Das Dilemma eines Historikers: die Kriegsursachenforschung

Am Beispiel des Tripel-Allianz-Krieges und des Ersten Weltkrieges


Hausarbeit, 2008

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Tripel -Allianz-Krieg
2.1 Darstellung der Thesen zur Kriegsursache
2.2 Die Gleichgewichtstheorie
2.3 Die Rolle Großbritanniens
2.4 Brasilien als Aggressor
2.5 Lopez als Aggressor
2.6 Veränderte Situation Argentiniens und der Politik Bartolomé Mitres

3 Ursachen des Ersten Weltkrieges
3.1 Darstellung der Thesen zur Kriegsursache
3.2 Spannung oder/und Entspannung? Bündnisse innerhalb Europas
3.3 Imperialismus

4 Ursachenvergleich beider Kriege

5 Schluss

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Kriegsursachenforschung intendiert systematische und verallgemeinerbare Erkenntnisse über die Ursachen zu gewinnen, die zur Kriegsentstehung führen oder die Eskalation eines Konflikts zum Krieg fördern.

Thema dieser Arbeit ist der Ursachenvergleich zwischen dem Tripel Allianz Krieg von 1864-1870 in Lateinamerika und dem Ersten Weltkrieg von 1914-1918. Anhand von strukturellen Ähnlichkeiten soll gezeigt werden, dass beide Kriege, die sowohl zeitlich als auch räumlich anders zu verorten sind, einige Gemeinsamkeiten in ihrer Entstehungsgeschichte aber noch mehr Ähnlichkeiten in der historischen Kontroversität innerhalb der Kriegsursachenforschung aufweisen. Die Arbeit beginnt mit der strukturgeschichtlichen Überarbeitung der Ursachen des Tripel Allianz-Krieges. Hierbei soll gezeigt werden, welche Prozesse im Vorfeld des Krieges dazu geführt haben, dass ein solcher entstand. Es folgen darauf die Darstellungen der Thesen zur Entstehungsgeschichte des Ersten Weltkrieges. Im weiteren Verlauf kommt es dann zum Ursachenvergleich beider Kriege. Vergleichspunkte hierbei sind neben gemeinsamen Strukturen auch die Debattenführung über die Ursachen beider Kriege. Hierbei wird auch das „Dilemma eines Historikers“ geschildert und somit gezeigt, warum sich die Ursachenforschung als eine große Herausforderung für den Historiker entpuppt. Im Schlussteil werden die wichtigsten Ansätze und Ergebnisse noch einmal zusammengetragen und kritisch beäugt.

Die historische Kriegsursachenforschung unterliegt der systematischen Untersuchung komplexer Entwicklungsprozessen und Ereignisketten. Sie geht der Frage nach, welche strukturell ähnlichen Prozesse im Vorfeld von Kriegen zu beobachten sind. Ziel dessen ist die Analyse allgemeiner Kriegsursachen. Man muss hierbei jedoch beachten, dass die Ursachen aller Kriege zwar verschieden sind, sich aber mittels eines systematischen Vergleiches Gemeinsamkeiten ausmachen lassen. Mit Generalisierungen muss man hierbei jedoch vorsichtig sein. „Generalisierende Hypothesen erklären allenfalls, was plausiblerweise erwartet werden kann, nicht aber, was wirklich geschieht.“[1] Somit kann die Kriegsursachenforschung erklären, warum bei bestimmten kulturellen, politischen und sozialen Gegebenheiten Kriegsausbrüche wahrscheinlicher sind als unter anderen, jedoch kann sie nicht beantworten, warum unter ähnlichen Rahmenbedingungen Krieg manchmal gesucht, oft aber auch vermieden wird. Die Aufgabe des Historikers ist es hierbei, „das Spannungsfeld zwischen den allgemeinen Handlungsbedingungen und dem tatsächlichen Verhalten der Akteure zu vermessen.“[2] Es zeigt sich so eine Interdependenz zwischen diesen beiden Beziehungen: Die Bedeutung individuellen und gruppenspezifischen Handelns bleibt ausschlaggebend für den Krieg. Umso der Frage nach allgemeinen Kriegsursachen auf den Grund zu gehen, bedarf es einer Analyse der Genese einzelner Kriege. Auf diesen vorangehenden Überlegungen baut der Ursachenvergleich zwischen dem Tripel- Allianz und dem Ersten Weltkrieg auf.[3]

2 Der Tripel -Allianz-Krieg

2.1 Darstellung der Thesen zur Kriegsursache

Der Tripel-Allianz-Krieg zwischen 1864 und 1870 ist einer der blutigsten und folgenschwersten militärischen Konflikte in Südamerika seit der Erlangung der Unabhängigkeit und wird auch von vielen Historikern als die große politische Explosion in der Geschichte Lateinamerikas tituliert. Ein Krieg, der düster und grässlich in seiner Dauer und im Verlust der Menschenleben war.

Viele Versuche hat es in der Geschichtswissenschaft gegeben diesen Krieg in seinen Ursachen, seinem Verlauf und seinem Ausgang und den Auswirkungen zu erklären.

Im Gegensatz zu manchen anderen lateinamerikanischen Konflikten hat der Tripel- Allianz Krieg eine Debatte mit streng ideologischen Konnotationen hervorgerufen.[4]

Die Interpretation der Gründe für den Tripel Allianz Krieg variieren oft gemäß der Nationalität und der persönlichen Philosophie des Historikers. Laut José Alfredo Fornos Peñalba ginge man im Generellen heute davon aus, dass zwei Hauptgründe die Ursachen des Konflikts seien: Grenzenkonflikte zwischen Paraguay und ihrer Nachbarn Brasilien und Argentinien und zweitens die Zerrüttung des Mächtegleichgewichts in der La Plata Region. Paraguay sah in Brasiliens und Argentiniens Intervention in Uruguay eine Drohung für die eigene Existenz. Auf der anderen Seite, sahen Brasilen und Argentinien in Paraguay eine große Gefahr für ihre regionale Hegemonie.[5] Manche Interpreten sahen ihn als einen Kampf zwischen „Zivilisation“ (Allianz) und der Barbarei (Paraguay), andere wiederum als eine Konfrontation zwischen britischem Imperialismus und lateinamerikanischen Nationalismus. Prof. Dr. Potthast hat die vier relevantesten Richtungen in der Ursachenforschung des Tripel-Allianz-Krieges folgenderweise zusammengefasst: Auf der einen Seite gäbe es die traditionelle brasilianische und argentinische Sichtweise, welche der Überzeugung sei, dass die Hauptursachen in den die expansionistischen Gelüste von Francisco Solano López gelegen haben, welcher beabsichtigt haben soll ein südamerikanisches Kaiserreich im Herzen des Kontinents zu errichten. Eine weitere Sichtweise ist eine These, die besonders von López vertreten worden sei. Nämlich die, die besagt, dass die brasilianische Invasion in Uruguay das Gleichgewicht der Region gestört hätte und somit auch für Paraguay eine Gefahr dargestellt habe. Die nationalistisch-paraguayisch geprägte Sichtweise sieht im angeblichen brasilianischen Expansionismus die Hauptursache für den Kriegsausbruch. Eine dritte These, welche unter dem Einfluss der Imperialismus-Theorien seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden ist, besagt, dass die größte Ursache des Krieges Großbritanniens kapitalistisches System gewesen ist, an welches es auch lateinamerikanische Staaten angliedern lassen wollte und somit das für dieses System nicht offene Paraguay mit seiner autonomen Politik den Briten ein Dorn im Auge gewesen ist. Eine weitere Auffassung stammt aus der weniger ideologisch geprägten Forschung, welche aber auch von der zeitgenössischen argentinischen Opposition vertreten wurde, und besagt, dass der Krieg seine Hauptursache in der veränderten Situation Argentiniens gehabt hätte. Argentinien, damals im Prozess zu einer staatlichen Einigung unter Präsident Mitre, sah in Paraguay, welches politisches System konträr zur argentinischen Staatsführung stant und dessen System den argentinischen Provinzen zusagte, eine ernstzunehmende Bedrohung. Aus innenpolitischen Gründen wurde es immer mehr für notwendig gehalten, einen Krieg gegen Paraguay zu führen. Dank seines diplomatischen Geschicks hätte Mitre seine Kriegsambitionen erfolgreich verschleiert und es geschafft Brasilien für den Krieg zu mobilisieren, obwohl Brasiliens Interesse am Krieg nicht sehr groß gewesen sein soll. Alberdi war hierbei der Auffassung, Mitre habe es nur verstanden den brasilianischen – paraguayischen Konflikt gut auszunutzen.[6]

2.2 Die Gleichgewichtstheorie

Der paraguayische Diktator Francisco Solano López sah das Kräftegleichgewicht gestört und sich somit gezwungen ein Ultimatum an die Brasilianer zu stellen, welches besagt, dass die Okkupation von uruguayischem Territorium von brasilianischen Truppen eine Zuwiderhandlung gegen den Gleichgewichtszustand innerhalb der Staaten in der Río de la Plata - Region ist. Eine brasilianische Invasion bedeutete für López eine „casus belli“. Brasilen reagierte darauf ablehnend, so das López ein brasilianisches Schiff auf dem Río Paraguay beschlagnahmte, die Besatzung und den Provinz -Gouverneur der Mato Grosso in Gefangenschaft nahm und Brasilien den Krieg erklärte. So brach im Dezember 1864 der Tripel-Allianz-Krieg aus.

Mit einem politischen Equilibrium meinten die Paraguayer etwas mehr als ein einfaches Gleichgewicht innerhalb der größten Mächte. Politisches Gleichgewicht bedeutete Selbstbestimmung. So konnten weder Brasilien noch Argentinien in Uruguay agieren, ohne dieses Vorstellung zu verletzen. Balance of power bedeutete das Recht der Nationen, ihre eigenen Schicksale in der eigenen Hand zu haben. López glaubte, dass der Frieden und die Freiheit des La Plata - Gebiets auf ein Gleichgewicht von Kräften zwischen Brasilien und Argentinien beruhte. Die Aufrechterhaltung dieses Gleichgewichts war das grundlegende Ziel der paraguayischen Politik.[7]

Die Balance of Power- Theorie, die ihre Geburtsstunde auf dem Wiener Kongress 1815/16 hatte und die, die Mächtebalance der europäischen Staaten lenken und sichern sollte, wurde oft, besonders von Großbritannien, als der Grund für den ungefähr ein Jahrhundert langen europäischen Frieden gehalten .Aber auch viele Historiker und Politiker waren und sind vermutlich auch heute noch der Ansicht, dass dieses Equilibrium einen Kriegsaubuch verhindern kann.

Konträr hierzu gibt es auch kritische Stimmen, die hinterfragen, ob es die balance of power jemals gegeben hat oder ob nicht gerade der Zustand des Equilibriums zum Kriegsausbruch führen kann.[8] Hierzu der amerikanische Sozialwissenschaftler A.F.K. Organski:

„Nations are reluctant to fight unless they believe they have a good chance of winning, but this is true for both sides only when the two are fairly evenly matched, or at least when they believe the are. Thus a balance of power increasess the chances of war”[9]

Diego Abente ist der Ansicht, dass es in den 1860ern keine balance of power am Río de la Plata gab, somit auch keine Gefährdung des Mächtegleichgewichts. Brasilien sei die unangefochtene Regionalmacht gewesen und seine Macht hätte die anderen regionalen Akteure überwogen.

Hat also die brasilianische Überlegenheit der Krieg verursacht? Wäre Brasilien als Großmacht nicht nach Uruguay eingefallen, wäre der Konflikt dann nicht eskaliert? Oder war die Invasion Ausbruchsauslöser und nicht Ursache? Dachte López, da er eine überzeugte Vorstellung von einer balance of power im La Plata- Raum hatte, etwas sei in Gefahr, was nach Abente aber gar nicht existiert habe? Haben López falsche Wahrnehmungen von Machtverhältnissen zum Krieg geführt? Dies scheint gar nicht so vage zu sein, da López, der zwischen 1853 und 1854 sich in Europa aufhielt, mit den europäischen Mächtetheorien vertraut war und sie den lateinamerikanischen Verhältnissen übertragen haben könnte. Dies Fragen werden aber wahrscheinlich immer unbeantwortet bleiben und Spekulationen ausgesetzt sein.[10]

[...]


[1] Wegner, Bernd, Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten, Paderborn 2000, S.12.

[2] Wegner (2000), S. 13.

[3] Wegner (2000), S. 9-24.

[4] Abente, Diego, The War of the Triple Alliance: Three Explanatory Models, in: LARR, XXII, 2, 1987, Seite 47.

[5] Fornos Peñalba, José Alfredo, The Fourth Ally: Great Britain and the War of the Triple Alliance. Los Angeles 1979, S.1.

[6] Potthast, Barbara, "Paradies Mohammeds" oder "Land der Frauen"? - Zur Rolle der Frau und Familie in Paraguay im 19. Jahrhundert, Lateinamerikanische Forschungen Bd. 21, Köln/ Wien /Weimar 1994, Seite 260f.

[7] Warren, Harris Gaylord, The Paraguayan Image of the War of the Triple Alliance, in: The Americas, Vol. 19, 1962, Seite 5.

[8] Abente (1987), S. 48f.

[9] Organski, A.F.K., World Politics, 2d. Ed., New York 1968, S.294.

[10] Abente (1987), S. 59f.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Dilemma eines Historikers: die Kriegsursachenforschung
Untertitel
Am Beispiel des Tripel-Allianz-Krieges und des Ersten Weltkrieges
Hochschule
Universität zu Köln  (Historisches Seminar- Iberische und lateinamerikanische Abteilung)
Veranstaltung
Staatsbildung und Krieg im La Plata-Raum und Brasilien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V138195
ISBN (eBook)
9783640465941
ISBN (Buch)
9783640466139
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Dilemma, Historikers, Kriegsursachenforschung, Beispiel, Tripel-Allianz-Krieges, Ersten, Weltkrieges
Arbeit zitieren
Yasemin Genc (Autor:in), 2008, Das Dilemma eines Historikers: die Kriegsursachenforschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138195

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