Heimatverlust - Erinnerungsraum Bukowina in Rose Ausländers Lyrik


Seminararbeit, 2007

13 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

0. Einleitung

1. Hintergrundwissen: Die Jahre 1946-1965

2. Fakten zur Darstellung der Bukowina 3 in Rose Auslanders Lyrik

3. Rose Auslanders Bild der Bukowina/ 5 Warum schreibt Rose Auslander?

4. Bukowina I
4.1 Aufiere Form
4.2 Stilfiguren
4.3 Interpretation

5. Zuvor
5.1 Aufiere Form
5.2 Stilfiguren
5.3 Interpretation

6. Fazit 1

7. Anhang
7.1 Literaturverzeichnis
7.1.1 Primarliteratur
7.1.2 Sekundarliteratur

Heimatverlust - Erinnerungsraum Bukowina in Rose Ausländers Lyrik

0. Einleitung

Rose Auslander ist nicht jedem ein Begriff. Das ist aber sicher kein Grund, sich nicht ein wenig mit ihrem Werk auseinanderzusetzen, welches in gewisser Weise ein Stuck Zeit- geschichte reprasentiert. Zudem kann auch ein kleiner Einblick in eine in Deutschland ein we­nig vergessene und darum vielleicht nicht sehr beachtete Literaturlandschaft namens Buko­wina gewonnen werden, die unter anderem auch einen so grofiartigen Dichter wie Paul Celan hervorgebracht hat, dessen Ruhm der deutschen Literatur zu Gute kommt. Im Laufe ihres Le- bens schrieb Rose Auslander unzahlige Gedichte, in denen sie Erlebtes verarbeitete. Sie schrieb uber viele Themen wie ihre Kindheit, ihre Erlebnisse im weiten Weltkrieg oder im Exil in Amerika. Ein Thema zieht sich aber wie ein roter Faden durch viele ihrer Gedichte, die vorwiegend in ihrer Zeit in den USA entstanden, namlich das Thema Heimatverlust, das Ro­se Auslander sicherlich schwer beschaftigte. Zwei ihrer Gedichte werden in dieser Arbeit etwas genauer betrachtet. Die Gedichte Zuvor und Bukowina I entstanden in dem Zeitraum zwischen 1957 und 1965 in New York, wobei das Gedicht Zuvor sicherlich erst gegen Ende und das Gedicht Bukowina I bereits am Anfang dieser Zeitspanne geschrieben wurde und fur eine wesentliche Stilentwicklung in Rose Auslanders Werk stehen sowie Einblick in das Ge- fuhlsleben einer Heimatlosen, Vertriebenen gewahren.

1. Hintergrundwissen; Die Jahre 1946-1965

Das einzig wirklich Bestandige in Rose Auslanders Leben ist das „Wort". Dies geht einher mit der Tatsache, dass sie die Realitat oftmals vergisst.

„Ohne wirkliches Zuhause, mit kaum einer Habe zieht sie nach dem Verlust ihrer Heimat Bukowina von einer Bleibe zur nachsten, sitzt auf gepackten Koffern, bleibt standig auf der Flucht. Rose Auslander flieht ins ,Wort’, lebt die Aufgabe, die Gabe, die sie hier in diesem Leben zu erfullen hat, die ihr aufgegeben ist."[1] Sie verbindet ihr Sprachgefuhl mit der Erfah- rung eines Grenzbewohners, der, obwohl er in

der Fremde lebt, sich ganz bewusst einer Sprachheimat zuordnet, indem er ein reflektiertes Verhaltnis zum gesprochenen oder geschriebenen Wort entwickelt. 1946, Czernowitz ist durch den Krieg nur gering zerstort, verlasst Rose Auslander Anfang Juni ihre geliebte Hei- mat. Ihre Mutter und ihr Bruder mit seiner Familie bleiben zunachst in Dorna-Vatra zuruck. Rose Auslander hatte von einem befreundeten amerikanischen Ehepaar ein Arbeitsangebot in den USA bekommen, das ihr die Hoffnung auf ein materiell gesichertes Leben gab. Im Sep­tember tritt sie schliefilich die Seereise nach New York an. Sie weifi aber nicht, dass sie ihre geliebte Heimat nun endgultig verlassen hat.

Im Jahr darauf stirbt ihre Mutter Kathi Scherzer. Dies fuhrt zu einem psychischen und physischen Zusammenbruch Rose Auslanders. Die Mutter war fur sie namlich so etwas wie die Symbolisierung ihrer Heimat.

Ab 1948 lost sich langsam die Schreibhemmung, die sich durch den Tod der Mutter gebildet hat. Sie schreibt aber nur auf Englisch.

1950-61 arbeitet sie als Ubersetzerin und Fremdsprachenkorrespondentin bei der internati- onalen Speditionsfirma Freedman & Slater in New York. In dieser Zeit entwickelt und potenziert sich ihre Heimatlosigkeit, und sie vollzieht einen endgultigen Formenwandel durch die Abkehr von Reim und Metrum.

1956 erlost die amerikanische Lyrikerin Marianne Moore schliefilich Rose Auslander aus ihrem Sprachtrauma. Auf ihr Anraten hin beginnt sie wieder auf Deutsch zu dichten.

Die Phase ihres Abschieds von Amerika wird bereits 1962 eingeleitet. Sie erkennt nun endgultig an, dass ihre reale Heimat fur sie verloren ist. Ihre zukunftige Heimat liegt in der Sprache.

1965 schliefilich kehrt sie den USA den Rucken und zieht nach Deutschland, das Land, das sie die Heimat kostete.

2. Die Darstellung der Bukowina in Rose Auslanders Lyrik

Es gibt einige Punkte zur Darstellung der Bukowina in Rose Auslanders Dichtung, die kurz angesprochen werden mussen.

Die Darstellung der Bukowina und von Czernowitz wirkt vielleicht etwas einseitig „in Bezug auf die Landschaft ihrer Herkunft“.[2] Zudem stilisiert die Sekundarliteratur die Bukowina oft zum „Paradies auf Erden hoch“.[3] Diese Darstellung, die eng mit der Landschaft verbunden ist, wird der dichterischen Vielfalt Rose Auslanders aber nicht wirklich gerecht.

Das Motiv verlorene Heimat ist assoziiert mit dem Motiv verlorene Kindheit, was auf den Verlust der Mutter zuruckgefuhrt werden kann. Die Motive Kindheit - Heimat - Mutter sind unweigerlich ineinander vermischt. Dies hangt mit dem Drangen der Mutter zusammen, 1921 in die USA auszuwandern und mit der Ruckkehr wegen der Krankheit der Mutter[4]. In ihrer Exilliteratur ist Rose Auslanders Heimat fur sie gleichgesetzt mit Kindheit, deutscher Sprache und intellektueller Kultur, woraus sich Verlust als Thema manifestiert wegen ihres un- freiwilligen Verlassens der Heimat und der Familie. Sie empfindet den Verlust von Si- cherheit, wie sie in der Kindheit existiert. Dieses Empfinden stellt ihre „Sehnsucht nach der heilen Welt der Kindheit“[5] dar.

Das Farbwort grun dient als positives Attribut ihrer Heimat. Es wird auf die Zeit, die Menschen und die Sprache angewendet.

Die Gedichte wurden sicher nicht nur aus dem Gefuhl der Wehmut uber den Verlust der Heimat geschrieben, sondern es besteht auch die Moglichkeit, eine Leserschaft anzusprechen, deren Bedurfnis, „einer heilen versunkenen deutschen Welt im Osten“[6], ohne dass politisch Anstofi genommen werden kann, nachtrauern zu konnen, gestillt werden will.

Die Art und Weise der Darstellung historischer Fakten ist hochst subjektiv gefarbt. Ein uber- zeitlicher Charakter ist somit der Darstellung eigentumlich.

3. Rose Auslanders Bild der Bukowina/Warum schreibt Rose Auslander?

Auf dem Papier kann sie sich, ihre Identitat in der Literatur suchend, deutlicher ausdrucken. Weil sie in Czernowitz zur Welt kam, ist die Bukowina fur sie eine besondere Landschaft, deren Bild fur sie durch Marchen und Mythen angeregt und gepragt wurde.

Lyrik wurde ihr wesentliches Lebenselement, da sie wahrend des zweiten Weltkrieges in eine geistige Realitat fluchtete, in „unser traumatisches Heim in der Heimatlosigkeit. Schreiben war Leben. Uberleben.“[7]

Nach der Einwanderung in die USA begann ein neuer Abschnitt ihres Lebens. Existenz- kampf. Umorientierung. Provokation.“[8] Sie wagt einen Neuanfang in der amerikanischen Li­teratur.

Die Wiederaufnahme des Schreibens in deutscher Sprache ab 1956 ist fur sie eine unterbewusste Ruckkehr in ihre Vergangenheit ohne aufieren Anlass.

Ihre bevorzugten Themen waren: „Alles - das Eine und das Einzelne. Komisches, Zeitkritik, Landschaften, Sachen, Menschen, Stimmungen, Sprache - alles kann Motiv sein.“[9] Schreiben ist far sie ein Trieb, ihre Gedanken und Einbildungskraft zum Ausdruck zu bringen. Deutsch blieb fur sie immer Mutter- und Kultursprache trotz der verschiedenen Sprachein- flusse in der Bukowina wie Jiddisch, Ruthenisch oder Rumanisch.

Beeinflusst wurde sie vor allem durch die Lyrik Rilkes und Heines, sowie durch Karl Kraus und die Fackel. Aber ihre ersten und wichtigsten Vorbilder waren Holderlin, Trakl und Kafka. Die deutsche Sprache in Czernowitz war fur sie beeinflusst durch den hohen Judenanteil der Bevolkerung.

„Czernowitz war hasslich und schon: architektonisch stillos, aber landschaftlich lieblich und von eigentumlichen Reiz.“[10]

Eine besondere Lebenseinstellung, die sich in der intellektuellen Schicht der Bevolkerung herausbildete, pragte Czernowitz fur sie: „Weltfremdheit und Nichtbeachtung der umdus- terten Realitat als Ausdruck des Lebens in eine als ,wesentlichere Wirklichkeit’ emp- fundenen Welt der Ideen und Ideale.[11]

Politik, Philosophie, Kunst und Literatur waren die Lebensessenz dieser Stadt. „Eine versunkene Stadt. Eine versunkene Welt.“[12]

4. Bukowina I

Tannenberge. Grune Geister:

In Dorna-Vatra wurzen sie

das Harzblut. Alte Sommermeister

treten an ihre Dynastie.

Felder im Norden. Buchenschichten um Czernowitz. Viel Vogelschaum um die Verzauberten, die den Gesichten vertrauen, ihrem Trieb und Traum.

Die Zeit im Januarschnee versunken.

Der Atem raucht. Die Raben krahn.

Aus Pelzen spruhen Augenfunken.

Der Schlitten fliegt ins Sternverwehn.

Der Rosenkranz in Weihrauchwogen rinnt durch die Finger. Sagentum und Glaubige. In Synagogen singen funftausend Jahre Ruhm.

4.1 AuBere Form

Das Gedicht besteht durchgehend aus vierhebigen Jamben, bis auf drei Ausnahmen: In Vers 7 steht ein 5-hebiger Jambus, Vers 1 besteht aus 4-hebigen Trochaen und in Vers 9 - sofern man Januar dreisilbig liest - flieBt ein Daktylus mit ein, um den Gleichklang des Metrums aufrecht zu halten. Die Kadenz ist abwechselnd weiblich und mannlich. Das Reimschema be­steht aus einem Kreuzreim.

[...]


[1] Helfrich, Cilly: Es ist ein Aschensommer in der Welt, S. 10.

[2] Reichmann, Eva: Gebt unseren Worten nicht euren Sinn, S. 77.

[3] Ebd.

[4] Vgl. Reichmann, Eva: „Gebt unseren Worten nicht euren Sinn", S.78.

[5] Ebd. S.91.

[6] Ebd. S.88.

[7] Rose Auslander: Die Nacht hat zahllose Augen, S. 93.

[8] Ebd.

[9] Ebd. S. 94.

[10] Ebd. S. 107.

[11] Ebd. S. 108.

[12] Ebd. S. 110.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Heimatverlust - Erinnerungsraum Bukowina in Rose Ausländers Lyrik
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Literaturlandschaft Bukowina
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
13
Katalognummer
V148202
ISBN (eBook)
9783640589432
ISBN (Buch)
9783640589869
Dateigröße
410 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine eigenständige Lesart der Gedichte: textnah und überzeugend
Schlagworte
Rose Ausländer, Ausländer Lyrik, Bukowina, Heimatverlust, NdL, Neuere deutsche Literatur, Lyrik
Arbeit zitieren
M.A. Florian Kaltenhäuser (Autor:in), 2007, Heimatverlust - Erinnerungsraum Bukowina in Rose Ausländers Lyrik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148202

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