Kriminalisierung psychischer Krankheiten im Film: James Mangolds Identität (2003)


Referat (Ausarbeitung), 2009

15 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Zum Genre des Psychothrillers

3. James Mangolds Identität

4. Interpretation

5. Fazit

Literatur

1. Einleitung

„Ich ging die Treppe rauf und sah dort einen Mann, der war nicht da.“[1] Dieses Zitat aus dem Film Identität spiegelt ein zentrales Symptom dissoziativer Identitätsstörung wider, das sich in Form von visuellen, akustischen oder haptischen Halluzinationen äußern kann. Das Interesse der post-modernen Gesellschaft an psychischen Krankheiten im Kino kann bis Mitte der 70er Jahre zurückverfolgt werden, in der die Verfilmung von Ken Keseys Einer flog über das Kuckucksnest[2] einen Anti-Psychiatrie Diskurs initiierte. Miloş Formans Verfilmung stellte psychiatrische Fehldiagnosen und deren fatale Folgen für die vermeintlich an psychischen Krankheiten leidenden Patienten visuell dar, so dass es dem Zuschauer möglich war die an Folter grenzenden Behandlungsmethoden intensiv nachzuvollziehen und als inhuman zu verurteilen. Diese Kritik an der psychiatrischen Praxis wurde Ende der 90er Jahre mit James Mangolds Verfilmung von Susanna Kaysens autobiographischem Roman Durchgeknallt wieder aufgegriffen.[3] Die eigentlichen Anfänge im Umgang mit psychisch Kranken reichen jedoch weit in das 18. Jahrhundert zurück und spiegeln sich in der zeitgenössischen Literatur wider, die psychische Krankheiten, so wie wir sie heute bezeichnen, anhand von Wahnsinns- und Doppelgängerphänomenen thematisiert. Der Schauerliteratur des 18. Jahrhunderts und der Verfilmung psychischer Krankheiten ist eines über die Jahrhunderte gemein geblieben: Beide thematisieren und kriminalisieren die psycho-pathologische Variante der Identität und stellen die Frage, ob der Protagonist, weil psychisch krank, unschuldig oder doch schuldig sei. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts wird versucht dieser Frage auch in Serien, wie CSI oder Medium, etc. mal mit wissenschaftlichen, mal mit übersinnlichen Mitteln, nachzugehen. Einer der faszinierendsten Formen psychischer Störungen ist, meines Erachtens, die dissoziative Identitätsstörung, welche ein Verdrängungsmechanismus ist, der massive Traumata während der Kindheit mittels Teilidentitäten verdrängt bzw. verarbeitet.[4] Um in der Realität zu bestehen, kommt es folglich zur Spaltung der Kernidentität in multiple Persönlichkeiten, die unabhängig voneinander je nach Situation entsprechende Aufgaben übernehmen, die die Kernidentität verdrängt hat und diese Aufgaben somit nicht ausüben könnte. Der psychisch Kranke ist sich seiner dissoziativen multiplen Persönlichkeiten nicht bewusst, so dass deren Handlungen für den Kranken als Fremdhandlungen empfunden werden. Es können sich jedoch auch assoziative Teilidentitäten bilden, die in irgendeiner Weise miteinander verbunden sind, so würden z.B. ein Ehepaar mit einem Kind assoziative Teilidentitäten darstellen.[5] Darüberhinaus hat die post-moderne Einsicht, dass das Ich aus vielen Ichs besteht[6] auch ihre kriminelle Seite. Bevor ich jedoch auf James Mangolds Identität als filmische Realisation dieser kriminellen Seite eingehe, möchte ich zunächst das Genre des Psychothrillers näher erläutern und klären, warum sich gerade dieses Genre für eine Kriminalisierung der psycho-pathologischen Variante der Identität anbietet.

2. Zum Genre des Psychothrillers

Das Genre des Psychothrillers leitet sich vom Thriller-Genre ab, der sowohl ein Roman- als auch ein Filmgenre ist und wie das englische Wort „to thrill“ schon impliziert, dazu dient, dem Zuschauer Schrecken einzujagen bzw. Angst zu machen. Diese besondere Art des Nervenkitzels überschneidet sich auch teilweise mit Thriller-Subgenres, wie dem Mystery-, Krimi- oder Horror-Genre, ist jedoch von diesen dadurch zu unterscheiden, dass sich in Thrillern der Protagonist mit moralischen, psychischen oder physischen Konflikten auseinandersetzen muss, die mittels einer intensivierten Spannungskurve, die ein abruptes Ende findet, den Zuschauer „thrillt“.[7] Demnach ist Spannung charakteristisch für das Thriller-Genre, wodurch nicht nur ein Teil, sondern nahezu der gesamte Verlauf der Handlung für den Zuschauer spannend bleibt. Zusätzlich zum Thriller, der auf einer komplexen und zum Teil rätselhaften Handlung zwischen Protagonist und Antagonist basiert, akzentuiert der Psychothriller, wie der Begriff schon andeutet, die Psyche des Protagonisten stärker, so dass innere Konflikte resultierend aus psychischen Traumata des Protagonisten die Handlung primär in einer Art Bewusstseinsstrom beherrschen.[8] Da James Mangolds Identität die oben beschriebenen cineastischen Elemente, wie psychische Traumata, rätselhafte spannungsgeladene Handlung und ein abruptes Ende einsetzt, gehört Identität zum Genre des Psychothrillers, der sich fließend zwischen den Subgenres des Mystery-, Krimi- oder Horror-Genres bewegt und den Zuschauer bis kurz vor dem Filmende im Ungewissen lässt. Diese Ungewissheit über die tatsächlichen Geschehnisse in Identität erzeugt die für das Thriller-Genre bzw. Psychothriller-Genre charakteristische Spannung und vermittelt, wie den Lesern der Schauerliteratur des 18. Jahrhunderts, ein Gefühl des Unheimlichen, das mit filmischen Mitteln den Nervenkitzel für den Zuschauer des 21. Jahrhunderts intensiviert.[9] Die Intensität von James Mangolds Identität resultiert nicht zuletzt daraus, dass der Film zwei Handlungsstränge verfolgt, die parallel verlaufen. Diese parallel verlaufenden Handlungsstränge setzen sich aus der Rahmenhandlung des Films und dem „Kopfkino“ des psychisch kranken Protagonisten Malcolm Rivers, also der Binnenhandlung, zusammen. Rätselhaft wird die Handlung dadurch, dass Rahmen- und Binnenhandlung immer wieder durch Rückblenden entweder auf die Rahmen- oder die Binnenhandlung unterbrochen werden. Da ich, wie schon weiter oben erwähnt, die Kriminalisierung psychischer Krankheiten und im Besonderen die der dissoziativen Identitätsstörung am Beispiel von James Mangolds Identität untersuche, möchte ich zunächst den Inhalt des Films detailliert zusammenfassen, bevor ich, im nächsten Abschnitt, diese Thematik sowohl kritisch reflektiere als auch interpretiere.

[...]


[1] Filmzitat

[2] Originaltitel: One flew over the cuckoo’s nest (1975).

[3] Originaltitel: Girl, Interrupted (1999).

[4] Huber, Michaela: Multiple Persönlichkeiten – Überlebende extremer Gewalt. Frankfurt am Main 1999. S. S. 27.

[5] Ebd. S. 348

[6] Precht, Richard David: Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Eine philosophische Reise. München 2007. S. 30-32.

[7] Golde, Inga : Der Blick in den Psychopathen. Struktur und Wandel im Hollywood-Psychothriller. Kiel 2002. S. 54.

[8] Ebd. S. 115-116.

[9] Ebd. S. 123.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Kriminalisierung psychischer Krankheiten im Film: James Mangolds Identität (2003)
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Veranstaltung
Blockseminar: Identität
Note
1.0
Autor
Jahr
2009
Seiten
15
Katalognummer
V142940
ISBN (eBook)
9783640540877
ISBN (Buch)
9783640540662
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kriminalisierung, Krankheiten, Film, James, Mangolds, Identität
Arbeit zitieren
Hildegard Schnell (Autor:in), 2009, Kriminalisierung psychischer Krankheiten im Film: James Mangolds Identität (2003), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142940

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