Zwei Rechtstheorien im Vergleich - Utilitarismus und Prozedurale Rechtstheorie


Seminararbeit, 2009

17 Seiten, Note: gut (5,0 in CH)


Leseprobe


Inhalt

EINLEITUNG

1. UTILITARISMUS (BENTHAM, MILL, VON JHERING)
1.1 Merkmale anhand von Sätzen in den Originaltexten
1.2 Stärken
1.3 Schwächen
1.4 Beitrag zur pluralistischen Grundsätzlichkeit

2. PROZEDURALE RECHTSTHEORIE (RAWLS)
2.1 Merkmale anhand von Sätzen in den Originaltexten
2.2 Stärken
2.3 Schwächen
2.4 Beitrag zur pluralistischen Grundsätzlichkeit

3. BESONDERE VERGLEICHSMOMENTE
3.1 Das Richtige
3.2 Das Menschenbild
3.3 Das menschliche Glück
3.4 Das Gesellschaftsbild
3.5 Die Verallgemeinerung durch Regeln

SCHLUSSWORT

LITERATURVERZEICHNIS

Einleitung

Als reflektierende Theorien über die Rechtswissenschaften und den Rechtsbegriff ergründen verschiedene Rechtstheorien auf jeweils unterschiedlichen Wegen die Logik und das Selbstverständnis des Rechts. Dabei gibt es einerseits solche Theorien, die Recht lediglich beobachten, also aus einer externen Sichtweise Recht ergründen, und andererseits teilnehmende Theorien, die an der Verwirklichung des Rechts mitwirken.

Sowohl der Utilitarismus als auch die Prozedurale Rechtstheorie sind zwei bekannte, allerdings sehr unterschiedlich konzipierte Rechtstheorien. Während der Utilitarismus als Nützlichkeitsethik und Philosophie des Glücks einen Namen hat, gehört die Prozedurale Rechtstheorie der Deontologie, der Pflichtenethik, an und ist damit Teil der Gegenströmung des Utilitarismus. Nicht der Nutzen, sondern die Gerechtigkeit wird hier als höchster Wert angesehen. Was genau die beiden so unterschiedlichen Theorien ausmacht, worin ihre jeweiligen Vor- und Nachteile liegen und in welchen Bereich der pluralistischen Grundsätzlichkeit sie einzuordnen sind, wird im Rahmen dieser Arbeit untersucht. Doch gibt es nicht nur Differenzen zwischen nützlichkeitsorientiertem und gerechtigkeitsbestrebtem Denken: In mancher Hinsicht vermögen die Rechtskonzeptionen sich einander anzunähern, wie in einem Theorienvergleich aufgezeigt wird.

1. Der Utilitarismus

Der Utilitarismus von Jeremy Bentham (1748-1832), John Stuart Mill (1806-1873) und Rudolf von Jehring (1818-1892) sieht als Nützlichkeitsethik seine Aufgabe in der Bestimmung des grössten Glücks der grössten Zahl. Der Mensch ist nach utilitaristischer Auffassung von Natur aus darauf angelegt, Lust zu suchen und Leid zu meiden. Nach der Logik der Nützlichkeit versucht er daher stets, seinen Nutzen zu mehren und seinen Schaden zu mindern. Das kollektive Gute bestimmt sich durch Verrechnung von positiven und negativen Nutzwerten, eine Berechnungsmethode, die auch das hedonistische Kalkül genannt wird. Recht dient somit primär dem Ausgleich widerstreitender Interessen.

1.1 Merkmale anhand von Sätzen in den Originaltexten

Die Natur hat die Menschheit unter die Herrschaft zweier souveräner Gebieter – Freud und Leid – gestellt. Es ist an ihnen allein aufzuzeigen, was wir tun sollen, wie auch zu bestimmen, was wir tun werden. Sowohl der Massstab für Richtig und Falsch als auch die Kette der Ursachen und Wirkungen sind an ihrem Thron festgemacht.

In diesem Auszug zeigt Bentham gleich mehrere Merkmale des Utilitarismus auf. Er umschreibt den Utilitarismus als Glücksethik. Die Antriebskraft menschlichen Handelns ist allein das Glück, welches sich an den Folgen einer Handlung und deren Nutzen für das Individuum bemisst. Es werden hier also sowohl das wirkungsorientierte konsequentialistische als auch das nutzenorientierte utilitaristische Element des Utilitarismus aufgeführt. Dass der Utilitarismus den Schwerpunkt auf den Nutzen legt, wird von Rawls vehement kritisiert, denn jener spricht der Gerechtigkeit Vorrang vor der Nützlichkeit zu.

Gleichzeitig kommt in dem Zitat das dem Utilitarismus zu Grunde liegende Menschenbild zum Ausdruck: Der Mensch ist kein Vernunftwesen, wie hingegen die Deontologen Kant und Rawls behaupten, sondern von seinen Trieben gesteuert. Die menschlichen Triebe zielen ab auf die Vermeidung von Leid und auf die Maximierung von Freude. Die einzige Freiheit des Menschen besteht in der Wahl der Mittel und Wege, um das Glück zu erreichen. In allen anderen Belangen seiner Existenz ist der Mensch nicht autonom, sondern wird von seiner Natur determiniert. Das utilitaristische Menschenbild versucht realistisch zu sein, nicht idealistisch, wie etwa das Menschenbild von Rawls, welcher jedem Menschen ein hohes Mass an Vernunft und Moral unterstellt.

Gemäss Bentham wird aber nicht nur das faktische Element, also die tatsächliche Handlung eines Menschen, durch die Faktoren Lust und Unlust gesteuert, sondern auch das normative Element. Es ist für eine funktionierende Gesellschaft unerlässlich, auf gerade diese menschliche Eigenart, den triebhaften Egoismus, Rücksicht zu nehmen und ebenfalls all das dem Glück zu unterwerfen, was ein Mensch leisten soll.

Man ziehe die Bilanz; befindet sich das Übergewicht auf der Seite der Freude, so ergibt sich daraus für die betroffene Gesamtzahl oder Gemeinschaft von Individuen eine allgemein gute Tendenz der Handlung; befindet es sich auf der Seite des Leids, ergibt sich daraus für die gleiche Gemeinschaft eine allgemein schlechte Tendenz.

Wie Bentham beschreibt, setzt der Utilitarismus voraus, dass Glück quanitifizierbar ist, dass es per Messung wissenschaftlich ermittelt werden kann. Nicht auf die Rechte und Pflichten des Einzelnen wird abgestellt, sondern auf das gesellschaftliche Gesamtwohl. Der Nutzen oder der Schaden, der für den Einzelnen aus einer Entscheidung erwächst, wird mit den Nutzen- oder Schadensbilanzen aller anderen Individuen verrechnet. Es wird dann jene Entscheidung getroffen, welche das gesellschaftliche Gesamtwohl am meisten steigert. Im Gegensatz hierzu besteht Rawls auf der Beschliessung des Guten in einem gerechten Verfahren, um die Konsequenz eines ungerechten Ergebnisses zu umgehen. Das auf utilitaristischem Wege festgestellte Gemeinwohl umfasst zwar konsequenterweise das Wohl vieler Individuen, allerdings werden Minderheiten oder schwache Gruppierungen zum Wohl des Gros unterjocht. Es besteht also kein expliziter Gerechtigkeitsanspruch, da kein Anteil an dem Schicksal unterdrückter Minderheiten genommen wird.

Wer die Tugend um ihrer selbst willen erstrebt, erstrebt sie entweder deshalb, weil das Bewusstsein, sie zu besitzen, lustvoll ist oder weil das Bewusstsein, sie nicht zu besitzen, unlustvoll ist oder aus beiden Gründen zugleich (...).

Mill betont die Fremdbestimmtheit des menschlichen Charakters und damit seiner Entscheidungen durch das Empfinden von Glück: Der Mensch handelt gemäss dem Menschenbild des Utilitarismus immer dann tugendhaft oder im Sinne der Gerechtigkeit, wenn diese Handlungsoption unter allen möglichen Alternativen die lustvollste darstellt, nicht etwa, weil er sich nach rationalen Überlegungen bewusst für einen gerechten Weg unabhängig von seinem eigenen Besten entscheidet. Wäre es also hypothetisch möglich, alle Menschen so zu konditionieren, dass Gerechtigkeit ihnen in jeder Situation die grösstmögliche Befriedigung bereitet, wären der Utilitarismus und die Rawlsche Gerechtigkeitstheorie im Ergebnis deckungsgleich. Rawls nämlich geht davon aus, dass die menschliche Natur so beschaffen ist, dass die Tugend stets das höchste Glück für den Einzelnen darstellt. Letztendlich ist bei beiden Theorien die Tugend durch das Streben nach Glück und damit utilitaristisch begründet; bloss das ihr zu Grunde liegende Menschenbild differiert.

Die Natur hat den Menschen wie das Tier ausgestattet mit dem Egoismus; den Menschen aber auch mit dem Geist, und mittels dieser Kraft hat er im Laufe der Zeiten die ganze sittliche Weltordnung geschaffen.

Hier nimmt Jhering Stellung zu der so genannten Pig-Philosophy und zeigt die Position der Utilitaristen gegenüber der Kritik ihrer Gegner. Die Pig-Philosophy besagt, dass das niederträchtige Streben nach Generierung von Lust sowie nach Vermeidung von Unlust nur der Schweine würdig sei (Birnbacher, 2008). Der qualitative Hedonismus des Utilitarismus hingegen argumentiert, dass der Mensch ein Wesen mit geistigen Fähigkeiten wie Intelligenz und Kreativität ist. Es kann ein Mensch nur dann glücklich und erfüllt sein, wenn er seine intellektuellen Fähigkeiten ausschöpfen kann. Es ist deshalb der Schluss zu ziehen, dass die von Menschen angestrebten Freuden nicht etwa nur körperliche sind, sondern in hohem Masse auch geistige Vergnügen. Dies würde einem Schwein wohl eher schwer fallen.

Der Regelutilitarismus dagegen vertritt die Ansicht, dass die Richtigkeit einer Handlung nicht durch ihren relativen Nutzen bestimmt wird, sondern durch den Nutzen, der daraus resultiert, dass man eine relevante moralische Regel hat.

Der Regelutilitarismus will allgemeingültige Normen aufstellen und damit eine Verallgemeinerung vornehmen. Wie Brandt beschreibt, wird nicht mehr das Wohl aller Beteiligten im Einzelfall gemessen, sondern das Wohl aller von einer verallgemeinerungsfähigen Norm Betroffenen für alle generalisierbaren Fälle. Diese Abweichung des Regelutilitarismus vom klassischen Handlungsutilitarismus nähert ihn der Deontologie an, jedoch ist, so Jhering, für den konkreten Inhalt einer Norm noch immer nicht etwa die Gerechtigkeit, sondern der Nützlichkeitsaspekt entscheidend:

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Zwei Rechtstheorien im Vergleich - Utilitarismus und Prozedurale Rechtstheorie
Hochschule
Universität St. Gallen
Note
gut (5,0 in CH)
Autor
Jahr
2009
Seiten
17
Katalognummer
V148985
ISBN (eBook)
9783640594320
ISBN (Buch)
9783640593958
Dateigröße
438 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zwei, Rechtstheorien, Vergleich, Utilitarismus, Prozedurale, Rechtstheorie
Arbeit zitieren
Aline Maier (Autor:in), 2009, Zwei Rechtstheorien im Vergleich - Utilitarismus und Prozedurale Rechtstheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148985

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