Originalism contra Judicial Activism in der amerikanischen Verfassungsinterpretation


Hausarbeit, 2009

27 Seiten, Note: 14 Punkte (2)


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

LITERATURVERZEICHNIS

I. Einleitung

II. Grundstruktur der Gerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten
1. Aufbau der Gerichtsbarkeit und Enumerativverfassung
2. Verfassungsrechtliche Grundlage
3. U.S. Supreme Court an der Spitze der Bundesgerichtsbarkeit
4. Zuständigkeitszuweisung an den U.S. Supreme Court
a. Unterteilung nach verfolgten Zielen
b. Sprachlich-systematische Unterscheidung
c. Instanzliche Unterteilung
d. Marbury v. Madison (1803)
5. U.S. Bundesgerichtsbarkeit und Gewaltenteilung

III. Der U.S. Supreme Court im Besonderen
1. Bestellungsverfahren für Verfassungsrichter
2. Anzahl und Amtszeit für Verfassungsrichter
a. Anzahl der Richter am U.S. Supreme Court
b. Amtszeit der Verfassungsrichter am U.S. Supreme Court

IV. Das amerikanische Fallrecht
1. precedent
2. stare decisis

V. Die Auslegungsmethoden in den Vereinigten Staaten
1. Überblick
2. Einführung in die verfassungsrechtliche Methodendiskussion
3. Die amerikanischen Auslegungsmethoden im Einzelnen
a. ‚Intentionalism’
aa. Auslegungsziel
bb. Kritik
b. ‚Purposivism’
aa. Auslegungsziel
bb. Kritik
c. Resümee zu ‚Intentionalism’ und ‚Purposivism’
d. ‚Textualism’
aa. Auslegungsziel
bb. Kritik
e. ‚Dynamic statutory interpretation’ oder ‚Judicial Activism’
aa. Auslegungsziel
bb. Kritik

VI. Fazit

LITERATURVERZEICHNIS

Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, München, 2001

Eskridge, Dynamic Interpretation, Boston / Massachusetts, 1994

Fallon / Meltzer / Shapiro, The Federal Courts and the Federal System, Westbury / N.Y., 1996

Fikentscher, Die Methoden des modernen Fallrechts und die Handhabung der Gesetze, Tübingen, 1975

Franz, Staatsverfassungen, München, 1975

Gruber, Methoden des internationalen Einheitsrechts, Tübingen, 2004

Hamilton / Madison / Jay, The Federalist: A Collection of Essays, Written in Favour of the New Constitution (übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Barbara Zehnpfennig, Darmstadt, 1993)

Hübner, Das politische System der USA – Eine Einführung, München, 2001

Jäger / Haas / Welz (Hrsg.), Das Regierungssystem der USA, München, 2007

Kau, United States Supreme Court und Bundesverfassungsgericht - Die Bedeutung des United States Supreme Court für die Errichtung und Fortentwicklung des Bundesverfassungsgerichts, Berlin und Heidelberg, 2007

Melin, Gesetzesauslegung in den USA und in Deutschland, Tübingen, 2005

Rau, Selbst entwickelte Grenzen in der Rechtsprechung des United States Supreme Court und des Bundesverfassungsgerichts, Berlin, 1996

Scalia, A Matter Of Interpretation, Princeton / New Jersey, 1997

Sheldon, A Century of Judging – A Political History of the Washington Court, Washington, 1988

Sunstein, One Case At A Time, Cambridge / Massachusetts, 1999

Tribe, American Constitutional Law, Mineola / N.Y., 1988

Wright / Miller / Cooper / Amar et.al., Federal Practice and Procedure, Band 13, St. Paul / Minnesota, 1975

‚We are under a constitution, but the constitution

is what the judges say it is.’ (Charles E. Hughes)[1]

I. Einleitung

Die Verfassung in den Vereinigten Staaten blickt auf eine lange Geschichte zurück. Vor über 200 Jahren wurde sie von den sog. founding fathers erarbeitet, geschrieben und nach mehreren Jahren auch durchgesetzt, nachdem sich im Jahre 1787 die Stimmen mehrten, die eine Neuordnung der Verhältnisse und eine Stärkung der Zentralgewalt forderten. Der Verfassungskonvent von Philadelphia sah zunächst eine bloße Revision der Articles Of Confederation vor, unter dem Vorsitz von George Washington war man sich aber letztendlich darüber einig, dass die Konföderationsartikel durch eine neue Verfassung ersetzt werden sollten. Bis Mitte 1788 hatten von den damaligen 13 Staaten neun die neue Verfassung ratifiziert, so dass diese im Jahre 1789 in Kraft treten konnte.[2] Aufgrund hoher Hürden wurde die U.S. Bundesverfassung zwischen 1789 und 2009 lediglich 27 Mal um die sog. amendments ergänzt, bereits aber in den ersten beiden Jahren um die ersten zehn davon erweitert, nämlich dem Grundrechtskatalog der bill of rights.

Diese lange Zeitspanne ist vor dem Hintergrund zu bedenken, dass es im Folgenden um die Interpretation eines Werkes in der heutigen Zeit geht, welches seit über zwei Jahrhunderten nahezu unverändert ist und den Vereinigten Staaten aber trotzdem seine Prägung verleiht. Auf zwei moderne Auslegungsmethoden wird dabei im Besonderen einzugehen sein, jener des ‚ originalism’ und der des ‚ judicial activism’. Davor gilt es aber, die Grundstruktur und den Aufbau der Gerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten zu erörtern, um die Besonderheiten der amerikanischen Judikative und des anglo-amerikanischen Fallrechts in Bezug auf die Verfassungsinterpretation hervorheben zu können.

II. Grundstruktur der Gerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten

Zunächst soll ein Blick auf den Aufbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit geworfen werden.

1. Aufbau der Gerichtsbarkeit und Enumerativverfassung

Die in der amerikanischen Verfassungsordnung vorgesehene Zuständigkeitsverteilung zwischen den Einzelstaaten und dem Bundesstaat beruht – ähnlich wie im Grundgesetz[3] - auf dem Prinzip enumerierter Bundeskompetenzen. Danach verbleiben alle durch die U.S. Bundesverfassung nicht ausdrücklich auf den Bundesstaat übertragenen Kompetenzen bei den Einzelstaaten.[4] Für die Gerichtsbarkeit hat dies zur Folge, dass Bundesgerichte lediglich über eine begrenzte Zuständigkeit verfügen, während einzelstaatliche Gerichte eine allgemeine Zuständigkeit haben. Aus diesem Grund besteht die Gerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten aus 51 unabhängig voneinander organisierten Gerichtssystemen, nämlich der dreistufigen Bundesgerichtsbarkeit (federal judiciary) und 50 zwei- oder dreistufig organisierten einzelstaatlichen Gerichtsbarkeiten (state judiciary).[5]

2. Verfassungsrechtliche Grundlage

Während sich der organisatorische und institutionelle Aufbau der einzelstaatlichen Gerichtssysteme nach den Verfassungen der Einzelstaaten bestimmt, hat der Aufbau der amerikanischen Bundesgerichtsbarkeit seine Grundlage in der verfassungsrechtlichen Vorschrift des Art. III, Section 1 U.S. Bundesverfassung, der Bestimmung wie folgt lautet: ‚ The judicial power of the United States, shall be vested in one supreme court, an in such inferior courts as the Congress may from time to time ordain and establish.’[6] Danach ist der U.S. Supreme Court das einzige Bundesgericht, das in der U.S. Bundesverfassung ausdrücklich genannt wird. Dies hat zur Folge, dass seine Errichtung im Jahre 1789 obligatorisch war, während die Schaffung der übrigen Bundesgerichte von entsprechenden Gesetzen des Kongresses abhing. Auch der Umstand, dass der U.S. Supreme Court lediglich aus einem Spruchkörper besteht und nicht aus mehreren Senaten, ist auf die genannte Vorschrift zurückzuführen, worin lediglich von einem (‚ one’) Supreme Court die Rede ist.

3. U.S. Supreme Court an der Spitze der Bundesgerichtsbarkeit

Innerhalb der im Judicial Code von 1948[7] vorgesehenen dreistufigen Bundesgerichtsbarkeit dient der U.S. Supreme Court als höchste Rechtsmittelinstanz (highest appellate court). Als Eingangs- und Tatsacheninstanz fungieren die U.S. District Courts (trial courts), von denen es in jedem Bundesstaat mindestens einen, abhängig von der Bevölkerungsdichte in einigen Staaten bis zu vier gibt.[8] Außerdem existieren seit 1891 U.S. Courts of Appeals als mittlere Revisionsinstanz (intermediate appellate courts), von denen es gegenwärtig insgesamt dreizehn gibt und deren örtlicher Zuständigkeitsbereich (circuit) regelmäßig mehrere Einzelstaaten umfasst.[9] Grundsätzlich werden Entscheidungen der U.S. District Courts von den U.S. Courts of Appeal nachgeprüft. Nur in wenigen Ausnahmefällen können Rechtsmittel gegen District Court-Entscheidungen unmittelbar vor den U.S. Supreme Court gebracht werden (sog. ‚ direct appeal’).

4. Zuständigkeitszuweisung an den U.S. Supreme Court

Die Kompetenz des U.S. Supreme Court ist dadurch gekennzeichnet, dass er ein Gericht allgemeiner Zuständigkeiten ist (court of general jurisdiction). Das heißt, dass er erstinstanzlich oder als höchste Rechtsmittelinstanz[10] in allen Bereichen des Zivil-, Straf-, Steuer-, Sozial-, Arbeits-, Verwaltungs-, Völker- und Verfassungsrechts aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesgerichtsbarkeit Entscheidungen trifft. Im Vergleich zu Deutschland übernähme der Supreme Court damit die Aufgaben aller obersten Gerichtshöfe des Bundes[11] zusätzlich zu denen des Bundesverfassungsgerichts wahr. In diesem Zusammenhang ist noch zu ergänzen, dass das amerikanische Recht eine Unterteilung in verschiedene Fachgerichte nur in sehr eingeschränktem Umfang kennt.[12]

Wichtigster Prüfungsmaßstab des U.S. Supreme Court ist neben den gesamten bundesrechtlichen Vorschriften naturgemäß die U.S. Bundesverfassung, die auch im Drittwirkungsbereich zwischen Privaten zur Anwendung kommen kann.[13]

Die Stellung und Position des U.S. Supreme Court innerhalb der Bundesgerichtsbarkeit hängt davon ab, welche Zuständigkeitsbereiche durch die U.S. Bundesverfassung auf die Bundesgerichtsbarkeit übertragen wurden. Es muss daher in einem ersten Schritt der Kompetenzrahmen der Bundesgerichtsbarkeit festgestellt werden, bevor zu ermitteln ist, welche Bereiche davon wiederum dem U.S. Supreme Court erst- bzw. letztinstanzlich zugewiesen wurden.

Die Verteilung der Zuständigkeiten richtet sich nach Art. III, Section 2 U.S. Bundesverfassung und lautet wie folgt:

‚The judicial power shall extend

- to all cases, in law and equity, arising under this constitution, the laws of the United States, and treaties made, or which shall be made, under their authority; to all cases affecting ambassadors, other public ministers and consuls; to all cases of admirality and maritime jurisdiction;
- to controversies to which the United States shall be a party; to controversies between two or more states; between a state and citizens of another state; between citizens of different states; between citizens of the same state claiming lands under grants of different states; and between a state, ort he citizens thereof, and foreign states, citizens or subjects.

Damit werden in Art. III, Section 2 der U.S. Bundesverfassung insgesamt neun Kompetenzbereiche der Bundesgerichtsbarkeit genannt, die (a) nach den damit verfolgten Zielsetzungen, (b) nach sprachlich-systematischen Gesichtspunkten und (c) nach erst- und letztinstanzlicher Zuständigkeit (‚ original’ oder ‚ appellate jurisdiction’) unterteilt werden können.[14]

a. Unterteilung nach verfolgten Zielen

Bei der Unterteilung der in Art. III U.S. Bundesverfassung festgelegten Kompetenzbereich nach den damit verfolgten Zielsetzungen, lassen sich vier zentrale Ziele ausmachen, die durch die Zuständigkeit der Bundesgerichtsbarkeit gefördert werden sollen.

(1) Zunächst soll die Bundesgerichtsbarkeit dem Schutz und der Durchsetzung von Bundeskompetenzen dienen. (2) Außerdem soll die Bundesgerichtsbarkeit nach genannter Vorschrift Streitigkeiten beilegen, die in Zusammenhang mit der Wahrnehmung auswärtiger Angelegenheiten entstanden sind. (3) Drittens sollen die Bundesgerichte mit der Zuständigkeit für föderale Streitigkeiten eine klassische Aufgabe der Verfassungsgerichtsbarkeit wahrnehmen, indem sie Konflikte zwischen verschiedenen Einzelstaaten und zwischen Einzelstaaten und dem Bundesstaat beilegen. (4) Schließlich sind die Bundesgerichte wegen ihrer Neutralität und regionalen Unabhängigkeit dafür zuständig, diejenigen Fälle zu entscheiden, in denen zu befürchten ist, dass einzelstaatliche Gerichte befangen oder voreingenommen sein könnten.[15]

[...]


[1] Jusitce Hughes, Rede in Elmira (NY) zum Public Service Commissions Act, 3. Mai 1907; Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 7.

[2] Hübner, Das politische System der USA, S. 12.

[3] Vgl. Art. 30, 70, 83 und 92 GG.

[4] Der Grundsatz der Enumerativverfassung geht am deutlichsten aus dem 10th Amendment hervor, das besagt: ‚ The powers not delegated to the United States by the Constitution or prohibited by it to the States, are reserved to the States respectively, or to the people.’

[5] Vgl. dazu detaillierter unten, S. 3.

[6] Übersetzung aus Franz, Staatsverfassungen, 11, 31: ‚Die richterliche Gewalt soll einem obersten Gerichtshof und solchen unteren Gerichten übertragen sein, wie sie der Kongress von Zeit zu Zeit anordnen und einrichten wird.’

[7] Um ein möglichst hohes Maß an normativer Rechtssicherheit zu gewährleisten, fasst der amerikanische Bundesgesetzgeber die über zahlreiche Einzelgesetze verstreuten gesetzlichen Bestimmungen seit 1926 im offiziellen Gesetzeskodex (U.S. Code) zusammen. Auf dieser Grundlage sieht Titel 28 des U.S. Code eine konsolidierte Textfassung der bundesstaatlichen Gerichtsverfassung vor, die sowohl Vorschriften über die Gerichtsorganisation als auch über die einzelnen Verfahrensmöglichkeiten vor Bundesgerichten enthält. Im Gegensatz zu verschiedenen Verfahrensbestimmungen hat sich der institutionelle Rahmen der amerikanischen Bundesgerichtsbarkeit in den letzten 50 Jahren kaum geändert, so dass zwischen der damaligen Gerichtsorganisation und dem gegenwärtig bestehenden keine wesentlichen Unterschiede zu verzeichnen sind.

[8] z.B. in den Bundesstaaten New York, Kalifornien und Texas; 28 U.S.C. §§ 81 ff.

[9] 28 U.S.C. §§ 41 ff.

[10] Vgl. oben, S. 3.

[11] Vgl. Art. 95 I GG.

[12] Kau, a.a.O., S. 60.

[13] Kau, ebd.

[14] Fallon / Meltzer / Shapiro, The Federal Courts and the Federal System, S. 13.

[15] Vgl. dazu Kau, a.a.O. S. 62 f.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Originalism contra Judicial Activism in der amerikanischen Verfassungsinterpretation
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Juristische Fakultät)
Veranstaltung
Seminar: Logik und Methoden des Rechts
Note
14 Punkte (2)
Autor
Jahr
2009
Seiten
27
Katalognummer
V133863
ISBN (eBook)
9783640454396
ISBN (Buch)
9783640453849
Dateigröße
632 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politik, Amerika, Jura, Verfassungsinterpretation, US Supreme Court
Arbeit zitieren
Gregor Kerschbaumer (Autor:in), 2009, Originalism contra Judicial Activism in der amerikanischen Verfassungsinterpretation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133863

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