickeln, wie z.B. Sprache und ein Konzept von Grundlagenwissen:

„ Cognition is modular: there are some inborn modules, such as vision, and some that develop over time, such as language and conceptual domains of knowledge“(Nelson, K. /2009/5 ff.).

Weiter merkt Nelson (2009) an, dass bereichsspezifisches Wissen an Bedingungen des individuellen Kontextes gebunden ist, der über Wissen innerhalb eines Wissensgebietes informiert:

„Domain-specific cognition is organized in terms of intuitive or folk theories that are not accessible to consciousness, but that organize data within a field of knowledge” (vgl. Nelson, K. /2009/6).

Nelson (2009) geht auch auf den oben bereits durch Vigotsky (1977) beschriebenen Selbstbildungsprozess des Kindes ein und sagt, dass weder Biologie noch Kultur geeignet sind, Einfluss zu nehmen, worauf es im Kopf ankommt. Die Wichtigkeit der Quelle von Wissen in der sozialen und kulturellen Welt ist vom Kind aus zu sehen. Denn es koordiniert seine eigenen Erfahrungen durch seine innewohnenden konzeptuellen Strukturen mit der der sozialen Welt:

„Neither biology nor culture are accounted for in the singular focus of theory theory on what´s in the head, a focus that social and cultural world inhabited by the child, and the problems of how the child´s own conceptual structures and experience become coordinated with the social world” (vgl.Nealson, K. /2009/7).

Nelson (2009) bezieht sich in ihrer Theorie auf Studien von McClintock, mit Getreidepflanzen, die nach Meinung der Forscherin einen validen Transfer auf die kindliche Entwicklung erlauben (vgl. Nelson, K. /2009/8). So zieht sie folgenden Vergleich heran.

Man muss wissen, wie die Pflanze wächst, man muss jedes Teil kennen und verstehen, wenn etwas verkehrt läuft. (…) Man braucht ein Gefühl für jede einzelne Pflanze:

„One must understand “how it grows, understand it´s parts, understand when something is going wrong with it. (…) You need to have a feeling for every individual plant” (vgl. Nelson, K. /2009/7).

Nelson (2009) meint, dass unsere augenblicklichen Modelle weit davon entfernt sind, ein Gespür zu entwickeln für das Wachstum eines jeden individuellen Kindes (vgl. ebd. /2009/8).

Denn, so Nelson (2009), wo immer das Kind auch steht, ist es engagiert am experimentieren und findet dabei Bedeutung und Wissen (vgl. Nelson, K. /2009/).

So geht es nach Nelson (2009) nicht darum, Informationen weiterzugeben und abzu- arbeitet, sondern nur um die jeweilige individuelle Bedeutungen für das Kind:

„The claim here is that it is not information that is taken in and processed but only meaning relevant to the individual“ (vgl. Nelson, K. /2009/9).

Zum Teil ist die Bedeutsamkeit abhängig von den biologischen Gegebenheiten (z.B. Mensch oder Tier betreffend), sagt Nelson (2009), d.h. also davon, was für den Organismus wichtig ist, aber darüber hinaus auch von besonderen Interessen, nach denen es strebt und die ohne bewusste Anstrengung befriedigt werden durch biologisch aktivierte Angebotsformen (vgl. ebd. /2009/10).

Aus dieser Sicht heraus steht für Nelson (2009) Lernen in der Relation zu Bedeutung und Bedeutung wird Kraft seiner Relation zur Erfahrung.

„From this view, learning depends entirely on its relation to meaning, and meaning is subjective by virtue of its relation to experience“ (vgl. Nelson, K. /2009/11).

1.2.3 Selbstbildungsprozess

Fthenakis (2007) sagt: „In der Diskussion um frühe Bildungsprozesse und deren theoretische Fundierung zeichnen sich prinzipiell zwei unterschiedliche Positionen ab: Einige greifen vorrangig auf die traditionsreiche deutsche Diskussion zurück und versuchen, sie auf die Frühpädagogik anzuwenden. Der Begriff von Bildung wird von Prozessen wie Lernen, Entwicklung oder Erziehung, im Gegensatz zu internationalen Entwicklungen, deutlich abgegrenzt. Das zentrale Stichwort in dieser Argumentation lautet „Selbstbildung“. Bildung wird als ein individuumzentrierter Ansatz konzeptualisiert, der bewusst von dem der Erziehung abgehoben wird.

Mit Rückgriff auf das altgriechische Konzept der „Autopoiesis“ wird Bildung als Selbstaneignung der Welt durch das Kind definiert, das sich in diesem Prozess hervorbringt (Fthenakis, W.E. /2007/4ff.).

Also neuer Wein in alten Schläuchen bei Frau Nelson? Denn Sozialkonstruktivismus und Autopoiesis schließen sich m. M. nach auch in biologischen Prozessen nicht aus.

Die Befürchtungen von Nelson kann ich dahingehend teilen, dass eine zu einseitige, unreflektierte, pädagogisch - didaktische Umsetzung Naturwissenschaftlicher Themen problematisch sein könnte.

Auch Fthenakis (2008b) stellt sich die Frage: „Welchen Sinn es macht, dass sich schon Kindergartenkinder mit naturwissenschaftlichen und technischen Inhalten auseinandersetzen und dabei wissenschaftliche Methoden nutzen.(…) Für Kinder ergeben sich laut Fthenakis (2008) aus den Begebenheiten des täglichen Lebens zahlreiche Fragen, denen sie gerne nachgehen möchten. Kinder möchten wissen, warum sich etwas auf eine bestimmte Art und Weise verhält und wie Dinge funktionieren. Die Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen und technischen Inhalten im Kindergarten gibt Kindern die Möglichkeit, Antworten auf solche Fragen zu finden“ (Fthenakis W.E./2008b/10).

An anderer Stelle werde ich, insbesondere durch die Bildungspläne von Sachsen und Sachsen-Anhalt, diesen sensiblen und kindorientierten Ansatz nachweisen.

Ein professionelles Profil der pädagogischen Fachkräfte zur Umsetzung und Sicherung der individuellen Selbstbildungsprozesse der Kinder, sehe ich daher als Voraussetzung um die Befürchtungen Nelsons (2009) zu entkräften.

Textor (2008) sagt:

„ Kleinkinder sollten Aktivitäten selbst auswählen, planen, entwickeln und durchführen können. Das setzt seitens der Erzieherinnen Offenheit für deren Ideen und Vorschläge voraus (…) Aufgrund der großen Alters- und Entwicklungsunterschiede bei Kleinkindern, die durch die Aufnahme von Unterdreijährigen noch größer werden, verbietet sich jede Art der Verschulung (…). Kleinkinder sollten vor allem Primärerfahrungen machen (…). Sie lernen am besten, wenn der Lernstoff konkret und anschaulich ist, sie handelnd tätig werden können und immer zwischen Wahrnehmung, Erfahrung und Reflexion wechseln können (Textor, M. /2008/42 ff.).

1.3 Bildungstheoretische Erkenntnisse

In der didaktischen Umsetzung geht die Projektidee des „Naturwissenschaftlichen Arbeitens im Kindergarten vom Bild des kompetenten Kindes aus, das in Kokonstruktion mit seinen Mitmenschen und durch Metakognition sein Lernen individuell in einem Selbstbildungsprozess gestaltet“ (Stiftung Haus der kleinen Forscher /Ph./2009/10f).

In seiner Umsetzung verlangt der Metakognitive Ansatz die gezielte Planung von Lernangeboten und zugleich Offenheit für die Interessen, Kompetenzen und Bedürfnisse der Kinder (…) [BEP[1] /2007/69].

Der Bildungsdidaktiker Wolfgang Klafki (1963) versteht Bildung als „jenes Phänomen, an dem wir – im eigenen Erleben oder im Verstehen anderer Menschen – unmittelbar der Einheit eines objektiven (materialen) und eines subjektiven (formalen) Momentes innewerden“ (Jank, W. et al. /1991/216).

So verstehe ich Jank in dem Sinne, dass er Bildung als aktiven Prozess zwischen Individuum und Umwelt definiert. Bei Nelson, die Studien von Pflanzen in Beziehung zu kindlichen Bildungsprozessen setzt, sehe ich dagegen keinen aktiven Prozess der unmittelbaren Wechselseitigkeit.

1.4 Lerntheoretische Erkenntnisse

Der Hirnforscher Wolf Singer sagt: “Das sich entwickelnde Gehirn holt und sucht sich die nötigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt, wir nennen es auch Neugier oder Spieltrieb (Kahl, R. /2008/4.Kap.).

„Kinder sind in ihrem Forscherdrang kaum zu bremsen“, meint Jansen (2007).“Ihre ausgeprägte Fantasie, ihre Neugier und ihre Freude am Lernen bieten die besten Voraussetzungen dafür, die Welt zu erobern und naturwissenschaftliche Zusammenhänge zu begreifen.

Letztere verstehen Kinder aber nur dann, wenn kindliches Lernen im Kindergarten nicht fachsystematisch aufbereitet wird, sondern ganzheitlich angelegt ist“ (Jansen, F. u.a./2007/9).

1.4.1 Methakognition

Daraus hat sich der Begriff der Metakognition geprägt, er geht zurück auf Flavell (1976), der es so beschreibt: „Metakognition bezieht sich auf das eigene Wissen über die eigenen kognitiven Vorgänge oder etwas, das sich auf sie bezieht, z.B. die lernrelevanten Eigenschaften von Informationen oder Daten“ (Gisbert, K. /2004/137).

Die Bewusstheit dieser Vorgänge ist ein wesentliches Bestimmungsstück von Metakognition und unterscheidet sie von psychischen Funktionen wie Denken, Gedächtnis oder Problemlösen, die auch ohne dass sich das Subjekt Rechenschaft über sie ablegt, ausgeführt werden können (Gisbert, K./2004/137).

Allerdings fehlt es an empirischen Arbeiten, die die Effizienz im Hinblick auf den Erwerb von lernmethodische Kompetenzen durch die vorgeschlagenen Maßnahmen

zu Lernen nachweisen würden (vgl. Gisbert, K./2004/156).

Die Schwedische Frühpädagogin Ingrid Pramling bildet eine Ausnahme, sie hat Umsetzungsmöglichkeiten des metakognitiven Ansatzes für den Kindergartenbereich untersucht (Stiftung Haus der kleinen Forscher/ Hb./2008/Kap.A/6).

Pramling selbst bezeichnet ihre Methode nicht explizit als metakognitiv (…) sondern als phänomenographisch. Das Wesen des phänomenographischen Ansatzes besteht darin, die Konzepte und intuitiven Theorien der Kinder (…) zu den Phänomenen ihrer Umwelt zum Ausgangspunkt angeleiteter Lernprozesse zu machen und sie während des Lernprozesses wiederholt zu reflektieren. Gegenstand der Reflexion sind dabei nicht nur die Inhalte, die gelernt werden sollen, sondern immer auch das Lernen selbst (Gisbert, K./2004/156).

Pramlings Studien (1986) ergaben, dass ein Drittel der 3-Jährigen und die Mehrzahl der Kinder im Alter von 4 Jahren Lernen als Tun verstehen. Die Idee des Lernens als Wissen ist in den Vorschuljahren (bis 7 Jahre) noch sehr selten (…) [Gisbert, K. /2004/161].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kinder im Verlaufe ihrer Entwicklung – ohne eine spezielle metakognitive Förderung – erst mit dem Übertritt in die Schule (in Schweden mit 7 Jahren) Wissensaspekte als Gegenstand des Lernens auffassen. (…) Das Konzept des Lernens durch Erfahrung entsteht im 4. Lebensjahr, wobei die Kinder anfangs denken, Lernen finde als eher zufälliges Nebenprodukt bestimmter Erfahrungen statt (ebd. /2004/165).

1.4.2 Lernen lernen

Im Bezug auf das Wie des Lernens fangen die Kinder überhaupt erst mit dem 5. Lebensjahr an, zwischen Lernen und Tun zu unterscheiden; bis dahin denken viele Kinder, dass sie mit zunehmendem Alter quasi automatisch bestimmte Fähigkeiten erwerben (Gisbert, K. /2004/165).

Dazu zeigt die Chemie – Didaktikerin Gisela Lück (2003) klar die Unterschiede des Vermittlungs- und Lernprozesses zwischen Schule und Elementarbereich auf, die sich auf letzteren bezogen vor allem dadurch unterscheiden, dass sie keinem direkten Beurteilungs- und Leistungssystem unterliegen.

1.4.3 Motivation

Dies, so Lück (2003), bleibt nicht ohne Folgen für die Motivation, die grundsätzlich in zwei Formen auftaucht: der intrinsischen und der extrinsischen. (…) Als Prototypen der intrinsischen Motivation gelten kindliches Neugierverhalten, Spontaneität und Interesse an den unmittelbaren Gegebenheiten der Umwelt. Dagegen wird die extrinsische Motivation durch äußere Faktoren wie Leistungsbeurteilung oder Lob und Tadel beeinflusst.

Die Psychologen Schiefele und Schreyer haben 1994 Untersuchungen durchgeführt, bei denen der Zusammenhang zwischen Motivation und Erfolg im Mittelpunkt stand. Sie kommen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass intrinsische Orientierung im Durchschnitt mit höheren Leistungen korreliert als extrinsische Motivation (vgl. Lück, G. /2003/57 ff.).

Laut Deutschem PISA-Konsortium von 2004, liegt der Wert für „intrinsische Motivation“, also der Annahme, dass Mathematik persönlich nützlich ist, bei Jungen höher (Budde, J. /2009/29).

Nun kann man sich fragen ob diese Annahmen denn messbar sind?

Brem und Self (1989) sagen ja, weil sich die Intensität der Motivation in Veränderungen im sympathischen Nervensystem zeigt.

Solche Veränderungen zeigen sich insbesondere im sogenannten Arousel (Lefrancois, G. R. /2006/293).

Laut Brehm und Self (1989) nehmen drei Dinge Einfluss auf den Grad der Bemühungen eines Menschen (das heißt auf das Ausmaß seiner Motivation): internale Zustände wie Bedürfnisse, potenziale Resultate und die individuelle Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmtes Verhalten zu einem gewünschten Resultat führt. Diese Betrachtungsweise berücksichtigt sowohl die physioligischen wie auch die kognitiven Aspekte des Verhaltens […] (Lefrancois, G. R. /2006/293).

Hier sehe ich eine klare Übereinstimmung zum phänomenologischen Ansatz der schwedischen Frühpädagogin Ingrid Pramling, die intuitive Theorien der Kinder zum Ausgangspunkt von angeleiteten Lernprozessen macht. Im Vergleich setzt Lück die intrinsische Motivation als Voraussetzung für erfolgreiches Lernen.

Lernprozesse werden nicht mehr als bloße Wissensaneigung verstanden, resümiert Gisbert (2004), sondern als aktive Form von Wissenskonstruktion und Ko-Konstruktion; insofern gehen soziale und individuelle Formen des Lernens Hand in Hand (Gisbert, K. /2004/153).

Die Untersuchungen der Psychologen Schiefele und Schreyer (1994) ergaben, dass 70 % der Vorschulkinder aus eigenem Interesse naturwissenschaftlichen Phänomenen auf den Grund gehen wollten und freiwillig an den Experimentierreihe teilnahmen (vgl. Lück, G. /2003/59).

Der amerikanische Psychologe Csikszentmihalyi (1929) hebt in seinen zahlreichen Untersuchungen immer wieder hervor, dass „Flow“ die „optimale Herausforderung an das Können und Wissen eines Menschen und seine Absorbtion durch diese Aufgabe“ ausmacht (vgl. Lück, G. /2003/61).

Auch Maria Montessori hat sich mit diesem Versunken-Sein der Kinder beschäftigt und dafür den Ausdruck „Polarisation der Aufmerksamkeit“ gefunden (Lück, G. /2003/61).

Meines Erachtens wird aus oben dargestellten Befunden eines klar, nämlich, dass der individuelle Kontext des Kindes, die Sozialisationsbedingungen und insbesondere die Haltung des Erwachsenen gegenüber dem Kind einen entscheidenden Einfluss auf die Bildungsbiographie haben.

So erhält der ökopsychologische Ansatz Bronfenbrenners (1981), einer wechselseitigen Mensch-Umwelt-Interaktion in der Entwicklungspsychologie und Pädagogischen Psychologie hier besondere Bedeutung (vgl. Rost, D.H. /1993/37 ff.).

Nachfolgend möchte ich nun darauf eingehen, wie wichtig Bindungen in diesem Prozess sind und wie sie sich auf den Entwicklungsverlauf bei jungen Kindern auswirken.

1.5 Bindungstheoretische Erkenntnisse

Laut der Bindungstheorie, die von John Bowlby (2006) begründet wurde, benötigen

Babys und Kleinkinder lang andauernde und sichere Beziehungen zu Erwachsenen, um sich normal bzw. positiv entwickeln zu können (Textor, M. /2008/222).

[...]


[1] BEP Bayerischer Bildungs- und Erziehungsplan

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Naturwissenschaften und Technik im Kindergarten
Untertitel
Ein Weg aus der Bildungskrise in Deutschland? Möglichkeiten und Grenzen der Kompetenzförderung - ein Vergleich der BRD mit Bildungssiegern
Hochschule
Katholische Stiftungsfachhochschule München  (University of Applied Sciences)
Veranstaltung
Studiengang Bildung und Erziehung im Kindesalter
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
75
Katalognummer
V169281
ISBN (eBook)
9783640881352
ISBN (Buch)
9783640881536
Dateigröße
943 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
naturwissenschaften, technik, kindergarten, bildungskrise, deutschland, möglichkeiten, grenzen, kompetenzförderung, vergleich, bildungssiegern
Arbeit zitieren
Elisabeth Meinwolf-Staudinger (Autor:in), 2010, Naturwissenschaften und Technik im Kindergarten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/169281

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