Erdbebenrisiken in Großstadtagglomerationen

Eine Analyse der Gegenmaßnahmen in den Räumen San Francisco und Tokyo


Examensarbeit, 2000

128 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die geologischen Gegebenheiten in Kalifornien und der San Francisco Bay Area

3. Die geologischen Gegebenheiten in Japan und Tokyo

4. Die Gefahren von Erdbeben in Großstädten
4.1 Gefahren durch Erdbeben in der Großstadtagglomeration von San Francisco
4.2 Gefährdungspotential der Großstadtagglomeration Tokyo

5. Lehren aus vergangenen Beben
5.1 Lehren für San Francisco
5.2 Lehren für Tokyo

6. Gegenmaßnahmen
6.1 Gegenmaßnahmen in San Francisco
6.2 Gegenmaßnahmen in Tokyo

7. Bewertung der Gegenmaßnahmen

8. Schlußfolgerungen

9. Literaturverzeichnis

10. Internetverzeichnis

11. Fernsehsendungen

12. Gesetzestexte

13. Bildernachweis

14. Anhang A: Karten
Anhang B: Abbildungen

1. Einleitung

Naturkatastrophen entstehen, wenn eine Naturgewalt wie ein Erdbeben Menschen und deren Eigentum - die sozio-ökonomische Infrastruktur - treffen. Ein schweres Erdbeben in unbewohnter Gegend ist somit nur ein Naturschauspiel. Trifft ein Beben aber eine Großstadt, so wird schon ein leichteres Beben unter Umständen zur Katastrophe, die größer wird, je mehr Menschen und Besitz betroffen sind. Dennoch sind gefährdete Gebiete häufig bevorzugte Wohngegenden (Quelle: Godschalk, Beatley, Berke, Brower, Kaiser, 1999: S.4).

Die starke Zunahme der Bevölkerung und die damit einhergehende Konzentration von Menschen in Großstadtagglomerationen, sowie der zunehmende technologische Fortschritt führen somit zu einem ständig wachsenden Gefährdungspotential für Einwohner und Bauwerke in durch Erdbeben bedrohten Gebieten, da so Abhängigkeitssysteme entstehen, die sowohl den einzelnen Bürger in seiner wachsenden Abhängigkeit von Technik, wie auch internationale Wirtschaftssysteme unter Einbindung von Transport- und Kommunikationsnetzen betreffen (Quelle: Robinson, 1994: S.7 f.).

Trotz dieser Bedrohung wachsen Städte wie San Francisco und Tokyo ständig weiter, obwohl diese Städte schon von schweren Beben zerstört worden waren, und obwohl Wissenschaftler beiden Städten ein schweres Beben in absehbarer Zeit prophezeien. Dennoch, die Attraktivität dieser Städte, ihre natürliche Schönheit, günstige Lage, Arbeitsplatzangebot, etc. scheinen den Einwohnern und denen, die ständig in diese Städte ziehen, eine klare Sichtweise auf die Gefährdung zu nehmen.

Zwar sind die Mechanismen, die Erdbeben auslösen weitestgehend erforscht. Noch sind sie aber bei weitem nicht vollständig verstanden, weshalb es bisher weder eine sichere Vorhersage, noch Präventivmaßnahmen gibt, die hundertprozentige Sicherheit für Einwohner und Bauwerke garantieren. So gibt es bei jedem schweren Beben böse Überraschungen, da noch lange nicht alle Faktoren erkannt sind, die bei einem Beben auf Personen, Bauwerke jedweder Art, oder Gesellschaftsstrukturen wirken.

Katastrophen werden zumeist als Schicksal hingenommen und als solches erwartet. Die relativ seltene Wiederholung von schweren Beben sorgt zudem dafür, daß Katastrophen schnell verdrängt und dann vergessen werden. So werden Naturkatastrophen schnell zu Gesellschaftskatastrophen, wenn die Bevölkerung die Gefahren ignoriert (Quelle: Geipel in „Geogr. Rundschau“: 1/1977).

Die folgenden Kapitel sollen nun die spezifische Gefährdung der Großstadtagglomerationen Tokyo und San Francisco in Bezug auf Erdbeben und deren möglichen Folgen aufzeigen, sowie Maßnahmen der Regierungen, Stadtplanern, Forschungseinrichtungen und nicht zuletzt jedes einzelnen Bürgers analysieren, um mögliche Lücken im Netz der getroffenen Gegenmaßnahmen aufzuzeigen und um so zu zeigen, in welcher Stadt die Gefährdung durch die direkten und indirekten Folgen von Erdbeben größer ist.

1. Die Geologischen Gegebenheiten in Kalifornien und der San Francisco Bay Area

Kalifornien ist der am meisten durch Erdbeben (Erschütterungen des Erdbodens durch Vorgänge in der festen Erdkruste[1] ) gefährdete Staat der USA und gehört zu den am häufigsten von Erdbeben heimgesuchten Gebieten dieser Erde. Grund dafür ist die Lage am sogenannten Feuergürtel, dem seismisch sehr aktiven Randbereich rund um den Pazifik, in dem Erdbeben und Vulkanausbrüche in großer Zahl auftreten. Karte 1 im Anhang A zeigt den Feuergürtel.

In keinem Gebiet der Erde ist die seismische Aktivität höher als in dem zirkumpazifischen Feuergürtel. Etwa 80% aller weltweit und 90 % aller in den USA auftretenden Beben finden hier statt (Quellen: White, 1974: S. 160; Iacopi, 1996: S. 1).

Grund für das Auftreten von Erdbeben sind aufeinandertreffende tektonische Platten (Kontinentalplatten und Ozeanische Platten) aus der Lithosphäre, dem obersten Bereich des Erdmantels, den festes Gestein bildet, und der somit starr ist.

Beben treten in erster Linie an Plattengrenzen auf, was daran liegt, daß die Kontinentalplatten und die Ozeanischen Platten nicht aus "einem Guß" sind. Sie stammen zwar beide aus der Lithosphäre, die Ozeanischen Platten erreichen mit einer durchschnittlichen Mächtigkeit von 5 km aber nur etwa 1/7 der durchschnittlichen Mächtigkeit der viel älteren Kontinentalplatten[2]. Direkt auf einer solchen Plattengrenze liegt San Francisco. Die Platten der Lithosphäre schwimmen, vergleichbar mit Eisschollen, auf der Asthenosphäre, dem viskosen, weniger starren Bereich des Erdmantels. Auslöser für diese Bewegungen sind Konvektionsströme, die im Inneren der Erde entstehen, wenn Wärme an die Erdoberfläche dringt und dabei die Bewegungen der tektonischen Platten verursachen. Diese Plattenbewegung führt dazu, daß sich tektonische Platten an Verwerfungen oder Brüchen (Schwachstellen im Gestein), bzw. in Verwerfungszonen entweder aufeinander zu, auseinander oder aneinander entlang - an Scherungsrändern - bewegen. Letzteres ist bei der San Andreas-Verwerfung in San Francisco der Fall (siehe Abb.1), (Quelle: Seibold, 1995: S. 89 ff., S. 42). Da dieser Bewegungsablauf aber weder geschmeidig, noch konstant ist, da die tektonischen Platten keine glatten Ränder besitzen, verkeilen sich diese, während sie aneinander entlang geschoben werden und bleiben gelegentlich stecken. (Quelle: www.quake.wr.usgs.gov/hazprep/BayAreaInsert/inevitable.html).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Schema der San Andreas-Verwerfung. (Quelle: g-o Wissen)

Im Laufe der Zeit bauen sich so in den Gesteinsschichten durch ständige Deformierungen, enorme Spannungen auf. Diese entladen sich dann in Form von Erdbeben, wenn die Gesteinsschichten dem Druck nicht mehr standhalten können und zerbrechen, indem sich die verklemmten oder verkeilten Gesteinsschichten mit einem Ruck wieder lösen. Die Theorie, die diesem Vorgang zugrunde liegt, bezeichnet man als "elastic rebound theory". Dabei zerbricht ein Abschnitt der Verwerfung, der je nach Menge an aufgestauter Energie, unterschiedliche Länge haben kann. Bei dem Beben von 1906 zerbrach die San Andreas-Verwerfung nach Angaben des United States Geological Survey (USGS) auf einer Länge von 470 km, beim schwächeren Beben von 1989 nur auf einer Länge von 40 km (Quelle: www.quake.wr.usgs.gov/more/1906/).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Die Verwerfungen der San Francisco Bay Area (Quelle: USGS)

Ein Beben produziert bei der Freisetzung der Energie seismische Wellen, die sich vom Bebenherd im Untergrund, dem Hypozentrum, in alle Richtungen fortpflanzen (siehe Anhang B: Abb. 1). Das Epizentrum ist dabei der senkrecht über das Hypozentrum projizierte Punkt an der Erdoberfläche. Beim Aufeinandertreffen von Platten kommt es an deren Rändern somit auch zu Verbiegungen, Verkanntungen und Stauchungen, die durch die enormen Druckkräfte, die auf das Gestein ausgeübt werden, entstehen. Die Gesamtheit dieser Vorgänge wird als Plattentektonik bezeichnet (Quelle: Yanev, 1991: S. 8 ff., S. 18 f.).

Das Gebiet der Bucht von San Francisco, die San Francisco Bay Area, liegt in einer breiten Zone mit seismisch aktiven Verwerfungen (siehe Abb. 2 + 3), genau auf der Grenze zwischen der Nordamerikanischen Platte im Osten und der Pazifischen Platte im Westen. Diese beiden Platten bewegen sich an den Verwerfungen mit einer Geschwindigkeit von etwa 5 cm pro Jahr in horizontaler Richtung aneinander entlang (Quelle: www.walrus.wr.usgs.gov/cencal). Es kommt dabei zu gegenläufigen Bewegungen, da sich die Pazifische Platte in nordöstlicher Richtung, die Nordamerikanische sich aber relativ zu der Pazifischen Platte in südöstlicher Richtung fortbewegt. Der Hauptanteil dieses Bewegungsprozesses und der beschriebene Spannungsaufbau finden direkt an der San Andreas-Verwerfung statt, die den Süden San Franciscos in der angrenzenden Schlafstadt Daly City schneidet und im Westen an der Halbinsel San Franciscos vorbeiläuft, bevor sie im Nordwesten wieder ins Festland der Marin Halbinsel mündet. (Quelle: www.quake.wr.usgs.gov/hazprep/BayAreaInsert/inevitable.html). Insgesamt dehnt sich die Verwerfungszone der San Andreas-Verwerfung vom Cape Mendocino im Norden bis zur Salton Sea im Süden, an der mexikanischen Grenze und von den Offshore Bereichen des Pazifiks im Westen bis zum Great Central Valley im Osten (Zentralkalifornien) aus. Der San Andreas-Bruch selbst ist mit einer Länge von 1300 km, einer Breite von 300 m bis 1,6 km und 16 km Tiefe die größte und längste Verwerfung Kaliforniens (Quelle: www.pubs.usgs.gov/gip/earth3/safaultgip.html).

Mit 5000 Beben alleine in den letzten 200 Jahren (Quelle: Yanev, 1991: S. 1), von denen 500 stark genug waren, um nicht nur von Instrumenten bemerkt zu werden, ist die San Andreas-Verwerfung zudem noch die seismisch aktivste Verwerfung in Kalifornien. Weiteren Anteil an den Bewegungen innerhalb der San Andreas-Bruchzone haben Verwerfungen wie die Hayward-Verwerfung, ein Hauptzweig der San Andreas-Verwerfung, der direkt unter Oakland entlangläuft, sowie die Calaveras-Verwerfung, die im Osten an Oakland vorbeiläuft und in die Hayward-Verwerfung mündet. Beide durchziehen dichtbesiedeltes Land. Der Rodgers Creek im Nordosten von Oakland und die im Westen parallel zum San Andreas verlaufende San Gregorio-Verwerfung, sowie unzählige kleinere Verwerfungen (siehe Abb. 2 + 3) tragen ebenfalls zur Bewegung der Platten bei (Quelle: Yanev, 1995: S. 176 ff.).

Abb. 3: Satellitenfoto der San Francisco Bay Area mit den Verwerfungen (Quelle: USGS)

Die Bucht von San Francisco bildet eine tiefe, durch Verwerfungen und Faltungen entstandene Mulde, die im Osten durch die Hügelkette von Oakland und Berkeley und im Norden durch die Marin Halbinsel begrenzt wird. Die hügelige Halbinsel, auf der sich San Francisco befindet, erhebt sich bis zu 270 m über den Meeresspiegel und besteht aus zutage getretenem massiven Gestein, in das marine Sande, weiche Sandsteinschichten, Dünen-sande, Flußablagerungen, sowie anthropogenes Füllmaterial eingebettet sind (Quelle: White, 1974: S. 161). Die San Francisco Bay Area bildete sich, als sich der Block zwischen der San Andreas-Verwerfung im Westen und des Hayward Bruches im Osten absenkte (Quelle: www.stanford.edu/oldsp/joe/fault_images/bayareasanandreasfault.html).

Das Satellitenfoto in Abbildung 3 zeigt die rot eingezeichneten Verwerfungen in ihrer unmittelbaren Nähe zu Städten wie San Francisco, Oakland, Berkeley, San José, Santa Rosa, Santa Cruz, etc. (siehe auch Karte 3, Anhang A). Die verstädterten Bereiche erscheinen auf dem Bild grau.

Der Spannungsaufbau entlang dieser Verwerfungen ist konstant, die Entladung aber infrequent. Eine exakte Vorhersage von Erdbeben ist bis heute noch nicht möglich. Sicher ist nur, daß lange Ruhepausen zwischen Beben in einem größeren Abschnitt entlang einer Verwerfung darauf hindeuten, daß dort große Spannungen aufgebaut werden und daß ein kommendes Beben somit immer wahrscheinlicher und immer größer wird (Quelle: Seibold, 1995: S. 74 ff.). Nach der Menge der aufgestauten Energie richtet sich somit die Heftigkeit des Bebens.

Nur in einzelnen Bereichen des San Andreas gibt es eine annähernd konstante Kriechbewegung, die nur kleinere, aber regelmäßigere Erdbeben erzeugen kann, da hier keine Energie über längere Zeit aufgestaut wird. Andere Gebiete dagegen sind seit vielen Jahren völlig ruhig (Bsp.: die Hayward-Verwerfung). Diese vorübergehende seismische Inaktivität bezeichnet man als seismische Lücke. Hier werden in der Regel die heftigsten Erdbeben für die Zukunft erwartet.

Plattentektonik, die Architektur der Erde, verändert aber auch die Oberfläche der Erde. Dies geschieht durch Zerrungen, Streckungen, Hebungen und Senkungen und der damit verbundenen Bildung von sichtbaren Oberflächenformen wie sie auch in Kalifornien vorkommen: Täler, Mulden und lineare Anordnungen von Seen, Hügel-, Berg- und Gebirgsketten, Ausbildungen von Brüchen, Gräben, Klippen und Steilküsten, Buchten, Wasserscheiden und Bächen (Quelle: www.consvr.ca.gov/dmg/pubs/cg/teacher/faults). Wo Straßen, Wege, Gräben, Bachläufe oder Flüsse die San Andreas-Verwerfung schneiden, knicken sie nach rechts ab; ein Indiz für rechts-laterale Bewegung des San Andreas-Grabens ( Þ steht eine Person auf der Nordamerikanischen Platte und würde zur Pazifischen Platte sehen, so bewegt sich diese von ihr aus gesehen nach rechts fort), (Quelle:www.pubs.usgs.gov/gip/earthq3/safaultgip.html).

Diese enormen Kräfte sind somit auch im Stande, unter entsprechenden Umständen menschliche Bauwerke jeder Art zu zerstören.

Im Laufe der letzten 15-20 Mio. Jahre haben sich diese Nordamerikanische und die Pazifische Platte etwa 560 km aneinander entlang bewegt. Das ergaben Gesteins- und Vegetationsproben auf den jeweiligen Seiten der Verwerfung, die sich stark voneinander unterschieden und somit an diese Stelle transportiert worden sein mußten. Bei extrem starken Erdbeben kann der Versatz auch einige Meter auf einmal betragen. So verschoben sich die Nordamerikanische und Pazifische Platte beim großen Erdbeben von 1906 bei Point Reyes, 20 km nördlich von San Francisco, während des Bebens um bis zu 7 m und rissen Zäune, Straßen, etc. auseinander (Quelle: www.quake.wr.usgs.gov/more/1906/).

San Francisco hat seit 1906 kein großes San Andreas-Beben mehr erleben müssen, denn das Loma Prieta-Beben von 1989 (siehe Kapitel 5.1), das auch in San Francisco große Schäden anrichtete, war nicht die lange erwartete Wiederholung des "Big One", des großen Bebens von 1906 (Quelle: www.wr.usgs.gov/hazprep/BayAreaInsert.html). Es war lediglich ein mittelschweres Beben mit einer Magnitude von 7.1, das die San Andreas-Verwerfung nur auf einem kurzen Abschnitt vorerst entlastet hatte. In jedem anderen Abschnitt der San Andreas-Verwerfung staut sich Spannung also weiterhin auf, so daß hier zu jeder Zeit mit einem schweren Beben gerechnet werden muß (Quelle: www.eqe.com7publications/lomaprie/Lomaprie.html).

Neben der San Andreas-Verwerfung gilt nach Aussagen des Amerikanischen Geologischen Überwachungsdienstes, dem USGS, sowie Mitteilungen des Innenministerium an die Presse die Hayward-Verwerfung im Osten der Bucht inzwischen aber als gefährlicher als die San Andreas-Verwerfung. Gründe dafür sind der Verlauf der Spalte direkt durch San Franciscos Nachbarstadt Oakland mit sehr alter Bebauung und sehr hoher Siedlungsdichte, sowie die lange Zeit, die seit dem letzten Hayward-Beben bereits vergangen ist (Quelle: www.fta.gov/library/program/lesson.htm).

Aber auch die kleineren Verwerfungen, die über lange Zeit als unwichtig angesehen wurden, da sie nach historischen Berechnungen zum Teil schon 10.000 Jahre und mehr ruhig sind, können plötzlich Beben erzeugen, die genauso viel Schaden anrichten wie Beben der oben genannten Hauptverwerfungen. Zudem kommt noch das Problem hinzu, daß viele Brüche noch gar nicht identifiziert werden konnten, da sie im Verborgenen, oft kilometerweit unter der Erdoberfläche liegen und somit von der Erdoberfläche aus so gut wie gar nicht zu entdecken sind. Sie werden deshalb auch als "blinde" Verwerfungen bezeichnet. Brüche wie diese haben im Süden Kaliforniens seit der Mitte des 20. Jahrhunderts die schwersten Beben produziert (siehe Kapitel 5.1: Abschnitt über das Northridge-Beben). Erst seit den 70er Jahren ist man sich dieser versteckten Gefahr bewußt. Zuvor dachte man, nur die Hauptverwerfungen könnten große Beben verursachen (Quelle: Iacopi, 1996: S. 27 f.).

Das Ausmaß der durch ein Beben verursachten Schäden hängt in allererster Linie von der Heftigkeit des Bebens ab. Zum Messen der Stärke von Erdbeben gibt es verschiedene Verfahren. Das eine Verfahren gibt die Intensität an und kommt dabei ohne Instrumente aus, indem es sich auf Empfindungen und Schilderungen, sowie die Beurteilung der entstandenen Schäden beschränkt. Die andere Methode mißt die Magnitude, was die eigentliche Stärke des Bebens ist, mittels Seismographen.

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Wie schlimm die Folgen eines Bebens sind, hängt somit in erster Linie auch von der Intensität und der Magnitude des Bebens ab. Beide Begriffe sind in ihrer Bedeutung jedoch sehr unterschiedlich, obwohl sie häufig verwechselt werden. Da die Intensität in erster Linie von der Stärke des Bebens und Entfernung zum Epi- bzw. Hypozentrum abhängt, und San Francisco, sowie dessen Nachbarstädte in unmittelbarer Nähe zu diversen Verwerfungen in einer Verwerfungszonen liegen, muß davon ausgegangen werden, daß hier jederzeit große Intensitäten und damit verbundene Schäden an Bauwerken, etc. auftreten können. Ein ebenso gefährlicher Faktor, der die Intensität eines Bebens in San Francisco beeinflußt, ist der Untergrund in weiten Gebieten der Bucht (siehe Kapitel 4.1).

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2. Die geologischen Gegebenheiten in Japan und Tokyo

Auch die japanischen Inseln gehören zum zirkumpazifischen Feuergürtel. Ihre Lage im westlichen Randbereich des Pazifiks, direkt am Rand dreier tektonischer Platten, der Philippinischen, Eurasischen und Pazifischen (siehe. Abb. 4 und 5), gilt als besonders gefährdet. Der japanische Abschnitt des Feuergürtels gehört mit mehr als 1000 fühlbaren Beben pro Jahr - wie auch Kalifornien - ebenfalls zu den seismisch aktivsten Bereichen dieser Erde. Etwa 10 % aller weltweit registrierten Beben finden in Japan statt. Grund dafür ist die außerordentliche Labilität dieses Schwellenbereiches zwischen der hier aufeinander treffenden Phillipinischen, Eurasischen, Pazifischen und Nordamerikanischen Platte (Quelle: Robinson, 1994: S. 76). Die Plattengrenzen, die bei Japan zusammentreffen, sind der Nankai-Graben im südlichen Küstenbereich Honshus und entlang der südöstlichen Küstenbereiche von Shikoku und Kyushu, der Japan-Graben parallel zum östlichen Küstenbereich im Norden Honshus und Hokkaido und der Izu- (oder Ogasawara-) Graben, der zwischen der Pazifischen und Philippinischen Platte gelegen ist und von Osten her nahezu senkrecht auf die Küste Japans im Osten Tokyos trifft. Weitere Grenzen, an denen Erdbeben erwartet werden, sind der Suruga-Graben, der die Fortsetzung des Nankai-Grabens ist und Honshu in etwa bei Nagoya in nördlicher Richtung schneidet, sowie der Sagami Graben, der die Nahtstelle des Izu und des Japan-Grabens mit dem Suruga-Graben verbindet (siehe Abb. 4). Alle diese Gräben im kontinentalen Schelf sind Resultat der sich aufeinander zu bewegenden Platten. Die Pazifische Platte bewegt sich in westlicher Richtung auf die Eurasische Platte zu, die Philippinische in nordwestlicher. Die Eurasische Platte bewegt sich in etwa in östlicher Richtung den beiden anderen Platten entgegen.

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Abb. 5: Schema einer Subduktionszone (Quelle: g-o Wissen)

Durch die Kollision der Platten entstehen entlang der japanischen Küste sogenannte Subduktionszonen, in denen die dünneren und leichteren Ozeanischen Platten (Philippinische und Pazifische Platte) unter die schwerere Eurasische Kontinentalplatte absinken und in der Asthenosphäre wieder eingeschmolzen werden (siehe. Abb. 5). In Richtung der Ozeanischen Plattenränder rückströmendes Magma bildet an den Plattengrenzen Tiefseegräben, zu denen

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Abb. 6: Seismische Lücken in der Nähe Tokyos (Quelle: Hadfield, 1995)

auch die oben beschriebenen Gräben zählen (Quelle: Hadfield, 1995: S. 18 ff.) Bei diesem Vorgang des Unterschiebens wird die Kontinentale Platte nach unten gebogen. Löst sie sich aus dieser Verbiegung und bewegt sie sich so in die Ausgangslage zurück ("elastic rebound theory"), entstehen schwere Erdbeben (Quelle: Iacopi, 1996: S.58). Wie in San Francisco, so ist auch hier der Spannungsaufbau permanent. An Orten, an denen sehr lange keine seismische Aktivität gemessen wurde, spricht man auch hier von einer "seismischen Lücke". Eine solche Lücke, der "Tokai Gap", hat sich südwestlich von Tokyo entlang des Suruga-Grabens in der sogenannten Tokai-Region gebildet. Über eine weitere seismische Lücke ist man sich noch nicht im Klaren. Aber man vermutet einen weiteren "gap" östlich von Tokyo, entlang des Sagami Grabens (siehe Abb. 6), (Quelle: Hadfield, 1995: S. 21). Im Gegensatz zu den Verwerfungszonen im Bereich der San Francisco Bay Area schieben sich die tektonischen Platten also nicht aneinander vorbei, bzw. aneinander entlang, sondern kollidieren miteinander, was nicht nur die Gräben bildet und dabei schwere Erdbeben verursacht, sondern auch zur Ausbildung der japanischen Gebirgszüge geführt hat. Japan ist somit die Gipfelflur eines aus dem Ozean ragenden Gebirgszuges. Die Städte wurden in den wenigen flachen Tälern auf alluvialem Untergrund errichtet (Quelle: Hohn und Hohn in: Geogr. Rundschau 4/1990). Die höchsten Gebirgszüge erheben sich bis zu 3.000 m über den Meeresspiegel (Quelle: White, 1974: S. 231).

Wie Abbildung 7 zeigt, sind die Hauptverwerfungslinien die Median Tectonic Line, die in östlicher Richtung Kyushu schneidet und dabei Kobe und Osaka streift und einen Großteil der Bewegung der Philippinischen unter die Eurasische Platte kompensiert, sowie die Arima Takatsuki Line, einem Zweig der Median Tectonic Line, der genau zwischen Kobe und Osaka verläuft. Die Hauptstadt Tokyo liegt unweit der Subduktionszone, in der die Pazifische und die Philippinische Ozeanplatte unter die kontinentale Eurasiche Platte abtauchen. Gleichzeitig sinkt die Pazifische unter die Philippinische Platte ab. Infolge von Dislokationen des Meeresbodens kommt es zusätzlich zu submariner Vulkantätigkeit. Die geologische Situation der Hauptstadtregion ist also äußerst komplex (siehe Abb. 8). Takashi Kumamoto schreibt in seinem Aufsatz “Changes in Seismic Hazard“ (Quelle: “Geographical Reports“, 32/1997), daß die seismischen Beziehungen zwischen den einzelnen Verwerfungen in Japan neunmal größer sind als in Kalifornien. Tokyo liegt somit in einer seismisch sehr aktiven Zone, die sogar aktiver ist als das 1995 von einem schweren Beben heimgesuchte Gebiet um Kobe westlich von Osaka, obwohl das Gebiet um Tokyo nicht direkt von einer oder mehreren Verwerfungen durchzogen wird, wie zum Beispiel der Großraum von San Francisco. Erst in etwa 150 km Entfernung trifft man auf die nächste Verwerfung: den Arima Takatsuki-Bruch. (Quelle: www.eqe.com/publications/kobe/execsumm.htm). (Zum Vergleich: Die San Andreas Spalte ist knappe 10 km vom Stadtgebiet San Franciscos entfernt. Oakland befindet sich direkt auf der Hayward-Verwerfung.)

Aufgrund des überwiegend gebirgigen, bzw. hügeligen Geländes wurden die Städte in den wenigen engen Ebenen errichtet (siehe auch Karte 4, Anhang A), was schon bald zu extrem hoher Verdichtung und daraus resultierendem hohen Verstädterungsgrad als Ergebnis von schneller und ungeordneter Verstädterung, sowie unangemessener Landnutzung führte. Zusätzlich ergeben sich weitere negative Auswirkungen durch die Zunahme künstlicher Veränderungen der natürlichen Umwelt (Quelle: White, 1974: S. 231). So sieht sich Tokyo heute mit den Problemen konfrontiert, die aus dem unkontrollierten Wachstum, sowie aus Landgewinnung, etc. entstehen.

Abb. 8: Erdbebenszenarien mit Fokus direkt unter Tokyo (Quelle: Tokyo Metropolitan Government)

Ein großes Problem beim Verständnis der Erdbebenmechanismen stellt im Tokyoter Raum eine Vielzahl unerkannter Brüche direkt unter der Stadt dar; ein seltenes Phänomen, da Erdbeben innerhalb von Platten relativ selten auftreten. Nach Studien des National Research Institutes for Earth Science and Disaster Prevention gibt es verschiedene mögliche Erdbebenszenarios und Erdbebentypen, die direkt unter Tokyo ihr Hypozentrum haben (Quelle: Tokyo Metropolitan Govern-ment. 1997). Abbildung 8 beschreibt mögliche Szenarien, die sich unterhalb von Tokyo abspielen können. Die Bewegung der Ozeanischen Platten verursacht demnach nicht nur die Bildung von Gräben, sondern übt auch Druckkräfte auf die Kontinentalplatten aus. Wenn der Druck sich erhöht, werden die subterranen Platten im Inland unter der Stadt zerbrochen. Die so entstehenden Erdbeben sind normalerweise zwar schwächer und betreffen ein kleineres Gebiet. Da sich Tokyo aber direkt über einer solchen Schwächezone befindet, werden die hier erwarteten Intensitäten dennoch große Schäden verursachen. Tokyo ist, wie Abbildung 8 zeigt, von verschiedenen potentiellen Beben direkt bedroht. Andere Beben, die nicht direkt unter Tokyo ihr Hypozentrum haben werden, sind zum einen das Kanto-Beben, welches direkt bei Tokyo erwartet wird, zum anderen das Tokai-Beben, welches die seismische Lücke in der Suruga-Bay schließen wird (siehe Abb. 5). Dieses Beben wird noch vor dem großen Kanto-Beben, erwartet und wird sein Epizentrum somit zwar weiter entfernt von Tokyo haben als das Kanto-Beben. Dennoch muß in der Hauptstadt mit hohen Intensitäten gerechnet werden. Auch Tsunamis werden bei einem solchen Beben erwartet (Quelle: Hadfield, 1995: S. 74 ff. + 86 ff.).

In Tokyo gab es seit 1929, dem Jahr in dem die Nachbeben des großen Kanto-Bebens von 1923 aufhörten, keine Beben mehr mit einer Magnitude über M 4. Man erwartet aber täglich das große Kanto-Beben, das die seitdem aufgebaute Spannung wieder abbaut. Selbst wenn dieses eine Magnitude von M 7 wohl nicht erreichen sollte. Wie das National Research Institute for Earth Science and Disaster Prevention behauptet, werden die Intensitäten eines kommenden Bebens im Stadtgebiet von Tokyo jedoch ausreichen, um große Schäden anzurichten (Quelle: Hadfield, 1995: S. 38). Es sind somit nicht nur Jahrhundertkatastrophen, die Tokyo heimsuchen. Auch viele kleinere, dafür aber häufiger auftretende Naturereignisse richten enorme Schäden an, wenn sie verstädtertes Gebiet treffen. Vor zwei Jahren wurden zudem neue Warnungen veröffentlicht, denen zufolge das Tokai-Beben unmittelbar bevorstände, da das letzte Beben in dieser Region 1854 stattfand, und man für große Beben eine Wiederkehrdauer von etwa 140 Jahren berechnet hatte. Eine Zunahme der seismischen Aktivität in dieser Region mit diversen Beben um M 4 wird als Indiz für ein bevorstehendes großes Beben gewertet. Diese schwachen Beben setzten lediglich 0,1 % der Energie des erwarteten großen Bebens frei. Wie oben beschrieben, liegt Tokyo mit etwa 150 km Entfernung relativ weit entfernt von der Tokai-Region. Bei einem erwarteten Beben von M 8.1 werden die Schäden in Tokyo aber dennoch nicht zu unterschätzen sein. Ingenieure und Seismologen befürchten in erster Linie Schäden durch Bodenverflüssigung (Quelle: www.newscientist.com/nsplus/insight/quakes/anyday.html).

4. Gefahren von Erdbeben in Großstädten

Die Gefährdung durch Erdbeben ist vielschichtiger Natur. Die primären Effekte sind die Bodenbewegungen, die mit dem Einsturz oder der Beschädigung von Gebäuden verbunden sind. Die sekundären Effekte dagegen, die einem Beben folgen können, beinhalten Feuer, Erdrutsche, Tsunamis und Überschwemmungen. Die entstehenden Schäden lassen sich allgemein in vier Kategorien einteilen:

1. Verlust an Menschenleben, sowie physische und psychologiche Verletzungen
2. Zerstörung von Eigentum
3. Wirtschaftliche Schäden und indirekte Verluste durch sinkendes Steuer-einkommen, sinkende Produktionsraten, Löhne und Mieten, etc.
4. Ökologische Schäden (Quelle: White, 1974: S. 162).

Für Großstädte stellen Erdbeben eine besondere Gefährdung dar, da die hier zu erwartenden Schäden immer höher sein werden als in weniger besiedelten Räumen. Die große Diversität der Gefährdungspotentiale innerhalb einer Großstadt, sowie die große Anzahl an bedrohten Menschen schaffen somit eine gefährliche Umwelt für sämtliche Einwohner.

Erdbeben haben auf einzelne Bereiche innerhalb der Städte sehr unterschiedliche Wirkungen. Gründe dafür sind zum einen die unterschiedlichen Bauweisen, die die Stabilität der Gebäude bestimmen, zum anderen vor allem der Untergrund, sowie die unterschiedlichen Erdbebenwellen mit ihren jeweiligen Wirkungsweisen. (Mit den Problemen der unterschiedlichen Bauweisen, sowie mit den unterschiedlichen Auswirkungen des Untergrundes beschäftigen sich die Kapitel 4.1 und 4.2 in detaillierter Form.)

Die direkte Hauptgefahr, die von Erdbeben ausgeht und die auch die größten Schäden anrichtet, ist die Erschütterung oder Vibration des Bodens. Je nach Stärke des Bebens, Magnitude, bzw. Intensität, können diese Erschütterungen zum Einsturz eines Gebäudes oder Bauwerks führen, oder es zumindest stark beschädigen. Besonders gefährlich sind dabei die Oberflächenwellen (s. Anhang B: Abbildung 1), die als Zick-Zackbewegung oder als Rollen der Erdoberfläche sichtbar werden. Sie bewegen sich somit horizontal und vertikal, was bei stärkeren Beben sämtliche Bauwerke auf das Äußerste beansprucht (Quelle: Yanev, 1991: S.28). Die seismischen Wellen werden von weichen Böden (z. Bsp.: alluvialer Untergrund, Auffüllungen, etc.) verstärkt. Das heißt, daß die Erschütterungen in diesen Gebieten größer sind als in Gebieten mit festem Grundgestein. Sind diese Böden zudem noch schlecht verdichtet, was häufig bei Auffüllungen der Fall ist, so kann es zur Bodenverflüssigung (aus dem Englischen: Liquefaction) kommen. Hierbei füllen sich die Hohlräume im Boden mit Wasser, bis Sättigung eintritt. Der Untergrund reagiert bei den Bodenerschütterungen dann wie eine Art Treibsand mit der Folge, daß Häuser und sogar Autos in den Boden einsacken. Die dabei entstehenden Schäden reichen von Beschädigungen an Schornsteinen, Fundamenten, Fassaden, Decken und Wänden, etc. durch Risse bis zum Losreißen des Gebäudes vom Fundament oder zum Einsturz des Gebäudes (Quelle: www.ce.washington.edu/~liquefaction/html/quakes/loma/loma.html). Häufig kommt es dabei vor, daß sich ein Gebäude dabei verstellt und an den Seiten unterschiedlich weit absinkt. Die dabei auftretenden Schäden sind meist irreparabel. Besonders häufig ist die Bodenverflüssigung in augefüllten Gebieten in Küstenregionen, Seen-, Wasserreservior- oder Flußnähe, sowie in Bereichen mit hochstehendem Grundwasser. Eine weitere Gefahr der Bodenverflüssigung zeigt sich bei Schutzdämmen oder Deichen aus Erde. Im Bebenfall können sich die Poren des Damm- oder Deichmaterials ebenfalls durch Vibration des Bodens mit Wasser füllen, was einen Damm erheblich schwächen oder sogar brechen lassen kann (Quelle: Yanev, 1991: S. 53 ff, S. 73 ff.). Ähnliche Auswirkungen haben auch Risse und Spalten im Boden, die sich bilden und eine Tiefe von durchaus mehr als einem Meter, einer Länge von mehreren Metern und einer Breite von mehr als einem Meter erreichen können. Sie schwächen oder zerstören die Struktur eines Hauses, machen Straßen durch den aufgerissenen Straßenbelag unpassierbar, lassen Versorgungsleitungen bersten und unterhöhlen Eisenbahnschienen (Quelle: Yanev, 1991: S. 30 f., S.55).

Mögliche Nachbeben sind vor allem eine Bedrohung für bereits stark geschwächte Bauwerke. Nach Berichten des USGS sind die stärksten Nachbeben in der Regel nur etwa eine Stelle auf der Magnitudenskala schwächer als das Hauptbeben und somit eine nicht zu unterschätzende Begleiterscheinung eines großen Bebens, da sie ein beschädigtes Gebäude endgültig zum Einsturz bringen können. Es kann mitunter Jahre dauern, bis die Nachbeben eines schweren Bebens endgültig aufgehört haben. In der Regel treten Hunderte oder sogar Tausende von Nachbeben auf, die aber im Laufe der Zeit nach dem Beben verhältnismäßig rasch an Zahl und Magnitude abnehmen (Quelle: www.wr.usgs.gov/hazprep/BayAreaInsert/aftershocks.html). Die meisten von ihnen sind allerdings kaum vom Menschen zu spüren. Auch aus psychologischer Hinsicht sind die Nachbeben ein Problem, da sich die betroffene Bevölkerung nicht sicher sein kann, ob und wann eine Rückkehr in ihre Häuser sicher ist.

Bauwerke, die direkt auf Verwerfungen oder den sich bildenden Rissen stehen (s. Abb. 9), werden oft schon durch die normale permanente Bewegung des Bruches, die Kriechbewegung, die auch ohne spürbare Erdbeben von statten geht, im Laufe der Zeit auseinander gerissen. Bei Starkbeben sind sie natürlich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Folge von seitlicher Platten-verschiebung (Quelle: Yanev, 1991)

besonders gefährdet. Schon ein Versatz von wenigen Zentimetern richtet erheblichen Schaden an der Struktur des Gebäudes an (Yanev, 1991: S. 28). Vor allem an Scherungsrändern[3] von Platten kommt es vor, daß bei großen Beben ein Versatz von mehreren Metern auftritt. Durch diese gewaltigen Kräfte wird alles, was die Verwerfung kreuzt, geteilt. Zäune, Häuser, Wege, Straßen, Eisenbahnstrecken, Brücken, Dämme, etc. werden oft meterweit auseinander gerissen. Kein Bauwerk kann diesen enormen Kräften standhalten (Quelle: Seibold, 1995: S.54.). Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein Gebäude auf einer Haupt- oder einer Nebenverwerfung, also einem Zweig des Hauptbruches, steht.

Aber auch Gebäude, die nicht direkt auf einer Verwerfung stehen, sind stark gefährdet, da auch die bloße Nähe einer solchen seismischen Schwachstelle ein erhebliches Schadenspotential in sich birgt. Denn die Erschütterungen des Bodens können dort ebenfalls ein großes Ausmaß an Schäden am Gebäude hervorrufen. Somit ist die Frage, wie weit entfernt von einer Verwerfung man sicher ist, auch abhängig vom Untergrund (Quelle: Yanev, 1991: S. 36).

Besonders gefährdet sind Eckhäuser, da sie von mehreren Seiten freistehen und die seismischen Wellen genau wie Klippen (siehe unten) zurückwerfen, was die Struktur eines Gebäudes extrem beanspruchen kann (Quelle: Yanev, 1991: S. 80; vgl. Abb.: 28). Eine weitere Gefahr, die aus der Bebauung resultiert, sind nebeneinander stehende Gebäude mit unterschiedlicher Stockwerkzahl (siehe Abb. 10). Hierbei kommt es nicht nur vor, daß Trümmer des höheren Gebäudes das niedrigere beschädigen, sondern auch dazu, daß die Gebäude aufgrund ihrer unterschiedlichen Höhe mit unterschiedlicher Frequenz schwingen und sich so gegenseitig an der gemeinsamen Wand beschädigen, sofern die beiden Gebäude nicht sicher miteinander verbunden sind. Häufig kommt es dann zum Einsturz eines oder der beiden Gebäude. Abbildung 10 zeigt das Beispiel eines solchen (Teil-) Einsturzes bei einem Beben in Mexico City, 1985. Auch in San Francisco traten Schäden dieser Art beim Beben von 1989 auf. Gebäude, die gleich hoch sind, müssen ebenfalls gut miteinander verbunden werden, um ein mögliches „Gegeneinaderschwingen“, das auch durch unterschiedliches Baumaterial entstehen kann, zu verhindern (Quelle: Yanev, 1991: S. 78 f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Erdbebenfolgen bei Gebäuden unterschiedlicher Höhe (Quelle: Yanev, 1995)

In der Stadt stellen neben einstürzenden Gebäuden berstende Glasscheiben, insbesondere von Glasfassaden der Wolkenkratzer, eine große Gefahr dar, da ein Regen aus Glassplittern eine wahre Dolchwirkung hat und auf diese Weise viele Menschenleben kosten kann. Auch zusammenfallende Ziegelmauern, Schornsteine, Dachstühle, abbrechende Äste oder umstürzende Bäume an Straßenrändern oder in Parks, sowie losgelöste Fassadenteile stellen eine enorme Bedrohung dar; nicht nur für Passanten, sondern auch für Verkehrsteilnehmer in Fahrzeugen, da losgelöste Mauersteine oder Dachziegel in großer Menge ohne Mühe in der Lage sind, nicht nur Fahrzeugscheiben sondern auch deren Dächer zu zerschlagen. Herunterfallende Vordächer, Ornamente, Werbetafeln, Backsteinfassaden, schlecht verankerte Klimaanlagen an Fenstern und Wassertanks auf Dächern, also sämtliche Objekte an und auf Gebäuden, die im Bebenfall hinabstürzen können haben dieselbe Wirkung (Quelle: Hadfield, 1995: S. 83). Trümmerteile oder eingestürzte Gebäude haben neben der direkten Bedrohung von Passanten die Nebenwirkung, Straßen unpassierbar zu machen, was in erster Linie für Rettungskräfte und Flüchtende enorme Behinderungen darstellt. Die Blockaden und die Flüchtenden addieren sich für Rettungsmaßnahmen als doppelt großes Hindernis.

Eine erhebliche Gefährdung entsteht durch die zahlreichen, oft zweistöckigen Stadtautobahnen, sowie durch Brücken und Zubringer von Highways, bzw. Autobahnen. Insbesondere weicher Untergrund ist ein schlechter Untergrund für Hochstraßen und Brücken, wie Beben immer wieder zeigen. Bodenverflüssigung alleine kann diese Highways bereits zum Einsturz bringen (Quelle: www.usgs.gov/wid/html/HRDS.html). Beispiele lieferten in jüngster Vergangenheit das Beben von 1989 bei San Francisco, das Northridge-Beben in Kalifornien von 1994, sowie das Beben von Kobe, exakt ein Jahr nach dem Northridge-Beben. Bei jedem dieser Beben stürzten große Teile der Stadtautobahnen bzw. Zubringer zu Autobahnen und Brücken ein, obwohl sie als sicher galten. Ihr Einsturz forderte dennoch zahlreiche Todesopfer (siehe auch Kapitel 5.1 und 5.2). Schlechte Bauweise kann der Instabilität noch zuträglich sein. So hätte man den Einsturz einer Hochstraße in Kobe eventuell verhindern können, wären deren Betonpfeiler mit einem Stahlmantel versehen gewesen. So zerbröckelten die Pfeiler regelrecht (Quelle: Fernsehsender Phoenix: „Wenn die Natur zuschlägt“, 17.09.2000).

Eine sehr große Bedrohung geht auch von den häufig nach einem Beben ausbrechenden Feuer in der Stadt aus. Die Gründe hierfür sind meist aus geborstenen Gasleitungen austretendes Gas, umgestürzte Öfen oder Herde. Jede von Beben bedrohte Stadt unterrichtet ihre Bürger, in einem Bebenfall sofort das Gas und gegebenenfalls auch den Strom und das Wasser abzustellen (Quelle: Seibold, 1995: S. 57). Allerdings muß davon ausgegangen werden, daß sich nicht jeder daran hält, oder vielleicht nicht in der Lage ist, das Gas abzustellen. Somit kann diese Gefahr nie gebannt, sondern höchstens einigermaßen minimiert werden. Da es passieren kann, daß das Löschwasser aufgrund von Rohrbrüchen knapp wird, oder von weit her transportiert werden muß, können sich die scheinbar unvermeidbaren Feuer oft schnell und weit ausdehnen. Hierbei kommt es oft zu einem Feuersturm, der auf Grund der Sogwirkung entsteht, wenn sich Feuer gegenüberstehen und sich ein Vakuum durch aufsteigende Luft zwischen den Feuern bildet. Ein Feuersturm kann so stark sein, daß er Dächer abreißen und immer weitere Feuer entfachen kann (Quelle: Harris in „Bebende Erde“, 1997: S. 161 f.). Umherwirbelnde Trümmerteile stellen eine zusätzliche Bedrohung dar. Es entstehen Temperaturen von bis zu 1000° C, die sogar Stahl verbiegen. So ist es extrem schwierig, diese Brände unter Kontrolle zu bekommen. (Quelle: Hadfield, 1995, S.3 ff.). Bei fast allen großen Erdbebenkatastrophen des 20. Jahrhunderts vernichteten die Feuer weite Teile der Stadt. Beispiele für Beben mit der sekundären Auswirkung in Form eines Feuersturms sind das Beben in San Francisco von 1906, sowie das Tokyo-Beben von 1923. Auch in neuerer Zeit kam es zu Flächenbränden und Feuerstürmen, wie 1995 in Kobe, wo mehr als 150 Feuer ausbrachen und sich schnell zu großen Feuern ausdehnten, zumal die Löschwasserzufuhr aufgrund geborstener Leitungen unterbrochen war (Quelle: www.eqe.com/publications/kobe/execsumm.htm). Ein wichtiger Faktor bei der möglichen Ausbreitung von Flächenbränden ist das Klima, bzw. Wetter. Trockenheit erhöht die Brandgefahr ebenso wie hohe Temperaturen. Hauptfaktor ist jedoch der Wind. Je stärker er bläst, desto schwieriger werden die Löscharbeiten. Ein Taifun wie in Tokyo 1923 in Verbindung mit fehlendem Löschwasser machen eine Katastrophe unausweichlich (Quelle: Hadfield, 1995: S. 4). Mit den Feuern verbunden ist auch das Problem der Rauchentwicklung, sowie der Freisetzung von giftigen Gasen, die im Extremfall wie dem Tokyo-Beben von 1923 dazu führen können, daß Personen oft noch in ihren Häusern oder aber auf offener Straße ersticken können (Quelle: Hadfield, 1995: S. 9).

Auch Überschwemmungen ganzer Straßenzüge werden durch Brüche der Hauptwasser- und Abwasserleitungen verursacht. Eine zerstörte Kanalisation hätte zudem schwerwiegende Auswirkungen auf die sanitäre Situation einer Stadt. Im äußersten Fall, wenn es nicht nur Tage, sondern sogar Wochen dauert, bis die (Ab-) Wasserleitungen repariert sind, könnte es zur Ausbreitung von Krankheiten und Seuchen kommen, wenn Millionen Menschen tage- oder wochenlang ohne Trink- und Abwasserversorgung auskommen müssen (Quelle: Hadfield, 1995: S. 12).

Im Untergrund einer Stadt können die Bebenwellen Gas- und Wasserleitungen, sowie Strom-, Telefon- und weitere Kabel zerreißen, was zum Zusammenbruch der Gas-, Strom- und Wasserversorgung, des Telekommunikationsnetzes und somit der Kommunikation mit Gebieten außerhalb der Katastrophenregion führen kann. Stromleitungen reißen häufig an Tausenden von Stellen in einer Stadt (Quelle: Seibold, 1995: S.20). Somit dauert es oft sehr lange, bis die Stromversorgung wieder gewährleistet ist. Ein großes Problem würden diese Stromausfälle für Krankenhäuser, Banken und die Börse, sowie Stützpunkte der Einsatzkräfte darstellen, wenn deren Notstromaggregate bei dem Beben ebenfalls zerstört worden sein sollten (Quelle: Seibold, 1995: S.54 f.).

An der Erdoberfläche stellen abgerissene Stromkabel als sogenannte “live wire“ ebenfalls eine große Gefahr dar, da sie herumwirbeln und Passanten verletzen oder sogar töten können. Auch Brände können möglicherweise durch diese abgerissenen Kabel entstehen, wenn in der Nähe Gas ausströmt. Größere Wasserflächen, die durch Rohrbrüche entstanden sein können, werden aufgrund der Stromleitfähigkeit des Wassers ebenso zu einer potentiellen Gefahrenquelle wie geborstene Pipelines unter- oder oberhalb der Erdoberfläche. Die Stromversorgung wird insbesondere auch dann unterbrochen, wenn neben den Leitungen die zahllosen Porzellankomponenten an Strommasten sowie in Kraftwerken zerbrechen (Quelle: Yanev, 1991: S. 150). Kraftwerke müssen aufgrund von Beschädigungen in Schaltkreisen oft tage- oder sogar wochenlang vom Netz (vgl.: www.eqe.com/publictaions/lomaprie/lomaprie.htm). Kommunikationsnetze fallen ebenfalls häufig nach Beben aus. Notrufe erreichen somit oft gar nicht, oder nicht rechtzeitig, die gewünschte Rettungszentrale. Die wenigen noch bestehenden Telefonleitungen werden oft durch besorgte Anrufer überlastet, was die Koordination von Rettungsarbeiten oft zusätzlich erschwert.

Der Ausfall der Versorgungsleitungen hätte in Städten während eines kalten Winters noch die Auswirkung, daß Heizungen nicht mehr funktionieren und stattdessen benutzte Öfen wiederum Brände verursachen können. Auch noch nicht reparierte Gasleitungen können beim Versuch des Wiederanstellens von Heizungen und Herden Brände und Explosionen verursachen (Quelle: Iacopi, 1996: S. 116).

Die Oberflächenwellen haben bei Starkbeben zudem die Kraft, ganze Gebäude und Brücken mit einem Schlag einstürzen zu lassen, Eisenbahnschienen zu verbiegen und so Züge zum Entgleisen zu bringen, sowie Staudämme bersten zu lassen (Quelle: Seibold, 1995: S. 54). Bei stärkeren Beben ist es zudem unmöglich, sich auf den Beinen zu halten, was es schwierig macht, sich in Sicherheit zu bringen. Auch Autofahren ist bei Starkbeben nicht unproblematisch und kann beim Versuch weiterzufahren, Unfälle verursachen.

An Küsten können ganze Klippen abbrechen und ins Meer stürzen, da die seismischen Wellen an der zum Meer offenen Seite zurückgeworfen werden und sich so verstärken (Quelle: Harris in „Bebende Erde“, 1997: S. 161 f.). Hinzu kommt, daß Klippen an der Seite zum Meer hin frei stehen; das heißt, sie werden hier nicht von festem Untergrund gestüzt, was die Stabilität zusätzlich mindert und oft zu gewaltigen Erdrutschen führt. Ähnliche Situationen können an Hügelketten oder am Rand von Gebirgen entstehen. In Küstenregionen können zudem Tsunamis entstehen. Tsunamis sind eine Reihe von seismisch bedingten Wellen, die sich mit einer Geschwindigkeit bis 800 km/h fortpflanzen und beim Auftreffen auf die Küste oft bis 20 m hoch sein können. Die Kraft dieser Welle reißt alles mit sich, was ihr in den Weg kommt und birgt die zusätzliche Gefahr durch mitgeführte Trümmer, Boote, Autos, etc. (Yanev, 1991: S.60 ff.).

Ein nicht zu unterschätzender Faktor, der die Auswirkungen von Beben beeinflußt, ist die Zeit, in der das Beben stattfindet. Findet es in der Mittagszeit statt wie das Kanto-Beben von 1923, sind Brände sehr wahrscheinlich, da allerorten gekocht wird. Auch die kalte Jahreszeit hätte eine ähnliche Wirkung, da Öfen beim Umstürzen Brände verursachen. Findet ein Erdbeben um die Hauptverkehrszeit am frühen Abend statt, ist ein Verkehrschaos nicht zu vermeiden, was es für Rettungskräfte unmöglich machen wird, schnell zu den Einsatzorten zu gelangen. Zudem könnten stark befahrene einstürzende Brücken oder Autobahnen zusätzliche Opfer fordern, was insbesondere in den frühen Abendstunden der Fall sein würde. So war es auch 1989 beim Loma Prieta-Beben in San Francisco (Quelle: Harris in „Bebende Erde“, 1997: S. 164).

Eine weitere Gefahrenquelle sind Erdrutsche und Schlammlawinen in hügeligem oder bergigem Gelände, die Gebäude, die direkt am Hang erbaut sind beschädigen oder zerstören können. Gleiches gilt für Bauwerke am Fuße von Hügeln oder Bergen. Selbst kleinste Rutschungen von wenigen Zentimetern können die Fundamente eines Hauses derart beschädigen, daß sie unbewohnbar werden. Diese Gefährdung ist in hügeligen Gebieten, die durch Erdbeben bedroht sind, selbst bei kleineren Beben gegeben. Erdrutsche treten vor allem an schlecht aufgefüllten Hängen auf, an denen stabiler Untergrund durch Einschnitte in den Hügel unterbrochen wurde, um dort Grundstücke anzulegen. Aber auch auf Hügeln mit festem Untergrund können Rutschungen auftreten, wenn die Auflage (natürlich oder aufgefüllt) durch zuviel Stauwasser gesättigt ist und so auf einem Gleithorizont (z. B.: Ton) nach unten rutscht (Hangfließen). Auch welliger Untergrund ist durch Bodenverflüssigung gefährdet. Beeinflussende Faktoren sind neben dem Untergrund die Hangneigung, mögliche Wasseradern, Neigung der Schichten im Untergrund, Niederschlagsmenge und Höhe des Wasserspiegels, Art und Menge der Vegetation und Nähe zur Verwerfung. Gebäude, die am Hang zudem auf Stelzen errichtet wurden, sind in der Regel sehr unsicher bei Erdbeben. Im Extremfall kann es durch Erdbeben auch zu Schlammlawinen kommen, die ganze Ortschaften oder Stadtteile unter sich begraben können (Quelle: Yanev, 1991: S. 63 ff.).

Gefährdet ist aber auch der Schienenverkehr. Schnellzüge, Regionalzüge, Pendlerzüge, Straßen- und U-Bahnen laufen in jeder Großstadt zusammen. Insbesondere Schnellzüge sind in diesen Fällen potentielle Todesfallen (Quelle: Seibold, 1995: S. 146). Aber auch Tunnel der U-Bahnen können bei stärkeren Beben den Belastungen möglicherweise nicht standhalten. Aber selbst, wenn sie standhalten, würde ein langfristiger Stromausfall in einem Tunnel, oder eine in einem Tunnel entgleiste U-Bahn eine große Gefährdung oder zumindest eine enorme psychische Belastung der Passagiere darstellen. Auch eindringendes Wasser wäre eine Bedrohung, zumal die U-Bahnen in der Regel mit Strom betrieben werden und es so zu gefährlichen Kurzschlüssen kommen kann. Pendler in der U-Bahn von San Francisco, der BART (Bay Area Rapid Transportation), die zur Zeit des Loma Prieta-Bebens unterwegs waren, bemerkten das Beben, bzw. dessen Folgen allerdings erst beim Aussteigen (Quelle: Tower Tours, San Francisco). Es gibt aber keine Garantien, daß die U-Bahnschächte auch Starkbeben standhalten.

Ausbrechende Panik wäre in jedem Fall ein großes Problem, da Menschenmassen in Panik unkontrolliert handeln, bei Flucht vielleicht die Straßen verstopfen oder durch vermeintlich wichtige Telefonate die vielleicht noch bestehenden Netze überlasten und somit eine Koordination von Rettungsarbeiten oder eventuelle Evakuierungsmaßnahmen erschweren, wenn wichtige Notrufe nicht mehr durchkommen. So sind auch die psychologischen Auswirkungen von Erdbeben in einer Großstadt sind nicht zu unterschätzen. Eine Massenpanik könnte erhebliche Probleme bei eventuellen Evakuierungsmaßnahmen mit sich bringen. Die Folgen von Beben sind in psychologischer Hinsicht oft zunächst Furcht als erste Reaktion auf die Erdstöße (häufig auch als Reaktion auf Nachbeben), oft gefolgt von Panik, aber auch spontaner Solidarität und Hilfsbereitschaft. Situationen wie die oft katastrophalen Zustände nach einem Erdbeben werden häufig auch genutzt, um Geschäfte zu plündern. Depressionen sind oft die Folge von erlittenen Verlusten (Quelle: Seibold, 1995: S. 53).

Es besteht in jeder Großstadt zudem die Möglichkeit, daß die Rettungskräfte selbst direkt durch das Erdbeben betroffen sind. Die Einsatzzentralen können durchaus auch selbst Opfer des Bebens werden, so daß Einsatzfahrzeuge nicht mehr einsatzbereit sind, da sie beschädigt oder verschüttet worden sind.

4.1 Gefahren durch Erdbeben in der Großstadtagglomeration von San Francisco

San Francisco liegt auf einer Halbinsel an der Küste Nordkaliforniens. Diese Lage hat für die Stadt, betrachtet man die außerordentliche Gefährdung durch Erdbeben, den Vorteil, daß sie sich - zumindest nach Westen, Osten und Norden - nicht weiter ausdehnen kann. So hatte das Stadtgebiet von San Francisco bei der letzten Erhebung im Jahre 1992 nur 728.921 Einwohner (Quelle:www.zpubs.com/sf/sf-pop.html).

Die gesamte Bay Area, die mit mehr als 6,5 Mio. Einwohnern die fünftgrößte Großstadtagglomeration der USA darstellt, umfaßt neben San Francisco auch die Großstädte San José, Oakland, Berkeley, sowie das Silicon Valley, das Weltzentrum der Hightech- und Computerindustrie (siehe Anhang A, Karte 3), (Quelle: www.angelfire.com/on/predictions/sanfran.html).

Aufgrund der Schönheit der Bucht, sowie der strategisch günstigen Lage hinter einer schmalen Einfahrt, dem “Golden Gate“, sowie aufgrund von großen Goldvorkommen in den Bergen wuchs die Stadt seit Mitte des 19. Jahrhunderts rapide. Die zahlreichen Hügel, sowie der natürliche, geschützte Hafen, trugen weiter dazu bei, daß San Francisco schon früh zu einer bevorzugten Stadt wurde (Quelle: Parfitt in „San Francisco“, 1988: S. 31 ff.). San Francisco wurde so schon früh zu einem der wichtigsten Häfen in Nordamerika. Insbesondere nach Öffnung des Panama Kanals 1915 gewannen San Francisco und Oakland an Bedeutung (Quelle: White, 1974: S. 160).

Diese nachfolgende Abbildung des Stadtgebietes von San Francisco zeigt die einzelnen Bezirke und Stadtviertel, die im weiteren Text desöfteren vorkommen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11: Das Stadtgebiet von San Francisco (Quelle: webstart)

Trotz der Hügel legte man die Straßen rechtwinklig an, statt sie in Serpentinen die zum Teil sehr steilen Hügel hinaufzuführen. Lediglich die Market Street, die größte Straße in San Francisco, sowie einige wenige Ausnahmen, schneiden dieses Muster. Selbst nach dem Beben von 1906 änderte man nichts an diesem Konzept und baute die Stadt nahezu genau so wieder auf, wie sie vor dem Beben war. Auch das Wachstum der Stadt wurde nicht durch die Katastrophe gestoppt oder gemindert (Quelle: White, 1974: S. 161).

Zahlreiche Parks verschönern das Stadtbild, in dem sich zunehmend der Reichtum bemerkbar macht. Slums gibt es nicht. Selbst das ehemalige heruntergekommene Lagerschuppenvierel South of Market (SOMA), wird mehr und mehr zu einem Hightech-Viertel mit in Luxuswohnungen umgebauten Lagerhallen - sogenannten Lofts - und modernen Kinokomplexen. Lediglich der Bezirk Tenderloin ist etwas heruntergekommenen. Hier gibt es überwiegend alte Backsteinbauten. Das Bankenviertel mit seinen Wolkenkratzern ist übersichtlich und beschränkt sich auf einen relativ kleinen Bereich entlang der Market Street und zwischen Chinatown, North Beach und SOMA. Höchstes Gebäude ist die als erdbebensicher geltende Transamerika Pyramide mit einer Höhe von 260 m (Quelle: Informationsbroschüre: “About Transamerica“). Die Gebäudehöhe für Wohnhäuser in San Francisco beträgt in der Regel zwei bis fünf Stockwerke. So sind die Hochhäuser des Finanzviertels die einzigen Gebäude, die aus dem Stadtbild herausragen. Die insgesamt niedrige Bauweise ist der Erdbebengefahr angepaßt. Wohnblocks sind ebenfalls wesentlich kleiner als beispielsweise die riesigen Wohnblocks in Tokyo.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 12: Verwerfungen der SFBA mit errechneten Wahrscheinlich- keiten eines Bebens (Quelle: USGS)

[...]


[1] Quelle: Diercke, 1993

[2] Kontinentalplatten werden zum Teil sogar 100 km und mehr dick (Seibold, S.89, 1995), Ozeanische bis 10 km (Diercke, 1993).

[3] Siehe Kapitel 2 für Details.

Ende der Leseprobe aus 128 Seiten

Details

Titel
Erdbebenrisiken in Großstadtagglomerationen
Untertitel
Eine Analyse der Gegenmaßnahmen in den Räumen San Francisco und Tokyo
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Geographisches Seminar)
Note
2,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
128
Katalognummer
V11882
ISBN (eBook)
9783638179270
ISBN (Buch)
9783640860319
Dateigröße
5859 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
erdbeben, san francisco, tokyo, gegenmassnahmen, gefährdung, risiken, geologie, tektonik, Tokio, Plattentektonik, The Big One, big one, Bay Area, Kalifornien, Warten auf das große Beben, Folgen von Beben, Beben
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Thomas Schöll (Autor:in), 2000, Erdbebenrisiken in Großstadtagglomerationen , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11882

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