ADHS bei Erwachsenen


Hausarbeit, 2009

34 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Definition und Klassifikation der ADHS

2 Prävalenz

3 Ätiologie und neuropsychologische Erklärungsmodelle
3.1 Ätiologie
3.1.1 Genetische Determinanten
3.1.2 Biochemie und Neurophysiologie
3.2. Neuropsychologische Erklärungsmodelle
3.2.1 Modell mangelnder Reaktionsinhibition
3.2.2 Das Duale Modell inhibitorischer und motivationaler Dysfunktionen
3.3 Psychosoziale Interaktionen
3.4 Symptome und Ontologie

4 Diagnostische Methoden
4.1 Interview
4.2 Selbstbeurteilungsskalen
4.3 Testpsychologische Erfassung

5 Komorbiditäten

6 Therapie
6.1 Pharmakologische Behandlung
6.2 Psychotherapie
6.3 Behandlungsalternativen

7 Resümee

Literatur

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 . Biopsychosoziales Modell der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung nach Döpfner (2000, S. 164)

Abbildung 2. Modell der mangelnden Hemmungskontrolle in Anlehnung an Barkley (1997b)

Abbildung 3. Schematische Darstellung des dual pathway Modells der ADHS (Sonuga-Barkley, 2002, S. 32)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1. „Klassische Geschichte“ der ADHS nach Rohde und Halpern (2004, S. 66)

Tabelle 2. Charakteristika und häufige Ressourcen bei ADHS im Erwachsenenalter nach Heßlinger et al. (2003, S. 278)

ADHS im Erwachsenenalter

In den letzten Jahrzehnten hat die Erforschung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) einen erheblichen Aufschwung erlebt. Auch das öffentliche Interesse, die Anzahl diagnostizierter Fälle sowie die Medikamentalisierung haben im Zeitverlauf stark zugenommen. In diesem Zusammenhang sehen sich Fachleute bereits dazu veranlasst von einer regelrechten „Epidemie“ zu sprechen (z.B. Schlack, 2004). Trotz der umfangreichen Untersuchungen oder evtl. gerade deswegen, ist das gesamte Feld sehr kontrovers diskutiert und durch eine Vielzahl von möglichen Erklärungsmodellen geprägt. Wurde ADHS zunächst als ein spezifisches Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie angesehen, hat auch die Erforschung der Persistenz bis ins Erwachsenalter, beginnend in den 70er Jahren mit Paul H. Wender, zunehmend an Bedeutung gewonnen. In Deutschland erfolgte 1998 eine erste ausführlichere Beschreibung des Krankheitsbildes bei Erwachsenen durch K.-H. Krause, J. Krause und Trott (1998).

Der adulten ADHS wird auch in der vorliegenden Arbeit eine besondere Bedeutung zukommen, wobei es viele Überschneidungen mit der juvenilen ADHS gibt. Die Arbeit gibt somit einen kleinen Überblick über das gesamte Forschungsgebiet und wird dort wo es sinnvoll und möglich ist, die spezifischen Unterschiede in den Entwicklungsstadien und in deren Verlauf sowie die kontroversen Forschungsergebnisse darstellen. Im Folgenden wird der Begriff ADHS zunächst definiert und die verschiedenen Subtypen voneinander differenziert. Daran anschließend soll den variierenden Angaben zur Prävalenz nachgegangen werden. Ein Besonderes Augenmerk dieser Arbeit liegt auf den möglichen Ursachen für die Entstehung einer ADHS und deren Zusammenhänge. Dabei werden auch unterschiedliche neuropsychologische Erklärungsmodelle betrachtet. Im nächsten Schritt werden die Symptome und deren Ontogenese bis ins Erwachsenalter dargelegt, gefolgt von einer Darstellung verschiedener komorbider Erkrankungen und das Aufzeigen einiger Handlungsmöglichkeiten für die Diagnostik und Therapie. Abschließend sollen die Ausführungen und gewonnenen Erkenntnisse dieser Arbeit resümiert werden.

1 Definition und Klassifikation der ADHS

Im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4th Edition (DSM-IV) wird ADHS als eine Entwicklungsstörung beschrieben, die durch Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität-Impulsivität sowie einer Erstmanifestation vor dem siebten Lebensjahr charakterisiert ist (American Psychiatric Association, 1994; Saß, Wittchen & Zaudig, 1996). Sowohl das DSM-IV als auch die ICD-10 (International Classification of Diseases, 10. Revision) der World Health Organization (1991) liefern ein Klassifikationsschema und Diagnosekriterien zur Erfassung einer ADHS bzw. einer hyperkinetischen Störung. ADHS wird von beiden Klassifikationsschemata in mehrere Subtypen aufgeteilt. Bei beiden müssen mindestens sechs Symptome schon im Kindesalter, d.h. mindestens vor dem siebten Lebensjahr und situationsübergreifend in Erscheinung getreten sein. Diese Symptome sollen zudem über einen Zeitraum von sechs Monaten vorliegen und einen subjektiv empfundenen Leidensdruck zur Folge haben.

Wie unten in der Aufzählung zu sehen, gibt es im DSM-IV eine Unterteilung in drei Subtypen. Die Angaben beziehen sich dabei vorwiegend auf Kinder (vgl. Saß et al., 1996, S. 118):

1. ADHS Mischtypus, bei dem mindestens sechs Symptome der Aufmerksamkeitsstörung, als auch sechs der Impulsivität und Hyperaktivität vorliegen müssen
2. Unaufmerksamer Typus, bei dem die Symptome der
Aufmerksamkeitsstörung im Vordergrund stehen und mindestens sechs Symptome dieser vorhanden sein müssen, jedoch weniger als sechs Symptome der Impulsivität und Hyperaktivität
3. Hyperaktiv-impulsiver Typus, bei dem Hyperaktivität und Impulsivität im Vordergrund stehen und mindestens sechs Symptome dieser vorhanden sein müssen, jedoch weniger als sechs Symptome der Aufmerksamkeitsstörung

Zu den vorher abzuklärenden Ausschlusskriterien gehören u.a. ausgeprägte Entwicklungsstörungen und weitere physische als auch psychische Erkrankungen, wie z.B. Persönlichkeits- oder Angststörungen.

Die ICD-10 unterscheidet für die Diagnose einer hyperkinetischen Störung die Subtypen: (1) Störung der Aktivität und Aufmerksamkeit (F 90.0), (2) hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F 90.1) sowie (3) Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F 98.8). Vorausgesetzt wird ein situationsübergreifendes Vorhandensein von Unaufmerksamkeit, Unruhe und die Beeinträchtigung in unterschiedlichen Lebensbereichen, welche nicht durch affektive Störungen verursacht werden. Für das Vorliegen einer ADHS im Erwachsenenalter werden in beiden Klassifikationssystemen keine genauen Aussagen gemacht.

Kriterien zu einer retrospektiven Diagnose der adulten ADHS werden jedoch in den Wender-Utah-Kriterien (Wender, 1995) gegeben:

1. Aufmerksamkeitsstörung
2. Motorische Hyperaktivität
3. Impulsivität
4. Affektlabilität
5. Affektkontrollstörung
6. Desorganisiertes Verhalten
7. Emotionale Überreagibilität

Dabei muss neben den zwei obersten Kriterien mindestens noch ein Kriterium erfüllt sein, um die Diagnose für Erwachsene stellen zu können.

2 Prävalenz

Im Folgenden soll kurz auf die stark variierenden Angaben zur Prävalenz der ADHS eingegangen und mögliche Gründe dargestellt werden. Für die Variation der Angaben zur Prävalenz werden unterschiedliche Einflussfaktoren angeführt. Dazu gehören die zugrunde liegenden Klassifikationssysteme, die berücksichtigte Stichprobe, die diagnostische Vorgehensweise und das Beachten des Effektes auf das psychosoziale Funktionsniveau (Bundesärztekammer, 2005).

Die Angaben in der Literatur geben eine Schwankungsbreite von 1,4 % bis 11,5 % (Bundesärztekammer, 2005) oder sogar bis zur Obergrenze von 19,8 % (Faraone, Sergeant, Gillberg & Biederman, 2003) für das Kindes- und Jungendalter an. Bei den vorhandenen Studien zur Prävalenz im Erwachsenenalter ergeben sich ähnliche Probleme bei der Integration der verschiedenen Ergebnisse, wie bereits oben ausgeführt. Dabei reichen die Befunde von 4 % bei Mannuzza, Klein, Bessler, Malloy und LaPadula (1998) bis 66 % bei Barkley, Fischer, Smallish und Fletcher (2002). Unterschiede zwischen der Ermittlung von Prävalenzraten bei der juvenilen und adulten ADHS, gibt es bei der Bewertung und der Anzahl der Symptome. Nach M. A. Weiss und Hechtman (1993) sind bei ca. 50 % der Kinder und Jugendlichen mit ADHS auch im Erwachsenenalter noch klinisch bedeutsame Symptome vorzufinden. Bei Biederman (2004) zeigten noch 30 % der Adulten diagnostisch relevante Kriterien einer ADHS. Auch die Art der Datenerhebung wirkt sich auf die ermittelten Persistenzraten aus. So schlussfolgern J. Krause und K.-H. Krause (2005), dass follow-up Studien, die Selbstbeurteilungsskalen nutzen, die Persistenzraten der adulten ADHS deutlich unterschätzen.

3 Ätiologie und neuropsychologische Erklärungsmodelle

Auf welche Ursachen ADHS zurückzuführen ist, konnte noch nicht abschließend geklärt werden. Es wird aber davon ausgegangen, dass mehrere Einflussfaktoren und deren Interaktionen für die Manifestation und Intensität ursächlich sind (Döpfner, Frölich & Lehmkuhl, 2000). Um die verschiedenen kontrovers diskutierten Forschungsergebnisse zur Ätiologie zusammenhängend zu erfassen, sollen diese im Folgenden mit Hilfe des Biopsychosozialen Modells (Abbildung 1) von Döpfner (2000) systematisch strukturiert und dabei verschiedene neuropsychologische Erklärungsmodelle näher erläutert werden.

3.1 Ätiologie

Im Biopsychosozialen Modell von Döpfner (2000) werden die die verschiedenen Forschungsergebnisse zur Pathogenese der ADHS integriert. Die primären Ursachen der Störung liegen demnach in einer genetischen Disposition, die zu einer Beeinträchtigung des Neurotransmittersystems führt. Dabei können diese und andere biologische Faktoren, wie z.B. Hirnschädigungen aufgrund von pränatalen Traumata, psychosoziale Faktoren und

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1. Biopsychosoziales Modell der Aufmencsamkeitsdefizit-/Hyperalctivitatsstorung nach Depfner (2000, S. 164). neurologische Störungen auf neuropsychologischer Ebene zusammenwirken und sich gegenseitig verstärken. Die Folgen äußern sich dann in typischen ADHS Symptomen.

3.1.1 Genetische Determinanten

Eine ganze Reihe von Zwillings-, Familien- und Adoptionsstudien weisen darauf hin, dass ADHS zu einem großen Teil genetisch bedingt ist. Demnach ist bei Kindern von Eltern mit ADHS das Risiko ebenfalls an einer ADHS zu leiden, zwei-bis achtmal gegenüber der Normalpopulation erhöht. Auch die Analyse mehrerer Zwillingsstudien zeigt eine Erblichkeit von durchschnittlich 0.8 (vgl. Faraone & Biederman, 1998).

In vielen Studien wurde vor allem das D4-Rezeptorgen und das Dopaminrezeptorgen D5 sowie auch das Dopamintransportergen als ursächlich angesehen (Thapar, Langley, Owen & O’Donovan, 2007). Die Untersuchung dieser Gene schien deshalb sinnvoll, weil neurochemisch das Dopaminsystem bei ADHS betroffen ist und die medikamentöse Behandlung vorwiegend in diesem Kontext vorgenommen wird und wirkt (J. Krause & K.-H. Krause, 2005).

Es wird also nicht die Störung selbst vererbt, sondern nur eine genetische Disposition. Daneben wird die Ausbildung und Manifestation einer ADHS gemäß dem Modell von Döpfner (2000) noch durch zusätzliche Faktoren beeinflusst. Anzumerken ist zudem, dass diese genetischen Veränderungen in der Bevölkerung relativ verbreitet sind und das Risiko für eine ADHS nur 1,2- bis 1,9-fach erhöhen (Bundesärztekammer, 2005).

3.1.2 Biochemie und Neurophysiologie

Neurobiologische Untersuchungen lassen darauf schließen, dass bei ADHS eine genetisch bedingte Dysfunktion des Neurotransmittersystems besteht. In diesem Zusammenhang werden die drei Neurotransmitter Noradrenalin, Dopamin und Serotonin, die zur Klasse der Katecholamine gehören, als bedeutsam angesehen (Himmelstein, Schultz, Newcorn & Halperin, 2000; Spivak et al., 1999). Untersuchungen mit der Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT) zeigten, dass die Dichte der Dopaminrezeptoren im Striatum bei Erwachsenen mit ADHS erhöht sind. Da diese Transporter dazu dienen, das Dopamin in den synaptischen Spalt zu transferieren, wird mehr Dopamin in der präsynaptischen Zelle aufgenommen und es steht weniger Dopamin für die synaptische Übertragung zur Verfügung (Dougherty et al., 1999). Der Wirkmechanismus von Stimulantien lässt ebenfalls darauf schließen, dass eine Störung im noradregenen System vorliegt (Faraone & Biederman, 1998). Dopamin ist überwiegend im Striatum, im präfrontalen Kortex und den Assoziationsbahnen des Parietal- und Temporallappens vorhanden, wohingegen Noradrenalin in somatosensorischen, primären visuellen und motorischen Arealen verortet ist (J. Krause & K.-H. Krause 2005). Untersuchungen deuten also auf Dysfunktionen im Frontallappen und Verbindungen zwischen frontalen und subkortikalen Arealen hin, die zu den damit verbundenen Defiziten in Kognition und Verhalten führen (Faraone & Biederman, 1998). Für Serotonin wurde zwar keine spezifische Wirksamkeit serotonerger Stimulantien nachgewiesen (K.-H. Krause, Dresel & J. Krause, 2000), aber eine verminderte Serotoninaktivität hat bei Kindern, Erwachsenen und Tieren zu einer geringeren Impulsregulation und Erhöhung von aggressiven Verhaltensweisen geführt (Halperin et al. , 1997; Lucki, 1998). Es konnte auch gezeigt werden, dass Kinder mit einer stark ausgeprägten ADHS einen verminderten Serotoninspiegel aufweisen (Spivak et al., 1999). Serotoninmangel wird dabei mit den, der ADHS inhärenten, komorbiden Erkrankungen wie Aggressivität, Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen in Verbindung gebracht (K.-H. Krause, Dresel & J. Krause, 2000).

Anatomisch lieferten Bildgebungsverfahren aufgrund methodischer Schwierigkeiten und verschiedener Stichproben sehr heterogene Ergebnisse. Übereinstimmend finden sich bei Kindern Befunde mit verminderten Volumina des Nucleus caudatus, des präfrontalen Kortex, des Globus pallidus und des Cerebellum von bis zu 10 % (vgl. Fegert, Glaeske, Janhsen, Ludolph & Ronge, 2002). Hinweise auf neurophysiologische Veränderungen lieferten auch Castellanos et al. (2002) durch eine Längsschnittstudie über zehn Jahre, mit Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen Fünf und 18 Jahren. Die Untersuchung zeigte, dass sich der gefundene Größenunterschied des Nucleus caudatus bis zum Alter von zehn Jahren dem der Kinder ohne ADHS angleicht. Da dieser Hirnbereich für die Kontrolle von Willkürbewegungen zuständig ist, könnte dessen Regeneration ursächlich für den Rückgang der Impulsivität und Hyperaktivität im Erwachsenenalter sein (Biederman, Mick & Faraone, 2000).

[...]

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
ADHS bei Erwachsenen
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Lehr- und Forschungsgebiet Neuropsychologie der Neurologischen Klinik der RWTH Aachen )
Veranstaltung
Kognitive Neuropsychologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
34
Katalognummer
V138852
ISBN (eBook)
9783640487011
ISBN (Buch)
9783640486922
Dateigröße
708 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Literatur- und Quellenangaben: ca. 78
Schlagworte
Gegenüberstellung der juvenilen und adulten ADHS, neuropsychologische Erklärungsmodelle, Diagnostische Methoden, Therapie, Biochemie und Neurophysiologie, ADS ADHS, Erscheinungsformen, Ritalin, Psychotherapie, Symptome, Komorbiditäten, Aufmerksamkeit, Methylphenidat, Hyperaktivität, Exekutivfunktionen, Genetische Determinanten, Psychosoziale Auslöser, Konzentrationsstörungen, Symptomwandel bis zum Erwachsenenalter, Thema ADHS
Arbeit zitieren
Bachelor of Science Said Giancoli (Autor:in), 2009, ADHS bei Erwachsenen , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138852

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