Johan van der Keuken - Das Bild als Medium der Rede


Forschungsarbeit, 2010

18 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zu Johan van der Keuken und seine Verbindung zur Fotografie als Basis seiner filmischen Arbeiten

3. Film als das was wir Wahrnehmen - Die Präsenz der Bilder

4. Resümee

1. Einleitung

„Das Foto ist eine Erinnerung. Ich erinnere mich an das, was ich sehe. Aber der Film erinnert sich an nichts. Der Film ereignet sich immer jetzt.“1

Dieser Satz steht ganz am Anfang des Buches „Abenteuer eines Augenblicks“ von Johan van der Keuken. Er stammt aus seinem Film Ferien eines Filmemachers. Dieser Satz ist bezeichnend. Er ist bezeichnend dafür, wie Johan van der Keuken arbeitet und denkt. Er beschreibt seine Beziehung zur Fotographie und zum Film und deren Beziehung zueinander. Doch keinesfalls geschieht eine Gleichsetzung. Er ist kein fotografierender Filmemacher oder ein filmender Fotograf. Er ist entweder Fotograf oder Filmemacher und trotzdem existiert in seinem Fall eine untrennbare Verbindung.

Das Bild wird in den Vordergrund gestellt, es ist der kleinste gemeinsame Nenner eines Gesamtkunstwerks, ein Ergebnis verschiedener einzelner, genau durchdachter Konstrukte, in der Fotografie wie im Film.

Diese Arbeit beschäftigt sich bis ins Detail mit diesem kleinsten gemeinsamen Nenner. Das Bild ist unweigerlich präsent, der Filmemacher Johan van der Keuken nicht mehr unsichtbar. Der objektive Wahrheitsanspruch tritt in den Hintergrund, trotz der Tatsache, dass seine Filme als Dokumentarfilme kategorisiert werden. Durch das Herunterbrechen auf die kleinste Einheit des Filmes wird Wahrheit und Wirklichkeit unter einem anderen, viel persönlicheren Aspekt betrachtet.

„Ich befinde mich als Filmemacher in der Welt des Bildes - eine Welt halbwegs zwischen mir und der Wirklichkeit.“2

Seine Verbindung zur Fotografie ist nicht zu leugnen und wichtig um ihn und seine Filme zu verstehen. In Ferien eines Filmemachers bezieht er sich immer wieder auf seine Vergangenheit als Fotograf. Das Medium zwischen ihm und der realen Welt rückt in den Mittelpunkt, schon als Jugendlicher. Durch seinen Großvater zur Fotografie gekommen, hört er nicht mehr auf mit der Kamera zu experimentieren.

Nicht mehr die Gesamtheit dessen was ein Mensch rund um sich sieht, kann eingefangen und erfasst werden, derjenige der hinter der Kamera steht entscheidet, was wir als Rezipienten sehen und was nicht. Ein besonderer Schwerpunkt auf das Sehen und die Bilder wird in seinem Film Hermann Slobbe gelegt. Hier geht es um ein blindes Kind, das selbst den Film nie sehen kann, es geht um die Art und Weise wie dieser Junge Dinge wahrnimmt, wie er seinen ganz eigenen Rahmen setzt, in dem er sich bewegt.

Wenn Johan Van der Keuken die Kamera in die Hand nimmt - und ich spreche ganz bewusst von „in die Hand nehmen“ - entsteht das Bild. Er versteckt sich nicht hinter der Kamera indem er versucht, das Bild möglichst so zu konstruieren, dass man in die „reale Welt eintaucht“. Durch die teils „unsanfte“ Kameraführung, die unkonventionellen Einstellungen, tritt er hinter der Kamera hervor, ohne dass er tatsächlich zu sehen ist. Das Medium der Kamera bildet die Brücke, die Brücke zwischen Fotografie und Film. Das eine starr und in der Vergangenheit behaftet, das andere bewegt und in der Gegenwart zu spüren.

Dies führt mich zum Aspekt der Zeit und des Raums. Zuerst werden die Motive in Beziehung gesetzt, zu einem Bild konstruiert. Es gibt immer einen Rahmen, dem der Filmemacher unterworfen ist, und in diesem kann er agieren. Dies findet unter dem Begriff Kadrage Ausdruck. Hier spielt der Aspekt der Fläche eine große Rolle. Im Bild selbst kann eine Fläche oder ein leerer Raum schon Zeit zum Ausdruck bringen. Das fängt in der Fotografie an und zieht sich auch im Film durch die einzelnen Bewegungsbilder. Im ersten Kapitel stoßen wir dadurch auf andere Künstler, wie Henri Cartier-Bresson, die auch mit Bildrahmen und Fläche auf eine ganz besondere Art und Weise spielen und Johan van der Keuken in seinem Schaffen beeinflusst haben. Der dritte Film, der dieser Arbeit speziell zugrunde liegt ist Lucebert. Hier wird im Film der Gedanke der Fläche, der im zweiten Kapitel im Bereich der Fotografie genauer untersucht wird, auf den Film übertragen.

Was dann kommt, ist die Montage. Die Montage der einzelnen Bewegungsbilder. Wichtig ist, dass wir explizit von Bewegungsbildern sprechen. Darauf werde ich später in dem Kapitel über die Präsenz der Bilder genauer eingehen, da dies einen wichtigen Unterschied zur Fotografie ausmacht.

Wie die einzelnen Bilder miteinander montiert werden, ist die Entscheidung des Filmemachers selbst und spielt eine enorme Rolle. Dadurch kommt der Film zu seiner endgültigen Form, mehr noch dadurch kommt er wahrscheinlich erst zu seinem Inhalt. Das was wir für wahr und real halten, nämlich das einfach Abgefilmte ist das eine, aber der Zusammenschluss zum ganzen ist das andere. Am Schneidetisch entscheidet Johan van der Keuken über die Wirklichkeit.

„Erst der Eingriff, den man beim Schnitt vornimmt, gibt die Richtung an - dann werden die Dinge begrenzt“3

Die Begrenzung findet also nicht nur im Bild selbst statt. Sie geht weit über diesen Einzelaspekt hinaus. Durch die Montage wird ein inhaltlicher Rahmen gesetzt.

Jetzt erst bewegen wir uns aus der oben erwähnten Vergangenheit in die Gegenwart. Mit der Montage erhält der Film seine eigene Zeit, seinen eigenen Inhalt, seinen eigenen Charakter. Was wir wahrnehmen erweitert sich von dem was wir sehen zu dem was wir sehen und was wir nicht sehen. Zur Leere in den Bildern, die hauptsächlich durch Fläche dargestellt werden kann, kommt eine Leere zwischen den Bildern hinzu.

2. Zu Johan van der Keuken und seine Verbindung zur Fotografie als Basis seiner filmischen Arbeiten

Johan van der Keuken ist mit 12 Jahren zur Fotografie gekommen. Sein Großvater hat ihm die Kamera gegeben und sie fotografierten gemeinsam immer wieder dieselben Stellen. In Ferien eine Filmemachers erzählt Johan van der Keuken von dieser Zeit. Eine Zeit wo er sein Auge schulen konnte und sich den richtigen Blick für seine Bilder zu Eigen machte. Schon zu Schulzeiten war er nun völlig eingenommen von der Kunst zu fotografieren.

„Die Fotografie ist die Kunst des heiligen Sehens, das Sehen der Bedeutungen von Menschen und Dingen in ihren Beziehungen zueinander, das Sehen, wie alles in seinem Wesen durch die Zauberkraft des Lichtes verändert wird, das Sehen der Poesie des Alltäglichen, das Sehen des Unstofflichen hinter den sichtbaren Dingen“4, schreibt er in einem Schulaufsatz, veröffentlicht in seinem Buch Abenteuer eines Augenblicks. Johan van der Keuken interessierte sich schon zu Zeiten der Fotographie, als er sich noch nicht als „Cineast“ bezeichnete, für den Aspekt des Raums, der Fläche und der Zeit. Als Fotograf hat man ganz andere mittel um Zeit darzustellen. Ein einziges unbewegtes, stilles Bild steht dem Künstler zur Verfügung und dieses muss alleine existieren können.

„Ein Bild und man fand, was man zu finden wünschte: eine Komposition, in der die Dinge weit entfernt von der Mitte geschehen; etwas Flaches, abgebildet auf etwas Flachem, und die Spannung zwischen den beiden ist die Tiefe; der Blick der weggeleitet ins Nichts; die Zeit, die darin ihre Fäden spannt“5

Diesen Satz sagt Johan van der Keuken über ein Bild, dass er in der Zeitschrift „Fotorama“ gefunden und ausgeschnitten hat, fasziniert von seiner Komposition. Innerhalb des Rahmens, der dem Fotograf zur Verfügung steht, gibt es unzählige Variationen um eine Komposition zu schaffen.

[...]


1Keuken, Johan van der: Abenteuer eines Augenblicks, S. 10

2Keuken, Johan van der: Abenteuer eines Augenblicks, S. 14

3Keuken, Johan van der: Abenteuer eines Augenblicks, S. 36

4Keuken, Johan van der: Abenteuer eines Augenblicks, S. 15

5Keuken, Johan van der: Abenteuer eines Augenblicks, S. 16

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Johan van der Keuken - Das Bild als Medium der Rede
Hochschule
Universität Wien  (Theater-, Film und Medienwissenschaft)
Note
1.0
Autor
Jahr
2010
Seiten
18
Katalognummer
V146563
ISBN (eBook)
9783640581115
ISBN (Buch)
9783640581979
Dateigröße
859 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Johan, Keuken, Bild, Medium, Rede
Arbeit zitieren
Ulla Bartel (Autor:in), 2010, Johan van der Keuken - Das Bild als Medium der Rede, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146563

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