Nationaler Normenkontrollrat auf Bundesebene - Status und Wirken


Seminararbeit, 2010

21 Seiten, Note: 8,0


Leseprobe


I. Einleitung

Burokratiekosten[1] stellen einen wesentlichen Teil der burokratischen Belastungen dar, mit denen Privatpersonen und Unternehmen sich auseinandersetzen mussen. Um gesetzliche Pflichten zu erfullen, mussen Unternehmen erhebliche Ressourcen aufwenden anstatt sie produktiv zu nutzen. Die Folgen sind neben einer Lahmung des Wirt- schaftssystems der Ruckgang des Wohlstandes in der Gesellschaft. Daher wird das Bedurfnis nach Burokratieabbau immer grofier. Schon seit Jahrzehnten und auch gegenwartig werden immer energischer Be- strebungen gefuhrt, Burokratie in Deutschland abzubauen. Viele Pro- jekte, Kommissionen und Reformen fur Burokratieabbau sind in den letzten Jahren umgesetzt worden.[2] In der politischen Debatte fehlt es aber an der gebotenen Klarheit, welche Inhalte mit der Forderung nach Burokratieabbau verbunden sind. Die Frage danach, ob es einen erkennbaren Fortschritt bezuglich des Burokratieabbaus gegeben hat, wird von vielen Experten auf diesem Gebiet verneint.[3] Dies liegt unter anderen daran, dass kein allgemeiner Konsens uber Form und Inhalt guter Regulierung und guter Verwaltung nachgewiesen werden kann und die notige Transparenz uber die Regulierungsfolgen fehlt (ex post wie ex ante).[4]

Mit dem Nationalen Normenkontrollrat wurde nun eine Institution ge- schaffen, die in besonderer Weise die durch eine Rechtsnorm verursa- chten Burokratiekosten analysieren und verringern soll. Unter dem Motto „Burokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ vom 25. April 2006 wird ein neuer Anlauf zur Verbesserung der Regulierungsquali- tat in Deutschland genommen.[5] Als Zielsetzung sollen bis zum Jahre 2011 Burokratiekosten um 25% reduziert werden.[6] Dabei geht die Ein- richtung des Nationalen Normenkontrollrates auf eine Koalitionsver- einbarung[7] vom Jahr 2005 der Grofien Koalition zwischen CDU, CSU und SPD zuruck, die mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Ein- richtung eines Nationalen Normenkontrollrates (NKR-Gesetz)[8] vom 14. August 2006 umgesetzt wurde. Allein die Errichtung dieses Geset- zes unterstreicht die politische Bedeutung dieses Gremiums und die entsprechende Durchsetzungskraft gegenuber der Verwaltung. Sicher- lich ist der Nationale Normenkontrollrat eine grofie Chance fur Deut­schland. 1st seine Arbeit aber nicht von Erfolg gekront, dann werden auch die Bemuhungen um Burokratieabbau und bessere Rechtsetzung auf der Strecke bleiben. Die folgende Arbeit untersucht die Funktion, den Status und die Wirkungsmoglichkeiten des kurzlich errichteten, im Bundeskanzleramt angesiedelten, Nationalen Normenkontrollrates.

II. Vorbild: Niederlandisches Modell

Die im Koalitionsvertrag angekundigte Einrichtung eines Normenkon- trollrates ist ein Novum im Prozess der Gesetzesentstehung der Bun- desrepublik Deutschland. International sieht die Situation anders aus. Eine wesentliche Rolle bei der Zielsetzung des Nationalen Normen- kontrollrates hat das erfolgreich bewertete niederlandische Vorbild des ,, Advies College Toetsing Administrative Lasten“ ( ACTAL) ge- spielt, dass aufgrund seiner Einfachheit uberzeugt.[9] Begonnen hatte dies mit der von dem niederlandischen Wirtschaftsministerium einger- ichteten Organisation namens IPAL.[10] Sie prasentierte im Jahr 2003 das Standard-Kosten-Modell unter dem Titel „Meten is Weten“ (Messen ist Wissen).[11] Das Ziel der Niederlander bis zum Abschluss des Jahres 2007 mindestens 25% der Burokratiebelastung abzubauen, wurde bereits Ende 2005 grofitenteils erreicht.[12] Alle dazu erforderli- chen Rechtsanderungen waren einstimmig im Parlament beschlossen worden. Durch diesen Erfolg ermutigt, haben zahlreiche Lander in Eu- ropa versucht ein ahnliches Modell zu konstruieren und entweder Pi- lotprojekte oder sogar Vollerhebungen mit Hilfe des Standard-Kosten- Modells durchgefuhrt.

ACTAL begleitet als unabhangiges Beratungsgremium seit 2000 die niederlandische Regierung und das Abgeordnetenhaus bei Gesetzes- initiativen. Es wird auf Anfrage der verschiedenen Ministerien, des Parlaments oder einzelner Departments tatig und fordert diese auf, den Verwaltungsaufwand fur neue Rechtsnormen zu berechnen oder Al- ternativen vorzuschlagen. Anschliefiend uberpruft es die Berechnung, indem es einzelne Betriebe und Burger auswahlt, die durch die Aufer- legung von Informations -, Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten, also mit Burokratiekosten, belastet werden. Nach einer sogenannten Standard- Kosten- Methode erfolgt die Berechnung der Belastung durch Burokratiekosten. Werden die Stellungnahmen des ACTAL zur Kostenbelastung nicht akzeptiert, hat ACTAL das Recht, sein Votum dem Gesetzesentwurf bei Einbringung ins Parlament hinzuzufugen. ACTAL stellt die bedeutendste Sicherung zur Uberwachung des Buro- kratieabbaus dar. Um den Prufungsmafistab des ACTAL bzw. des Na- tionalen Normenkontrollrates zu verstehen, bedarf es einer Erlaute- rung des Standard-Kosten-Modells.

1. Funktionsweise des Standard-Kosten-Modells

Das Standard-Kosten-Modell ist die systematische Schatzung der Kosten, die den betroffenen Wirtschaftsunternehmen durch die Erful- lung staatlicher Informationspflichten entstehen. Es misst die admini- strativen Kosten aufgrund staatlicher Gesetzgebung. In die Betrach- tung mit eingeschlossen sind auch solche Tatigkeiten, die ein Unter- nehmen fortsetzen wurden, wenn die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben entfallen wurden. Nicht erfasst werden aber diejenigen ad- ministrativen Tatigkeiten, die keine Beziehung zur Gesetzgebung haben, d.h. administrative Aufgaben, die Unternehmen im Zusammen- hang mit dem laufenden Geschaft fuhren und die nicht zur Erfullung gesetzlicher Vorgaben dienen. Damit die gesetzlich geforderten Infor- mationen vom Pflichtigen beschafft werden konnen, mussen fur die Datenanforderung spezifische, administrative Tatigkeiten und Hand- lungen vorgenommen werden. Das Standard-Kosten-Modell ermittelt nun die Kosten fur die Bewaltigung jeder daf^r erforderlichen Tatig- keit. Um eine Kostengrofie ermitteln zu konnen, muss eine Anzahl von Kosten-Parametern erhoben werden. Zu diesen Parametern zahlen der Preis,[13] die Zeit[14] und die Qualitat.[15] Die Verbindung dieser Ele- mente ergibt die folgende Basisformel fur das Standard-Kosten-Mo- dell:

Kosten fur administrative Tatigkeiten (oder fur die Anforderung von Daten)= Preis x Zeit x Qualitat (Zahl der Betriebe x Frequenz) [16] Das Standard-Kosten-Modell hat den entscheidenden Vorteil, dass es sich auf die Moglichkeit zur Verbesserung der Verfahrensgestaltung im Verhaltnis Staat-Wirtschaft konzentriert und damit weitgehend die konfliktauslosenden Fragen nach Zielen, Wertungen und materiellen Standards vermeidet.[17] Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie. Man fragt also nicht, ob ein bestimmter Umwelt- oder Arbeitsschutz- standard sein muss, sondern lediglich, ob der Staat tatsachlich die ver- langten Informationen von den Unternehmen in dieser Haufigkeit und Genauigkeit braucht und ob diese Daten nicht weniger kostentrachtig (fur die Wirtschaft) beschafft werden konnen. Das niederlandische Modell zeigt, dass so ein parteiubergreifender Konsens zumindest moglich ist. Dass der Aufgabenbereich und die Funktionsweise des Nationalen Normenkontrollrates in Anlehnung an sein niederlandi- sches Pendant, dem ACTAL, entwickelt wurden, erscheint uberzeu- gend.[18]

[...]


[1] Legaldefinition in § 2 I NKR- Gesetz: ,,Burokratiekosten im Sinne dieses Gesetzes sind solche, die naturlichen oder juristischen Personen durch Informationspflichten entstehen. Informationspflichten sind aufgrund von Gesetz, Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift bestehende Verpflichtungen, Daten und sonstige Informatio- nen fur Behorden oder Dritte zu beschaffen, verfugbar zu halten oder zu ubermitteln. Andere durch Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung oder Verwaltungsvorschrift ent- stehende Kosten sind nicht umfasst.“ Beispiele fur Informationspflichten: Antrags- , Melde-, Berichts oder Statistikpflichten, Bilanzierungspflichten von Unternehmen, Energiekennzeichnung von Haushaltsgeraten, Handelsregister- oder Grundbuchein- tragungen , Genehmigungsverfahren bei Medikamenten.

[2] Nachweise bei Hill, Burokratieabbau und Verwaltungsmodernisierung, DOV 2004, S. 721; Becker, Analyse der ersten Ergebnisse der deutschen Burokratie - kostenmessung, in Verwaltung und Management, 2008, S. 301 ff; Starck, Rechtsvergleichung im Offentlichen Recht, JZ 1997, 1021 ff. Legislaturperiode, Seite 16: „Burokratieabbau und bessere Rechtsetzung wirken wie ein Wachstums- programm zum Nulltarif. [...] Alle Ressorts werden deshalb bestehende Burokratie- lasten fortlaufend und eigenstandig reduzieren und neue Belastungen vermeiden.“

[3] M. Heintzen, Normenkontrollrat: Der Koalitionsvertrag als Wegweiser zu besserer Rechtsetzung und weniger Burokratie, ZRP 2006, 235.

[4] Ernst/ Brinkmann, Burokratieabbau, Verwaltung und Management 2005, S.239.

[5] Kabinettbeschluss der Bundesregierung vom 25. April 2006; Jann/ Jantz, Burokratiekostenmessung in Deutschland, ZG 2008,51 ff; So heifit es im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 zur 17. Legislaturperiode, Seite 16: „Burokratieabbau und bessere Rechtsetzung wirken wie ein Wachstumsprogramm zum Nulltarif. [...] Alle Ressorts werden deshalb beste- hende Burokratielasten fortlaufend und eigenstandig reduzieren und neue Belastun- gen vermeiden.“

[6] Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 28. Februar 2007.

[7] Gemeinsam fur Deutschland-mit Mut und Menschlichkeit, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005, S.62.

[8] Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates, NKRG, vom 14. August 2006 BGBl. I S.1866.

[9] Analysen und Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste (BT) sind verfugbar unter www.Bundestag.de/ bic/ analysen/ index.html( Stand: 02.10.2006); www.actal.nl.

[10] Interdeparmentale Projectdirectie Administratieve Lasten.

[11] Vgl. Frick/ Brinkmann/ Ernst, Das Standard-Kosten-Modell, ZG 2006, S. 28, 31.

[12] So die Behauptung Ende 2007 bei Zulka/ Moning, ,, Burokratiefreie Zone“? Stadt, ZKF 2007, S. 265, 266.

[13] Er setzt sich zusammen aus Kennziffern fur die Lohnkosten sowie die Gemein- kosten, wenn die administrativen Tatigkeiten intern vom Unternehmen geleistet wer- den oder aus Stundenkosten bei der Erbringung durch externe Dienstleister.

[14] Erfasst die Zeitdauer, die benotigt wird, um die administrativen Tatigkeit zu leis- ten.

[15] Umfasst die Anzahl der betroffenen Unternehmen und die Frequenz( Haufigkeit), in der die Aktivitat pro Jahr geleistet werden muss.

[16] Vgl. Bundesregierung Einfuhrung des Standard- Kosten-Modells- Methodenhand- buch der Bundesregierung, 2006; Bericht der Bundesregierung 2007 zur Anwen- dung des SKM, Burokratiekosten: Erkennen-Messen- Abbauen; Leitfaden fur die Ex-ante-Abschatzung der Burokratiekosten nach dem SKM, November 2008; Weidemann, Burokratiekostenmessung, Verwaltungsrundschau, 2007, 7 ff.

[17] Frick/Brinkmann/Ernst, Das Standard-Kosten-Modell, ZG 2006, 31. Ernst/Frick, Burokratieabbau, VM 2006, 240.;Jann/Jantz, Burokratiekostenmessung in Deutschland, ZG 2008, 55;Quo vadis SKM? ZG 2007,84 ff; Rottgen, Normen­kontrollrat als Wegweiser zu besserer Rechtsetzung und weniger Burokratie ZRP 2006,47ff.

[18] Starck, Rechtsvergleichung im offentlichen Recht, JZ 1997,1021( 1028).

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Details

Titel
Nationaler Normenkontrollrat auf Bundesebene - Status und Wirken
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
8,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
21
Katalognummer
V166277
ISBN (eBook)
9783640819935
ISBN (Buch)
9783640822782
Dateigröße
450 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
nationaler, normenkontrollrat, bundesebene, status, wirken
Arbeit zitieren
Michelle Bekerman (Autor:in), 2010, Nationaler Normenkontrollrat auf Bundesebene - Status und Wirken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166277

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