Zur Bedeutung der Vaterrolle für Jungen aus Scheidungsfamilien/ Einelternfamilie


Vordiplomarbeit, 2009

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Rolle des Vaters fur die Sozialisation des Kindes
2.1. Sozialisation nach Tillmann und Hurrelmann
2.1.1. Erganzung zur Sozialisation von Hurrelmann
2.2. Sozialisation in der Familie und ihr soziales Beziehungsgefiuge
2.2.1. Definition von Vaterschaft vor dem gesamtgesellschaftlichen Hintergrund
2.3. Die Rolle des Vaters
2.3.1. Die Rolle des Vaters wahrend der Schwangerschaft bis Vorschulalter des Kindes - empirische Befunde
2.3.2. Untersuchungen zur Kind-Vater-Bindung im Kleinkindalter
2.3.3. Die Rolle des Vaters in der pra-odipalen Phase des Sohnes - theoretische Annahmen
2.3.4. Die Rolle des Vaters im Schul- und Jugendalter des Kindes

3. Die Abwesenheit des Vaters und mogliche Folgen fur die Jungen-Sozialisation
3.1. Zur Datenlage von Scheidungs- und Trennungsfamilien
3.2. Die sozial-emotionale Entwicklung von Scheidungskindern - empirische Befunde
3.3. Die kognitive Entwicklung von Scheidungskinder - empirische Befunde
3.3.1. Die Entwicklung der Geschlechtsidentitat bei Abwesenheit des Vaters aus sozialisations-theoretischen Aspekt
3.3.2. Vaterabwesenheit in der pra-odipalen und odipalen Phase des Sohnes
3.3.3. Vaterabwesenheit in der Pubertat des Jungen
3.4. Die Entwicklung der Geschlechtsidentitat bei Abwesenheit des Vaters - empirische Befiunde
3.5. Die Sozialisation von Scheidungskindern - eine Zwischenbilanz

4. Ausblick
4.1. Weitere Fragen zur Rolle des Vaters
4.2. Ein Vergleich zwischen Brudern und Schwestern
4.2.1. Mogliches methodisches Vorgehen
4.2.2. Anmerkungen

5. Fazit

6. Literatur

1. Einleitung

Die Rollen des Vaters fur die Erziehung und Entwicklung des Kindes wurde zunehmend in den letzten Jahren in der Offentlichkeit diskutiert. Aber auch die Wissenschaft hat sich ihrer ange- nommen und brachte einige Beitrage zur Diskussion.

Doch wenn wir dem Vater eine entscheidende Wichtigkeit beimessen wollen und dieses auch in der Wissenschaft zum Teil bestatigt wurde, stellt sich auch die Frage, wie die Entwicklung des Kindes, und in dieser Arbeit des Jungen, beeintrachtigt ist.

Immer mehr Familien in Deutschland mit minderjahrigen Kindern trennen sich. Die Halfte der Trennungskinder sind Jungen, die zum Teil ganzlich ohne ihre Vater aufwachsen mussen. Oft ge- lingt den Muttern der Spagat zwischen Versorgerin der Kinder und Erzieherin. Doch wie beein­trachtigt sind die Jungen wirklich, wenn sie gezwungen sind, ohne mannliche Identitatsperson aufzuwachsen? Welche Rolle hat der Vater fur das Kind und speziell fur den Jungen, um zu ei- nem fur die Gesellschaft mundigen und handlungsfahigen Menschen zu werden? Und wie tragt der Vater zur kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung des Jungen bei und welche Rol­le spielt er fur die Geschlechtsidentitat?

Diese Fragen versuche ich in meiner Arbeit mit Hilfe der anerkannten Sozialisationstheorien von Hurrelmann zu beantworten. Zur Erganzung der Vaterrolle und der mannlichen Sozialisation be- nutze ich theoretische Literatur, wie zum Beispiel von Bohnisch und Winter und empirische Un- tersuchungen, unter anderem von Fthenakis, sowie auch Beitrage von anerkannten Psychologen und Padagogen aus Zeitschriften.

Ich erlautere Anfangs die Sozialisationstheorien, die aktuelle Rolle des Vaters und die Bedeutung von Vaterschaft. Dabei gehe ich auf die Bedeutung des Vaters in den verschiedenen Entwick- lungsstufen des Jungen ein.

Anschliefiend stelle ich die aktuelle Lage von (Ein-)Elternfamilien in Deutschland dar und disku- tiere die Folgen von Abwesenheit des Vaters fur die mannliche Sozialisation. Hierbei bediene ich mich empirischer Befunde und theoretischer Annahmen.

Im letzten Teil gebe ich Anregungen fur ein mogliches Forschungsdesign, die die Lucken in em- pirischen Untersuchungen zur Rolle des Vaters und die Folgen von Abwesenheit bei Jungen er- ganzen sollen.

An dieser Stelle mochte ich auch darauf hinweisen, dass ich die bedeutende Rolle der Mutter fur eine positive Entwicklung des Jungen voraussetze. Diese Arbeit behandelt ausschliefilich die Rol­le des Vaters fur den Sohn und wertet oder bewertet die Mutterschaft nicht.

Mit bestem Gewissen habe ich versucht, die mir zur Verfugung stehende Literatur anzuwenden und den wissenschaftlichen Standard umzusetzen.

2. Die Rolle des Vaters fur die Sozialisation des Kindes

Im folgenden Kapitel mochte ich den Begriff Sozialisation an den Pefinitionen von Hurrelmann und Tillman erlautern. Hierzu werde ich zunachst gemeinsame Aspekte zusammenfassen und spater Hurrelmanns Erganzung zur Sozialisation auffuhren.

2.1. Sozialisation nach Tillmann und Hurrelmann

Die Sozialisation ist weder dinglich noch sinnlich fassbar. Sie ist ein bestimmter Bereich der so- zialen Realitat, die Ereignisse, Faktoren und Prozesse beinhaltet. So wird Sozialisation formul- liert,als „Prozess der Entstehung und Entwicklung der Personlichkeit in wechselseitiger Abhan- gigkeit von der gesellschaftlich vermittelten, sozialen und materiellen Umwelt. Vorrangig thema- tisch ist dabei [...], wie sich der Mensch zu einem gesellschaftlich handlungsfahigen Subjekt bil- det’ (Geulen/ Hurrelmann 1980, S.51)“ (Tillman 2000, S.10). Diese Definition gilt als Konsens in der Sozialforschung und halt fest, dass die ,,Gesamtheit aller Umweltbedingungen“, sowie Fami- lie, Wohnsituation, Bildungsstatten, Arbeitsplatz etc., einen Einfluss auf die Subjektentwicklung nehmen.

Demnach ist die Sozialisation der Prozess, in dem der Mensch in eine Gesellschaft und Kultur hineinwachst und zu einem handlungsfahigen Subjekt wird.

Spezifische Aspekte der Sozialisation sind Bildung, Erziehung, Reifung und Enkulturation.A- spekte eventuell noch kurz Def. Diese sind nicht mit Sozialisation zu verwechseln oder mit ihr gleichzusetzen, da sie einzelne Impulse fur die Personlichkeitsentwicklung geben und somit dem Begriff Sozialisation unterzuordnen sind (ebd.).

Unter dem modernen Begriff von “Bildung“ wird bei Hurrelmann “die Forderung der Eigenstan- digkeit und Selbstbestimmung eines Menschen, die durch die intensive sinnliche Aneignung und gedankliche Auseinandersetzung mit der okonomischen, kulturellen und sozialen Lebenswelt ent- steht“, verstanden (a.a.O., S.17).Die “normative Zielsetzung des Sozialisationsprozesses“ ist die Herausbildung von Individuality, bei gleichzeitigem Schutz “gegen die soziale und kulturelle Funktionalisierung des Menschen“(ebd.).

“Der Begriff ’Erziehung’ bezeichnet alle gezielten und bewussten Einflusse auf den Bildungs- prozess “(ebd.).

Als Sozialisation werden alle Handlungen definiert, bei denen Menschen versuchen auf die Per- sonlichkeitsentwicklung eines Individuums Einfluss zu nehmen, egal ob dies unbeabsichtigt oder geplant geschieht. Erziehung soll die “absichtsvollen Interaktionen“ zwischen Eltern/ Kindern und Lehrern/ Schulern erfassen.

Die “Reifung“ ist das Ziel aller sozialisatorischen Elemente, bei dem ein “optimales MaB an Ver- haltenssicherheit“ und “sozialer Ordnung“ angestrebt wird und auf dessen Grundlage man von “Individualitat“ sprechen kann.

“’Enkulturation’ bezeichnet den Prozess, uber den ein Mensch von Geburt an die kulturellen Uberlieferungen der Gesellschaft erlernt“(a.a.O., S.18).Durch diesen Prozess wird das Individu- um, insbesondere durch das Erlernen der Sprache etc., zu einem vollstandigen Mitglied seiner speziellen Kultur.

2.1.1. Erganzung zur Sozialisation von Hurrelmann

Hurrelmann erweitert die oben genannte Definition, indem er Sozialisation als Prozess be- schreibt, in der sich der Mensch mit seiner biologischen Ausstattung zu einer in der Gesellschaft handlungsfahigen Personlichkeit bildet und uber sein komplettes Leben weiterentwickelt. Hurrel - mann betrachtet die Entwicklung somit als dynamischen Prozess: ,,Sozialisation ist die lebenslan- ge Aneignung von und Auseinandersetzung mit den naturlichen Anlagen, insbesondere den kor- perlichen und psychischen Grundmerkmalen, die fur den Menschen die ,,innere Realitat“ bilden“ (Hurrelmann 2002, S.15f). Die ,,auBere Realitat“ erklart Hurrelmann als die soziale und physika- lische Umwelt, die sich in Familie, Schule, Arbeitsplatz etc. wieder findet.

2.2. Sozialisation in der Familie und ihr soziales Beziehungsgefuge

Nach Hurrelmann ist die Familie die primare Sozialisationsinstanz, welche geeignet ist, „auf per- sonliche Bedurfnisse einzugehen und die Einflusse der auBeren Realitat zu filtern [...]“ (Hurrel­mann 2002, S.127). Im Gegensatz zu der historisch-traditionellen Familie, die als Ehegemein- schaft mit Kindern eine „Produktionseinheit“ war und sich als ,,Zweckbundnis“ verstand, ist laut Hurrelmann die heute vorherrschende Familienform eine soziale Gemeinschaft, ,,in der die Be- ziehungen durch Solidaritat, personliche Verbundenheit und Betreuung gepragt ist“ (a.a.O., S.129).

Die Familie ist bis zum Grundschulalter des Kindesdie soziale Welt. Trotz der AuBenkontakte und der Massenmedien bleibt die Familie eine Gesellschaft im Kleinen und bildet fur das Kind einen ,,Mikrokosmos“ (vgl. Hurrelmann 2002, S.138). Demnach ist die Familie der eigentliche Lebens- und Erfahrungsraum, in dem Erlebnisse mit Mutter und Vater vom Kind als das “Eigent- liche“? betrachtet werden und zur eigenen Einstellung, Wertorientierung und Verhalten vom Kind entscheidendbeitragen (a.a.O., S.138f).

Nach idealtypischer Betrachtung besteht die Kemfamilie aus vier sozialen Rollen. Diese sind Va- ter, Mutter, Sohn und Tochter. Hurrelmann erklart, dass diese Rollen in zwei Dimension unter- schieden werden konnen (siehe Abbildungl): Die „Geschlechterdimension“ (Vater und Sohn, Mutter und Tochter) und die „Generationsdimension“ (Vater und Mutter, Sohn und Tochter) (vgl. Hurrelmann, S.130f). Fur die Durchsetzung von genderspezifischen Rollen und Vorstellungen konnen Geschlechterkonstellationen entstehen. So konnen zum Beispiel Vater und Sohn eine „Koalition“ eingehen, um gegen die weiblichen Mitglieder der Familie ,,bestimmte Interessen durchzusetzen, die mit der Aufrechterhaltung von Merkmalen der mannlichen sozialen Rolle zu- sammenhangen“ (a.a.O., S.131). Es konnen sich auch Generationenkonstellationen bilden, um Regeln oder Umgangsformen durchzusetzen oder bei ihrer Bestimmung mitzuwirken. Hurrel­mann fuhrt auch auf, dass es Uberschneidungen („Subsysteme“) der Geschlechter- und Generati- onsebenen geben kann. So bieten zum Beispiel Mutter-Sohn Konstellationen viel Raum fur das Kind, die mannlich-vaterliche Rolle spielerisch einzuuben, d.h. der Sohn versucht die Rolle des Vaters zu ubernehmen (a.a.O., S.131f)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungl: Zwei Dimensionen in derFamilie (Hurrelmann 2006. S.131)

2.2.1. Definition von Vaterschaft vor dem gesamtgesellschaftlichen Hintergrund

Bei der Definition von Vaterschaft muss unterschieden werden zwischen der reinjuristischen, der biologischen und der sozialen Vaterschaft. Sie sind nicht miteinander gleichzusetzen. Der soziale Vater ubernimmt umfassende Verantwortung und Sorge fur sein Kind. Fur diese Arbeit ist die so­ziale Vaterschaft von Relevanz.

Die Definitionsansatze von Vaterschaft, besonders der sozialen, erweisen sich als undurchsichtig oder gar „veraltet“. Friebertshauser u.a. haben bei einer Diskursanalyse in dreizehn erziehungs- wissenschaftlichen Lexika und Worterbucher des letzten Jahrhunderts nur sparlich etwas zur Konzeption der Vaterschaft ermitteln konnen (Friebertshauser/ Matzner/ Rothmuller 2007, S.182). Fur die Definition von Vaterschaft stand das padagogische Potenzial des Vaters, bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, ganzlich im Hintergrund (ebd.).

Vorrangig in den westlichen Industriestaaten hat sich im Laufe des 20. Jahrhundert die Vater­schaft deutlich verandert.

„Ursprunglich wurde dem Vater die instrumentelle Funktion des Ernahrers in der Familie und der Mutter expressive Funktionen der Elternrolle, das heifit Betreuung und Zuwendung gegenuber dem Kind, zugeschrieben“ (Fthenakis 1999, S.29).

Der Eintritt der Frau ins Berufsleben, der unter anderem durch die Rezession in den siebziger Jahren bedingt war, hat laut Fthenakis zur Folge gehabt, dass eine neue Diskussion entfacht wur­de (ebd.). Die elterliche Rollenverteilung, in der der Vater als „Ernahrer“ galt und die Mutter rein erzieherische und hausliche Aufgaben tatigte, wurde hinterfragt und fuhrte auch in vielen Famili- en zu einem „Rollentausch“ (ebd.).

Desweiteren wird erlautert, dass im Zuge der Frauenbewegung der Gedanke der Gleichberechti- gung in die Familien hineingetragen wurde (Fthenakis 1988, S.16). „Frauen erwarten von Man- nern, dafi sie bislang als typische ,weibliche' bezeichnete Aufgaben ubernehmen“ (a.a.O., S.16f). Demnach wird ein verstarkt vaterliches Engagement bei der (Klein-)Kinderpflege und bei hausli- chen Aufgaben erwartet.

Auch die „Mannerbewegung“ hat versucht die traditionelle Rolle von Vaterschaft abzustreifen und trug zu einem starkerem Einsatz in der Kindeserziehung und einer (Mit-)Ubernahme von tra- ditionell der Frau zugesprochenen Hausarbeiten bei (a.a.O., S.18).

Weiterhin stellt Fthenakis dar, dass durch die Moglichkeit unerwunschte Schwangerschaften durch Verhutung zu verhindern, die Mutter sowie auch die Vater ihren Kindern und der Kindeser­ziehung mit einer positiveren Grundeinstellung entgegentreten konnen. Kinder konnen damit rechnen, „von Mutter und Vater gewollt zu sein“ (a.a.O., S.17).

Freibertshauser u.a. zeigen den Begriff des „Neuen Vaters“ auf, der sich in den letzten Jahren vermehrt in der Wissenschaft und Offentlichkeit manifestiert hat. Diesem neuen Vater wird ein grofieres Mafi padagogischer Bedeutung zugesprochen. Er gilt als engagiert, gefuhlvoll, partner- schaftlich und kompetent (vgl. Friebertshauser u.a. 2007, S.183). Vaterschaft aufiert sich in der „Form von Schutz und Geborgenheit, Sorge, materieller und emotionaler Zuwendung sowie dem Zeigen der Welt“ (a.a.O., S.185).

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Zur Bedeutung der Vaterrolle für Jungen aus Scheidungsfamilien/ Einelternfamilie
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
26
Katalognummer
V149573
ISBN (eBook)
9783640604159
ISBN (Buch)
9783640604227
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vaterrolle, Scheidung, Trennung, männliche Sozialisation, Jungen, Vaterabwesenheit
Arbeit zitieren
Roland Longobardi (Autor:in), 2009, Zur Bedeutung der Vaterrolle für Jungen aus Scheidungsfamilien/ Einelternfamilie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149573

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