Zur Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen

Ergebnisse der Epidemiologie und der Gesundheitsberichterstattung


Hausarbeit, 2007

30 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Soziale und gesundheitliche Ungleichheit
2. 1 Soziale Ungleichheit
2. 2 Gesundheitliche Ungleichheit
2. 3 Entstehung gesundheitlicher Ungleichheit

3. Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen
3. 1 Sozio-ökonomische Situation
3. 2 Gesundheitliche Situation
3. 3 Gesundheitsstatus und sozialer Status der Eltern

4. Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen
4. 1 Schichtspezifisches Gesundheitsverhalten
4. 2 Schichtspezifisches Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen
4.3 Mögliche Einflussfaktoren auf das Gesundheits- Verhalten von Kindern und Jugendlichen

5. Gesundheitsfördernde Maßnahmen
5. 1 Gesundheitsförderung
5. 2 Interventionsstrategien
5. 3 Gesundheitsfördernde Maßnahmen für Kinder und Jugendliche in Brandenburg und Hamburg

6. Zusammenfassung und Ausblick

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Die massen-mediale Berichterstattung malt ein überwiegend düsteres Bild, was die gesundheitliche Verfassung der nachwachsenden Generation, vor allem, aber nicht nur von Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachem familiärem Umfeld angeht: Dieser Altersgruppe sei in besorgniserregend hohem Maße von Krankheiten, Suchtgefahr und Übergewicht betroffen, die kinder- und jugendärztliche Versorgung werde insbesondere in so genannten Problemvierteln den Bedürfnissen ihrer Patienten nicht mehr oder nur noch eingeschränkt gerecht. Wenngleich hier keineswegs der Anspruch auf Sachlichkeit oder gar Objektivität erhoben werden kann, so ist doch das seit Jahren zu verzeichnende öffentliche Interesse an dieser Thematik durchaus auch als Indikator für dessen soziale und politische Relevanz zu betrachten.

Die wissenschaftliche Forschung blieb diesbezüglich lange Zeit auf regional, altersmäßig oder thematisch eingegrenzte Studien beschränkt, bis im Jahre 2006 mit der „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS) des Robert-Koch-Instituts erstmals ein repräsentativer und umfassender Forschungsbericht erstellt wurde. Im Rahmen des gesundheitswissenschaftlichen Diskurses ist jedoch eine solide Datenbasis unabdingbar. Wichtigste Informationsquellen der epidemiologischen Forschung sind neben den amtlichen Statistiken und Registern, beispielsweise dem Krebsregister, vor allem die Gesundheitsberichterstattung des Bundes sowie Gesundheitssurveys des Robert-Koch-Instituts, wie etwa dem Bundesgesundheitssurvey oder telefonischen Gesundheitssurveys (vgl. Kurth/Ziese, 2006: 494/495). In der neueren gesundheitswissenschaftlichen Diskussion wird der Epidemiologie im Kreise der Public-Health-Disziplinen eine zentrale Position zugeschrieben.

Die Epidemiologie, im 19. Jahrhundert einst definiert als „Studium der Verteilung und der Determinanten von Krankheitshäufigkeiten in menschlichen Populationen“, hat sich mittlerweile inhaltlich ausgedehnt auf die „Bearbeitung von Fragen aus dem Bereich der Medizin, der Gesundheitssystemforschung und der Gesundheitswissenschaften mit Methoden der empirischen Sozialforschung und der Statistik“ (Brand/Brand/Schröder/Laaser, 2006: 257). Sie lässt sich wiederum nach Methoden und Anwendungsbereichen differenzieren in deskriptive und analytische Epidemiologie, sowie inhaltlich in die Bereiche genetische Epidemiologie und Sozialepidemiologie. Für die hier untersuchte Thematik ist in erster Linie die Sozialepidemiologie von Bedeutung, die, hervorgegangen aus der medizinischen Epidemiologie und der empirischen Sozialforschung, vor allem nach „Zusammenhängen zwischen Gesellschaft, Krankheit und Gesundheit“ sucht und überdies eine „wichtige Informationsgrundlage für die Forderung nach einer Reduzierung der sozial bedingten gesundheitlichen Benachteiligung“ darstellt (dies.: 2006: 259).

Ausgehend von der Hypothese, dass soziale Ungleichheit auch gesundheitliche Ungleichheit nach sich zieht, wird im Folgenden die Fragestellung bearbeitet, inwieweit gesundheitspolitischen bzw. gesundheitsfördernden Maßnahmen geeignet sind, um die gesundheitliche Situation von Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Schichten nachhaltig zu verbessern. Hierbei sind zunächst die Begriffe „soziale“ und „gesundheitliche Ungleichheit“ zu definieren und das Vorliegen eines zwischen beiden gesellschaftlichen Phänomenen bestehenden Zusammenhangs zu klären. Vorab wird jedoch der gesundheitliche Ist-Zustand von Kindern und Jugendlichen in der Bundesrepublik dargelegt. Im Anschluss an die Diskussion möglicher Entstehungs- bzw. Erklärungsmodelle gesundheitlicher Ungleichheit werden abschließend mögliche gesundheitsfördernde Maßnahmen und dementsprechend nötige gesundheits-, sozial- und bildungspolitische Veränderungen erörtert.

Gesundheitliche Benachteiligung ist bei Kindern und Jugendlichen zum einen deshalb von gravierender Bedeutung, weil sie sich in einer Phase der Prägung bzw. der Identitätsbildung befinden, in der sie auf Störungen und negative Beeinträchtigungen besonders empfindlich reagieren. Zum anderen ist neben der entwicklungsbedingten erhöhten Vulnerabilität die Gefahr einer Chronifizierung bzw. dauerhaften physischen und/oder psychischen Schädigung, die sich möglicherweise das gesamte Leben hindurch fortsetzen kann, gegeben. Schließlich ist aus lerntheoretischer wie auch aus sozialisationstheoretischer Sicht zu bedenken, dass sich durch Erlernen und Internalisieren gesundheitsschädlicher Verhaltensweisen und Lebensstile durch deren meist unreflektierte Übernahme in das spätere Erwachsenenleben eine negative Vorbildfunktion für die dann nachfolgende Generation ergibt, sodass diese Verhaltensweisen und Lebensstile von Generation zu Generation weiter gegeben werden.

Materielle und immaterielle Investitionen in auf Kinder und Jugendliche abgestimmte Gesundheitsprojekte und gesundheitsfördernde Maßnahmen sind somit Investitionen in die Zukunft, um nicht nur dieser, sondern auch den nächsten heranwachsenden Generationen eine Kindheit und ein Leben unter gesunden und entwicklungsfördernden Bedingungen zu ermöglichen. Doch sind nicht alle Maßnahmen gleich effektiv; im Gegenteil, oftmals werden lediglich Personen erreicht, die ohnehin schon einen reflektierten Umgang mit ihrer Gesundheit pflegen. Es gilt somit die Gesundheitsförderung so zu gestalten, dass die gesundheitlicher Benachteiligung ausgesetzten Kinder und Jugendlichen davon tatsächlich profitieren können. Zum Abschluss sei angemerkt, dass die nicht nur in demographischer Hinsicht dringend benötigte Leistungsfähigkeit kommender Generationen in nicht unerheblichem Maße von deren Gesundheitszustand abhängen wird, wobei jedoch Gesundheit nicht zum alles dominierenden Ideal erhoben werden darf, da ein solches zu „totalitären sozialen Maßnahmen führen (kann), die mit Lebendigkeit nicht vereinbar sind“ (Simon, 2000: 56).

Hinsichtlich der theoretischen Konzeption gesundheitsfördernder Maßnahme hat sich dem salutogenetischen Ansatz von Antonovsky folgend ein signifikanter Wandel ergeben. Die ehedem pathogene Ausrichtung der Gesundheitsförderung ist weitgehend eine salutogenetischen Orientierung gewichen, die auf eine Mobilisation und Stärkung der Ressourcen und Fähigkeiten der Betroffenen zur Verbesserung bzw. Wiederherstellung ihrer Gesundheit abstellt. Bezogen auf die Gesundheitsförderung bei Kindern und Jugendlichen bedeutet dies etwa eine Stärkung der Abwehrkräfte gegen Gruppendruck und damit verbundene (alterstypische) riskante bzw. gesundheitsschädigende Verhaltensweisen.

2. Soziale und gesundheitliche Ungleichheit

Soziale und gesundheitliche Ungleichheit sind im internationalen Vergleich auch in Ländern mit einem relativ hohen Grad an sozialer Sicherung anzufinden. Seit den 60ger Jahren des letzten Jahrhunderts sprechen die Ergebnisse nationaler Gesundheitssurveys dafür, dass zwischen dem gesundheitlichen und dem soziökonomischen Status, im Wesentlichen bestehend aus Einkommen, Bildung, Macht und Einfluss, von gesellschaftlichen Gruppen oder Individuen ein signifikanter Zusammenhang besteht. Auch bei nahezu gleichen Zugangschancen zu medizinischer Infrastruktur und Versorgung ergibt sich innerhalb der Bevölkerung eine ungleiche Verteilung von Gesundheit und Krankheit: Menschen mit geringem sozioökonomischen Status sind kränker, nehmen präventive Angebote wenige wahr und sterben früher als solche mit höherem soziökonomischen Status. In Ländern mit wachsenden Einkommensunterschieden lässt sich seit den 1970ger Jahren ebenfalls eine Zunahme hinsichtlich der Unterschiede der Lebenserwartung zu Gunsten von Personen mit höherem soziökonomischen Status verzeichnen (vgl. Elkeles / Mielck, 1997: 23-26). Bevor im weiteren Verlauf die Situation in Deutschland erörtert werden soll, scheint es sinnvoll, zunächst eine inhaltliche und begriffliche Bestimmung dessen vorzunehmen, was unter sozialer Ungleichheit bzw. als gesundheitlicher Ungleichheit zu verstehen ist.

2.1 Soziale Ungleichheit

Soziale Ungleichheit lässt sich differenzieren in vertikale und horizontale soziale Ungleichheit. Letztere bezeichnet die Verteilung von Merkmalen wie etwa Alter, Geschlecht, Familienstand und Nationalität innerhalb der Gesellschaft, wobei hier keine hierarchische Einteilung vorgenommen wird. Demgegenüber beinhalten die Merkmale vertikaler Ungleichheit, Einkommen, Bildung und beruflicher Status, sehr wohl eine hierarchische Einordnung in eine so genannte soziale Schicht. „Ein besonderes Gewicht kommt dabei dem Einkommen zu, da die (Einkommens-)Armut häufig als zentraler Indikator für die vertikale soziale Ungleichheit angesehen wird“ (Mielck, 2005: 8). Vertikale Ungleichheit kann auch in einer Gruppe bestehen, die homogene bzw. gleiche Merkmale horizontaler Ungleichheit aufweist.

Eine extreme Form sozialer Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft stellt das Vorliegen relativer Armut dar. Im Gegensatz zu absoluter Armut, die dann vorliegt, wenn die betroffenen Menschen unterhalb des Existenzminimums leben, d. h. ihnen nicht einmal das zum Überleben Notwendige, wie etwa ausreichende Nahrung, Kleidung, Wohnung und gesundheitliche Versorgung, zur Verfügung steht, bedeutet relative Armut, dass die Betroffenen so weit unter den durchschnittlichen Lebensverhältnissen liegen, dass eine angemessene Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben für sie nicht mehr möglich ist. Menschen, die in relativer Armut leben, verfügen über „so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel (…), dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen werden, die als unterste Grenze des Akzeptablen annehmbar ist“ (Hurrelmann, 2000: 23). Relative Armut lässt sich wiederum auf zwei unterschiedliche Weisen berechnen: Einmal lassen sich Menschen als arm definieren, wenn sie Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II (ALG II) beziehen, zum anderen lässt sich Armut über das Äquivalenz-Einkommen bestimmen, welches die Summe angibt, die pro Haushaltsmitglied verfügbar ist. Für den Zeitraum von 1973 bis 1998 lässt sich nach „beide(n) Definitionen eine erhebliche Zunahme der Armut in Deutschland anzeigen“ (Mielck, 2005: 10), wobei mit dem Indikator „Empfang von Sozialhilfe bzw. ALG II“ eine „besonders krasse Form der Armut erfasst wird“ (ders., ebenda).

Obgleich in der soziologischen Forschung oftmals die Auffassung herrscht, dass dank des gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses von einer von „Verteilungskonflikten“ gekennzeichneten „Mangelgesellschaft“ hin zu einer (post)modernen „Risikogesellschaft“ (Beck, 1986: 27) eindeutig differenzierbare sozialen Schichten nicht mehr vorzufinden seien, kommen jedoch sozial-epidemiologische Studien immer wieder zu dem Schluss, „dass die Personen aus den unteren Statusgruppenerheblich kränker sind als die Personen aus den oberen Statusgruppen“ (Mielck / Helmert, 2006: 604). Allerdings hat auch Ulrich Beck Mitte der 1980ger festgestellt, dass die „soziale Ungleichheit erneut und in erschreckendem Maße“ zugenommen hat (Beck, 1986: 143). Die Merkmale vertikaler Ungleichheit, sprich Einkommen, Bildung und Beruf, sind nach wie vor von erheblicher Bedeutung, da sie Gesundheitszustand und Lebenserwartung der Menschen maßgeblich mitbestimmen.

Es ist allerdings sinnvoll, vertikale und horizontale Merkmale zu kombinieren und inhomogene, große Bevölkerungsgruppen weiter zu differenzieren, um „nach Untergruppen zu suchen, bei denen die gesundheitliche Belastungen besonders groß sind“ (Mielck / Helmert, 2006: 605). Nur so lassen sich spezielle und auf die entsprechenden Zielgruppen ausgerichtete gesundheitsfördernde Maßnahmen entwickeln, welche die Adressaten auch tatsächlich in adäquater Form erreichen können.

2.2 Gesundheitliche Ungleichheit

Gesundheitliche Ungleichheit bezieht sich nicht nur auf die ungleiche Verteilung des Gesundheitsstatus, vielmehr wird gemeinhin der Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und dem Gesundheitszustand gesundheitliche Ungleichheit bezeichnet. In der englischsprachigen Forschung wird darüber hinaus zwischen „health inequality“, also der Bezeichnung aller sozialen Differenzierungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes, und „health inequity“, der Beschreibung ungerechter Unterschiede des Gesundheitszustandes, unterschieden, wobei nur solche Gesundheitsunterschiede politischer Intervention bedürfen, die als ungerecht, eben als „health inequities“ angesehen werden (vgl. Mielck, 2005: 7). Eine vergleichbare Unterscheidung existiert in der deutschsprachigen Literatur nicht; die bestehenden Unterschiede bezüglich der Mortalität und der Morbidität auf Grund von vertikaler Ungleichheit sind jedoch so bedeutend, dass es sich hierbei um „health inequities“ handelt. So liegt etwa die Lebenserwartung von Männern mit einem monatlichen Einkommen von mehr als 4500 € circa 15 Jahre über der von Männern mit einem monatlichen Einkommen von weniger als 1500 €, bei Frauen beträgt der Unterschied circa 10 Jahre (vgl. Lauterbach et al, 2006: 7).

Bleibt somit zu klären, welche Faktoren als ursächlich für das Auftreten gesundheitlicher Ungleichheit anzusehen sind. Es gibt keinen direkten Kausalzusammenhang zwischen vertikaler sozialer Ungleichheit und gesundheitlicher Ungleichheit, sondern der „Einfluss ist indirekt und wird über andere Faktoren vermittelt, die mit dem sozialen Status zusammenhängen“ (Mielck / Helmert, 2006: 617).

[...]

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Zur Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen
Untertitel
Ergebnisse der Epidemiologie und der Gesundheitsberichterstattung
Hochschule
Hamburger Fern-Hochschule
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
30
Katalognummer
V141270
ISBN (eBook)
9783640516834
ISBN (Buch)
9783640516919
Dateigröße
526 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Titel: Inwieweit sind gesundheitsfördernde Maßnahmen geeignet, die gesundheitliche Situation von Kindern und Jugendlichen nachhaltig zu verbessern?, Jugendgesundheit, Gesundheit und soziale Ungleichheit
Arbeit zitieren
Heike Ulatowski (Autor:in), 2007, Zur Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141270

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