Das „Prinzip Verantwortung“ – ein anthropozentrischer Ansatz?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

13 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zukunftsethik und Futurologie

3. Der Wert des Seins und der Anspruch auf Sein

4. 1st die Verantwortung fur die Natur anthropozentrisch?

5. Resumee

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Mit der Grofltechnik haben wir uns dem Spruch verschrieben, dafl die Welt von morgen der von gestern nicht ähnlich sein wird."1

Die moderne Technik verleiht uns eine Macht die immer schneller zu wachsen scheint und immer mehr droht sich in ihrem Wachstum zu verselbstständigen. Eine neue Form der Ethik ist von Nöten uns die Richtlinien zu zeigen, an denen man sich orientieren kann, da alle klassische Ethik immer rein auf die Gegenwart und auf die unmittelbaren Konsequenzen einer Tat bezogen war und zudem immer den Menschen selbst zum Mittelpunkt hatte.2 Hans Jonas hat mit seinem „Prinzip Verantwortung" den Versuch unternommen eine dringend benötigte Zukunftsethik zu begründen, damit auch in Zukunft eine Menschheit in würdiger Art und Weise zu existieren vermag. Unter anderem postuliert er die Möglichkeit eines „sittlichen Eigenrechtes" der Natur, durch welches die Ethik vom Menschen auf das gesamte Sein erweitert würde. Ein nicht eben kleiner Schritt! Ziel dieser Arbeit wird es sein zu prüfen, ob Hans Jonas mit seiner Zukunftsethik einen anthropozentrischen Ansatz verfolgt und ob das „sittliche Eigenrecht" überhaupt in die übrige Argumentation hineinpasst. Zu diesem Zweck wird zunächst die Zukunftsethik mit ihren wichtigsten Merkmalen erläutert werden. Anschlieflend soll Jonas" Beweisführung für das sittliche Eigenrecht der Natur nachvollzogen werden, in welcher er versucht zu zeigen, dass die Natur einen Anspruch aus sich selbst heraus auf die treuhänderische Wahrnehmung ihrer Interessen durch uns hat. Abschlieflend wird die Frage nach der Ausrichtung der Theorie vom Eigenrecht und der Zukunftsethik aufgeworfen werden. Orientieren werde ich mich hauptsächlich an „Prinzip Verantwortung" selbst, sowie an zwei weiteren Aufsätzen von Hans Jonas.

2. Zukunftsethik und Futurologie

Die Notwendigkeit überhaupt so etwas wie eine „Zukunftsethik" aufzustellen liegt für Jonas in der einfachen Feststellung begründet, dass wir als Menschheit den bisherigen ethischen Standards schlichtweg entwachsen sind. Durch das neue Ausmaa der Macht, welches uns die moderne Technik verleiht und den Umstand, dass diese Macht sich immer schneller zu potenzieren scheint im Gegensatz zu früheren Zeiten, laufen wir Menschen zum ersten Mal Gefahr unsere Welt und die Bedingungen für unsere Spezies nachhaltig zum Schlechteren zu verändern. Vor diesem Hintergrund scheint es geboten, dass auch Verantwortung übernommen werden muss für diese Macht, die uns alle Möglichkeiten, zum Guten wie zum Schlechten, in die Hand gibt. Nur wie ist es um das ethische Fundament einer solch neuen Pflicht zur Verantwortung bestellt?

Zunächst ist festzustellen, dass die alten Rahmenbedingungen der Ethik sich verändert haben, denn alle bisherige Ethik teilte folgende Vorraussetzungen: „(1) Der menschliche Zustand, gegeben durch die Natur des Menschen und die Natur der Dinge, steht in den Grundzügen ein für alle mal fest. (2) Das menschliche Gute lässt sich auf dieser Grundlage unschwer und einsichtig bestimmen. (3) Die Reichweite menschlichen Handelns und daher menschlicher Verantwortung ist eng umschrieben."3 In früheren Zeiten war die Unverletzlichkeit des Ganzen gegeben und alles Handeln brauchte sich nicht der Verantwortung zu stellen die ewige Natur in irgendeiner Weise dauerhaft zu beeinflussen. Vor allem dem letzten Punkt kommt deswegen hier die Bedeutung zu, da es eben daher notwendig geworden ist eine neue Ethik zu schaffen, da menschliches Handeln in den Konsequenzen der Tat nicht mehr nur unmittelbar ist und inzwischen die Natur, als auch die Menschheit, im Ganzen zu affizieren vermag. Alle Ethik war daher im Ursprung anthropozentrisch, da sie den Mensch als wichtigste Instanz zum Inhalt hatte und ihr Bezugsrahmen war immer die Gegenwart.4 Durch die Ubermächtigkeit der heutigen Technik allerdings hat sich eine „kritische Verletzlichkeit" der Natur offenbart, eine Verletzlichkeit die niemand vermutete, bis der Schaden bereits entstanden und nicht mehr rückgängig zu machen war.5 Die neue Zukunftsethik, die Jonas begründet und fordert, lässt sich auf einen neuen Imperativ bringen: „Handle so, dafl die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden!"6 Zum Zweck eine solche Zukunftsethik zu errichten muss eine neue Form von Wissenschaft bzw. Kunst entwickelt werden: die Futurologie. Diese soll nicht wie andere Wissenschaften der Vermehrung unserer bereits bestehenden Macht dienen, sondern soll eine Wissenschaft sein, die danach strebt Macht über die zuvor der Naturwissenschaft entsprungene Macht zu erlangen.7 Diese neu zu praktizierende Lehre muss sich nach Jonas, neben dem entsprechendem Mafl an wissenschaftlicher Kalkulation, auf zwei Hauptsäulen stützen: eine Neubesinnung auf den Wert der Frugalität, und eine „Heuristik der Furcht". Frugalität meint hier Enthaltsamkeit und Mäfligung und appelliert an ein nicht schrankenloses Konsum-und Produktionsverhalten.8 Die „Heuristik der Furcht" bezieht sich darauf, dass wir uns bei der Suche nach moglichen Fernwirkungen von technologischem Machtentfalten immer von der schlechtesten Prognose leiten lassen sollten. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist ein mogliches Schlechtes sehr viel einfacher zu erkennen als ein mogliches Gutes. Nämlich daher, da uns das Schlechte viel unvermittelter als Bedrohung anspricht und einen unmittelbaren Widerwillen hervorruft. Wohingegen das Gute erst sorgfältig gesucht und theoretisch ergründet sein sollte. Darüber hinaus ist nicht immer ganz einfach den Konsens aller Gruppen und Parteien zu erreichen. Das Schlechte hingegen findet im Gegensatz dazu eine weitaus verbreitertere Resonanz unter den Menschen.9 Und zum anderen wiegt die schlechte Prognose aufgrund der potentiellen Gefahr gegenüber dem moglichen Erfolg einer Aktion weit schwerer und ist folgenreicher, zumal ein Erfolg nur eine Variante gegenüber unzähligen anderen möglichen Fehlschlägen ist.10 Um die Futurologie wirksam zu betreiben ist die „Heuristik der Furcht" auch daher geeignet, da, wie Jonas treffend feststellt, sich der Anspruch des „Sollens" der Verantwortung nur zu einem Teil aus dem objektiven und rationalen Grund des legitimierenden Prinzips ableitet. Der für die Zukunftsethik beinahe wichtigere Teil entspringt dem Gefühl und es ist die subjektive Anwesenheit unseres sittlichen Interesses, die uns zum Handeln motiviert.11 Der Umstand, dass wir unserer Natur nach potentiell durch einen moralischen Appell gefühlsmäflig affizierbar sind verleiht erst den Ansporn eine moralische Tat um ihrer selbst willen zu tun. Die Futurologie kann nur effektiv betrieben werden, „[...] wenn das von ihr Gewuflte, d.h. als möglich oder wahrscheinlich Gezeigte, in der Anschauung erlebt wird, so dafl es das ihm angemessene Gefühl in uns erzeugt, das zum Handeln bewegt."12

Eine wirkungsvolle Zukunftsethik setzt voraus, dass wir im Zweifel der schlechteren Prognose vor der Guten den Vorrang geben und um die mannigfaltigen Partikularinteressen und die damit verbundene allgemeine Gegenwartsbezogenheit dieser überwinden zu können, bedarf es eben dieser Veranschaulichung der worst-case Szenarien, um in uns das entsprechende emotionale Echo hervorzurufen. Denn nur dergestalt motiviert, ist es möglich zugunsten der Zukünftigen das Richtige zu tun, selbst wenn es uns nicht von direktem Nutzen sein sollte.

[...]


1 JONAS: Verantwortung, in: Krebs (Hrsg.): Naturethik, S 168.

2 JONAS: Verantwortung, S 22.

3 Ebd., S 15.

4 Ebd., S 22.

5 Ebd., S 26.

6 Ebd., S 36.

7 JONAS: Verantwortung, in: Krebs (Hrsg.): Naturethik, S 169.

8 Ebd., S 175 f.

9 JONAS: Verantwortung, S 63 f.

10 Ebd., S 7 0.

11 Ebd., S 163 f.

12 JONAS: Verantwortung, in: Krebs (Hrsg.): Naturethik, S 169.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Das „Prinzip Verantwortung“ – ein anthropozentrischer Ansatz?
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Lehrstuhl für Angewandte Ethik)
Veranstaltung
Bioethik
Note
3,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
13
Katalognummer
V146443
ISBN (eBook)
9783640574278
ISBN (Buch)
9783640573929
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verantwortung“, Ansatz
Arbeit zitieren
Thomas Marx (Autor:in), 2007, Das „Prinzip Verantwortung“ – ein anthropozentrischer Ansatz?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146443

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