4 Jahre Enforcement in Deutschland

Würdigung in Literatur und Rechtsprechung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vorstellung des Enforcement-Verfahrens und der beteiligten Institute

3. Würdigung in Literatur, Rechtsprechung und Empirie
3.1 Literatur
3.2 Rechtsprechung
3.2.1 Das Urteil
3.2.2 Die Reaktionen auf das Urteil
3.3 Empirie

4 Zusammenfassung und Fazit

Verzeichnis der Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsanweisungen und sonstigen Rechnungslegungsnormen

Rechtsprechungsverzeichnis

Verzeichnis der Internetquellen

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

AG Aktiengesellschaft

BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BB Betriebs Berater (Zeitschrift)

BGBl. Bundesgesetzblatt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Bis 2004 basierte das deutsche System zur Durchsetzung von Rechnungslegungsvor- schriften im Wesentlichen auf der Prüfung der Rechnungslegung durch Abschlussprüfer und Aufsichtsrat. Jedoch haben die zahlreichen Bilanzskandale der jüngeren Vergan- genheit gezeigt, dass dieses System nicht ausreicht, um das Vertrauen in die Kapital- märkte und Finanzberichterstattung zu erhalten und zu stärken. So gibt es aus diesem Grund z.B. in den Vereinigten Staaten bereits eine zusätzliche Überwachung von Un- ternehmensabschlüssen durch die staatliche Börsenaufsicht, die U.S. Securities and Ex- change Commission (SEC).1 In Großbritannien übernimmt das privatrechtlich organi- sierte Financial Reporting Review Panel (FRRP) eine ähnliche Funktion.2 Es hat sich gezeigt, dass in Deutschland ein im internationalen Vergleich bereits üblicher unter- nehmensexterner Mechanismus zur Überwachung der Rechtmäßigkeit konkreter Unter- nehmensabschlüsse durch eine unabhängige Stelle fehlte. Vor diesem Hintergrund stell- te die Bundesregierung im Jahr 2003 ein Zehn-Punkte-Programm zur Erweiterung der Anlegerrechte und zur Schaffung von mehr Transparenz im Aktienmarkt vor. Punkt 6 sieht hierbei die Einrichtung einer unabhängigen Stelle zur Überwachung der Rechtmä- ßigkeit konkreter Unternehmensabschlüsse vor und definiert in diesem Rahmen Enfor- cement als „Überwachung der Rechtmäßigkeit konkreter Unternehmensabschlüsse durch eine außerhalb des Unternehmens stehende, nicht mit dem gesetzlichen Ab- schlussprüfer (Wirtschaftsprüfer) identische unabhängige Stelle.“3

Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, einerseits das Enforcement-Verfahren an sich und die beteiligten Behörden und Institute darzustellen, als auch auf die Würdigung dieses verhältnismäßig neuen und weltweit bisher einzigartigen Verfahrens in der Literatur und Rechtsprechung einzugehen. Zu Beginn werden hierfür zunächst die ausführenden Organe und der Ablauf des Verfahrens an sich vorgestellt, um so ein Verständnis für die Grundprinzipien zu schaffen. In Kapitel 3.1 folgt anschließend ein Überblick über ver- schiedene Reaktionen der Fachliteratur sowie die vorherrschenden Meinungen und Tendenzen, ehe in Kapitel 3.2 ein aktuelles Urteil zur Wesentlichkeit der Fehlerfeststel- lung und eine Besprechung dieses Urteils erläutert werden. Schließlich wird in Kapitel 3.3 noch ein Artikel besprochen, der insbesondere die Reaktionen des Kapitalmarktes vorstellt und das Thema so aus Sicht der Empirie betrachtet. Zum Schluss folgen eine Zusammenfassung der Ergebnisse sowie ein Fazit.

2. Vorstellung des Enforcement-Verfahrens und der beteiligten Institute

Um ein wesentliches Verständnis für die später in dieser Arbeit dargestellten und disku- tierten Fachpublikationen zu schaffen, soll nun vorab beschrieben werden, wo die we- sentlichen rechtlichen Grundlagen für das Enforcement-Verfahren niedergeschrieben sind, welche Institute am Enforcement-Verfahren beteiligt sind und wie der Aufbau an sich gestaltet ist. Im Rahmen der Aufbaubeschreibung wird eine Darstellung der Deut- schen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) und der Bundesanstalt für Finanzdienstlei- stungsaufsicht (BaFin) erfolgen.

Die wesentlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen für das Enforcement-Verfahren sind in den Paragraphen 342b bis 342e des Handelsgesetzbuchs (HGB) sowie in den Paragraphen 37n bis 37u des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) festgelegt. Während die Paragraphen 342b bis 342e HGB im Wesentlichen die rechtlichen Grundlagen der DPR (342b), die Verschwiegenheitspflicht (342c), die Finanzierung der Prüfstelle (342d) sowie die Bußgeldvorschriften (342e) regeln, ist in den Paragraphen 37n bis 37u des WpHG definiert, wie der Einsatz der BaFin stattzufinden hat.

Das Verfahren sieht vor, dass die privatrechtlich organisierte DPR auf der ersten Stufe des zweistufigen Enforcement-Verfahrens stichprobenartig, anlassbezogen oder auch auf Verlangen der BaFin eine Prüfung der Rechnungslegung durchführt. Dies betrifft Unternehmen, die Wertpapiere im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 WpHG an einer inländi- schen Börse zum Handel im amtlichen oder geregelten Markt emittiert haben. Gegen- stand der Prüfung sind der zuletzt festgestellte Jahresabschluss und der zugehörige La- gebericht bzw. der zuletzt gebilligte Konzernabschluss sowie der entsprechende Kon- zernlagebericht, wobei sich die Prüfung hierbei zeitlich ausschließlich auf die zuletzt festgestellten bzw. gebilligten Abschlüsse und Lageberichte beschränkt.

Gemäß Tätigkeitsbericht 2008 hat die DPR im Jahr 2008 138 Prüfungen abgeschlossen, welche sich wiederum in 118 Stichprobenprüfungen und 19 Anlassprüfungen untertei- len. Die Gesamtzahl insgesamt abgeschlossener Verfahren seit dem Bestehen der DPR Mitte 2005 beläuft sich auf 389, also 40% aller zu prüfenden kapitalmarktorientierten Firmen. Die im Jahr 2008 festgestellte Quote der Fälle mit fehlerhafter Rechnungsle- gung beträgt 27% und bleibt somit im Vergleich zur Vorjahresquote von 26% auf ho- hem Niveau. Die DPR sieht die Ursache für diese hohe Fehlerquote in der sehr hohen Komplexität vieler IFRS-Standards, wovon vor allem kleine und mittelständische Fir- men betroffen sind.4

Die zweite Stufe des Enforcement-Verfahrens bildet schließlich die BaFin. Sie veran- lasst dann eine behördliche Untersuchung, wenn Seitens des durch die DPR geprüften Unternehmens mangelnde Kooperationsbereitschaft vorliegt und keine einvernehmliche Lösung erzielt werden kann (§37p WpHG). Die BaFin ist befugt, mit öffentlich- rechtlichen Mitteln eine Prüfung der Rechnungslegung sowie eine Bekanntmachung festgestellter Rechnungslegungsfehler zu erwirken. Sollte das Unternehmen mit den Feststellungen und Anordnungen der BaFin nicht einverstanden sein, so besteht die Möglichkeit, dass diese auf die Beschwerde des Unternehmens hin gerichtlich geprüft werden (§§ 37, 37u WpHG). Ein entsprechender Fall wird in Kapitel 3.2 Rechtspre- chung ausführlich diskutiert.

Im nun folgenden Kapitel 3 werden die Reaktionen auf das Enforcement-Verfahren von drei unterschiedlichen Gesichtspunkten aus betrachtet, um einen umfassenden Überblick über die bestehenden Resonanzen zu geben.

3. Würdigung in Literatur, Rechtsprechung und Empirie

Sowohl das Enforcement-Verfahren selbst als auch die damit einhergehenden Folgen und Entwicklungen wurden von Beginn an kritisch und ausführlich im Rahmen von Fachpublikationen evaluiert und eruiert, da es sich bei dem deutschen Konzept um eine weltweit einzigartige Zusammenarbeit privatrechtlich und behördlich organisierter Ein- richtungen handelt. Um ein übergreifendes Verständnis für die Wirkung des Verfahrens generell zu verschaffen, werden im Folgenden Reaktionen der Fachliteratur und Recht- sprechung sowie die empirischen Erfahrungen am Kapitalmarkt vorgestellt.

3.1 Literatur

In diesem Kapitel soll nun ein Überblick über die unterschiedlichen Reaktionen in der Literatur gegeben werden. Zu diesem Zweck werden Artikel, Interviews, Studien und wissenschaftliche Arbeiten vorgestellt, die sich mit dem Enforcement-Verfahren in Deutschland befassen. Da es sich um ein relativ junges Verfahren handelt und ein Überblick über die Entwicklung des Meinungsbildes im Zeitverlauf wiedergeben wer- den soll, werden die Arbeiten in chronologischer Reihenfolge vorgestellt.

Bereits vor dem eigentlichen Inkrafttreten des Enforcements analysierten Wissenschaft- ler die möglichen Auswirkungen und beurteilten die Ausgestaltung dieses zweistufigen Verfahrens. Angesichts der offenkundigen Problematik des verlorenen Vertrauens der Anleger untersuchte Wolf im Jahr 2004 die Potentiale des Enforcement-Verfahrens hin- sichtlich der Zielsetzung „die Sorgfalt der Rechnungslegung zu stärken sowie den An- legerschutz und das Vertrauen in die Kapitalmärkte wieder aufzubauen und nachhaltig zu festigen“. Er stellte hierbei fest, dass das Verfahren „einen Lösungsansatz“ für diese Problematik zu bieten scheint. Jedoch merkt er auch an, dass noch „viele konkrete De- tailregelungen“ ausstehen und sich die „Autorität der neuen Prüfstelle nur durch eine qualitativ hochwertige Prüfung mit zeitnahen und für die Praxis praktikablen Lösungs- ansätzen sicherstellen“ lässt.5

Vergleichsweise haben Brown und Tarca in ihrem Artikel „A Commentary on Issues Relating to the Enforcement of International Financial Reporting Standards in the EU“ festgehalten, dass die Einführung einer Enforcement-Behörde einen starken Wandel in der Regulierung der Finanzberichterstattung zur Folge haben würde. Allerdings blieb diese Feststellung wertungsfrei.6

Kritisch hingegen wurde das europäische Harmonisierungsprogramm zur Rechnungsle- gung im Bezug auf das Enforcement von IFRS von Kierzek und Wüstemann gesehen. Ihrer Ansicht nach „vermögen die vergleichsweise zurückhaltenden Harmonisierungs- maßnahmen der EU hinsichtlich der Normdurchsetzung die europaweit einheitliche Anwendung der IFRS in nur sehr eingeschränktem Maße zu gewährleisten.“ Weiter stellen sie fest, „dass das (gewollte) Nebeneinander unterschiedlicher Normdurchset- zungsinstitutionen innerhalb der EU zu zahlreichen bilanztheoretischen und bilanzie rungspraktischen Problemen“ führen wird. Insbesondere führen sie dies auf die unterschiedlichen der Organisationsformen sowie die Reichweite der Durchsetzungsbefugnisse und Sanktionsmöglichkeiten zurück.7

Bei einer reinen Betrachtung des deutschen Enforcement-Verfahrens stellte Dr. Gros im Rahmen einer Analyse der Institution DPR fest, dass „das durch das Bilanzkontrollgesetz eingeführte zweistufige Enforcement-Verfahren in Deutschland positiv bewertet“ werden kann. Die durch die Einrichtung der DPR angebotene Möglichkeit eventuelle „Rechnungslegungsverstöße sozusagen im Dialog zu lösen“ sieht er gerade im Vergleich mit dem ähnlich organisierten Financial Review Reporting Panel in Großbritannien als eine „vielversprechende Möglichkeit des Enforcements der Einhaltung von Rechnungslegungsvorschriften in Deutschland.“8

In einem Interview über das neue Enforcement-Verfahren bemerkte der im Jahr 2006 amtierende Präsident der DPR, Dr. Eberhard Scheffler, „dass bereits die Existenz der Prüfstelle eine präventive Wirkung entfaltet. Kritische Bilanzierungsfragen werden heute in den Unternehmen und bei den Abschlussprüfern sehr viel intensiver diskutiert und erörtert, weil sowohl die Unternehmen als auch ihre Abschlussprüfer die bei fehlerhafter Rechnungslegung drohende Veröffentlichung scheuen.“9

Die präventive Wirkung wird dem Enforcement-Verfahren auch von Gahlen und Schäfer zugesprochen, die in ihrer Arbeit der grundsätzlichen Frage nach „Ziel, Form und möglichen Konsequenzen der Fehlerveröffentlichung“ nachgehen.10

Weniger euphorisch wird die Tätigkeit der DPR von Lutz Boxenberger gesehen. Zwar beurteilt auch er das Verfahren an sich als gut und stellt ein „positives Miteinander aller Beteiligten“ fest, allerdings führt er dies zu „einem erheblichen Teil [auf die] drohende Veröffentlichung eines festgestellten Rechnungslegungsfehlers und damit einhergehende[r] Imageschäden“ zurück. In seinem Fazit sieht er das Enforcement als „probates Mittel“ um „langfristig das verloren gegangene Vertrauen der Anleger […] wiederherzustellen und nachhaltig zu stärken.“11

[...]


1 Vgl. im Internet: U.S. SECURITIES AND EXCHANGE COMMISSION (2009).

2 Vgl. im Internet: FINANCIAL REPORTING REVIEW PANEL (2009).

3 Vgl. im Internet: BUNDESMINISTERIUM DER JUSTIZ (2003).

4 Vgl. im Internet: DPR (2009).

5 Vgl. WOLF, K. (2004).

6 Vgl. BROWN, P./TARCA, A. (2005).

7 Vgl. KIERZEK, S./WÜSTEMANN, J. (2006).

8 Vgl. GROS, S. (2006).

9 Vgl. SCHEFFLER, E. (2006).

10 Vgl. GAHLEN, D./SCHÄFER, A. (2006).

11 Vgl. BOXENBERGER, L. (2007).

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
4 Jahre Enforcement in Deutschland
Untertitel
Würdigung in Literatur und Rechtsprechung
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
22
Katalognummer
V143969
ISBN (eBook)
9783640532896
ISBN (Buch)
9783640533053
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jahre, Enforcement, Deutschland, Würdigung, Literatur, Rechtsprechung
Arbeit zitieren
Martina Müller (Autor:in), 2010, 4 Jahre Enforcement in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143969

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