Das dialektische Prinzip Heiner Müllers am Beispiel seines Stücks "Der Lohndrücker"


Hausarbeit, 2007

24 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Inhalt

1. Heiner Müllers frühe Entscheidung für den Sozialismus

2. Der Sozialistische Realismus und seine Prinzipien

3. „Der Lohndrücker“
3.1. Historisches Vorbild: Hans Garbe, „Held der Arbeit“
3.2. Sozialistisch-realistische Prinzipien im „Lohndrücker“
3.2.1. „Lebensechtheit“ und „Volksverbundenheit“ – Simplifizierung zugunsten einer breiteren Wirkungsfläche. Als Sujet diente vorwiegend die Arbeitswelt
3.2.2. Darstellung der revolutionären Veränderung und des sozialen Kampfes , Fortschritt und Parteilichkeit
3.2.3. Sozialer Optimismus
3.2.4. Darstellung des „positiven Helden “nachahmungswürdigen Idealcharakters: “Typisierung , Geschlossenheit und Totalität“1 in Bezug auf den Helden.

4. Das dialektische Prinzip Heiner Müllers im „Lohndrücker“
4.1. Die Dialektik der Verhältnisse
4.1.1. Deutschland nach dem Krieg
4.1.2.Sozialer Abstieg im sozialistischen Aufbau
4.1.3. Widerspruch von Utopie und Wirklichkeit
4.2 Antagonistisches Prinzip im Figurenaufbau
4.2.1. Balke und seine Gegenspieler5. Rezeption des „Lohndrückers“
4.2.2. Balke
4.3. Der dialektische Realismus Heiner Müllers und der „Kampf zwischen Altem und Neuem“2
4.2. Umkehrung der Werte?

5. Rezeption des „Lohndrückers“

1. Heiner Müllers frühe Entscheidung für den Sozialismus

Heiner Müller wurde 1929 in Eppendorf geboren. Als Jugendlicher hatte Müller den Krieg nicht nur als Zivilist miterlebt, sondern wurde noch im letzten Kriegsjahr als Mitglied einer militärischen Einheit in die letzten verzweifelten Schlachten des Zweiten Weltkrieges geschickt.

Nach diesen Erfahrungen, die Müller zeitlebens begleiten werden, entscheidet er sich bewusst für ein Leben in der DDR. Seine Entscheidung für den Sozialismus bildete eine „radikale Alternative zur [...] braunen Barbarei“1, als ein „Votum für das Andere“2. Müller selbst fordert hierzu:

Eine Diktatur um jeden Preis des Aufbaus einer neuen Ordnung [...] eine Diktatur gegen die Leute, die meine Kindheit beschädigt hatten [...] das war die Position, das schlechte Neue gegen das vielleicht bequeme Alte.3

Und er erklärt weiter: „ ich konnte mir eine Existenz als Autor nur in diesem Land vorstellen, nicht in Westdeutschland.“4

In seinen Werken „Die Schlacht“, „Germania I“ und „Germania III“ verarbeitet Müller am drastischsten in einer Mischung aus „Entsetzen und analytischer Schärfe“5 die Verrohung der deutschen Gesellschaft während dieser Zeit.

„Der Lohndrücker“ von 1956 ist eines der wenigen Stücke Müllers, das sich konkret mit der Gegenwart – d. h. mit der Zeit nach 1945 – auseinandersetzt.

2. Der Sozialistische Realismus und seine Prinzipien

Um den Hintergrund der Schriftsteller in der DDR zu begreifen, ist zunächst zu klären, unter welchen Kriterien Literatur durch die SED beurteilt und v. a. geduldet wurde. „Grundmethode“6 der sowjetischen Kultur- und Literaturpolitik bildete der Sozialistische Realismus – ein durch den sowjetischen Chefredakteur I. Gronskij geprägter Begriff, offiziell eingeführt durch den Beschluss des Zentralkomitees der KPdSU vom 23.4.1932.7

Anfang der 50er Jahre wurde schließlich das Postulat des Sozialistischen Realismus offiziell auch an die Künstler der DDR gerichtet.

Außerdem wurde 1951, im 5. Plenum des Zentralkomitees der SED, der „Kampf gegen den Formalismus in Kunst und Literatur“8 ausgerufen. 9

Als wesentliche Forderungen des Sozialistischen Realismus an die Literatur galten:

„Lebensechtheit“10 und „Volksverbundenheit“11, was eine Simplifizierung in der Darstellung der Verhältnisse „bis zur bewußten Banalität“12 zugunsten einer breiteren Wirkungsfläche in der Bevölkerung bedeutete.

Als Sujet sollte vorwiegend die Arbeitswelt dienen, um Themen aus dem realen Leben wie „soziale, psychologische, erotische und mythologische Beziehungselemente auszuschalten, die das gewünschte Bild von der Wirklichkeit“13 hätten beeinflussen können. Zweitens wurde die Darstellung der durch die Partei geforderten „revolutionäre[n] Veränderung“14, also des sozialen Kampfes und v. a. dessen Fortschritts, erwartet. In den Werken sollte außerdem „Parteilichkeit“, d.h. Übereinstimmung mit der Ideologie des Kommunismus, erkennbar sein.

Drittens sollte die Literatur „sozialen Optimismus“15 , also die Hoffnung auf eine bessere Zukunft beinhalten.

Das vierte Kriterium war die Darstellung des „positiven Helden“ und des sog. „Typischen“16. Hiermit war jedoch nicht die Abbildung der Wirklichkeit gemeint, sondern die Schaffung eines vorbildlichen, nachahmungswürdigen Idealcharakters: „Typisierung , Geschlossenheit und Totalität“17 in Bezug auf die Objekte der Darstellung.

So stellt der Sozialistische Realismus zunächst eine Richtlinie hinsichtlich des Zweckes von Literatur als „politisch-ideologisch bestimmten Gebrauchsgegenstand“18 dar, nach deren Vorgaben eine Literatur entstand, die sich jeglichen „realistischen Kategorien entzog“19 und die schon seit den 50er Jahren in der Sowjetunion als „Schönfärberei“20, als schematisch, schwarzweißmalerisch, und konfliktlos kritisiert wurde . 21

Trotzdem konnte ein Abweichen vom verlangten Kurs zugleich den Verdacht eines Abweichens im ideologischen Sinne mit sich bringen. Aus Angst vor Sanktionen, die ein Berufsverbot, aber auch schwerwiegendere Konsequenzen bedeuten konnten, hielten sich viele Schriftsteller an diese Vorgaben.

3. „Der Lohndrücker“

Im Zuge des besagten „Kampfes gegen den Formalismus“ in Kunst und Literatur wurde den Schriftstellern durch die Partei neben der stärkeren Berücksichtigung von Themen aus der Produktionswelt im Speziellen der Stoff des Hans Garbe22 ans Herz gelegt. 23

Wie viele andere Schriftsteller griff Heiner Müller die Geschichte des Arbeiterhelden Garbe in seinem Stück „Der Lohndrücker“ auf Anraten der SED auf.

3.1. Historisches Vorbild: Hans Garbe, „Held der Arbeit“

Hans Garbe war nicht wie Adolf Hennecke als deutsches Pendant zur sowjetischen Stachanow-Bewegung durch die Partei aufgebaut worden, sondern hatte sich von einer ehemals „,ideologisch schwach‘“24 beurteilten Figur eigenständig zum „Held der Arbeit“ entwickelt.

[...]


1 Lehmann, Hans-Thies, Primavesi,P.: Heiner Müller Handbuch. Leben-Werk_Wirkung.Stuttgart: 2003.S 4

2 Der Lohndrücker. S. 4.

1 Wieghaus, Georg: Heiner Müller.S.17.

2 Wieghaus, Georg: Heiner Müller. S. 17

3 Krieg ohne Schlacht. S. 181.

4 Müller, Heiner: Krieg ohne Schlacht. S.181.

5 Wiehaus S. 17.

6 Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. 1.-7. Aufl. Kröners Taschenausgabe Bd. 231. 8., verb. U. erw. Aufl. Stuttgart: Kröner 2001.S.769.

7 Vgl. Enzyklopädie. S. 4199.

8 Enzyklopädie. S.136.

9 Der Formalismus bezeichnet die Betonung der ästhetischen Form eines Werkes als die wesentliche künstlerische Leistung und wurde im Marxismus als abwertender Zensurbegriff zur Beschreibung nicht-sozialistisch-realistischer Literatur gebraucht. Vgl. hierzu: Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. S. 275/276.

10 Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur.S. 769.

11 Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. S. 769.

12 Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. S. 769.

13 Enzyklopädie der DDR. Personen, Institutionen und Strukturen und Politik, Wirtschaft, Justiz, Wissenschaft und Kultur.S. 4199.

14 Enzyklopädie der DDR. S. 4199.

15 Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. S. 769.

16 Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. S. 769.

17 Lehmann, Hans-Thies,Primavesi,P.: Heiner Müller Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart: 2003. S 4.

18 Der Literaturbrockhaus. hrsg. und bearb. Von Werner Habicht, Wolf-Dieter Lange u .d. Brockhaus-Red. Mannheim: Brockhaus 1988.

19 Enzyklopädie, S.4200

20 Enzyklopädie der DDR. S. 4200.

21 Enzyklopädie.S.4200.

22 Als Feuerungsmaurer in einem Siemens-Plania-Betrieb schaffte es Garbe aufgrund hohen eigenen Einsatzes und technischer Neuerungen, mit seiner Brigade die bisherige Norm zu verdoppeln. Dies löste nicht nur verbale Proteste im Betrieb aus, sondern v.a. auch Sabotageakte gegen Garbe und die übrigen Brigademitglieder. Am 13. Oktober 1950, dem „Tag der Aktivisten“, verlieh man Garbe den Titel „Held der Arbeit“. Außerdem wurde er, der vorher aus der Partei „geworfen“ worden war, wieder in diese aufgenommen. Vgl. Brenner, Hildegard: Schule des Helden. Anmerkungen zu Brechts „Büsching“-Entwurf. In: Alternative 91/16 (1973) H. 91. S. 213-221.

23 vgl. Müller, Heiner: Krieg ohne Schlacht.5. Aufl. Köln: Kiepenheuer und Witsch 2003. S. 143.

24 Brenner, Hildegard: Schule des Helden. S. 214.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Das dialektische Prinzip Heiner Müllers am Beispiel seines Stücks "Der Lohndrücker"
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Germanistik-Neuere Abteilung)
Veranstaltung
Hauptseminar Heiner Müller
Note
2+
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V136476
ISBN (eBook)
9783640546855
ISBN (Buch)
9783640549979
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zitierung vollständig in den Fußnoten
Schlagworte
Prinzip, Heiner, Müllers, Beispiel, Stücks, Lohndrücker
Arbeit zitieren
Nadia Matin (Autor:in), 2007, Das dialektische Prinzip Heiner Müllers am Beispiel seines Stücks "Der Lohndrücker", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136476

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