Adornos Theorie der Halbbildung


Seminararbeit, 2006

13 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Quo vadis Bildung?

2. Zur «Theorie der Halbbildung»

3. Kritische Aspekte an Adornos «Theorie der Halbbildung»

4. Literatur

1. Quo vadis Bildung?

Die Beschäftigung mit dem Begriff der Bildung kann bis in die Antike zurückverfolgt werden. In allen späteren «Epochen», wie beispielsweise dem Mittelalter, der Renaissance oder der Zeit der Aufklärung war der Bildungsbegriff einem stetigen Bedeutungswechsel unterworfen. Geschichtliche und gesellschaftliche Ereignisse sowie Veränderungen waren und sind auch heute noch prägend für den Begriff der Bildung. In unserem alltäglichen Leben begegnet uns das Wort Bildung des Öfteren, sei es als Begriff, als Anspruch oder auch als Versprechen. Wer kennt in Deutschland nicht die Sendung «Wer wird Millionär?», in der uns der Moderator Günther Jauch verspricht, mit Allgemeinbildung sogar zum Millionär zu werden?

Mit Bildung muss man sich also beschäftigen, besser noch, man muss sie haben. Aber was ist Bildung nun eigentlich, bzw. wer darf sich gebildet nennen und wer nicht? Berechtigt Bildung heutzutage nur noch zu etwas oder kann sie zu etwas befähigen? Ist Lernen in Bildungsinstitutionen lediglich am ökonomischen Bedarf orientiert? Und werden Bildungsinhalte nicht nur noch unter den Perspektiven des «Bildungsmarktes» bedeutsam? Im Zuge der Kommerzialisierung und Liberalisierung des Bildungssektors durch die Nivellierung von Hochschulabschlüssen, der flächendeckenden Einführung von Studiengebühren in fast ganz Europa und den Privatisierungsbemühungen der Welthandelsorganisation (WTO) etc., wird Bildung immer mehr zur Ware und damit zu einem profitablen Gut. Folglich liegt die Frage nahe, ob man in unserer heutigen Zeit überhaupt noch von Bildung sprechen kann.

Der deutsche Philosoph und Soziologe Theodor Wiesengrund Adorno (1903-1969), der neben Max Horkheimer (1895-1973) als Hauptvertreter der kritischen Theorie der Gesellschaft gilt, hat sich in seinem Aufsatz «Theorie der Halbbildung» mit dem Begriff der Halbbildung beschäftigt. Was unter Halbbildung zu verstehen ist und welches die wesentlichen Gründe für die Entwicklung und die Herrschaft dieser Halbbildung sind, versuche ich im Laufe dieser Arbeit zu skizzieren.

2. Zur «Theorie der Halbbildung»

Es fällt auf den ersten Blick schwer, die Frage zu beantworten, was Adorno unter dem Terminus der Halbbildung versteht.

Wenn er jedoch in seinem Aufsatz schreibt, „… wer noch weiß, was ein Gedicht ist, wird schwerlich eine gutbezahlte Stellung als Texter finden“[1], wird deutlich, dass Bildung und Halbbildung scheinbar nicht miteinander zu vereinbaren sind.

Adorno zufolge muss eine Bildungskrise konstatiert werden, die nicht lediglich von einer pädagogischen Ebene, bzw. durch die Untersuchung einzelner sozialer Faktoren begriffen werden kann, sondern die vielmehr durch tief greifende gesellschaftliche Veränderungen zustande gekommen ist. Bildung ist für ihn zur sozialisierten Halbbildung geworden, die mit Verdinglichung und Entindividualisierung einhergeht.[2] Für ihn ist Halbbildung in Bezug zur Entindividualisierung der „Inbegriff eines der Selbstbestimmung entäußerten Bewußtseins“[3], was meiner Auffassung nach bedeutet, dass der Halbgebildete seine Bildung nicht selbst in die Hand nimmt und immer mehr seiner Selbstständigkeit und somit auch seiner Selbstverantwortung beraubt wird. Passend dazu beschreibt Adorno den Hang zum Konformismus als Kennzeichen des Halbgebildeten. Der „Geist von Halbbildung ist auf den Konformismus vereidigt.“[4] Geht man davon aus, dass Bildung den Menschen dazu befähigen sollte, sich gerade nicht den herrschenden Interessen anzupassen und mit diesen konform zu gehen, wird die Halbbildung zum Todfeind der Bildung. Wo die Selbstbestimmung fehlt und Konformismus herrscht, setzt Adorno zufolge ein starres, stereotypes Denken ein, dem die „Kontinuität von Urteil und Erfahrung enträt.“[5] Der Halbgebildete kann sich seiner Auffassung nach keine subjektiven Erfahrungen mehr leisten. Konform gehen mit der Gesellschaft und Verlust des kritischen Bewusstseins sind Kennzeichen des Halbgebildeten geworden. Halbbildung höhlt das, was Bildung einmal war, aus und lehnt sie ab.[6] Sie hat keinen Hang zur Vernunft. Im Gegenteil: Sie ist irrational und zeigt «Sympathien» für jeden Irrationalismus. Sie „ist die Sphäre des Ressentiments schlechthin, dessen sie jene zeiht, welche noch irgend ein Funken von Selbstbestimmung bewahren.“[7]

Selbstbestimmung jedoch sollte nicht nur ein Hauptziel der Erziehung sein, sondern vor allem sollten sich Menschen durch Bildung zu selbständigen, selbstverantwortlichen Individuen entwickeln. Folgt man Adornos Thesen, ist der Halbgebildete nicht oder nur sehr eingeschränkt dazu in der Lage, sich zu einem selbstverantwortlichen Individuum zu formen.

Halbbildung hat Adorno zufolge nicht den gebildeten Menschen zum Ziel, sondern einen Art «Fachmann», der überall mitreden kann, der scheinbar über alles Bescheid weiß und gleichzeitig alles besser wissen will. Halbbildung vereint sich, so Adorno, mit einem «kollektiven Narzissmus», da die Menschen sich durch ihre scheinbare Bildung „zu Gliedern eines Höheren, Umfassenden machen, dem sie die Attribute all dessen zusprechen, was ihnen selbst fehlt.“[8] Seiner Auffassung nach kommt diese Entwicklung dadurch zustande, dass mit dem Lebensstandard auch der Bildungsanspruch als Wunsch der Menschen wachse, zu einer «gebildeten» Oberschicht zu gehören. Als Antwort hierauf würden, so Adorno, „immense Schichten ermutigt, Bildung zu prätendieren, die sie nicht haben.“[9] Die dadurch entstehende Halbbildung wird zur vorherrschenden Bewusstseinsform unserer Gesellschaft.

[...]


[1] Adorno 1979, 101.

[2] Vgl. ebd., 93.

[3] Ebd., 93f.

[4] Ebd., 115.

[5] Ebd., 116.

[6] Vgl. ebd., 93f.

[7] Adorno 1979, 116.

[8] Ebd., 114.

[9] Ebd., 110.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Adornos Theorie der Halbbildung
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Fachbereich 3- Gesellschaftswissenschaften)
Veranstaltung
Einführung in Theorie und Praxis Politischer Bildung
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
13
Katalognummer
V147905
ISBN (eBook)
9783640597673
ISBN (Buch)
9783640598137
Dateigröße
399 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Adorno, Kritische Theorie, Bildungstheorie, Theodor Wiesengrund Adorno, Frankfurter Schule, Halbbildung, Kritik an Adornos Theorie der Halbbildung, Bildungsbegriff, Kritik Adorno, Hausarbeit
Arbeit zitieren
Sebastian Schmidt (Autor:in), 2006, Adornos Theorie der Halbbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147905

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