Weblogs. Eine kommunikationstheoretische Analyse

Ein neues Medium und das Problem seiner Beschreibung


Masterarbeit, 2009

105 Seiten, Note: 1,25 (Schweiz: 5,75)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2.Kommunikation - systemtheoretisch

3.Weblogs - ein neues Medium im neuen Medium Internet
3.1. Verbreitungsmedien - ein Uberblick
3.2. Das Internet als Medium, das Blogs formt

4. Kommunikation im Internet - eine Skizze
4.1. Die Dialogmetapher
4.2. Intertextuelle Kommunikation als Form elektronischer Schriftlichkeit
4.2.1. Weblogs und Interaktivitat
4.2.2. Authentizitat

5. Blogbeschreibungen und die Ebene der Operativitat
5.1. Blogs als Online-Tagebucher?
5.1.1.Schreiben mit Publikumsbezug
5.1.2.Das alte Medium im neuen: Imitationen
5.1.3. Neue Formen
5.1.4 Fazit.: Blogs als Online-Tagebucher?
5.2. Blogs als neues Massenmedium?
5.2.1.Massenmedien - systemtheoretisch
5.2.2.Blogs - ein neues Massenmedium? Die Pro-Argumente
5.2.3. Ein gleicher Text fur die Massen
5.2.4. Das Manifestwerden der ,,Sender"
5.2.5. Dezentralisierte Qualitatskontrolle
5.2.6. Die Blogosphare als Resonanzraum der Massenmedien
5.2.7. Veroffentlichisierung
5.2.8. Die Veranderung alter Medien durch neue Medien

6. Die Veranderung der Schreibe- und Leserolle

7. Die operative Ebene und die Ebene der (Selbst)beschreibung von Medien

8. Schluss

Literaturverzeichnis:

Quellen aus dem World Wide Web:

1. Einleitung

Weblogs - kurz Blogs - gemeinhin als Online-Tagebucher, teils auch als neue Form des Journalismus im Internet bezeichnet, sind ein relativ neuartiges Kommunikationsphanomen und werden sowohl im Internet, in den Massenmedien wie auch in den Sozialwissenschaften kontrovers diskutiert. Wie immer beim Auftauchen eines neuen Mediums werden Positionen bezogen (medienhistorisch gesehen verbluffend ahnliche, vgl. Neuberger 2005b: 86), radikale Innovationen ausgemacht, Revolutionen ausgerufen und diese wiederum von anderen Beobachtern relativiert. Auch im Falle von Blogs ist diese Tendenz auszumachen. Es wird beispielsweise vermutet, dass Blogs wegen ihrem offentlichen Charakter Auswirkungen auf die Massenmedien haben werden: Einige Beobachter sprechen von einer heimlichen Medienrevolution, die die Welt verandern soll (vgl. Moller 2005), [1] nur drei Jahre spater meint Schmidt (2008c: 18), dass diese Revolution so heimlich nicht mehr sei, sondern nun offensichtlich zu Tage trete. Andere sehen zwar nicht die Welt an sich, aber die Moglichkeiten, im Internet zu publizieren, grundlegend im Verandern begriffen (vgl. Schonberger 2005: 281; Thimm/Berlinecke 2007: 81), manche - gerade aus dem Bereich der Massenmedien stammende Beobachter und Blogschreiber selbst - sehen in Blogs eine Konkurrenz zum traditionellen Journalismus (vgl. Hewitt 2005; Maier 2008). Wieder andere, der Wissenschaft entstammende Beobachter, sehen mit Blogs einen neuartigen, netzwerkformig organisierten Journalismus im Entstehen (vgl. Bucher/Buffel 2005; Bucher/Buffel 2006), auch von Blogs als revolutionarem Massenmedium, das aber kein Journalismus sei (vgl. Prillinger 2004: 93) liest man. Vom ,,Ende des ,Gatekeeper'-Zeitalters" (Neuberger 2005 a) ist zuweilen die Rede oder von einem ,,Strukturwandel der Offentlichkeit im Internet" (Neuberger 2006). Wie unschwer zu erkennen ist, werden Hoffnungen in partizipativere, demokratischere Formen der Massenkommunikation gesetzt, die durch Blogs ermoglicht werden sollen, Interaktivitat ist das dazugehorige Schlagwort.

Offenbar werden Veranderungen registriert, ohne diese aber wirklich einordnen zu konnen. Hier setzt die vorliegende Masterarbeit an: Das Ziel der Arbeit ist es, mit systemtheoretischen Mitteln eine kommunikationstheoretische Analyse der Blogkommunikation vorzulegen. Es wird untersucht, ob Blogkommunikation tatsachlich die Versprechen vieler Beobachter einhalten kann, es wird gefragt, was das Spezifische (neue?) der Blogkommunikation ist. Dazu wird zunachst der Kommunikationsbegriff der Systemtheorie diskutiert und gefragt, weshalb gerade dieser sich fur eine Analyse von Blogs eignen soll (Kap. 2). Im Anschluss daran wird das Medium Internet und Blogs als eine spezifische Form davon allgemein zu theoretisieren versucht, um mit Blick auf die bisherige Medienevolution das Neue dieses neuen Mediums herauszuarbeiten (Kap. 3). Folgend und zur Vorbereitung der eigentlichen Analyse wird versucht, ein allgemeines Konzept der Kommunikation im Internet mit Blogs als Spezialfall in Abgrenzung von anderen Ansatzen zu entwickeln (Kap. 4). Darauf aufbauend werden mit dem gewonnenen Konzept zwei vorherrschende Blogbeschreibungsvarianten untersucht: Die Beschreibung von Blogs als Massenmedium/Journalismus und die (wissenschaftlich) weniger verbreitete Beschreibung von Blogs als Online-Tagebuch (Kap. 5). Damit scheint der eigentliche Untersuchungsgegenstand zuweilen vielleicht etwas aus dem Blickfeld zu geraten und die Arbeit eher eine Analyse von Medien(fremd)beschreibungen zu werden. Es soll aber gefragt werden, inwiefern diese Beschreibungen die operative Ebene der Kommunikation selbst fassen konnen oder ob sie nicht doch eher verdecken, um was fur eine Kommunikationsform es sich bei Blogs tatsachlich handelt. Das Folgekapitel (Kap. 6) synthetisiert die gewonnenen Erkenntnisse und fragt nach Veranderungen der Lese- und Schreiberolle, Kapitel 7 schliesslich versucht die Analyse in einen medienhistorisch grosseren Rahmen zu stellen, bevor die Arbeit sich schliesst (Kap 8.).

Wie immer die realen Auswirkungen dieses neuen Mediums auch sein mogen, erstaunlich ist zunachst einmal die Fulle von Beitragen dazu innerhalb relativ kurzer Zeit nach dem ersten Auftauchen dieser Kommunikationsform. Dies macht es fur die vorliegende Arbeit sicherlich schwierig, da die Beitrage nicht nur aus der Wissenschaft (hier vor allem aus der Kommunikationswissenschaft), sondern auch von Journalisten und Bloggern selbst stammen, wobei das eigentlich kein Problem ware, aber, so mein Eindruck, von vielen wissenschaftlichen Studien zu wenig betont respektiv reflektiert wird [2]. Ausserdem ist zu beobachten, dass die wissenschaftliche Behandlung des Themas meist nur Teilbereiche des Phanomens empirisch uberpruft (was zweifelsohne legitim und wichtig ist), aber eine Theorie des Bloggens oder ein Ansatz, der Blogs in einen grosseren Zusammenhang stellt, wurde bisher kaum entwickelt, erste Ansatze finden sich etwa bei Lovink (2007/2008), Perschke/Lubcke (2005) oder Wijnia (2004).

2. Kommunikation - systemtheoretisch

Das Analysetool dieser Arbeit soll die soziologische Systemtheorie luhmannscher Pragung sein. Sehe ich richtig, so gibt es momentan noch keine explizit systemtheoretische Behandlung des Phanomens Weblog. Eine solche konnte aber zum genaueren Verstandnis dieser neuen Kommunikationsform beitragen, gerade weil die Systemtheorie sich durch einen leistungsstarken Kommunikationsbegriff auszeichnet. Worin ist der Vorteil dieser Konzeption zu sehen?

Zunachst hat man es bei Weblogs mit einer spezifischen Form der Kommunikation und insofern mit einem sozialen Phanomen zu tun. [3] Damit ist prinzipiell die notige Voraussetzung fur eine Analyse mit systemtheoretischen Mitteln gegeben. Der Kommunikationsbegriff der Systemtheorie ist abstrakt gehalten und bricht mit der klassischen Ubertragungsmetapher insofern, als es um das Prozessieren dreier Selektionen geht, damit Kommunikation stattfindet: Information, Mitteilung, Verstehen (vgl. grundlegend Luhmann 1984: 193ff.). Die Information ist dabei eine (kontingente) Selektion aus einem Pool von Moglichkeiten (vgl. Luhmann 1984: 195) und bezieht sich insofern auf den Was- Aspekt der Kommunikation, wahrend die Mitteilung eine (kontingente) Auswahl eines Verhaltens zum Mitteilen der gewahlten Information ist (vgl. Luhmann 1984: 195) und somit auf den Wie-Aspekt abzielt. Entscheidend ist nun aber die dritte Selektion, das Verstehen: Davon soll die Rede sein, wenn Ego (der ,,Adressat") Alter (der ,,Mitteilende") beobachtet und dessen Mitteilungsverhalten von dem unterscheidet, was es als Information mitteilt, und dies zur Grundlage weiteren Anschlussverhaltens macht (vgl. Luhmann 1984: 195f.); Kommunikation ist deshalb ein selbstreferenzieller Prozess und nur so moglich (vgl. Luhmann 1984: 198). Erst mit dem Verstehen und nicht schon mit der Mitteilung Alters lauft Kommunikation ab.

Dieser Kommunikationsbegriff ist sehr abstrakt gehalten und eignet sich m.E. gerade dadurch besonders gut fur vergleichende Analysen verschiedener Kommunikationsformen. Dies ist fur die vorliegende Arbeit sehr wichtig, als das zu untersuchende Phanomen Weblog ein Kommunikationstyp ist, der - so wird behauptet [4] - ahnlich, ,,besser" oder gleich wie massenmediale Kommunikation operiert, als Online-Tagebuch fungiert oder sich gar dem Dialog (also der Interaktion) annahert, womit schon vier Kommunikationsmodi benannt sind, die miteinander verglichen werden konnen und zwar mit ein und demselben Kommunikationsbegriff.

Damit lassen sich allfallige Fehlschlusse vermeiden, die entstehen, wenn ein Kommunikationsbegriff, der im Wesentlichen dem sozialen Nahraum entspringt und eigentlich Interaktion unter Anwesenden meint, [5] auf Formen der massenmedialen Kommunikation oder der Kommunikation im Internet ubertragen wird; oder wenn man ein Kommunikationsverstandnis, wie es in der traditionellen Kommunikationswissenschaft vorherrscht und das unter Kommunikation eigentlich Massenmedienkommunikation versteht, auf neuere Formen der Internetkommunikation anwendet. Der systemtheoretische Kommunikationsbegriff hingegen bevorzugt weder Interaktion noch massenmediale Kommunikation, noch neuere Formen der Kommunikation im Internet, sondern: Jede Form der Kommunikation (d.h. hier auch immer: alles Soziale) ist mit dem gleichen Begriffsinstrumentarium analysierbar. [6] Damit konnen Unterschiede zwischen verschiedenen Kommunikationsmodi besser und analytisch scharfer herausgearbeitet werden. Deshalb eignet sich die Systemtheorie hervorragend fur die hier anstehende Analyse.

Gleichwohl muss man stets bedenken, dass man es damit eigentlich mit einer ,,alten" Theorie uber ein ,,neues" Medium zu tun hat (vgl. Berghaus 1999), was gerade in dieser Arbeit wichtig zu beachten ist, da hier die These vertreten wird, dass sich Blogs nicht im Ruckgriff auf altere Medienformate adaquat beschreiben lassen [7]. Theoretisch ware es ja denkbar, dass sich mit dem Internet ein vollig neuartiger Kommunikationsmodus entwickelt hat, der sich weder mit dem systemtheoretischen, noch mit anderen momentan verfugbaren Kommunikationstermini ausreichend beschreiben liesse. [8] Davon wollen wir aber nicht ausgehen, es gilt aber, sich des Defizits der wissenschaftlichen Beschreibung neuer Phanomene mit alten Begriffen im Klaren zu sein. Das folgende Kapitel fragt nun zunachst, was eigentlich neu am neuen Medium Internet sein konnte und versucht, sich allmahlich dem noch neueren Medium Weblog systemtheoretisch anzunahern.

3. Weblogs - ein neues Medium im neuen Medium Internet

Die Einfuhrung neuer Medien ist immer auch von Mediendiskursen begleitet (vgl. Neuberger 2005b; Schneider 1997). Es wird versucht, die moglichen (sozialen) Auswirkungen zu fassen, was einerseits zu euphorischem Feiern, z.B. uber demokratisierende Effekte fuhrt, andererseits werden allfallige negative Effekte beklagt (vgl. Neuberger 2005b: 77; Thorburn/Jenkins 2003: 1f.). Dies ist sicherlich auch im Falle des Internets und neuerdings auch mit dem neuen Format Weblog so. Im Vergleich mit anderen ,,neuen" Medien fallt aber auf, dass die Internetpessimisten in der Unterzahl waren (vgl. Neuberger 2005b: 80f.).

Gerade in der zweiten Halfte der 1990er-Jahre wurden dem Internet emanzipatorische, demokratisierende Wirkungen zugeschrieben, [9] und obwohl Vieles der damaligen Diskussion schon fruh als Mythos des Internets entlarvt wurde, [10] scheint es, als ob es mit jeder neuen Internetanwendung zu einem erneuten Aufflammen solcher Mythen kommt. Das viel beschworene Social Web oder Web 2.0 [11] gehort sicherlich auch dazu, Diemand/Mangold/Weibel (2007: 5, kursiv im Original) sprechen von einer ,,Re-Mythisierung des Netzes". Web 2.0 bezeichnet das sogenannte ,,Mitmach-Netz" (van Eimeren/Frees 2007: 376), also im Wesentlichen das Phanomen, dass das World Wide Web (im Folgenden als WWW abgekurzt) als Plattform fur benutzergenerierte Inhalte zur Verfugung gestellt wird, wobei den Beziehungen unter den Benutzern eine wichtige Rolle zukommt (vgl.

Alpar/Blaschke 2008: 5). Nun lage der Fokus auf der ,,Interaktion mit dem Netz" (Niedermaier 2008: 60, kursiv im Original), das Netz wurde nun agieren, und nicht mehr nur - wie noch das klassische Internet - reagieren (vgl. Niedermaier 2008: 60f.). Der Rezipient wurde nun neben seiner Rolle als User auch zum Produzenten, zum ,,Produser" [12] (vgl. Bruns 2005: 23; Bruns 2006: 19; Bruns 2008). Es ware fur die Nutzer nun moglich, ,,in direkten Dialog untereinander" (Stanoevska-Slabeva 2008: 14) zu treten, der kollektive Charakter dieser Anwendungen sei entscheidend (vgl. etwa Bruns 2005, Bruns 2008; Bucher/Erlhofer/Kallass/Liebert 2008: 43f.). Dabei ist nicht klar, was denn nun wirklich neu sein soll am Web 2.0 gegenuber seinen Vorgangerversionen, weil sich die heutigen (technischen) Kommunikationsbedingungen des Internets gegenuber den 1990er-Jahren nicht wesentlich verandert haben (vgl. Thiedecke 2008: 45). Dennoch hat man das Gefuhl, dass die gleichen Argumente der Internetoptimisten wie in den 1990er-Jahren vorherrschen, haufig mit einem 2.0 versehen, so wird etwa von ,,Gegenoffentlichkeit 2.0" (Wimmer 2008) gesprochen oder der Wiederbelebung neuer Teil- und Versammlungsoffentlichkeiten (vgl. Witte 2008: 99).

Auch fur Weblogs, die als wesentlichen Bestandteil des Web 2.0 angesehen werden, scheint dies der Fall zu sein. [13] So meint etwa Lovink (2007/2008: 37), dass Blogs ,,weltweit die Demokratisierung des Netzes" vorantreiben wurden, oder es wird die Position vertreten, dass mit Blogs den Nutzern die Moglichkeit geboten wurde, ,,sich dem diskursiven Regime ihrer begrenzten real-life Gemeinschaften entziehen" (Folger 2008: 291, kursiv im Original) zu konnen. Thomas N. Burg (2004: 11, kursiv im Original) sieht eine ,,political position inherent in the weblog medium" und verweist auf die von allen Bloggern geteilte Auffassung, dass es um die ,,emancipation of opinions" (Burg 2004: 11) gehe, obwohl es ebenso viele politische Ansichten wie Blogger gabe. Wijnia (2004: 65ff.) sieht in Weblogs gar eine ideale Sprechsituation (i. S. v. Habermas (1984: 174ff.)) gegeben und Schonberger (2006: 243) meint, dass mit Weblogs nun tatsachlich Bertolt Brechts' (1932/1967) Radioutopie des Einbezugs der Rezipienten und des Many-to-Many Realitat geworden ware. All diese Konzeptionen beziehen sich implizit oder explizit auf Massenkommunikation, im Wesentlichen also darauf, Mitteilungen offentlich an eine grosse Anzahl Rezipienten zu versenden, wobei sich nun jeder Gehor verschaffen konne und nicht mehr nur die kleine Minderheit von kapitalstarken Medienunternehmen. Diese Demokratieperspektive soll hier nicht explizit weiter verfolgt werden, taucht aber auch im Folgenden immer wieder auf, ja sie ist untrennbar mit Blogs verbunden. Zunachst ist es sicherlich einmal die enorme Anzahl und die relativ schnelle Diffusion von Blogs, die beeindruckt 14 und vermutlich der Grund fur solche Einschatzungen ist, 15 aber es gibt auch vorsichtigere Beobachter, die zumindest die Frage in den Raum werfen, ob es nicht auch sein konnte, dass Blogs ,,nur" ein temporares Phanomen seien (so Wimmer 2008: 220). Die behauptete Konkurrenz von Blogs und Massenmedien fallt zudem gerade in eine fur viele Medienhauser okonomisch turbulente Zeit und erhalt dadurch noch zusatzlichen Auftrieb (vgl. Jarren 2008: 330).

Um nicht wie viele Andere auch der Euphorie oder Lethargie angesichts des Medienwandels zu verfallen, ist es hilfreich zu fragen, ob es denn (sozialstrukturell) uberhaupt moglich ist, das wirklich Neue neuer Medien zu erfassen. Hier scheint es angebracht, einen Gedanken von Niklas Luhmann (1989: 11) stark zu machen, der davon ausgeht, dass weder die Gesellschaft noch ihre Wissenschaft (mit was fur ausgeklugelten Modellen, Analyseverfahren, Theorien etc. auch immer) je in der Lage waren, abzuschatzen, welche strukturellen Folgen mediale Veranderungen zeitigen werden. Dies scheint erst zeitversetzt (und zwar mit relativ grossen Zeitdistanzen) einigermassen moglich zu werden. So betont Ong (1982/2002: 2f.) etwa, dass die Beschaftigung mit dem Buchdruck und seinen sozialen Auswirkungen erst etwa 400 Jahre spater einsetzte, als sich eine neue Art von Medien, namlich die elektronischen Medien, allmahlich etablierten. 16 Insofern ist ein Blick in die bisherige Medienentwicklung unumganglich (vgl. Kuhm 2003: 97ff.; Thorburn/Jenkins 2003: 2), gerade wenn man von dem beschriebenen (gesellschaftsstrukturell auferlegten) Defizit der Analyse vom Neuen neuer Medien ausgeht. Das muss nicht heissen, dass man - einfach weil man die Mediengeschichte in die Analyse miteinbezieht - automatisch zu einem besseren Ergebnis gelangen wurde, sondern nur, dass Reflexionsfahigkeit und Analysescharfe gesteigert werden, und das ist gerade beim momentan heiss debattierten Phanomen Weblog wichtig. Die Medien, die hier in die Analyse miteinbezogen werden, sind: Verbreitungsmedien. Ein kurzer Uberblick uber die bisherige Entwicklung dieser Art Medien, auf den im Laufe der Arbeit immer wieder Bezug genommen wird, soll das folgende Kapitel geben.

3.1. Verbreitungsmedien - ein Uberblick

Unter Verbreitungsmedien werden Medien verstanden, die den Empfangerkreis der Kommunikation ausweiten (vgl. Luhmann 1984: 221; Luhmann 1997: 202). Das basale Kommunikationsmedium, das die Autopoiesis der Kommunikation und damit von Gesellschaft uberhaupt garantiert, ist die Sprache (vgl. Luhmann 1997: 205). Zwar ist Kommunikation auch mit Gebarden prinzipiell moglich, jedoch stark beschrankt (vgl. Luhmann 1997: 206), und erst mit Sprache wird Rekursivitat der Kommunikation ermoglicht. Bei sprachlicher Kommunikation lauft (reflexive) Wahrnehmung immer mit und irritiert den eigentlichen Kommunikationsprozess (vgl. Bohn 1999: 64ff.; Kieserling 1999: Kap. 5; Luhmann 1975a: 23ff.; Luhmann 1984: 560ff.; Luhmann 1997: 814f.). Sprache leistet aber die evolutionar bedeutsame ,,Ausdifferenzierung einer Eigenzeit sprachlicher Kommunikation" (Luhmann 1997: 215), das heisst, dass die Gleichzeitigkeit des Wahrnehmens und Wahrgenommenen durch Sprache durchbrochen werden kann. Ereignisse des Kommunikationssystems konnen dann von Umweltereignissen unterschieden werden (vgl. Luhmann 1997: 215) und diese Transzendierung des Wahrnehmungskontextes erlaubt es auch, uber Abwesendes zu sprechen (vgl. Bohn 1999: 66). Gleichzeitig lauft bei mundlicher Kommunikation (im Unterschied zu gestischer Kommunikation) immer Metakommunikation mit (vgl. Luhmann 1997: 250): Es kann nur schwer geleugnet werden, dass man nicht kommunizieren mochte wenn man etwas sagt, und wenn doch, dann wird bereits diese Absicht kommunikativ interpretiert (vgl. Luhmann 1984: 561f.) und insofern gilt: Wegen dem wechselseitigen ,,Ausgesetztsein" der Blicke des/der Anderen kann in Face-to-Face- Situationen nicht nicht kommuniziert werden und die einzige Moglichkeit, sich der Kommunikation zu entziehen, ist es, abwesend zu sein (vgl. Luhmann 1984: 562). Fur solche sozialen Systeme, die auf wechselseitiger Anwesenheit und damit reflexiver Wahrnehmung fussen, soll hier der Begriff der Interaktion verwendet werden (vgl. Luhmann 1984: 560ff.; Luhmann 1997: 814ff.; Kieserling 1999: 15). [17]

Sprache vermag also vom Wahrnehmungskontext zu transzendieren, bleibt aber der physischen Ko-Prasenz der Beteiligten und damit immer auch der wechselseitigen Wahrnehmbarkeit und damit einhergehenden Irritationen verhaftet. Schrift verandert dies radikal insofern, als es mit ihr moglich wird, zeitlich und raumlich Abwesende kommunikativ zu erreichen, womit mit Schrift die Telekommunikation beginnt (vgl. Luhmann 1997: 257).

Es wird nun moglich, nicht nur den Wahrnehmungs-, sondern den gesamten Interaktionskontext zu transzendieren, da mit Schrift uber Abwesendes mit Abwesenden kommuniziert werden kann (vgl. Bohn 1999: 66). Im Gegensatz zur mundlichen Kommunikation werden also in der Schriftlichkeit 18 Mitteilung und Verstehen zeitlich und raumlich auseinandergezogen (vgl. Luhmann 1997: 259, 266), womit sich die Anschlussmoglichkeiten dramatisch erhohen, weil nun das Geschriebene nicht wie das Gesagte sogleich mit dem Mitteilungsakt wieder verschwindet, sondern aufbewahrt werden kann und damit auch neue Freiheiten fur das Neuordnen von kommunikativen Sequenzen eroffnet werden (vgl. Luhmann 1997: 266f.).

Gleichzeitig konnen viel mehr Personen (im Sinne von Luhmann 1995a) mit einer einzigen Kommunikation erreicht werden als in der Interaktion. Wegen der Transzendierung des Interaktionskontextes wird mit der Schrift zudem die Ablehnungswahrscheinlichkeit der mitgeteilten Information drastisch gesteigert (vgl. Luhmann 1997: 269f.). [19] Dies, weil der Konsensdruck der Interaktion entfallt und damit die Mitteilung, die in der mundlichen Rede zur Sozialitatsbezeugung eine prominente Rolle einnimmt, hinter die Information zurucktritt (vgl. Luhmann 1997: 275), was in ein objektiveres Verhaltnis zu den Themen der Kommunikation mundet. Schreiben und Lesen sind im Gegensatz zum Sprechen und Horen, wo man in den Kommunikationskontext selbst eingebunden ist, asoziale Aktivitaten (vgl. Luhmann 1984: 580f.; Luhmann 1997: 274f.). Damit ermoglicht Schrift ,,kommunikativere Formen der Kommunikation" (Luhmann 1984: 224; vgl. auch Bohn 1999: 67ff.), da (wechselseitige) Wahrnehmung den Kommunikationsprozess nicht mehr standig irritieren kann. Das radikale Wegfallen eines gemeinsam geteilten Wahrnehmungskontextes fuhrt dazu, dass implizite Mitteilungen nicht mehr moglich sind, und insofern muss ein Text immer auch viel starker expliziert sein als mundliche Mitteilungen (vgl. Bohn 1999: 138ff.; Luhmann 1997: 299). Mit all dem lost Schrift neue Beobachtungsformen aus, namlich das Beobachten anderer Beobachter, also Beobachtung zweiter Ordnung (vgl. Luhmann 1997: 278ff.). [20] Dies, weil Schrift als Medium bestandige Formen ermoglicht, die zeitlich lange uberdauern konnen, so dass unabhangig von situativen Gegebenheiten ein gleicher Text fur viele Beobachter beobachtbar ist und auf den auf verschiedenste Weise Bezug genommen werden kann (vgl. Luhmann 1993: 358).

Die beschriebenen Effekte der Schrift ermoglichen der Kommunikation vollig neuartige Moglichkeiten, diese bleiben aber in ihren konkreten gesellschaftlichen Auswirkungen beschrankt. Erst die Buchdrucktechnologie verandert dies, und zwar radikal (vgl. Luhmann 1997: 291ff.). So wichtig ihre Auswirkungen im Einzelnen auch sein mogen, an dieser Stelle kann keine Auflistung der Effekte des Buchdrucks erfolgen (vgl. zu einer Ubersicht Eisenstein 1979; Giesecke 1991). Wichtig fur die vorliegende Arbeit [21] scheint vor allem zu sein, dass Handschrift - und das heisst immer auch die korperliche Prasenz des Schreibenden (vgl. Hahn 1993: 202ff.) - jetzt gleichsam wegen der maschinellen Zwischenschaltung hinter den Text zurucktritt (vgl. Luhmann 1997: 293). Die gegenuber der Interaktion notwendigerweise erhohte Selbstexpliziertheit setzt sich auch hier fort, der Co-Text muss immer mitgeliefert werden, was dazu fuhrt, dass schriftliche Kommunikation letztlich ausschliesslich von schriftlicher Kommunikation abhangig ist (vgl. Esposito 1993: 342) und der Informationsaspekt wichtiger, ja Neuheit schliesslich zum Verkaufsargument wird (vgl. Luhmann 1997: 294). Schreiben verandert sich damit - und ist nun definitiv Schreiben fur ein anonymes Publikum. [22]

Elektronische Medien - und ein solches wird in dieser Arbeit behandelt - schliesslich, zeichnen sich als Verbreitungsmedien dadurch aus, dass raumliche Beschrankungen, die auch immer zeitliche Beschrankungen sind, mehr und mehr vernachlassigbar werden (vgl. Luhmann 1997: 302). Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Sprache die Autopoiesis der Kommunikation sicherstellt, Schrift die Kommunikationskomponenten Mitteilung und Verstehen raumlich und zeitlich zu trennen vermag, der Buchdruck diese Effekte noch verstarkt und die neuen elektronischen Medien die noch bestehenden raumlich-zeitlichen Beschrankungen gegen Null tendieren lassen. Vor diesem Hintergrund soll nun genauer das elektronische Verbreitungsmedium Internet allgemein und Weblogs als spezielle Form davon analysiert werden.

3.2. Das Internet als Medium, das Blogs formt

Dass das Internet ein Medium sei, wird kaum zu bestreiten sein. Inwiefern aber und was es leisten kann, ist nicht ganz klar, zumal viele Studien uber das Internet den verwendeten Medienbegriff nicht eindeutig klaren. In dieser Arbeit wird die Unterscheidung von Medium und Form zu Grunde gelegt, die Luhmann in Anlehnung an Fritz Heider (1926) einfuhrt (vgl. fur die folgenden Ausfuhrungen Luhmann 1997: 195ff.). Dieser Medienbegriff ist zum einen ein operativer: Das Medium besteht aus lose gekoppelten Elementen, die durch eine Form strikte gekoppelt und erst so beobachtbar werden. Dies nimmt Zeit in Anspruch, denn eine Form ist nur in der Operation gebunden und wird sogleich, ohne dass das Medium, das dabei geformt wird, verbraucht wird, wieder freigegeben; und erst die Form ist im System operativ anschlussfahig.

Zum andern ist dieser Medienbegriff ein relativer, denn ein Medium ist nur immer mit Blick auf eine Form ein Medium und umgekehrt (vgl. Luhmann 1997: 199) und insofern beobachterabhangig (vgl. Luhmann 1997: 195). Dieser abstrakte Medienbegriff ermoglicht neue Moglichkeiten der Analyse von Computer- und Internetkommunikation. Zunachst ist es wichtig festzuhalten, dass der Computer wohl ein technisches Gerat, aber damit fur die Kommunikation, die allenfalls durch ihn vermittelt stattfindet, ,,nur" eine Umweltbedingung ist; [23] die Kommunikation wird also technisch durch den Computer nicht determiniert, sondern lose gekoppelt (vgl. Brill/de Vries 1998: 269f.). [24] Bestimmte Formen werden also ermoglicht, andere ausgeschlossen. Das Internet ist eine solche Form, die durch vernetzte Computer ermoglicht wird, und als Medium ermoglicht es wiederum eine Vielzahl verschiedener Formen, wobei die jeweils tiefer liegende Schicht das Medium fur die daruberliegende Schicht ist, die sich auf dessen Grundlage formt (vgl. Brill/de Vries 1998: 273; vgl. basal auch Luhmann 1995b: 172). Eine solche Form ist das WWW, das als Medium die Form Weblog ermoglicht, die wiederum verschiedene Formen annehmen kann. Weblogs formen sich also im Medium WWW und unterliegen damit wie jedes Medium bestimmten Beschrankungen, eroffnen aber auch bisher unbekannte Moglichkeiten. Um diese Beschrankungen und Moglichkeiten wird sich die vorliegende Arbeit drehen und wir setzen nun zur genaueren Analyse an.

Wir fokussieren nun genauer auf die Form Weblog. Die Frage, was denn ein Weblog eigentlich ist, ist insofern nicht leicht zu beantworten, als es unzahlige Arten und Gebrauchweisen davon gibt. Dennoch lassen sich bestimmte Eigenheiten fur alle Blogs ausmachen. Zunachst zum Wort selbst: ,,Weblog" setzt sich aus den Worten ,,Web" fur Netz und ,,Log" fur Logbuch zusammen, wurde durch J0rn Barger 1997 gepragt (vgl. Schmidt 2006: 13) und wird gewohnlich in der Kurzform ,,Blog" [25] verwendet. Weblogs sind ein Internetmedienformat mit spezifischen Eigenheiten, wir halten uns an eine gangige Definition von Jan Schmidt (2006: 13): ,,Es handelt sich bei ihnen um regelmassig aktualisierte Webseiten, die bestimmte Inhalte (zumeist Texte beliebiger Lange, aber auch Bilder oder andere multimediale Inhalte) in umgekehrt chronologischer Reihenfolge darstellen. Die Beitrage sind einzeln uber URLs adressierbar und bieten in der Regel die Moglichkeit, Kommentare zu hinterlassen. Dadurch sowie durch Verweise auf andere Weblogs [...] bilden sich Netzwerke von untereinander verbundenen Texten und Webseiten heraus; die Gesamtheit aller Weblogs wird auch als ,Blogosphare' bezeichnet."

Dieser Definition ist noch hinzuzufugen, dass die Beitrage automatisch archiviert und per Suchfunktion durchsucht werden konnen. Mit dieser Definition ist schon angedeutet, dass Blogs eigentlich kein neuartiges Phanomen sind und schon zu Beginn des WWWs lassen sich Blogs identifizieren, damals noch primar als haufig aktualisierte Linklisten, die Orientierung im wachsenden WWW bieten sollten (vgl. Schmidt 2006: 13f.; Thimm/Berlinecke 2007: 84). Gleichwohl erlangten Blogs erst vor Kurzem grossere (auch wissenschaftliche) Aufmerksamkeit. Dies durfte u.a. mit der enormen Zunahme ihrer Zahl zusammenhangen [26] sowie durch (Welt-)Ereignisse wie den Irakkrieg 2003 (vgl. Bucher 2005: 199; Bucher/Buffel 2005: 101; Bucher/Buffel 2006: 138; Buffel 2007: 257; Endres 2005;

Hoffmann 2006: 160) oder der Tsunami-Katastrophe 2004 (vgl. Bucher/Buffel 2006: 131; Bucher/Schumacher 2008: 482f.; Buffel 2007: 257) wo Blogs erstmals auch massenmedial Staub aufwirbeln konnten (vgl. Thimm/Berlinecke 2007: 85).

Die oben angefuhrte Definition macht deutlich, dass Blogs nicht trennscharf von anderen Internetmedienformaten zu unterscheiden sind, etwa herkommlichen Homepages. Haufig wird in der Literatur zur Abgrenzung von Blogs und ,,normalen" Homepages die haufigere Aktualisierung und erweiterte Kommunikationsmoglichkeiten zwischen Blogautor und Blogleser ins Feld gefuhrt (vgl. etwa Schmidt 2006: 21; Wijnia 2004: 39). Dies wird mit der Kommentarfunktion moglich, die es jedem Leser erlaubt, eigene Kommentare zu einzelnen Beitragen zu verfassen, wobei es manchmal eine Registrierung braucht, in vielen Fallen hingegen nicht. Blogs sind (im Gegensatz zu herkommlichen Homepages) daraufhin angelegt, regelmassig aktualisiert zu werden und daraus erwachsen fur Blogs spezifische Aktualitatserwartungen, wobei im Vergleich zu synchronen Online-Kommunikationsformen wie Instant Messaging oder Chat (vgl. Storrer 2001a) aber kein unmittelbares Feedback verlangt wird (vgl. Schmidt 2006: 44). Diese Abgrenzungsprobleme [27] machen auf eine Eigenheit des Mediums Internet (eigentlich schon des Computers) aufmerksam, namlich, dass es verschiedenste Formen bilden und strikte koppeln kann, die dann untereinander auch kombiniert werden konnen. [28] So gibt sehr viele verschiedene Blogtypen (vgl. fur einen kurzen Uberblick etwa Thimm/Berlinecke 2007: 84f.), die sich teilweise hinsichtlich der verwendeten medialen Formen (z.B. Videos, MP3-Dateien etc.) als auch der Art des Publizierens unterscheiden, so gibt es mittlerweile auch sogenannte Moblogs, ,,mobile" Weblogs, die sich vom Mobiltelefon aus mit Inhalten futtern lassen (vgl. dazu Doring 2006). Videoblogs haben Videos integriert, in Warblogs berichten Augenzeugen aus Kriegsgebieten (vgl. Endres 2005; Roering 2007), im personlich gehaltenen Online-Tagebuch erzahlen Schuler aus ihrem Alltag und den darin vorkommenden Problemen oder Watchblogs verfolgen die Medienberichterstattung auf Fuss und Tritt und decken allfallige Fehler, Ungenauigkeiten etc. auf oder kritisieren Unternehmenspraktiken (vgl. Fengler 2008; Mayer/Mehling/Raabe/Schmidt/Wied 2008; Neuberger 2006: 125; Schonherr 2008; Wied/Schmidt 2008). Was aber alle Blogformen gemeinsam haben - und das wird fur die folgenden Ausfuhrungen wichtig sein - ist ihre Schriftbasiertheit: Kein Blog kann auf Schrift verzichten. 29 So kurz die Texte auch immer sein mogen, sie bleiben Texte (auch Videoblogs, wo es an sich um Videos geht, beinhalten Text, etwa Kurzbeschreibungen der Videos, Kommentare etc.). Innerhalb dieses Spektrums ist jedoch sehr viel Verschiedenes moglich, bezeichnenderweise heisst der von Bruns/Jacobs (2006) herausgegebene Band denn auch explizit Uses of Blogs im Plural. Das Medium lasst also verschiedenste Formen als strikte Kopplungen zu und evoluiert auch ziemlich schnell (im Verbund mit den anderen Internetmedien), womit immer neue Arten der Kopplung moglich werden.

Fur die Verschiedenheit der Formen von Blogs und ihre mittlerweile riesige Anzahl sind nicht zuletzt technische Faktoren von grosser Wichtigkeit insofern, als man heute spielend leicht und ohne Programmierkenntnisse in seinem Webbrowser einen Blog erstellen kann (vgl. Prillinger 2004: 89; Schmidt 2006: 14; Schonberger 2005: 281). Zwei Typen der Blogpublikation lassen sich (technisch) unterscheiden (vgl. dazu Schmidt 2006: 14): 30 Einerseits und im Hinblick auf die Leichtigkeit des Blogpublizierens sind Blogplattformen (Weblog Hosting) zu nennen, wo auf Blogvorlagen eines Servers, auf dem man sich (gratis) registriert, zugegriffen wird und man so ohne Programmierkenntnisse den eigentlichen Inhalt des Blogs publizieren kann. Andererseits ist es aber auch moglich, vorgefertigte Skripts auf einem Server zu installieren (was aber gewisse Programmierkenntnisse voraussetzt), womit man auch die Moglichkeit individueller Anpassungen (graphisch und technisch) hat, wahrend man dies bei Weblog Hosting-Angeboten haufig nur beschrankt oder gegen Aufgeld machen kann.

Entscheidend fur Blogs (aber naturlich auch schon fur das WWW) sind Hyperlinks, also anklickbare Verbindungen zwischen verschiedenen Blogs, Homepages und/oder anderen Internetdokumenten. Ohne Links waren Weblogs uberhaupt nicht verstandlich (vgl. Prillinger 2004: 87), denn in Blogs werden Links nicht nur als Verweis auf weiterfuhrende Informationen gesetzt, sondern sind ein ,,integraler Bestandteil" (Thimm/Berlinecke 2007: 86) des Blogtextes. Besonders die netzwerkartige Verbindungsstruktur von Blogs untereinander zur Blogosphare soll eine Starke dieses Mediums insofern sein, als - legt man journalistische Standards zu Grunde - Informationen kollaborativ (v)erarbeitet, aktuell gehalten, korrigiert und Quellen so offengelegt werden konnen (vgl. Bucher/Buffel 2005: 100ff.). [31] Farrell/Drezner (2008: 17) sehen in Links sogar das Abgrenzungskriterium von Blog gegenuber klassischen Massenmedien.

Es scheinen sich in der Blogosphare drei unterschiedliche Linkarten entwickelt zu haben: Einerseits haben sich sogenannte Permalinks als Format durchgesetzt, das sind Links, die den einzelnen Blogeintragen (und nicht nur dem ganzen Blog) eindeutig identifizierbare URLs [32] zuweisen, die auch von Suchmaschinen (und nicht etwa nur im Archiv des Blogs) gefunden werden konnen (vgl. dazu Schmidt 2006: 14, 48f.; Stanoevska-Slabeva 2008: 17f.; Hoffmann 2006: 162), auch noch lange, nachdem sie im Blog selbst in Vergessenheit geraten sind. Zweitens ist die Trackback-Funktion wichtig, mit der ein Link bidirektional gehalten wird, so dass - wenn man von A nach B navigiert - auch problemlos wieder zuruck von B nach A gelangen kann (vgl. Schmidt 2006: 48f.; Schonberger 2006: 236). Erst so konnen Anschlusskommunikationen (im Medium Blog) sichtbar gemacht werden (vgl. Thimm/Berlinecke 2007: 87). Dies geschieht dabei automatisch, die Weblogsoftware ,,erhalt" von dem Beitrag, der auf den ursprunglichen verweist, automatisch eine ,,Nachricht", womit sich die beiden Blogs automatisch verlinken (vgl. Schonberger 2006: 236). [33] Insgesamt soll so mehr Transparenz geschaffen werden. Als dritten wichtigen Linkmechanismus ist die Blogroll zu nennen, das sind Linklisten mit Verweisen auf viel gelesene Blogs, die, wahrend man durch den Blog navigiert, permanent sichtbar bleiben (vgl. Schmidt 2006: 49). Haufig wird betont, dass erst durch diese Arten des Verlinkens Blogs ihr Potenzial richtig entfalten konnen (vgl. Bucher/Buffel 2006: 140f.) und ,,die Fixierung auf lineare Texte" (Hoffmann 2006: 162) aufgehoben wurde.

4. Kommunikation im Internet - eine Skizze

Nachdem das Medium Internet und die technischen Eigenschaften von Blogs beschrieben worden sind, soll nun gefragt werden, wie Blogkommunikation am adaquatesten beschrieben und analysiert werden kann. Dieser Schritt wird die Grundlage fur die weitere Analyse der Blogkommunikation bilden und es wird versucht, diejenigen Kommunikationseigenheiten herauszuarbeiten, welche fur die Kommunikation im WWW mit Blogs als ein Spezialfall davon spezifisch ist. 34 Dies geschieht in Abgrenzung von Ansatzen, die sich der ,,Dialogmetapher" bedienen; darunter sind solche Ansatze zu verstehen, die versuchen, computervermittelte Kommunikation in Analogie zur mundlichen Interaktion zu fassen. Die These ist, dass internetbasierte Kommunikation aber gerade nicht im Ruckgriff auf Interaktion begriffen werden kann, sondern ein eigener, schriftbasierter Kommunikationstyp ist. Diese Schriftbasiertheit aber ist nicht mit traditioneller Schriftlichkeit gleichzusetzen, sondern eine Schriftlichkeit eigener Art. Diese eigene Art Schriftlichkeit wird nun in Abgrenzung von interaktionistischen Internetkommunikationsmodellen herauszuarbeiten versucht.

4.1. Die Dialogmetapher

In vielen Bloganalysen (aber auch generell vielen Analysen zur Internetkommunikation) ist zu beobachten, dass Analogien von Blogkommunikation und mundlicher Kommunikation gezogen werden, [35] und dies nicht nur auf explizit sprachlicher Ebene, obwohl haufig zu lesen ist, dass sich Blogs durch einen subjektiven, der Mundlichkeit entlehnten Schreibstil auszeichnen (vgl. Diemand 2007: 63; Wolf 2002: 8f.). Neben der rein sprachlichen Ebene, die den Mundlichkeitsbezug offensichtlich macht, ist fur manche Beobachter die Kommentarfunktion vieler Blogs entscheidend (vgl. Schmidt 2006: 81; Wijnia 2004: 47), um eine Analogie zum mundlichen Dialog zu sehen. [36] Um nur ein Beispiel fur Viele zu wahlen: Der vermutlich prominenteste Blogforscher im deutschsprachigen Raum, Jan Schmidt, bezieht sich in seinen Bloganalysen auf einen Kommunikationsbegriff, der sich dem Ideal des mundlichen Dialogs bedient: Zwar wurden in der computervermittelten Kommunikation im Vergleich zur mundlichen Rede wichtige Kontextinformationen (etwa Gesten) fehlen, dieses Defizit konne aber durch technische Hilfsmittel durchaus adaquat ausgeglichen werden, etwa durch Emoticons [37] oder Mail-Signaturen und so den Beteiligten die gleiche Orientierung bieten wie in der Interaktion (vgl. Schmidt 2006: 32f.). Deshalb ware es moglich, ,,dass Kommunikation auch in sehr reduzierten virtuellen Umgebungen erfolgreich ablaufen kann" (Schmidt 2006: 33). [38] Hier wird also der Massstab auf Face-to-Face-Interaktion gelegt und computervermittelte Kommunikation dann daran gemessen, inwiefern sie dieses Ideal (durch technische Hilfsmittel) erreichen kann. [39] Damit wird aber vermutlich verdeckt, was denn nun tatsachlich neuartig ist an der Kommunikation im WWW, [40] wenn in Analogie zur mundlichen Rede das neue Kommunikationsphanomen Weblog als Spezialfall davon zu beschreiben versucht wird. In diesem Sinne spricht Josef Wehner (1997a: 154f.) als Kritik an der Dialogmetapher gar davon, dass Medien der Interaktivitat [41],,die gegenwartig fortgeschrittenste Form einer Auflosung des strukturellen Kontexts interaktiver Kommunikation darstellen."

Zudem wird bei Schmidt, um auf das Beispiel zuruckzukommen, (folgerichtig) wie unschwer zu erkennen ist, auf einen auf gelingend/nicht-gelingend abstellenden Kommunikationsbegriff Bezug genommen, so als ob Kommunikation unter Anwesenden immer eindeutig und ohne Unklarheiten gelingen wurde und dass immer klar wurde, was denn der Mitteilende wirklich meint. Fur die hier vorliegende Analyse mit dem systemtheoretischen Kommunikationsbegriff ist dieses Kommunikationskonzept jedoch unbrauchbar insofern, als Kommunikation vom Verstehen her (was psychisches Missverstehen auf der Seite des Verstehenden einschliesst) begriffen wird. [42] Kommunikation kann so gesehen nicht erfolgreich sein im Sinne einer besseren ,,Ubertragung" eines wirklich gemeinten Sinns, sondern nur ablaufen oder eben nicht. Allfallige Unklarheiten konnen in der Folgekommunikation geklart werden, was zugleich aber das Verstehen der vorangegangenen Kommunikation anzeigt und damit Kommunikation in Gang halt (vgl. Luhmann 1984: 198).

Man hat es dann mit reflexiver Kommunikation, also Kommunikation uber Kommunikation zu tun (vgl. Luhmann 1984: 199).

Ein weiterer zu kritisierender Punkt ist die haufig zu findende Behauptung, Links zwischen Blogs waren nicht nur eine technische, sondern vor allem auch eine soziale Struktur, die dem Beziehungsmanagement der Blogger diene (vgl. Krauss 2008; Schmidt 2006: 48; Schmidt 2008a: 116; Schmidt 2008d: 75ff.). Auch dies ist vermutlich eine zu interaktionsnahe Behauptung, da man es - wie wir spater sehen werden [43] - nicht mit interpersonaler Kommunikation zu tun hat und es bei bestimmten Verlinkarten so ist, dass Links automatisch generiert werden (also von der Software gesteuert) und damit nicht als soziale ,,Verbindung" zu Stande kommen. [44] Dies ist die eine (kommunikationswissenschaftliche/kommunikationssoziologische) Stossrichtung, die ein letztlich interaktionistisches Kommunikationsmodell auf Blogkommunikation zu ubertragen versucht. Die andere bezieht ihre Inspiration bei McLuhan (1962; 1964) und behauptet, dass Blogs eigentlich kein Schriftphanomen, sondern eher eine orale Kommunikationsform seien. Geert Lovink (2007/2008: 45) schreibt dazu: Ein Blog ,,ist eher die digitale Erweiterung oraler Traditionen als eine neue Form des Schreibens. Durch Bloggen werden Nachrichten von einem Lesestoff in einen Gesprachsstoff verwandelt." Damit wird m.E. die operative Ebene und die Ebene der Selbstbeschreibung vertauscht, denn operativ gesehen ist Blogging zweifelsfrei eine schriftbasierte Operation, die zwar durchaus wie andere Internetkommunikationsformen auch, auf sprachlicher Ebene mundliche Elemente beinhalten kann, trotzdem von der Medialitat her gesehen aber eindeutig schriftlich ist. 45 Auch hier setzt sich damit eine Tradition fort, die schon Mitte der 1990er-Jahre Hochkonjunktur hatte, namlich der Ruckgriff auf ,,kunstliche Oralitat". So hatte etwa der Philosoph Pierre Levy (1996: 65) behauptet, dass ,,uns der Cyberspace wieder in die Situation vor der Schrift zuruck" fuhren wurde, ,,aber auf einer anderen Ebene und einer anderen Umlaufbahn" (Levy 1996: 65).

In diesen beiden Untersuchungsrichtungen wird also - so meine These - die Schriftbasiertheit von Blogs ausgeblendet und dann nur darauf geschaut, wie sich die Kommunikation selbst beschreibt und dies geschieht eben haufig mundlichkeitsanalog. Vielfach wird wie schon angesprochen eine Sprache verwendet, die der Mundlichkeit entlehnt ist, also etwa viele Dialektformen oder parasprachliche Zeichen wie Smileys, die mundliche Kontextmitteilungen simulieren sollen. Aber Blogs bleiben letzten Endes schriftbasiert und haben mit mundlicher Kommunikation operativ gesehen nicht mehr viel gemein, auf der Ebene der Selbstbeschreibung hingegen lassen sich durchaus mundlich orientierte Formen ausmachen, aber diese beiden Ebenen mussen feinsauberlich getrennt gehalten werden. [46] Im folgenden soll ein Gegenvorschlag, der radikal anders ansetzt, vorgestellt werden: Elektronische Schriftlichkeit.

4.2. Intertextuelle Kommunikation als Form elektronischer Schriftlichkeit

Sieht man sich die bisherige Medienevolution an, so werden mit Schrift Kommunikationen moglich, die sich viel starker auf die Kommunikation als solche beziehen und nicht mehr standig durch das Bewusstsein irritiert werden. [47] Wie sieht das im Falle der computervermittelten Kommunikation, speziell der Kommunikation im WWW aus?

Nimmt man die Technik, durch welche die Kommunikation im WWW uberhaupt erst moglich wird, ernst - und das tut die Systemtheorie, auch wenn die Technik selbst Umwelt der Kommunikation ist 48 - wird deutlich, dass es sich nicht um interpersonale Kommunikation handeln kann: Fur Interaktion ist die Anwesenheit von Personen und damit einhergehend reflexive Wahrnehmbarkeit das Konstitutionskriterium und die Gleichzeitigkeit von Mitteilung und Verstehen charakteristisch. 49 Wechselseitige Irritation der an der Kommunikation beteiligten Bewusstseine ist damit standig gegeben. Mit der Zwischenschaltung von Technik andert sich dies radikal: Man ist nun nicht mehr wechselseitig wahrnehmbar und damit vom gemeinsam geteilten Wahrnehmungskontext abgekoppelt, Mitteilung und Verstehen werden zu ,,unabhangigen Prozessen" (Wehner 1997a: 158). [50] Auch bei (quasi-)synchronen Internetkommunikationsformen wie beispielsweise IRCChat-Kommunikation (vgl. Storrer 2001a), die Interaktion zu simulieren versuchen, interagiert man dann nicht mit einer anderen Person (wie in der Interaktion), sondern zunachst einmal nur mit einer Maschine, seinem PC (vgl. Esposito 1995: 227; Sutter 2008: 67). Ob das ,,Gegenuber" eine andere Person oder eine Maschine ist, ist letztlich unergrundlich, obwohl dies fur das Gelingen der Kommunikation auch nicht von Belang ist (vgl. Wehner 1997b: 107). Diese Kommunikation ist anonym; ein direkter Zugriff [51] auf den Anderen (wie in der Interaktion) ist wegen der Zwischenschaltung der Technik nicht moglich. Jegliche Kontextinformationen fehlen hier und mussen schriftlich expliziert werden. Der Co-Text muss immer mitgeliefert werden, weil kein gemeinsamer Bezugsrahmen mehr gegeben ist, was aber schon mit Schrift uberhaupt der Fall ist. 52 In einer Chat-Kommunikation etwa, aber auch in der Blogkommunikation, beziehen sich dann - obwohl es fur die Beteiligten tatsachlich so aussieht - nicht Personen aufeinander, sondern ausschliesslich schriftlich fixierte Zeichen. Radikal formuliert: Kommunikation im WWW lasst sich nicht als interpersonale Kommunikation auffassen, sondern adaquater als intertextuell beschreiben (vgl. Wehner 1997b: 107; Wehner 1997c: 142ff.; Sutter 2000: 28; Sutter 2008: 67). Kramer (2000: 111, zitiert nach Sutter 2008: 67, kursiv im Original) spricht diesbezuglich von einer ,,Depersonalisierung der Interaktion".

Diese Form der Kommunikation soll in Anlehnung an Wehner (1997c) als ,,elektronische Schriftlichkeit" bezeichnet und damit der (spezifischen) Schriftbasiertheit dieser Kommunikationsform Rechnung getragen werden. Wir stellen uns damit mit einem Gegenmodell gegen die Analyserichtung, die sich der Dialogmetapher bedient. Die meisten dieser Analysen stellen die letztlich schriftbedingten Kommunikationsumstande des Internets nicht genugend in Rechnung und greifen auf ein auf den ersten Blick einleuchtendes, weil im Alltag stets erfahrbares Modell des mundlichen Dialogs zuruck. Damit sind diese Studien nicht alleine respektiv nicht von ihrem Untersuchungsgegenstand entscheidend vorgepragt bei der Wahl ihres Analyseinstruments: Bohn (1999) hat versucht, der Soziologie ihr Festhalten an dialogischen, letztlich interaktionistischen Sozialitatsmodellen, also ihre Schriftvergessenheit nachzuweisen. [53]

Letztlich fuhrt also elektronische Schriftlichkeit dazu, dass Kommunikation im WWW von ,,jeglichem Personenbezug entbunden" (Malsch 2005: 110) wird. Die Speicherfahigkeit dieses Mediums (und das ist letztlich auch eine Schriftauswirkung) kann beispielsweise dazu fuhren, dass bei Debatten im WWW zwar die Argumente und Positionen jederzeit sichtbar, und damit angreif- und zitierbar bleiben, auch wenn die ,,Personen", die sie verfasst haben, schon lange nicht mehr an der Debatte beteiligt sind und damit werden die Beitrage selbst wichtiger als ihre Verfasser (vgl. Malsch 2005: 74). Aber auch das ist im Prinzip schon ein Schriftphanomen und hangt mit der erhohten Selbstexpliziertheit schriftlicher Kommunikation zusammen. [54] Kommunikation bleibt dabei auch im WWW naturlich auf Bewusstsein angewiesen (vgl. Luhmann 1995c), aber wird sogar noch weniger als bei ,,normalschriftlicher" Kommunikation durch das Bewusstsein irritiert, weil nun Maschinen zusatzlich zwischengeschaltet sind. Dies fuhrt dazu, dass die strukturelle Kopplung von Kommunikation und Bewusstsein sich lockert (vgl. Brill 2003: 93; Esposito 2001: 73), Peter Fuchs (1998: 310, kursiv im Original) bezeichnet deshalb Kommunikation im WWW als ,,hyperautonome Formen der Kommunikation". Die schon mit Schrift einsetzende Autonomisierung der Kommunikation (von den Irritationen des Bewusstseins) wird also in der durch vernetzte Computer ermoglichten Kommunikation nochmals gesteigert. [55] Um nun noch genauer die Eigenheit elektronischer Schriftlichkeit herauszuarbeiten, muss ein pseudovertrauter und vielgebrauchter Begriff definiert werden: Interaktivitat, um die Unterschiede zur Mundlichkeit und nicht-elektronischen Schriftlichkeit deutlicher herauszustreichen.

4.2.1. Weblogs und Interaktivitat

Internetbasierte Kommunikation mit Blogs als Spezialfall haben wir als intertextuelle Kommunikation und damit als Form elektronischer Schriftlichkeit definiert. 56 Es geht also um einen Kommunikationsmodus, der vollig andersartig als interpersonale Kommunikation (was letztlich nur Interaktion, allenfalls auch Briefe sein konnen [57] (vgl. Luhmann 1993: 354)) funktioniert. Entscheidend ist, dass sich Alter und Ego wegen der Zwischenschaltung der Technik nicht wechselseitig wahrnehmen konnen und radikal von einem gemeinsamen Wahrnehmungskontext entkoppelt sind. Dennoch ist auffallig, dass bestimmte Formen im Internet Interaktion suggerieren (vgl. Bornmann 2001: 62f.), bei der Chat-Kommunikation gar praktisch in Echtzeit, [58] so dass sich tatsachlich so etwas wie Interaktion einspielt. Jedenfalls ist die Ausrichtung der an der Kommunikation Beteiligten auf den jeweils Anderen offensichtlich und die Eingriffsmoglichkeiten im Vergleich mit normalschriftlicher Kommunikation immens gesteigert. Aber eben: Man hat keinen Kontakt zu diesem Anderen, sieht nur die Zeichen, weiss letztlich auch nicht, ob hinter diesen Zeichen eine Person oder ein Computerprogramm steckt. Insofern ist es fur diese Art der Kommunikation wenig sinnvoll, von Interaktion zu sprechen, da es sich dann nur um defizitare Interaktion handeln konnte, womit man womoglich die wirklichen Leistungen dieser Kommunikationsform ubersieht. Eher ist der nun schon mehrfach genannte Begriff der ,,Interaktivitat" angebracht. Geht man wie die vorliegende Arbeit von Internetkommunikation als einem eigenstandigen Kommunikationsmodus aus, der sich von der Interaktion unter Anwesenden in vielerlei Hinsichten weit entfernt hat, so ist es kaum sinnvoll, einen Interaktivitatsbegriff so zu bauen, dass Interaktion unter Anwesenden als Idealfall von Interaktivitat gilt und dann per Skala Abstufungen anderer Medien gemacht werden (so beispielsweise Durlak 1987 oder Goertz 1995). So gesehen mussten folglich alle Interaktivitatsniveaus gegenuber der Interaktionsituation defizitar erscheinen, womit man sich wieder dieselben Probleme wie mit der Dialogmetapher einhandelt, namlich dass man Massen- und Internetkommunikation mit Begriffen zu verstehen sucht, die nicht angebracht sind, weil diese Formen nicht so funktionieren. Dagegen scheint die Definition von Elena Esposito (1995: 226) sinnvoll, die Interaktivitat als Eigenschaft elektronischer Medien, die Einseitigkeit der (anonymen) Fernkommunikation 59 zu uberwinden, auffasst, so dass Ego sich noch wahrend die Kommunikation prozessiert, an Alter orientieren kann. Damit findet aber keinesfalls eine Annaherung an Interaktion statt, wie gezeigt werden die Merkmale der Interaktion durch die Zwischenschaltung gerade ausgeblendet (vgl. Esposito 1995: 227). Allerdings wird (Quasi- )Synchronizitat moglich, was diese Form der Kommunikation an Interaktion erinnern lasst, ohne aber selbst, operativ gesehen, Interaktion zu sein.

Blogkommunikation soll als solche Form von Interaktivitat gelten und zwar in zweierlei Hinsichten: Erstens hat der Blogleser die Moglichkeit, sich durch den Hypertext (vgl. etwa Bolter 1991: insb. 21ff.), also die Linkstruktur hindurchzunavigieren, sich also gleichsam seinen ganz eigenen, nur fur ihn sichtbaren und fur einen Anderen anderweitig ausfallenden Text zu konstruieren. Durch seine Selektionsentscheidungen bestimmt Ego, was uberhaupt geschieht, was er zu lesen bekommt. Er kann beispielsweise einem Link von einem Blog zu einem anderen folgen und der Computer reagiert auf sein Anklicken und macht den anderen Text sichtbar. Der wesentliche Unterschied etwa zum Buch, wo der Leser ebenfalls Verweisen innerhalb des gleichen Buchs folgen oder bestimmte Kapitel uberspringen kann, liegt darin, dass die Verbindung (also der Link) von der Software geleistet wird und nicht eigentlich vom Benutzer (vgl. Esposito 1993: 345). Der Verweis vollzieht sich dann tatsachlich, der uber den Link aufgerufene Text taucht, sofern kein Fehler auftritt, tatsachlich auf. Insofern ist diese Form der Intertextualitat im Gegensatz zur Intertextualitat der Buchdruckkultur 60 nicht virtuell, sondern ,,konkret, flach, pragmatisch, real(istisch)" (Idensen 1996: 145). Zweitens hat der Leser meistens auch die Moglichkeit, Kommentare zu hinterlassen, er kann also auf den Text ,,einwirken". Dieser Eingriff wird im Normalfall im Moment des Abschickens des geschriebenen Kommentars sichtbar. 61 Damit hat man es mit einer ganz anderen Struktur zu tun als etwa bei wissenschaftlichen Zeitschriften, wo naturlich auch auf Artikel vergangener Ausgaben referiert wird, die Antwort aber nicht in der gleichen Ausgabe geschehen kann, nachdem die Ausgabe schon publiziert ist. Allerdings muss auch beim Blogkommentieren naturlich zunachst ein Eintrag vorhanden sein, bevor uberhaupt kommentiert werden kann. Dies ist dann aber in der ,,gleichen Ausgabe" [62] moglich.

Mit dem Begriff ,,Interaktivitat" ist zunachst also eine Differenz zur Interaktion markiert, gleichzeitig aber auch eine Differenz zur traditionellen Schriftlichkeit. Die Analyse von Blogs muss sich also davor huten, eine dieser beiden Moglichkeiten zu gehen, sondern eine neue Route einschlagen. Die folgenden Ausfuhrungen sind ein Versuch davon, zunachst soll mit dem vorgestellten Theorieapparat das Problem der Authentizitat analysiert werden.

4.2.2. Authentizitat

In der Literatur zu Weblogs sind haufig Ausserungen zum Authentizitatsanspruch der Identitatsreprasentation im Blog zu finden (vgl. Folger 2008; Schmidt 2006: 77ff.; Steppacher 2006: 121; Thimm/Berlinecke 2007: 84). Die wissenschaftliche Reflexion des Phanomens Weblog ist hier aber m.E. der Selbstbeschreibung der Blogosphare selbst verfallen. Haufig sind auf Blogs Gedanken zur Authentizitat des Geschriebenen zu finden, das folgende Beispiel soll dies exemplarisch verdeutlichen: 63

,,Gute Blogs sind authentisch. Nichts weiter. Sie sind von echten Menschen geschrieben, haben einen glaubwurdigen Inhalt und erscheinen in einer zuverlassigen Regelmassigkeit. Ihr Inhalt ist originar. Sie reflektieren und kommentieren die Welt aus einer personlichen und ehrlichen Sicht. Autor und Inhalt stimmen uberein und geben nicht vor, etwas anderes zu sein als sie sind. Die Prasentation ihrer Inhalte ist oft schlicht und ungekunstelt. Sie sind eben authentisch. So einfach ist das." [64]

Dieser Glaubwurdigkeitsanspruch wird auch von Blogospharenbeobachtern reflektiert und findet dann Eingang in Blogging-Ratgeber: ,,One simple rule for doing it [Blogging, S.E.] is be real. If you are going to blog, be authentic. Keep your conversations naked" (Scoble/Israel 2006: 150, kursiv im Original) liest man etwa, oder in einem deutschsprachigen Blogger- Handbuch steht: ,,Auch Kleinbloggerdorf [die deutsche Bloggerszene, S.E] hat seine ungeschriebenen Gesetze. Sie drehen sich alle um den Begriff ,Glaubwurdigkeit'. Nur uber faires, aufrichtiges Verhalten erreichen Sie die Glaubwurdigkeit und Akzeptanz, die notig ist, um ein anerkannter Blogger zu werden" (Bartel 2008: 23). Offenbar ist dieser Authentizitatsanspruch eine Reaktion auf den offentlichen Charakter von Blogs und in Abgrenzung zur Massenkommunikation, wo Gatekeeper vor der Publikation prufen, was uberhaupt veroffentlicht werden kann und wie dieser Inhalt auszusehen hat, wird die Starke von Blogs darin gesehen, dass man mit eigener, ungefilterter Stimme sprechen (besser: schreiben) kann. [65] Dieser Selbstbeschreibung folgen wie angesprochen auch viele Sozialwissenschaftler, wenn sie Blogs untersuchen: Die Grundidee hinter dem Authentizitatsanspruch ist dabei immer, dass es sich bei Blogkommunikation letztlich um ,,eine sehr personenbezogene Form der Kommunikation" (Schmidt 2006: 81), [66] handelt. Es wird dann behauptet, dass im Blog Identitaten per Selbstdarstellung aufgebaut und im Gegensatz zu anderen Online-Kommunikationsformen dank dem Blog-Archiv dauerhafter (und eng(er) mit den realweltlichen Identitaten verknupft) angelegt wurden und so fur jeden Leser Selbstdarstellungsinkonsistenzen aufdeckbar seien (vgl. Schmidt 2006: 77ff.; Wijnia 2004: 70). Dank der Personalisierung und des personlichen Schreibstils seien Blogs zudem autorenbezogen (vgl. Hoffmann 2006: 162f.; Schmidt 2006: 81; Simanowski 2004: 209ff.), verschiedene Facetten der Identitat des Bloggers wurden hier preisgegeben, insofern handle es sich bei Blogs um ein ,,Kaleidoskop des Ich" (Diemand 2007: 67). Im Weiteren sei der ,,Dialog" zwischen Blogschreiber und -leser fur die Identitatsbildung entscheidend, weil der Autor in doppelter Auseinandersetzung, zum einen mit sich selbst, zum anderen mit seinem Publikum, sich selbst darstelle (vgl. Schmidt 2006: 79).

Zwar wird durchaus festgehalten, dass es Regelverstosse gegen die Authentizitatsnorm gabe, ein beruhmter Fall war etwa die Bloggerin Layne Johnson, die eine grosse Leserschaft auf sich ziehen konnte und wo sich spater - nachdem der Blog plotzlich nicht mehr online war - herausstellte, dass sich ein Mann hinter dem Pseudonym verbarg, der ein literarisches Experiment durchfuhren wollte (das ubrigens uber drei Jahre andauerte!) (vgl. Schmidt 2006: 79). Ausserdem ist mittlerweile haufig das Phanomen zu beobachten, dass automatisierte Suchroboter (sogenannte Spambots) Weblogs durchsuchen und automatisch generierte Kommentare abgeben, in denen unspezifisch ohne eigentlichen Bezug zu einem Beitrag uber den Blog ein Kommentar abgegeben und dann im Kommentar beispielsweise fur Produkte geworben wird (vgl. Folger 2008: 300f.). So wurden zu einem Blogeintrag, in dem es um einen Bloggerkodex geht 67 von 320 Kommentaren (zum Aufrufzeitpunkt) geschatzt weit mehr als die Halfte vermutlich maschinell gefertigte Kommentare, die uberhaupt nichts mit dem Blogeintrag an sich zu tun hatten, abgegeben, haufig mit Links zu Internetadressen versehen, so in einem Kommentar: "thanks evden eve nakliyat evden eve nakliye evden eve nakliyeci evden eve" [68] Solche Spamaktionen sind keine Einzelfalle, es gibt sogar ganze Blogs, die nur zum Zwecke der Suchmaschinenoptimierung erstellt werden, [69] weil diese so funktionieren, dass ein Link auf einen Blog als Beleg fur dessen Wichtigkeit gewertet wird und man so (maschinell) sogenannte ,,Link Farms" erstellen kann (vgl. Schmidt 2006: 63f.; Schmidt 2008d: 74). Dem Problem automatisch generierter Kommentare wird durch das sogenannte CAPTCHA- Verfahren (Completely Automated Public Turing Test to tell Computers and Humans Apart) zu begegnen versucht, das sind Schriftcodes, die in Bildform (verzogen, verbogen etc.) dargestellt werden und die vom Nutzer in ein Feld eingegeben werden mussen (und von der Software idealerweise nicht ,,gelesen" werden konnen), um den Kommentar abzuschicken (vgl. Lazar/Meiselwitz/Feng 2007: 45ff.). Aber auch diese Sicherheitsmechanismen lassen sich von bestimmten Computerprogrammen mittlerweile umgehen. [70]

Diese Liste liesse sich um zahlreiche Beispiele verlangern, und es wird in der Blogliteratur auch eingestanden, dass es Tauschungen, Falschungen etc. gabe und dass sie potenziell moglich sind, es wird dann aber so getan, als ob das zu tadelnde Einzelfalle, die den Authentizitatsanspruch des Gros nur bestatigen wurden, waren (vgl. etwa Schmidt 2006: 78f.; Wijnia 2004: 69ff.). Offenbar liegt hier ein (Kommunikations-)Verstandnis zu Grunde, das - nach den ernuchternden Erfahrungen mit der fur das Internet typischen Anonymitat in den 1990er-Jahren - nun propagiert, dass Tauschungen und Falschungen der Vergangenheit angehorten oder wenigstens Einzelfalle sind und Authentizitat der Normalfall ware.

Authentizitat wird dann gemessen an der Kongruenz von dem, was Alter mitteilt und dem, was er ist, wenngleich diese Mitteilung nicht vollstandig erfolgen musse: ,,Authentizitat meint das ehrliche, aber nicht notwendigerweise das vollstandige Offenlegen von personlichen Informationen" (Schmidt 2006: 85). Damit handelt man sich aber das Problem ein, wie man denn wissen konnte, ob jemand authentisch ist oder lediglich etwas vorzugeben scheint, was er eigentlich nicht ist.

Mit dem systemtheoretischen Kommunikationsbegriff lasst sich dieses Problem losen: Wir hatten Kommunikation als das Prozessieren dreier (kontingenter) Selektionen: Information, Mitteilung und Verstehen eingefuhrt. 71 Teilt Alter etwas uber sich mit, so ist diese Information immer als ,,Produkt" der Selbstreferenz Alters ebendiesem attribuierbar und hat insofern immer einen Kontingenzverdacht inharent: Die Wahl dessen, was Alter mitteilt, also die Information, hatte auch anders ausfallen konnen; aber auch die Mitteilung, die durch Ego von der Information unterschieden wird, ist kontingent und deshalb ist Aufrichtigkeit nicht kommunizierbar (vgl. Luhmann 1984: 207ff.). Auf die Authentizitatsforderung von Blogs angewandt, verschiebt sich dann das Problem dahingehend, dass es nicht darum gehen kann, dass der Blogger tatsachlich aufrichtige Informationen uber sich mitteilen kann, respektive: Jede Darstellung kann bezweifelt werden. Dies wird noch gesteigert je mehr betont wird, wirklich derjenige zu sein, den man zu sein vorgibt: ,,Aufschlusse uber das Innere eines Gesprachsteilnehmers zu gewinnen, geht in den elektronischen Netzen verloren, da hier jeder Versuch, wahrhaftig zu wirken, explizit zu machen ist und damit prinzipiell einem Tauschungsverdacht ausgesetzt ist" (Wehner 1997c: 144). Ego kann Alter immer Kontingenz unterstellen, und genau das ist bei Blogs haufig beobachtbar, etwa als dem bekannten Warblogger Salam Pax [72] vorgeworfen wurde, nicht von Bagdad, sondern von London aus zu bloggen und eigentlich ein CIA-Agent zu sein (vgl. Bucher/Buffel 2006: 144f.). Das Problem scheint tiefer zu liegen als bei der Frage, wie glaubwurdig die Selbstdarstellung eines Bloggers ist: Vermutlich geht es zunachst um die Frage der Zurechnung der Mitteilung auf eine Person, die im Internet zunehmend schwierig wird.

Es lohnt sich, an dieser Stelle einen historischen Hinweis einbauen: Wir verlagern das Problem der Authentizitat in das Medium der Schrift (und vor allem des Buchdrucks) selbst und folgen einer These von Cornelia Bohn (1999: 221ff.), die besagt, dass Authentizitat immer medial vermittelt und erst durch die Medien Schrift und Buchdruck thematisierbar wird. Bohn (1999: 223f., mit Verweis auf Ross 1994) zeigt, dass es der Buchdruck ist, der kirchliche und weltliche Autoritaten ablost und schliesslich selbst als Autorisierungsinstanz authentischer Texte fungiert. Zwar ist der Autor noch im 18. Jahrhundert auf die Gunst von Standespersonen angewiesen, wenn aber seine Bucher einmal gedruckt sind, verselbstandigt sich die Legitimation der Texte. Da aber im Umbruch von stratifizierter zu funktionaler Differenzierung (vgl. dazu allgemein Luhmann 1997: 707ff.) die legitime Mitteilung nicht mehr einem bestimmten Status oder Rang zugeschrieben werden kann, muss schliesslich auf den ganz spezifischen Mitteilungsgehalt rekurriert werden, wodurch Autorschaft zur Selbstautorisierung wird (vgl. Bohn 1999: 224f.). [73] Dies alles ist nur moglich vor dem Hintergrund der durch den Buchdruck ausgelosten Individualisierung (vgl. Luhmann 1997: 297f.) und immer geht es um die Zurechnung einer Mitteilung auf einen Autor, also der Attribution von Wissen auf Individuen, und erst dann kann sich als semantische Begleiterscheinung eine Authentizitatssemantik der Identitat des nun einzigartigen Individuums mit sich selbst entwickeln (vgl. Bohn 1999: 222ff.).

Die Frage ist nun, wie das Problem der Zurechnung von Mitteilungen auf einen ,,Autor" bei Blogs aussieht. Vermutlich durfte sich im Internet das Problem dahingehend radikalisieren, dass es eine Autorisierungsinstanz wie den Buchdruck nicht mehr gibt, jeder seine Gedanken publizieren kann und insofern sich dann das Problem der Authentizitat, wenn es keine Zugangsbeschrankungen mehr gibt, verscharft. [74] Wie beim Buchdruck verschafft nicht allein schon der Fakt, dass etwas im WWW publiziert wurde, Autoritat, aber beim Buchdruck gibt es zumindest noch eine grossere ,,Zugangskontrolle". Ausserdem gibt es die formale Adresse des Autors, der zwar nicht anwesend ist, aber diese formale Adresse verweist auf eine Person hinter den Zeichen (auch wenn der Autor pseudo- oder anonym ist) (vgl. Wehner 1997c: 144). In der Blogkommunikation wird das schon prekarer, weil die Zeichen sich auf Zeichen beziehen, die unter Umstanden nicht wie der Autorenname (auch wenn es einen solchen geben sollte im Blog!) auf eine Person hinter ebendiesen verweisen. [75] Die Selbstautorisierung mit dem Verweis auf den Mitteilungsgehalt wird in Blogs vermutlich deshalb noch wichtiger, wie wir sehen werden wird beispielsweise explizit auf Wahrheit rekurriert 76 oder eben auf Authentizitat (i. S. v. ehrlichen Mitteilungen uber sich selbst). Das Problem ist aber, dass im Medium Blog wie eben gezeigt Formen moglich sind, die ganzlich ohne jedes Bewusstsein auskommen, und Texte auch rein maschinell erstellt werden konnen, womit sich auch das Problem der Zurechenbarkeit verscharft. Dies, weil der Computer immer sowohl ein Medium als auch eine Maschine ist (vgl. Esposito 1993). Nun ist auch der Buchdruck immer beides, aber mit dem wesentlichen Unterschied, dass beim Buchdruck als Medium der Input mit dem Output identisch ist und der Input einem Autor zugeschrieben werden kann, wahrend das beim Computer nicht zwingend der Fall ist: Der Computer verarbeitet (als Maschine) eigenstandig Daten; Input und Output (des Computers als Medium) mussen daher nicht korrelieren (vgl. Esposito 1993: 339), der Computer kann gar selbst Inhalte generieren und in einen Blog posten. [77] Wird nun explizit eine wahrheitsgetreue Darstellung angepriesen, so werden Zweifel an ebendieser wegen der Moglichkeit der technischen Manipulation noch gesteigert, worauf man dann eben etwa mit dem Verweis reagiert, dass die Darstellung authentisch sei. Und dies scheint ,,zum guten Ton" der Blogosphare zu gehoren und wird dort rege diskutiert, vermutlich macht das Spiel damit auch einen guten Teil des Reizes der Teilnahme an einer solchen Kommunikation aus.

[...]


[1] Diese Position wird gerade von Journalisten und anderen nichtwissenschaftlichen Beobachtern haufig vertreten; die Buchtitel von Editors of Perseus Publishing (2002) (We've got Blog. How Weblogs Are Changing Our Culture), Kline/Burstein (2005) (Blog! How the Newest Media Revolution is Changing Politics, Business, And Culture) oder Hewitt (2005) (Blog. Understanding the Information Reformation That's Changing Your World. Why You Must Know How The BLOGOSPHERE Is Smashing The OLD MEDIA MONOPOLY and Giving Individuals Power in the Marketplace of Ideas) weisen darauf hin. Aber auch aus der Wissenschaft ist - in gemassigter Weise - diese Position zu vernehmen, vgl. etwa Bucher 2005; Bucher/Buffel 2005; Bucher/Buffel 2006; Prillinger 2004; Wijnia 2004; Schmidt 2008c.

[2] Wann immer die Quellen nicht wissenschaftlich sind, sondern von Bloggern oder Journalisten stammen, ist
dies speziell gekennzeichnet.

[3] Unter sozialen Systemen fassen wir damit mit Luhmann (1984: insb. 192) operativ geschlossene, selbstreferenzielle Systeme mit dem Letztelement Kommunikation.

[4] Vgl. Kap. 5.

[5] Dazu zahlen etwa die Interaktionsstudien von Erving Goffman 1961, 1969, 1981.

[6] Das ist Luhmanns Universalitatsanspruch an seine eigene Theorie, vgl. dazu Luhmann 1984: 9f.

[7] Vgl. Kap. 4.

[8] Als einen Vorschlag zu den durch computervermittelte Kommunikation notig werdenden Modifikationen des systemtheoretischen Kommunikationsbegriffs, vgl Malsch 2005.

[9] Um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen, wurde von der ,,hierarchieauflosenden, entmassifizierenden Wirkung von Computerkommunikationsnetzwerken" (Rheingold 1998:

197) gesprochen oder davon, dass die neuen Medien das Ende der (einseitigen) Massenkommunikation einlauten wurden, vgl. Rotzer 1996. Auch die These vom Ende der Gutenberg-Galaxis (vgl. Bolz 1993; Horisch 1999: 22), also des linearen, von Schrift gepragten Zeitalters war zu vernehmen. Aber auch noch zehn Jahre spater geistern Thesen einer antizentralistischen, antiautoritaren, demokratischeren Struktur des Internets (gegenuber den klassischen Massenmedien) (vgl. etwa Horisch 2004: 389) oder sein personenverbindendes Potenzial (vgl. Tadeusiewicz 2005: 84) durch die medienwissenschaftliche Literatur. Einen Uberblick uber die in den 1990ern kursierenden Thesen bezuglich der Effekte des Internets findet sich in Wehner 1997a: 28ff.

[10] Vgl. die Beitrage in Munker/Roesler 1997.

[11] Vgl. zur Begriffsgeschichte als Uberblick Schmidt 2008c: 19ff.

[12] Auch hier dringt die Demokratieperspektive hervor, wenn Axel Bruns meint, dass er die Figur dieser kollaborativen Form des Web 2.0 nicht wie Alvin Toffler (1990: 239) ,,prosumer", sondern ,,produser" nenne, ,,to avoid the overly commercial tone of this neologism" (Bruns 2005: 23). Es gehe also um Kollaboration, die kostenlos geleistet wurde und keine kommerziellen Interessen verfolge wie die Massenmedien. Dieser Verdachtsmoment gegenuber dem Kommerz ist denn auch, wenn es explizit um Weblogs geht, zu finden, etwa bei Langenfeld (2008: 57), wo Verurteilungen des Medium Blogs als unpassend klassiert werden, ,,solange ein Weblog zum privaten Vergnugen geschrieben und gelesen wird, niemandem schadet und nicht kommerziellen Zwecken dient".

[13] Das wird dann naturlich gerade in Bloghandbuchern als eine der starken von Blogs angepriesen, als ein Beispiel mag folgendes genugen: ,,Die Faszination, sich ein eigenes Medium zu erschaffen, sich frei von allen - oder zumindest den meisten - Zwangen auszudrucken, muss man selbst erfahren. Blogs demokratisieren die Medien, sie reissen die Zugangsbarrieren nieder, die seit Anbeginn der menschlichen Schriftkultur privilegierte Sender von Empfangern getrennt haben" (Bartel 2008: 7).

[14] Zahlen zur Anzahl Blogs sind immer nur sehr grob geschatzt, vgl. zu den Problemen dabei Schmidt 2006: 15ff. Die fuhrende Blogsuchmaschine Technorati (http://www.technorati.com) hatte Anfang April 2007 uber 70 Millionen Blogs indiziert (vgl. http://www.sifry.com/alerts/archives/000493.html, Stand: 29.5.2009, 17:03 Uhr). Glaubt man der ARD/ZDF-Online Studie 2008, so ist die Weblognutzung mittlerweile (in Deutschland) wieder rucklaufig und gut drei Viertel der Befragten (n=1186) konnen mit den Begriff ,,Blog" uberhaupt nichts anfangen, vgl. Fisch/Gscheidle 2008: 358ff.

[15] Und zu einer Vielzahl von Blogging-Handbuchern und -Ratgebern (vgl. z.B. Bartel 2008; Gardner/Birley 2008/2009), gerade auch fur den Gebrauch von Blogs in wirtschaftlichen Zusammenhangen (vgl. etwa Bly 2006; Forrester/Powell 2008; Rowse/Garrett 2008; Scoble/Israel 2006) fuhrt.

[16] Es konnte darum sein, dass die vorliegende Arbeit mehr uber Massenmedien und das (Tage)Buch, als uber Blogs an sich aussagt!

17 Damit ist gleichzeitig auch impliziert, dass Gesellschaft sich nicht auf Interaktion reduzieren lasst, sondern die Interaktion ein eigener sozialer Systemtypus ist, der sich

evolutionar gesehen immer starker von der Gesellschaft ausdifferenziert (vgl. Luhmann 1975b: 13f.) und damit mehr Freiheiten zugesprochen bekommt, weil die Interaktion mit zunehmender (Medien-)Evolution davon entlastet wird, Gesellschaft zu sein, vgl. Luhmann 1984: 552ff.; Luhmann 1997: 812ff.

[18] Unter Schriftlichkeit soll hier im Sinne von Bohn (1999: 12) nicht etwa ein Zeichen oder Graphem, sondern eine sozialitatsstiftende Operation verstanden werden.

[19] Bohn (1999: 89) spitzt dies zu: ,,Ubereinstimmung, so konnte man etwas uberpointiert formulieren, ist ein Interaktionsprinzip."

[20] Unter Beobachten wird in der Systemtheorie abstrakt die Operation von Unterscheiden und Bezeichnen der einen Seite der Unterscheidung verstanden, womit auch gleichzeitig impliziert ist, dass dies nur in einer einzigen Operation moglich ist und dass logisch daraus folgt, dass es bei Beobachtungen immer blinde Flecken gibt, vgl. Luhmann 1997: 69 sowie Kap. 5.

[21] Vgl. Kap. 5.1.3.

[22] Wobei es naturlich immer auch Schreiben zu individuellen Zwecken gibt, etwa Tagebuchschreiben etc., vgl. Kap. 5.1.

[23] Die Umwelt kann den Kommunikationsprozess z.B. beeinflussen, wenn ein Server uberlastet ist und ein geschriebener Blog-Beitrag nicht publizieren kann etc.

[24] Das will aber nicht heissen, dass es keine technische Beschrankungen gabe, sondern nur, dass es innerhalb der von der Technik gesetzten Moglichkeiten Spielraum fur verschiedenste Anwendungen gibt, die letztlich sozialer Art sind. Zudem ist damit noch nichts uber den Gebrauch von Medien ausgesagt, z.B. gerade auch im Hinblick darauf, wer - mit Blick auf eine angebliche Demokratisierung durch z.B. Weblogs - solche Medien uberhaupt nutzen kann aufgrund von Sozialstrukturen, die sich ausserhalb des Internets gebildet haben, vgl. Schonberger 2005: 287ff.

[25] Da sich ,,Log" auf das Logbuch bezieht, wird der Begriff haufig im Neutrum gebraucht; deutschsprachige Schweizer ziehen hingegen - das wird auch in dieser Arbeit gemacht - einen maskulinen Genus vor. Das Wort ,,Blog"/,,Weblog" taucht im Duden erstmals im Jahre 2006 auf, vgl. Duden 2006: 261, 1106.

[26] Laut der Bloggerin Rebecca Blood (2002: 7) sollen im Jahre 1999 ganze 23 Blogs existiert haben! Zu den ungefahren Blogszahlen von heute siehe FN 14, S. 9.

[27] Man konnte sich auch vorstellen, auf die Selbstbezeichnung von Internetdokumenten zu schauen, denn zumeist sind Blogs auch als Blogs gekennzeichnet. Ob ein genaues Abgrenzungskriterium uberhaupt wichtig ist, ist ohnehin fraglich wenn man genugend abstrakt zur Analyse ansetzt: Mit dem hier vertretenen Ansatz elektronischer Schriftlichkeit (vgl. Kap. 4.2.) konnte man die These vertreten, dass es gar kein Abgrenzungskriterium von Blogs und Homepages braucht, weil sich beide (wohl mit bestimmten technischen Unterschieden, die aber auf das, was in der Kommunikation moglich ist, keinen grossen Einfluss haben) auf der gleichen Grundlage im Medium WWW formen.

[28] Deshalb hat Wolfgang Coy (1989: 57) den Computer als ,,Hypermedium" bezeichnet. In einem Webbrowser konnen heute gar verschiedene Medienformate nebeneinander dargestellt werden, zudem lassen sich mehrere Fenster offnen, im einen z.B. einen Chatroom, im anderen kann ein Weblog gelesen und in einem dritten ein EMail geschrieben werden etc. Fur (Massen)Medien, die ja auf Schrift basieren und insofern evolutionar gesehen uber der Stufe blosser Symbole und mundlicher Sprache stehen, hat Luhmann lution" ausgemacht, weil mit dem Fernsehen mundliche Sprache und sogar sprachlose Kommunikation, also etwa Bilder, miteinbezogen werden konnen. Im Internet und damit auch in Blogs scheint sich dieser Trend fortzusetzen, weil auch hier z.B. die Integration von Videos, sprachlicher Botschaften etc. moglich ist.

[29] Dieser ganz basale, aber ungemein wichtige Punkt, wurde - wenn ich richtig sehe - in der sozialwissenschaftlichen Literatur zu Blogs noch nie explizit genannt! Bei Perschke/Lubcke (2005) und Wolf (2002) finden sich jedoch Ansatze. Aber nicht nur das, was man schliesslich auf dem Bildschirm zu sehen bekommt, kommt nicht ohne Schrift aus, sondern auch das Medium der Digitalitat besteht seinerseits aus Formen, die im Medium der Schrift strikte gekoppelt werden, vgl. Brosziewski 2003: 18ff.

[30] Vgl. fur eine Ubersicht uber verschiedene Weblogskripte und deren Vor- und Nachteile Westner 2006.

[31] Dies wird in der (Selbst)beschreibung in Blogs sehr haufig betont und als Vorteil gegenuber klassischen Massenmedien hervorgehoben, vgl. Kap. 5.2.5.

[32] URL steht fur Uniform Resource Locator und bezeichnet das, was gemeinhin als Internetadresse bezeichnet wird, also etwa http://www.unilu.ch.

[33] Vgl. auch Kap. 6.

[34] Man konnte hier einwenden, dass das nicht gelingen kann, weil sich die WWW- Anwendungen teilweise sehr stark voneinander unterscheiden, so dass Blogkommunikation eine andere Theorie braucht als etwa herkommliche Homepages. Mit einer sehr abstrakten Theorie wie der im folgenden Kapitel vorgeschlagenen durfte dies aber gelingen, sowie man mit dem Kommunikationsbegriff der Systemtheorie so unterschiedliche Kommunikationsformen wie Interaktion und Massenmediale Kommunikation untersuchen kann (vgl. Kap. 2)

[35] Blogstudien, die so argumentieren, sind etwa Bucher/Buffel 2005; Bucher/Buffel 2006; Bucher/Erlhofer/Kalass/Liebert 2008; Burg 2004; Langenfeld 2008; Lovink 2007/2008; Hendrick/Ornberg 2004; Schmidt 2006; Schmidt 2008c; Schmidt 2008d; Stanoevska-Slabeva 2008; Wijnia 2004; Woodly 2008. Eine Ausnahme bilden Perschke/Lubcke 2005.

[36] So meint Wijnia (2004: 47f.): ,,Chat style of conversation can be seen in diary style blogs. It's sort of a replacement for the chat with the neighbour." In gleicher Weise sieht Woodly (2008: 110) in Blogs ein Medium, das im Gegensatz zu den traditionellen news media ,,closer to conversation" sei.

[37],,Emoticons" (zusammengesetzt aus ,,Emotions" und ,,Icons") sind per Tastatur generierte Zeichen und sie stellen Gesichter dar, die um 90 Grad nach links gedreht sind. Beispiele waren etwa :-) (lachend) oder :-( (traurig) etc. Diese Zeichen sollen im Idealfall den gemeinten Sinn einer Mitteilung unterstreichen, vgl. etwa Hoflich 1996, S. 90f.; Misoch 2006: 169f.

[38] Vgl. fur einen Uberblick uber Modelle computervermittelter Kommunikation, die sich dem Unterschied von Face-to-Face-Interaktionen und computervermittelter Kommunikation widmen (und insofern die Face-to-Face- Interaktion als ,,Normalfall" und demzufolge Kommunikation durch Computer vermittelt daran messen und dann z.B. als ,,kanalreduziert" bezeichnen), Misoch 2006: 63ff.

[39] Gerade auch bei Wijnia (2004) wird dies noch offensichtlicher, weil hier im Anschluss an Habermas (1984: 174ff.) behauptet wird, dass es bei Blogs um eine ideale Sprechsituation ginge.

[40] Damit wiederholt sich hier erneut das, was schon die Kritik an den Massenmedien lange Zeit kennzeichnete: Man hat lange versucht, massenmediale Kommunikation als restringierte Interaktion zu beschreiben und hat damit aber die kommunikativen Freiheiten und Moglichkeiten dieser Kommunikationsform systematisch ubersehen; insofern lauft man auch bei der Beschreibung interaktiver Medien Gefahr, Vieles - vielleicht gerade das Entscheidende - zu verdecken, indem man sich auf ein interaktionistisches Kommunikationsmodell bezieht, vgl. Sutter 2000: 28; Wehner 1997a: 154f.; Wehner 2008b: 364.

[41] Vgl. Kap. 4.2.2.

[42] Vgl. Kap. 2.

[43] Vgl. Kap. 4.2.

[44] Vgl. Kap. 6.

[45] Darauf wird in Kap. 5.2.8 eingegangen.

[46] Wir kommen darauf im Kap. 5. zuruck.

[47] Vgl. Kap. 3.1.

[48] Womit aber keine Abwertung der Umwelt gegenuber dem System gemeint ist, vgl. Luhmann 1984: 289.

[49] Vgl. Kap. 3.1., S. 10.

[50] Vgl. zu diesem Problem grundlegend Malsch (2005: 106ff.), der die These vertritt, dass der Verstehensbegriff erst mit dem Aufkommen und der systemtheoretischen Behandlung der Computerkommunikation wirklich theoretisiert wurde.

[51] Das ist naturlich nicht im Sinne eines Ubergreifens eines Bewusstseins auf ein anderes gemeint, da die Systemtheorie von der Nicht-Identitat psychischer und sozialer Systeme ausgeht, vgl. Luhmann 1995a: 152f.; Luhmann 1995c: 45ff.

[52] Vgl. Kap. 3.1.

[53] Auch Brosziewski (2003: 17) sieht in der Schrift den blinden Flecken der gesamten Medienforschung. Bezogen auf Online-Kommunikation heisst es dann haufig, dass dem Inhalt mehr Bedeutung zukame als in Face-to-Face-Interaktionen (so z.B. Misoch 2006: 57), ohne dass wirklich thematisiert wurde, dass dies auch schon bei herkommlicher Schrift so ist.

[54] Vgl. Kap. 3.1.

[55] Ahnlich spricht Elena Esposito (1993: 353) von einer ,,psychischen Dekonditionierung der Kommunikation".

[56] Die angetonte Eigenheit des Mediums Internet, vielerlei verschiedene Formungen zuzulassen, fuhrt dazu, dass dies bei gewissen Formen vielleicht weniger ausgepragt ist als bei anderen, etwa bei der Internettelefonie uber Dienste wie Skype. Hier spielt dann - weil tatsachlich mundlich kommuniziert wird - ein anderer Kommunikationsmodus als intertextuelle Kommunikation (wobei auch bei Skype getippte Mitteilungen (zusatzlich zu den mundlichen oder fur sich allein) moglich sind).

57 Beim Brief ist der Adressat respektiv Nichtadressat bestimmbar, was immer aber auch das Problem aufwirft, dass die Kommunikation von den falschen Lesern gelesen wird, was schon beim Buchdruck ein zentrales Problem war, vgl. Bohn 1996: 315ff.

[58] Wobei bei der Chatkommunikation im Normalfall die Produktion einer schriftlichen Mitteilung selbst (also die Tippbewegungen und allfallige Korrekturen, Verzogerungen etc.) nicht sichtbar ist, sondern nur die nach dem Bestatigen des Abschickens fertige, nun fixierte Mitteilung, vgl. Storrer 2001b: 7. Deshalb ist diese Kommunikationsform streng genommen auch nicht synchron, sondern quasi-synchron.

[59] Hier scheint - zumindest in der Terminologie Espositos (1995: 227, FN 3) - das Telefon die Ausnahme zu sein, das Fernkommunikation ermoglicht, aber als Spezialfall der Interaktion gelten kann. Einseitigkeit bezieht sich hier auf die festgelegte Sequenz der durch Medien gekoppelten Formen, vgl. Brosziewski 2003: 63.

[60] Hier im klassischen Sinne von Kristeva (1970: 139-176) verstanden.

[61] Es gibt aber auch Blogs - gerade solche auf den Homepages von Massenmedien - bei denen die Sichtbarkeit verzogert ist, die Kommentare also vor der Publikation von einer Redaktion gepruft werden.

[62] In Analogie zum Buch verwende ich zunachst diesen Begriff, obwohl er nicht angebracht ist, siehe dazu Kap. 5.2.3.

[63] Zitate aus Blogs werden im Folgenden immer in der Fussnote zitiert und nicht im Text wie die Literatur, weil haufig keine eindeutigen Autoren (vgl. fur die Problematik der Autorschaft von Blogs Kap. 6.) manchmal auch keine Titel der Blogeintrage und/oder Jahreszahlen ausgemacht werden konnen. Es wird jeweils die genaue URL, also die Adresse (Permalink) aufgefuhrt und der Aufrufzeitpunkt immer minutengenau angegeben, da sich die Texte unter Umstanden innert kurzer Zeit anderweitig prasentieren, vgl. Kap. 5.2.3. Alle zitierten Blogs sind im Anhang aufgelistet. http://sprechblase.wordpress.com/2007/09/10/gute-blogs-sind-authentisch/, Eintrag ,,Gute Blogs sind authentisch" vom 10.9.2007, Stand: 10.5.2009, 10:55 Uhr.

[64] vgl.

[65] Dieses Moment des Unvermittelten, nicht editorisch Bearbeiteten ist haufig zu finden und positiv konnotiert. Der Blogger Don Alphonso Porcomadonna (2007: 95) meint, dass sich Blogs durch die ,,Unmittelbarkeit der Uberlieferung" auszeichnen wurden; in gleicher Manier konstatiert die Bloggerin Ana Marie Cox in einem Interview: ,,It is that freedom to do whatever you want, it's that lack of editing, it's that freshness, that immediacy" (zitiert nach Kline/Burnstein 2005: 60). Auch wissenschaftliche Beobachter sehen hier Entscheidendes, etwa einen Vorteil gegenuber dem Journalismus, weil Blogger nicht den institutionellen Praktiken des Journalismus verhaftet bleiben mussen, vgl. etwa Fraas/Barczok 2006: 139.

[66] So wechselt auch Aaron Barlow (2007: 154), ein Wissenschaftler, der auch bloggt, in einer wissenschaftlichen Analyse zur Blogosphare plotzlich seinen Schreibstil, sobald es effektiv um Blogs geht, mit einer fur wissenschaftliche Anspruche m.E. eher fragwurdigen Erklarung: ,,Given the personal nature of blogging, I am now going to change pace in this chapter and make it personal as well, recounting the tale of one blogger with the intent that through this experience-through my experience-nonbloggers may get a stronger feel for just what has been happening these past five years". Es ist ein haufig beobachtbares Phanomen, dass sich Blogger und Wissenschaftler nicht verstehen, was dann von Bloggern teilweise beklagt wird, so meint der Blogger Don Alphonso Porcomadonna (2006: 93), dass sich Blogs mit kommunikationswissenschaftlichen Methoden nicht fassen liessen und dass es verwunderlich sei, ,,mit welchen vorgefassten Fragestellungen und untauglichen Gedankenmodellen Forscher an die Blogosphare herangehen" (Don Alphonso Porcomadonna 2006: 94) wurden.

[67] http://www.cyberjournalist.net/news/000215.php, Eintrag ,,A Bloggers' Code of Ethics" vom 15.4.2003, Stand: 22.7.2009, 13:35 Uhr.

[68] Kommentar von kalpsiz (vom 5.2.2009, 11:01 Uhr) zum Blogeintrag ,,A Bloggers' Code of Ethics" vom 15.4.2003, http://www.cyberjournalist.net/news/000215.php, Stand: 22.7.2009, 13:35 Uhr. Alle Worter aus diesem Zitat ausser ,,thanks" sind Links zur Homepage einer turkischen Logistikfirma.

[69] Und naturlich gibt es auch spezialisierte Firmen, die Beratungen daruber anbieten, wie das am besten zu bewerkstelligen sei (vgl. etwa http://www.suchmaschine-optimierung.de).

[70] Zumindest wenn man der Online-Enzyklopadie Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/CAPTCHA, Stand: 6.6.2009, 13:45) Glauben schenkt.

[71] Vgl. Kap. 2.

[72] Salam Pax ist ein Blogger, der wahrend dem Irakkrieg 2003 vom bombardierten Bagdad aus einen vielbeachteten Blog mit dem Titel ,,Where is Raed?" (http://dear_raed.blogspot.com/) betrieb. Teile des Blogs wurden spater in Buchform veroffentlicht, vgl. Pax 2003.

[73] Semantisch vollzieht sich in diesem Prozess eine Wendung des Authentizitatsgedankens weg von der Mimesisidee des Ubereinstimmens mit der Natur hin zur Identitat des Individuums mit sich selbst (vgl. Bohn 1999: 225f.), worauf hier nicht weiter eingegangen werden kann. Entscheidend ist, dass es also nicht darum gehen kann, dass ein Text uber eine Person diese tatsachlich wiedergibt.

[74] Das ist naturlich idealtypisch zu verstehen. Nach wie vor hat ein Grossteil aller Menschen keinen Zugang zum Internet.

[75] Wiederum ist hier auf die Potenzialitat, nicht die Faktizitat davon angespielt.

[76] Vgl. Kap. 5.2.4., S. 69.

[77] Ein spielerisches Beispiel dafur ist neben den oben angefuhrten Spambots auch eine neue Softwareanwendung eines rumanischen Studenten, die sogenannte Microblogging- Beitrage (kurze, meist offentlich sichtbare Nachrichten von nur wenigen Buchstaben) des Microblogging-Dienstes Twitter (http://www.twitter.com) in Echtzeit so anordnet, dass sich immer zwei dieser Kurzmitteilungen (in englischer Sprache) reimen, siehe http://www.longestpoemintheworld.com/. Hier werden Mitteilungen also maschinell angeordnet, so dass man den entstehenden Text auf keinen Autor mehr (die Software vielleicht?) zurechnen kann.

Ende der Leseprobe aus 105 Seiten

Details

Titel
Weblogs. Eine kommunikationstheoretische Analyse
Untertitel
Ein neues Medium und das Problem seiner Beschreibung
Hochschule
Universität Luzern  (Soziologisches Seminar)
Note
1,25 (Schweiz: 5,75)
Autor
Jahr
2009
Seiten
105
Katalognummer
V156072
ISBN (eBook)
9783640690718
ISBN (Buch)
9783640691029
Dateigröße
1265 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Weblogs, Blog, Blogs, Internet, Online-Kommunikation, digitale Kommunikation, Online-Tagebücher, Weblog, elektronische Massenmedien, neue Medien, Medienanalyse, Medienbeschreibung, Systemtheorie
Arbeit zitieren
Samuel Enderli (Autor:in), 2009, Weblogs. Eine kommunikationstheoretische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156072

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Weblogs. Eine kommunikationstheoretische Analyse



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden