Kartellrechtliche Zulässigkeit von Marktinformationsverfahren


Seminararbeit, 2009

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

Literaturverzeichnis

Abbildung zu Ziff. B.II.2.a) der Arbeit

A. Marktinformationsverfahren: Definition und Fragestellung

B. MIV im Kartellrecht
I. Qualifikation von MIV
II. Verhältnis zwischen MIV und Wettbewerb
1. Besondere Stellung konnexer MIV
2. Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung
a) horizontale Markttransparenz und Wettbewerb
aa) subjektive Verknüpfung
bb) objektive Verknüpfung
cc) Zusammenfassung
b) Markttransparenz und MIV
aa) Informationsgegenstand
(1) Begriffsbestimmung
(2) Informationsgegenstand in der Praxis
bb) Aggregationsgrad der Daten
c) Zusammenfassung
3. Bewirkte Wettbewerbsbeschränkung
4. Ergebnis
III. Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung
IV. Freistellung

C. Ergebnis

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Verhinderung, Einschränkung, Verfälschung des Wettbewerbs

A. Marktinformationsverfahren: Definition und Fragestellung

Gegenstand dieser Arbeit sind Prozesse des Austauschs von Marktinformationen zwischen Wettbewerbern auf einem Markt soweit sie in einer institutionalisierten Form stattfinden und damit als Marktinformationsverfahren (MIV) bezeichnet werden[1]. Im einzelnen werden darunter Preismeldestellen, Angebotsmeldeverfahren, Absatz- und Kosten­meldeverfahren, Benchmarking, strategische Allianzen und - weiter-gehend - elektronische Marktplätze gefasst[2], die aufgrund der jederzeit verfügbaren Daten ebenfalls als Meldestellen für die Wettbewerber verstanden werden können.

Ökonomische Theorien und Marktbeobachtungen führen zur Erkenntnis, daß ein Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern sowohl fördernde als auch hemmende Wirkungen auf den Wettbewerb haben kann[3]. Man spricht von einer Ambivalenz horizontaler Marktinformationen[4]. Zum einen wirkt ein horizontaler Informationsfluß von einem Wettbewerber zum anderen als Verstärker von schon vorhandenen Tendenzen, weil er ein sowohl wettbewerborientiertes als auch gleichförmiges Verhalten erleichtert. So macht ein mit einem Preis- Mengen- oder Quotenkartell konnexes MIV die Überwachung wettbewerbsschädigender Vereinbarungen einfacher, es erhöht den Druck auf Kartellmitglieder, macht ihren Zusammenhalt fester[5]. Zum anderen haben horizontale Informationsprozesse aber auch eine selbständige objektive Wirkung auf das Wettbewerbsverhalten der Marktteilnehmer. Schnelle Information er-möglicht es den Teilnehmern eines MIV, auf Veränderungen der Marktsituation schneller zu reagieren, ihre Reaktionsverbundenheit steigt und wirkt sich ebenfalls auf den Wettbewerb aus.

Es ist Aufgabe des zum Schutz des Wettbewerbs berufenen Kartellrechts, verschiedene Prozesse des horizontalen Informationsaustausches hinsichtlich ihrer Wirkungen auf den Wettbewerb zu differenzieren und Konsequenzen zu ziehen.

B. MIV im Kartellrecht

Die Rechtsgrundlage für die kartellrechtliche Beurteilung von MIV bilden §1 ff. GWB bzw. Art. 81 EGV. Ausgehend von dem Willen des deutschen Gesetzgebers, §§1 und 2 GWB auch für Fälle mit fehlendem Zwischenstaatlichkeitsbezug dem Art. 81 EGV anzugleichen[6], muß von einer inhaltlichen Übereinstimmung der Tatbestandsmerkmale beider Normen ausgegangen werden. Für die Zwecke dieser Arbeit werden die Normen synonym verwendet, die deutsche und die europäische Rechtspraxis nebeneinander gestellt und Fragen des zwischenstaatlichen Bezugs ausgeblendet. §1 GWB verbietet Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken. Im Rahmen dieser Arbeit sind also die Fragen wichtig, ob MIV eine von §1 GWB erfasste Handlungsform darstellen und wann diese eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt bzw. bewirken kann. Weitergehend stellt sich dann ggf. noch die Frage nach der Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung und einer möglichen Freistellung der MIV vom Kartellverbot.

I. Qualifikation von MIV

Das zwischen Wettbewerbern organisierte und institutionalisierte MIV erfordert das Angebot einer bestimmten Handlungsweise und die Annahme dieses Angebots durch alle Beteiligten. Damit erfüllt ein direkt zwischen Wettbewerbern abgesprochenes MIV das Merkmal einer „Vereinbarung" i.S.v. §1 GWB, die darüber hinaus nicht rechtlich bindend zu sein braucht. Problematisch könnte diese Subsumtion nur werden, wenn die Beteiligten den Austausch von Informationen nicht direkt miteinander, sondern mit einer zentralen Meldestelle vereinbaren. In diesem Fall fehlen nämlich direkte Absprachen zwischen ihnen. Allerdings stehen die einzelnen gleichartigen Verträge der Beteiligten mit der zentralen Meldestelle in einem wirtschaftlichen Zusammenhang und sind nur in diesem Zusammenhang sinnvoll. Die Schaffung größerer Markttransparenz bildet den gemeinsamen Zweck dieser sog. Sternverträge[7]. Deswegen wird von Teilen der Literatur in einem solchen einheitlichen Regelwerk ein Sonderfall des Gesellschaftsvertrages zwischen den Beteiligten gesehen[8]. Von einer anderen Meinung wird eine GbR abgelehnt[9]. Jedenfalls erfüllen die Sternverträge aber die Voraussetzung einer abgestimmten Verhaltensweise, wobei die Abstimmung von der Meldestelle mittels Vorlage gleich-artiger Einzelverträge - welche die Beteiligten dann mit Wissen und Wollen ihrer Gleichartigkeit annehmen - durchgeführt wird. Damit ist §1 auf MIV sachlich anwendbar.

II. Verhältnis zwischen MIV und Wettbewerb

Eine Vereinbarung bzw. abgestimmte Handlungsweise „bezweckt" eine Wettbewerbsbeschränkung dann, wenn ihr eine objektiv feststellbare Tendenz innewohnt, wenigstens einen der Beteiligten im Einsatz wettbewerblicher Verhaltensparameter zu beschränken[10]. In diesem Sinne stellt das Kartellverbot einen Gefährdungstatbestand dar[11]. Das Merkmal des „Bewirkens" wird demgegenüber überwiegend herangezogen, wenn das Merkmal des „Bezweckens" versagt. Er greift, wenn sich eine Vereinbarung in einem konkreten Fall tatsächlich negativ auf den Wettbewerb auswirkt[12]. Betrachtet wird also im zweiten Fall die kumu-lative Wirkung der Vereinbarung und der Umweltzustände auf den Wett-bewerb in einer konkreten Situation.

1. Besondere Stellung konnexer MIV

Eine sehr große Rolle in der Rechtspraxis spielen mit einem klassischen Kartell verbundene, ihn begleitende konnexe MIV. In fast allen Verfahren der deutschen und europäischen Kartellbehörden erscheint ein MIV im Zusammenhang mit einem konnexen Kartell[13]. Die rechtlichen Konsequenzen für ein solches MIV sind eindeutig: Es teilt das Schicksal „seines" Kartells[14] : MIV-Verträge sind nach §1 GWB ebenfalls wie das Kartell grundsätzlich verboten und nach §134 BGB nichtig; die Realakte des tatsächlichen Informationsaustauschs sind rechtswidrig. Andererseits wäre bei einem nach §2 GWB oder §3 GWB freigestelltem Kartell auch ein angeschlossenes Informationssystem erlaubt. Obwohl der praktische Nutzen dieser Herangehensweise - vom Kartell zum angeschlossenen MIV - für die Entscheidung über die Zulässigkeit eines MIV offensichtlich ist, liegt die größte Schwierigkeit in dem Nachweis eines Kartells[15], da dieses oft getarnt sein und nur ein MIV als „Spitze des Eisbergs" erkennbar zutage treten wird.

[...]


[1] Tugendreich, Marktinformationsverfahren, S. 18.

[2] Tugendreich, Marktinformationsverfahren, S. 25 ff.

[3] Tugendreich, Marktinformationsverfahren, S. 129 ff.; Vollmer, FS-Mailänder, S. 215, 221.

[4] Tugendreich, Marktinformationsverfahren, S. 19.

[5] s.a. Vollmer, FS-Mailänder, S. 215, 221 f.

[6] Immenga/Mestmäcker, Zimmer, §1 GWB, Rn. 7 f.; Tugendreich, Marktinformationsverfahren, S. 202.

[7] KG, WuW/E OLG 3675, 3677 „Baumarkt-Statistik“.

[8] MünchKomm, Ulmer, §705 BGB Rn. 21.

[9] Bamberger/Roth, Timm/Schöne, §705 BGB, Rn. 41.

[10] Immenga/Mestmäcker, Zimmer, §1 GWB, Rn. 157 f.

[11] Tugendreich, Marktinformationsverfahren, S. 219.

[12] Immenga/Mestmäcker, Zimmer, §1 GWB, Rn. 159.

[13] EuG v. 27.10.1994, Rs. T-34/92, Slg. 1994 II, S. 905, Tz. 91 „Fiatagri“; Stanke, BB 2009, S. 912.

[14] Sedemund, FS-Lieberknecht, S. 571, 574; Komm. v. 13.07.1994, Rs. 94/601/EG, Abl. EG 1994 Nr. L 243, S. 1, Tz 134 „Karton“.

[15] Die praktischen Schwierigkeiten der Beweisführung und die Rolle des Indizienbeweises schildert die Europäische Kommission in der Entscheidung 94/601/EG v. 13.07.1994 Abl. EG 1994 Nr. L 243, S. 1, Tz 118 ff. „Karton“.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Kartellrechtliche Zulässigkeit von Marktinformationsverfahren
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
25
Katalognummer
V148346
ISBN (eBook)
9783640587155
ISBN (Buch)
9783640586608
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Marktinformationsverfahren, §1 GWB, Art. 81 EGV, Selbständigkeitspostulat, Theorie vom Geheimwettbewerb, Markttransparenz, Wettbewerbsbeschränkung, Art. 101 AEUV
Arbeit zitieren
Oleg Fedunov (Autor:in), 2009, Kartellrechtliche Zulässigkeit von Marktinformationsverfahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148346

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