Biomassenutzung zwischen Klimaschutz und Nachhaltigkeit


Hausarbeit, 2009

39 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0 Vorwort

1 Vor- und Nachteile der nachhaltigen Biomassegewinnung und -nutzung gegenüber herkömmlichen Nutzungsformen an Beispielen unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit
1.1 Beispiel aus dem Bereich Rohstoffgewinnung: Naturdämmstoffe versus Dämmstoffe aus synthetischen Mineralfasern für Gebäude
1.2 Beispiel aus dem Bereich Nahrungsgewinnung: Rübenzucker aus Zuckerrüben eines Betriebes mit DLG-Nachhaltigkeitszertifikat versus aus Brasilien exportierter Rohrzucker
1.3 Beispiel aus dem Bereich Energiegewinnung: flüssiger Biokraftstoff der ersten Generation versus herkömmlicher Treibstoff aus Erdöl im Kfz-Verkehr

2 Die These: „Tortillas gehören nicht in den Tank“
2.1 Diskussion der Schwierigkeiten einer nachhaltigen Entwicklung vor dem Hintergrund der These
2.2 Betrachtung globaler Aspekte der Biomassenutzung in Form von biogenen Kraftstoffen und Auswirkungen auf intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit..
2.3 Alternativen

3 Zukunftsbeurteilung der nachhaltigen Biomassenutzung

Literaturverzeichnis

Anhang

Tabellenverzeichnis

Tab. 1-1: Vergleich wesentlicher Vorteile von Biokraftstoffen der ersten Generation mit denen von fossilen Treibstoffen aus Erdöl

Tab. 1-2: Vergleich wesentlicher Nachteile von Biokraftstoffen der ersten Generation mit denen von fossilen Treibstoffen aus Erdöl

0 Vorwort

Die Folgen der globalen Klimaerwärmung sind nicht an die Entstehungsorte der anthropogenen Temperatursteigerer gebunden - im Gegenteil: Dort, wo die meisten Treibhausgas-Emissionen insbesondere durch die Verbrennung fossiler Ressourcen für die Strom- und Wärmeerzeugung sowie in Form von Kraftstoffen im Verkehrssektor entwichen sind, fallen sie geringer aus; dort, wo der industrielle Entwicklungsstand am niedrigsten ist, wirken sie im Zusammenhang mit der vor allem über dem Südpol stark ausgedünnten Ozonschicht[1] deutlich umwelt- und gesundheitsschädigender. Die wesentlichen Ursachen dafür sind, dass arme Länder i. d. R. nicht über die Mittel und das Wissen verfügen, um dem Klimawandel wirksam begegnen zu können (z. B. durch Hochwasserschutzanlagen, Nahrungsmittelkonservierung und -lagerung zur Notfallvorsorge, Wasserretentionsmaßnahmen, standortangepasste Landbewirtschaftungs- und -nutzungsformen, Erhaltung der tropischen Regenwälder, Savannen und Prärien u. a.).

Der Anstieg des Meeresspiegels, Überschwemmungen, die Polschmelzen, Trinkwasserknappheit, extrem kurzwellige UV-Strahlung, Waldbrände, Stürme, Dürren, Bodenerosion und -degradation, Eutrophierung, Desertifikation, Wüstenbildung, der Rückgang der Arten- und Ökosystemdiversität u. a. schränken nicht nur Überlebensräume und -chancen in der Biosphäre ein, sondern vertiefen bestehende Problemlagen der Menschheit wie Unterernährung, Massenerkrankungen, Kindersterblichkeit, Migration und folglich soziale Konfliktherde, die sich zu kriegerischen Auseinandersetzungen um Land- und Wassernutzungsrechte zwischen Klimaflüchtlingen untereinander und mit Bevölkerungen anderer Gebiete ausbreiten können[2]. Diese Aspekte verstärken die intra- als auch die intergenerationelle Gerechtigkeitsasymmetrie[3] zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern als auch zwischen früheren, heutigen und künftigen Generationen hinsichtlich der pro Kopf unterschiedlich stark eingeschränkten Möglichkeiten zur nachhaltigen Befriedigung des Grundenergiebedarfs mittels schadstoffarmer Luft, bekömmlichem Wasser und Essen sowie Ressourcen und bestem wissenschaftlich-technischen Know-how zum Schutz vor Kälte, Hitze, Dunkelheit und für Transporte.[4]

Der Schutz des Weltklimas durch eine umweltverträgliche und kohärente Energiepolitik ist darum eines der dringlichsten Subziele des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung der UNO.[5] Um das Schlimmste abzuwenden, darf sich die Temperatur der Luft an der Erdoberfläche nicht stärker erhöhen als um zwei Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau.[6] Im Dezember 1997 wurde in Kyoto (Japan) ein Protokoll mit der Verpflichtung, die gesamten Emissionen mit THG der industrialisierten Länder im Zeitraum von 2008 bis 2012 im Mittel um mindestens 5 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren, verabschiedet.[7] Der weltweit anhand internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen[8], Ratifizierungen in Vertragsstaaten sowie europäischen, nationalen und lokalen Rechtsnormen initiierte „mainstream“ der Ausweitung der nachhaltigen Nutzung erneuerbarer Energien einschließlich alternativer Kraftstoffe, der Trendumkehr des Anstieges der CO2- bzw. THG-Emissionen, der Verbesserung der Energieeffizienz, der Senkung des Energieverbrauchs sowie der Kontrolle der Energienutzung beruht schlussfolgernd auf zwei miteinander vernetzten, wesentlichen Gründen:

1. Klimaschutz: Negative Klimaveränderungen durch THG-Emissionen beeinträchtigen durch häufiger und intensiver auftretende Umweltkatastrophen die ökosystemare Umwelt, die Gesundheit und das soziale Miteinander der Menschen und schwächen die Wirtschaftlichkeit; der fortlaufende globale Trend ihres Anstiegs ist daher zu stoppen und durch klimaneutrale Rohstoffe (z. B. nachhaltig angebaute Energiepflanzen, Durchforstungsholz) und innovative Technologien (z. B. kraftstoffsparende, abgasärmere Kraftfahrzeuge, Biogas- oder Kleinfeuerungsanlagen) in eine allgemeine Senkung umzukehren.

2. nachhaltige Energieversorgungssicherheit: Fossile Energieträger sind innerhalb des menschlichen Lebenszyklus` nicht erneuerbar und werden erschöpft sein. Die Energie-Versorgungssicherheit wird durch den weltweit um 50 % steigenden Energieverbrauch bis 2030[9] zeitlich noch enger begrenzt. Zudem könnten sich unsichere Handelsbeziehungen und -vereinbarungen bei Einfuhren aus politisch instabilen Ländern des nahen Ostens und der Golfstaaten mit den meisten nachgewiesenen Ölreserven der Welt[10] ergeben. Die Energieversorgung muss in einem absehbaren Zeitraum durch die Steigerung der Anteile alternativer Energien (z. B. Wind-, Bio-, Solarenergie) nachhaltig - i. S. v. dauerhaft - diversifiziert und gesichert werden.

Weltweit ist die Biomasse der wichtigste regenerative Energieträger.[11] Rechtmäßig anerkannte Biomasse wird auf nationaler Ebene in § 2 der Verordnung über die Erzeugung von Strom aus Biomasse (BiomasseV) i. V. m. der Bioabfallverordnung auf Grundlage des § 64 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)[12] mit Inkrafttreten am 1.1. 2009 definiert. Das EEG dient der Umsetzung der Richtlinie 2001/77/EG[13], die zusammen mit der Richtlinie 2003/30/EG[14] durch die Richtlinie 2009/28/EG[15] geändert und zum 1. Januar 2012 vollständig aufgehoben worden ist. Hier wird Biomasse in Art. 2 Buchstabe e) EE-RL definiert. Die nationale Umsetzung der EE-RL in Deutschland erfolgte am 24.8.2009 mittels einer Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung (BioSt-NachV)[16] und etwa einen Monat später durch Erlass einer NachV für Biokraftstoffe (Biokraft-NachV)[17].

Aus Biomasse kann Bioenergie erzeugt werden. Da bei der Verbrennung nur so viel CO2 entsteht, wie die Pflanzen zu ihrem Wachstum der Luft entzogen haben, ist Biomasse klima- bzw. CO2-neutral[18], solange nicht z. B. der Anbau von brasilianischem Zuckerrohr auf bislang ungenutzten Savannenböden[19] oder intensive Düngungs- oder Pflanzenschutzmaßnahmen die Klimabilanzen verschlechtern[20]. Bioenergie wird je nach den eingesetzten Rohstoffen (Waldholz, Anbaubiomasse, biogene Reststoffe), der Energieform (fest, flüssig, gasförmig) und der Nutzungsform (Strom, Wärme, Kraftstoffe) unterschieden[21]. Die multifunktional mögliche Verwendung bzw. Substitution von Erdöl, Erdgas und Kohle durch die Biomasse ist ein besonderer Vorzug, auch aufgrund der gegebenen Variante effizienter Kraft-Wärme-Kopplung. Das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung wird in Europa rechtlich durch die RL 2004/8/EG und deren Umsetzungen in den Mitgliedstaaten (z. B. Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz der BRD) gefördert.

Eine unkontrollierte energetische Biomassenutzung würde jedoch aufgrund des begrenzten Flächenpools auf der Erde eine Reihe von Nachhaltigkeitsproblemen in Bezug auf die lokale Flächenkonkurrenz zur Biomasseerzeugung für Nahrungs- und Futtermittelzwecke[22] und zu Zonen des ökosystemaren Umweltschutzes hervorrufen. Bei Letzterem besteht die Gefahr der Zerstörung von Naturarealen mit großer biologischer Vielfalt durch die immense C-Mengen freisetzende und CO2 bildende Abholzung bzw. Umnutzung von Regenwäldern als auch Savannen, Steppen, Buschland oder Prärien der gemäßigten und tropischen Gebiete. Ferner besteht die Gefahr der zusätzlichen Verstärkung der Abnahme der Biodiversität durch die Konzentration weniger Kulturpflanzen in den Feldfruchtfolgen und die weitere Homogenisierung der Landschaft[23]. Darüber hinaus kann eine kurzfristig ausbeutende Landnutzung umgewandelter Primärwald- und Schutzflächen zu schweren Bodenschäden bis hin zur Wüstenbildung und damit langfristig abnehmender Produktivität bis hin zu Null-Wachstum führen. Die Klimaschutzziele würden durch solche kontraproduktiven Bewirtschaftungsweisen unterlaufen werden.[24] Darum ist es notwendig, die Produktionsprozesse zur Bioenergieerzeugung an die Bedingungen für eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der UNO zu binden.

1 Vor- und Nachteile der nachhaltigen Biomassegewinnung und -nutzung gegenüber herkömmlichen Nutzungsformen an Beispielen unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit

1.1 Beispiel aus dem Bereich Rohstoffgewinnung: Naturdämmstoffe versus Dämmstoffe aus synthetischen Mineralfasern für Gebäude

Naturdämmstoffe werden aus regenerativer Biomasse wie z. B. Hanf, Flachs, Schafwolle, Getreidegranulate, Stroh, Wiesengras oder Restholzfasern hergestellt.[25],[26] Diese NawaRo schonen die endlichen fossilen und mineralischen Ressourcen und die Umwelt. In diesem Beispiel wird angenommen, dass alle Rohstoffe für die Naturdämmstoffe aus nachhaltiger Land- und Forstwirtschaft stammen (z. B. FSC, PEFC, DLG-Nachhaltig-keitsstandard).[27] Für die Herstellung von Zellulose- oder Hanfdämmplatten wird nur ein Zehntel der Energie, die für Mineralwolle erforderlich ist, verbraucht.[28] NawaRo für Naturdämmungen verhalten sich klimaneutral, d. h. bei ihrer ggf. thermischen Entsorgung setzten sie nicht mehr CO2 frei, als sie zur Biomassebildung aufgenommen haben. Der CO2-Kreislauf ist geschlossen. Alternativ können Naturdämmstoffe kompostiert werden.26 Hanffasern können nachgewiesen bis zu 200 Jahre ihre Qualität und ihren Dämmwert behalten und sollten bei Umbaumaßnahmen wieder verwendet werden.[29]

Von Nachteil ist die nicht mögliche Kompostierung künstlicher Mineralfaserdämmstoffe. Sie müssen i. d. R. bereits nach 10 bis 15 Jahren Lebensdauer erneuert und unter Sicherheitsvorkehrungen deponiert werden. Naturdämmstoffe können darum aus Sicht der Ökobilanz besser für den Klimaschutz eingestuft werden als mineralisch-synthetische Dämmstoffe wie die Stein- und Glasmineralwollen. Letztere enthalten bis zu über 90 % künstliche Mineralfasern und zudem Kunstharz z. B. aus Harnstoff- oder Melaminharzformaldehyd als Bindemittel für die Formstabilität. Die Verarbeitung erfolgt in mehreren sehr energieaufwändigen Industrieprozessen, die beim Einsatz fossiler Energieträger erhebliche THG-Emissionen freisetzen. Zuerst wird das mineralische Ausgangsmaterial geschmolzen und anschließend zentrifugiert oder zu Fasern geschleudert und im Heißluftstrom unter Verflüchtigung von Formaldehyd (CH2O) ausgehärtet.26 Ähnliche Ausgasungen von CH2O aus den verbauten Mineralwolldämmungen in geschlossenen Innenräumen können durch Inhalation und Kontakt zu Belastungen führen, die sich zunächst in Form von Reizungen der Augen und Atemwege sowie Kopfschmerzen äußern.[30] Durch die Bindung von Hausstaub mit CH2O können Kontaktekzeme als allergische Reaktionen auftreten. Die maximale Arbeitsplatzkonzentration (sog. MAK-Werte) der Verbindung wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 0,6 mg/m³ angegeben. Der empfohlene Richtwert liegt in Deutschland jedoch schon zwischen 0,10 und 0,12 mg/m³.30,[31]

Die WHO bewertet CH2O mittlerweile kanzerogen (z. B. Krebs der Nasenschleimhaut)31. Etwaige Zusätze der alternativen Naturdämmstoffe sollten daher aus Naturrohstoffen (z. B. natürliche Harze26, Kartoffelstärke[32] ) bestehen.26 Bei der Verarbeitung, Sanierung und Entsorgung von Mineralfaserdämmstoffen entstehen zudem Faserstäube.30 Glas- und Steinmineralwollfasern werden als Substitute für die nach ChemVerbotsV verbotene Asbestfaser zu Dämmstoffen verarbeitet. Die Ersatzmaterialien weisen Faserdurchmesser auf, die i. d. R. weit über den 0,1 bis 1 µm (< 3 µm) starken Faserdurchmessern bei einer Faserlänge von 10-100 µm (> 5 µm) mit kanzerogener Wirkung liegen. Asbest-Probleme ergeben sich rezent bei Sanierungs- und Abrissarbeiten und wegen des Verschleißes verbauter asbesthaltiger Dämmmaterialien. Asbest spaltet leicht Fasern ab, die durch Inhalation in das Lungengewebe gelangen und in einer Latenzzeit von 10 bis 40 Jahren zu Asbestose, Lungenkrebs und tödlichen Mesotheliom-Tumoren des Rippen- und Bauchfells führen können. In der MAK-Liste der DFG werden Glas- und Steinwollfaserstäube durch ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko ebenfalls karzinogen eingeschätzt.30

Naturdämmstoffe aus Kork, der Rinde der Korkeiche (Quercus suber) gewährleisten einen besseren Schallschutz als Mineralwollisolierungen.[33] Lärm sowie seine Minderung werden in Deutschland rechtlich in § 47 BImSchG sowie in der TA Lärm und in verschiedenen Verordnungen zur Umsetzung der EG-Umgebungslärm-RL behandelt. Umgebungslärm vielfältiger Herkunft ist ein subjektiver Begriff und keine physikalische Größe. Gemessen werden kann lediglich der Schalldruckpegel in Dezibel (dB) von Geräuschen. Lärm kann Kommunikations- und Schlafqualitätsstörungen mit einhergehender Leistungsminderung verursachen. Schwerere Folgen können die Hemmung der Magenperistaltik, Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zum Herzinfarkt sein. 65 dB gelten tagsüber, außerhalb von Wohnungen als Schwellenwert für den Risikoanstieg.31

Zum Brandschutz und gegen Allergene können die Naturdämmplatten bzw. Ausgangsrohstoffe, wie z. B. Holzspäne mit Naturharzen bzw. Molke imprägniert werden.26 Glas- und Steinwolle sind zwar im Gegensatz zu Naturdämmstoffen nicht brennbar sowie gegen gesundheitsgefährdende Schimmelpilze, Fäulnis und Ungeziefer resistent, aber besitzen dafür nur eine geringe Wärmespeicherfähigkeit und können keine Feuchtigkeit aufnehmen26, wodurch Umgebungsbaustoffe befallen werden können. Durch Feuchtigkeit wird die Isolierwirkung der Mineralwolle stark herabgesetzt. Gebäudedämmungen aus NawaRo können dagegen teilweise bis zu 30 % des eigenen Gewichts an Feuchtigkeit speichern und wieder abgeben; regulieren also die Feuchtigkeit.

Darüber hinaus bieten Zellulose-, Hanf- und Holzfaserdämmungen einen sommerlichen Überhitzungsschutz z. B. unter Dächern33 und tragen dadurch zu einem ausgeglichenen Innenraumklima mit den wesentlichen Komponenten Raumlufttemperatur, Temperatur der Umgebungsflächen, Luftfeuchte und -bewegung und somit zum physischen und psychischen Wohlbefinden der Bewohner bei. Dem Phänomen des „Sick Building Syndromes“, das häufig in Gebäuden mit Klimaanlagen vermehrt vorkommt, wird vorgebeugt.[34]

Naturdämmstoffe aus Holzfasern (Zellulose), Flachs, Hanf, Baum- und Schafwolle könnten mit ihren Dämmleistungen Mineralwolldämmstoffe substituieren. Nicht jeder Dämmstoff hat die gleiche Wärmeleitfähigkeit (sog. Lambda-Wert, λ). Die pflanzlichen Naturdämmstoffe (z. B. Zellulose/Holzfasern λ=0,040-0,045, Flachs und Hanf λ=0,035-0,045) dämmen i. d. R. ähnlich gut wie Mineralwollen (λ=0,030-0,045). Eine deutlich höhere Wärmeleitfähigkeit weisen Naturdämmstoffe aus Stroh (λ=0,093-0,130) auf.[35]

Ein Vorzug der wirksameren Wärmedämmungen an Gebäuden ist der geringere Energiebedarf zum Heizen und dadurch die Senkung klimaschädlicher THG, insbesondere CO2 aus der Wärmeenergiegewinnung durch zusätzliche Einsparungen. Ohne Einschränkungen des Energieverbrauchs, insbesondere der Industriestaaten würde der anthropogen bedingte Treibhauseffekt und die daraus resultierende globale Erderwärmung mit ihren negativen klimatischen Erscheinungen (z. B. Starkregenfälle, Hitzerekorde, länger andauernde Trockenperioden, verstärkte UV-Strahlung, Stürme, Überschwemmungen, Gletscherschmelzen, Ökosystem- und Artengefährdung) vorangetrieben werden. Folgen für die Humangesundheit wären eine höhere Rate an Asthma-, Allergie- und Atemwegserkrankungen durch die zunehmende Luftverschmutzung, vermehrte Herz-Kreislauf-Beschwerden bei Hitze, Fehlernährung durch verringerte landwirtschaftliche Produktivität bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln, Infektionskrankheiten infolge von Wasserverseuchung oder der Ausdehnung von Verbreitungsräumen bestimmter Krankheitsüberträger (z. B. Übertragung von Leishmaniose durch die Sandmückenart Phlebotomus perniciosus in Deutschland) und insgesamt eine Verschlechterung der Lebensqualität und mehr Todesfälle.34 Der Verlust an biologischer Vielfalt durch die Ausrottung von Arten schmälert die Genressourcen, so dass unerforschte Substanzen, die evtl. in Arzneimitteln der Zukunft lebensrettende Wirkungen entfaltet hätten, verschwinden.[36]

1.2 Beispiel aus dem Bereich Nahrungsgewinnung: Rübenzucker aus Zuckerrüben eines Betriebes mit DLG-Nachhaltigkeitszertifikat versus aus Brasilien exportierter Rohrzucker

Die Zuckerrübe (Beta vulgaris subsp. vulgaris var. altissima) und das Zuckerrohr (Saccharum officinarum L.) produzieren bei der Photosynthese Biomasse, darunter größere Mengen an Zucker. Rübenzucker, ein Disaccharid aus Glucose und Fructose ist mit Rohrzucker identisch. Der Haushaltszucker besteht aus dem Doppelzucker Saccharose und enthält weder Mineralstoffe oder Vitamine noch Ballaststoffe, ist aber sehr kohlenhydrat- und energiereich und wird bei der Ernährung als Süßungsmittel verwendet. Durch die leichte Verdaulichkeit wird schnell Energie geliefert, der Blutzuckerspiegel steigt an und sinkt nachdem Insulin ausgeschüttet wurde rasch wieder ab. Ein hoher Verzehr von in weiterverarbeiteten Lebensmitteln „verstecktem“ Zucker kann durch das stetige Hungergefühl zu Übergewicht führen und begünstigt Erscheinungen des Mangels an Thiamin bzw. Vitamin B1 wie Konzentrationsstörungen und Abgespanntheit, zudem Karies.[37] Karies ist nicht ohne Verlust von Zahnsubstanz heilbar. Zahnersatz kann zu metallischen Schadstoffbelastungen des Körpers führen. Prophylaxe (z. B. kontrollierter Zuckerkonsum, Vollwertkost, Zahnhygiene) wäre daher eine wichtige Lösung des Problems.[38]

Der Energieverbrauch bei der regionalen Raffination von Zuckerrüben und -rohr ist ungefähr gleich hoch. Größere Anteile des brasilianischen Rohrzuckers werden exportiert. Dadurch erhöht sich der Energieverbrauch und verschlechtert sich die Ökobilanz. Rohrzucker wird z. T. noch handwerklich gewonnen. Die Effizienz der Zuckerausbeute kann dabei in Abhängigkeit von der Prozessqualität stark schwanken. Die Sulfitation kommt als Extraktionsreinigungsverfahren bei beiden Varianten nur noch selten zum Einsatz.[39] Für Schwefeldioxid (SO2) sind in Deutschland gesetzliche Höchstmengen in Lebensmitteln von 30 bis 200 mg/kg je nach Anwendungsgebiet sowie die Zulassung als Zusatzstoff zu Lebensmitteln für technologische Zwecke vorgeschrieben. Sensible Menschen reagieren schon auf geringe Mengen SO2 mit Unverträglichkeitsreaktionen wie Übelkeit, Kopf-

schmerzen, Durchfall und pseudoallergischen Reaktionen (z. B. Asthmaanfälle).[40] Weißzucker weist unter den Lebensmitteln die niedrigsten Kontaminationen mit Mikroorganismen auf. Voraussetzung für keimarmen Zucker ist Sauberkeit während des Gewinnungsprozesses. Gefährdeter als kristallisierter ist der Flüssigzucker. Rohrzucker muss z. T. wegen des bedenklichen hygienischen Zustandes bei der Raffination zusätzlich mittels Carbonat- oder Phosphatation gereinigt werden. Mikroorganismen wie Pilze oder Bakterien enthaltende Zuckerpartien können damit weiterverarbeitete Lebensmittel (z. B. Fruchtsaftgetränke, Kuchen) verderben.[41] Im Fall der Ingestion befallener Nahrung besteht die Gefahr von Mykotoxikosen, mikrobiellen Infektionen und Intoxikationen und deren Begleiterscheinungen Fieber, Erbrechen, Durchfall und ggf. eine hohe Letalität.[42]

[...]


[1] BMU: Aus Verantwortung für die Zukunft - Umweltpolitik als globale Herausforderung. Berlin, 2007. S. 31

[2] BMU: Umweltbericht 2006. Berlin, 2006. S. 32

[3] Priddat, Birger P.: Gerechtigkeit als Komplexität. - http://www.wipo.uni-freiburg.de/dateien/folder.2005-09-

21.1702490563/tagung/priddat_gerechtigkeit_als_komplexitat.pdf (o. J.)

[4] Intergovernmental Panel on Climate Change: Climate Change 2007 - Impacts, Adaptation and Vulner-

ability. IPCC Fourth Assessment Report (AR4). Cambridge: University. 2008

[5] United Nations: Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen. http://unfccc.int/

resource/docs/convkp/convger.pdf. Rio de Janeiro.1992

[6] Intergovernmental Panel on Climate Change: Climate Change 2007: Synthesis Report. Summary for Poli-

cymakers. - http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar4/syr/ar4_syr_spm.pdf. (2007)

[7] United Nations: Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klima-

änderungen von 1997. - http://unfccc.int/resource/docs/convkp/kpger.pdf (1997)

[8] z. B. 1992: Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen und Agenda 21 - Aktionsprogramm für das

21. Jahrhundert, seit 1995: Vertragsstaaten-Konferenzen, 1997: Kyoto-Protokoll

[9] BMWi: Integriertes Energie- und Klimaprogramm (IEKP) der Bundesregierung.-

http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/energie,did=254040.html?view=renderPrint&page=1. (2008)

[10] Le Monde Diplomatique: Die Ölreserven der Welt. - http://www.monde-diplomatique.de/pm/.karten/index

(2007) (Interpretation einer Karte aus Archiv Karten)

[11] BMWi: Biomasse. - http://www.german-renewable-energy.com/Renewables/Navigation/Deutsch/biomasse.html

(ca. 2007)

[12] Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz-EEG) vom 25. 10. 2008,

BGBl. I S. 2074

[13] RL 2001/77/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 zur Förderung

der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt, ABl. L. 283 vom

27.10.2001, S. 33-40 - http://www.eur-lex.europa.eu/...

[14] RL 2003/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Mai 2003 zur Förderung der Ver-

wendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor, ABl. L 123 vom

17.5.2003, S. 42-46 - http://www.eur-lex.europa.eu/...

[15] RL 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nut-

zung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der RL

2001/77/EG und 2003/30/EG (Text von Bedeutung für den EWR), ABl. L. 140 vom 5.6.2009, S. 16-62 -

http://www.eur-lex.europa.eu/...

[16] Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von flüssiger Biomasse zur Stromerzeugung

(Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung - BioSt-NachV) v. 23.7.2009. BGBl. Nr. 46 Teil I v. 29.7.2009. S.

- http://www.bgbl.de/Xaver/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&bk=Bundesanzeiger_BGBl

&start=//*%5B@attr_id=%27bgbl109s2174.pdf%27%5D (29.7.2009)

[17] Clearingstelle EEG der RELAW – Gesellschaft für angewandtes Recht der Erneuerbaren Energien mbH

(Hrsg.): Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung (Biokraft-NachV). - http://www.clearingstelle-eeg.de/ (09/2009)

[18] Ministerium für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt: Klimaschutz eine

Aufgabe für uns alle. Magdeburg: Öffentlichkeitsarbeit. 2001.

[19] BMU: Internationale Konferenz zu Bioenergie in Brasilien. - http://www.erneuerbare-energien.de/ inhalt/

42641/4593/ (2008)

[20] Knauer, Roland: Biosprit führt in die Klimafalle. - http://www.tagesspiegel.de/ma-gazin/wissen/Kraftstoff-Bio-

sprit;art304,2505218. Berlin: Tagesspiegel-Online. 2008.

[21] Agentur für Erneuerbare Energien: Was ist Bioenergie? - http://www.unendlich- viel-energie.de. (2009)

[22] Erwägungsgrund 78 der RL 2009/28/EG

[23] Wranik, Wolfgang: Naturschutz - Teil 1: Texte. Rostock: Universität. 2009. S. 27

[24] Erwägungsgrund 70 RL 2009/28/EG

[25] Wenig, Barbara: Naturdämmstoffe im Überblick. - http://www.nachwachsenderohstoffe.de/presseservice/

pressemitteilungen/archiv/archiv-nachricht/archive/2006/february/article/naturdaemmstoffe-im-ueberblick.html

?tx_ttnews%5Bday%5D=15&cHash=f6f8db4088 (15.2.2006)

[26] Nierobis, Lars: Wärmedämmstoffe. - http://www.waermedaemmstoffe.com/ (2003)

[27] 1. Holzabsatzfonds (Hrsg.): Natürlich Holz. Forst- und Holzwirtschaft in Deutschland. Bonn. 06/2006. S. 17

2. Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e. V.: DLG-Zertifikat „Nachhaltige Landwirtschaft - zukunftsfähig“ -

http://www.nachhaltige-landwirtschaft.info/ (o. J.)

[28] Fachagentur für NawaRo (Hrsg.): Dämmstoffe. - http://www.naturdaemmstoffe.info/ (o. J.)

[29] Bauhanf, Handel und Service: Mineralwolle oder Hanffaser. - http://www.bauhanf.de/downloads/pdf/

I_Vergleich_MiWo_Hanffaser.pdf (o. J.)

[30] Martinetz, Dieter: Umwelt- und Alltagsgifte – Das Lexikon für Ihre Gesundheit. Leipzig: Urania. 1997. S. 103

[31] Randow, Friedrich, F., E.; Duty, Oliver: Umwelt und Gesundheit. Rostock: Universität. 2005.

[32] Fachagentur NawaRo e. V. – FNR: NawaRo – Vielfalt aus 1001 Projektidee. Acht Jahre Fortschrittsförderung

für Produkte aus der Natur. Gülzow. 2001. S. 17

[33] Fachagentur für NawaRo (Hrsg.): Dämmstoffe. - http://www.naturdaemmstoffe.info/

[34] Randow, Friedrich, F., E.; Duty, Oliver: Umwelt und Gesundheit. Rostock: Universität. 2005.

[35] Fachagentur NawaRo e. V. – FNR: NawaRo – Vielfalt aus 1001 Projektidee. Acht Jahre Fortschrittsförderung

für Produkte aus der Natur. Gülzow. 2001.

[36] Bernhardt, Karl-Georg: Möglichkeiten des Naturschutzes für den Erhalt der Genressourcen. –

http://www.genres.de/infos/pdfs/bd02/02_14.pdf (o. J.)

[37] Schlieper, Cornelia, A.: Grundfragen der Ernährung. Hamburg: Dr. Felix Büchner. 1992.

[38] Randow, Friedrich, F., E.; Duty, Oliver: Umwelt und Gesundheit. Rostock: Universität. 2005.

[39] Hoffmann, Hartmut; Mauch, Werner; Untze, Werner: Zucker und Zuckerwaren. Hamburg: Behr`s. 2002

[40] Bibliographisches Institut und F. A. Brockhaus AG in der wissenmedia GmbH (Hrsg.): Antioxidationsmittel. -

http://www.brockhaus.de/wissen/antioxidationsmittel (2007)

[41] Hoffmann, Hartmut; Mauch, Werner; Untze, Werner: Zucker und Zuckerwaren. Hamburg: Behr`s. 2002

[42] Randow, Friedrich, F., E.; Duty, Oliver: Umwelt und Gesundheit. Rostock: Universität. 2005.

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Biomassenutzung zwischen Klimaschutz und Nachhaltigkeit
Hochschule
Universität Rostock
Veranstaltung
Leitbild für Nachhaltigkeit, Umwelt und Gesundheit
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
39
Katalognummer
V148506
ISBN (eBook)
9783640635078
ISBN (Buch)
9783640635450
Dateigröße
767 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Biokraftstoff, Erdöl, Flächenkonkurrenz, Energieeffizienz, Naturdämmstoff, Zucker, nachhaltige Entwicklung, EE-RL, Energieträger, THG-Emissionen, Energieverbrauch, Kyoto-Protokoll, Agenda21, Biokraft-NachV, Klimabilanz, Ökobilanz, FSC, PEFC, Energiepflanzenanbau, Tank oder Teller, Mexico, Brasilien, USA, NAFTA, Brundtland-Kommission, UNCED, Produktivität, Gerechtigkeit, flüssige Biokraftstoffe der 2. Generation, Biokraftstoff der 1. Generation, UN-Klimaschutzkonvention, Stroh, Restholz, RL 2009/28/EG, Aktionsplan, fossiler Treibstoff, Benzin, Substitut, Tortillas gehören nicht in den Tank, BtL, Biomass-to-Liquid-Kraftstoff, WHO, Mexiko, Zuckerrüben, Zuckerrohr, Mais, Biomasse, Biomassenutzung
Arbeit zitieren
Gundula Klämt (Autor:in), 2009, Biomassenutzung zwischen Klimaschutz und Nachhaltigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148506

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