Generische vs. hybride Wettbewerbsstrategien. Aktuelle Diskussion und praktische Relevanz


Masterarbeit, 2009

63 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis/Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen von Wettbewerbsstrategien
2.1 Einordnung der Wettbewerbsstrategien in die Strategieebenen von Unternehmen
2.2 Ziele und Strategietypologien der Wettbewerbsstrategien

3 Generische Wettbewerbsstrategien
3.1 Strategie der Kostenführerschaft
3.1.1 Darstellung der Strategie
3.1.2 Wettbewerbsvorteile der Kostenführerschaft
3.1.3 Risiken der Kostenführerschaft
3.2 Strategie der Differenzierung
3.2.1 Darstellung der Strategie
3.2.2 Wettbewerbsvorteile der Differenzierung
3.2.3 Risiken der Differenzierung
3.3 Strategie der Nischenbildung
3.3.1 Darstellung der Strategie
3.3.2 Wettbewerbsvorteile der Nischenstrategie
3.3.3 Risiken der Nischenstrategie
3.4 Beitrag der Strategietypen zur Wertsteigerung
3.5 Die stuck-in-the-middle-Situation

4 Hybride Wettbewerbsstrategien
4.1 Abgrenzung der hybriden Wettbewerbsstrategien von den generischen Wettbewerbsstrategien
4.2 Sequentielle hybride Wettbewerbsstrategien
4.3 Multilokale hybride Wettbewerbsstrategien
4.4 Simultane hybride Wettbewerbsstrategien
4.4.1 Darstellung der Strategien
4.4.2 Das Konzept der Mass Customization

5 Diskussion der generischen und hybriden Wettbewerbs strategien sowie ihre Umsetzung in der Unternehmenspraxis
5.1 Grundsätzliche Vorbemerkungen
5.2 Generische Wettbewerbsstrategien
5.2.1 Darstellung häufig genannter Praxisbeispiele
5.2.2 Neue Diskussionsansätze und empirische Untersuchungen
5.2.2.1 Kritische Auseinandersetzung mit den generischen Wettbewerbsstrategien
5.2.2.2 Präzisierung der Definitionen
5.2.2.3 Präzisierung der Strategietypen von Porter
5.2.2.4 Empirische Untersuchungen und deren Ergebnisse
5.2.3 Neue Untersuchungen der Nischenstrategie von Porter
5.3 Hybride Wettbewerbsstrategien unter besonderer Betrachtung der Mass Customization
5.3.1 Einführung
5.3.2 Untersuchungen auf der Unternehmensebene
5.3.2.1 Prozessmanagement zwischen Standardisierung und Individualisierung
5.3.2.2 Produktentwicklung zwischen Standardisierung und Individualisierung
5.3.2.3 Technische und personelle Anforderungen
5.3.2.4 Fallbeispiele
5.3.3 Untersuchungen auf der Kundenebene
5.3.3.1 Aspekte der Kundenintegration
5.3.3.2 Erhöhung der Kundenbindung
5.3.3.3 Fallbeispiele
5.4 Ergänzung der Wettbewerbsstrategien um dynamische Aspekte

6 Zusammenfassung und Ausblick

7 Summary and conclusions

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis / Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Zusammenhang von Marktanteil und Rentabilität nach Porter Seite

Tabelle 1: Strategietypen und ihre Umsetzung in der Unternehmenspraxis Seite

Tabelle 2: Arten, Inhalt und Beispiele von Nischenstrategien Seite

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Unternehmen sind aufgrund veränderter Umweltbedingungen, neuer Kun-denanforderungen und nicht zuletzt aufgrund der Einflüsse der Globalisie-rung zunehmend gezwungen, ihre Wettbewerbsposition und ihre Wettbe-werbsstrategie zu überdenken. Diese Ereignisse sind häufig mit zurück-gehenden Unternehmensergebnissen verbunden und damit Auslöser für Strategiewechsel von Unternehmen. Dabei stehen ihnen unterschiedliche Lösungsansätze zur Verfügung.

Aber welche Wettbewerbsstrategien gibt es? Worin sind ihre wesentlichen Unterschiede begründet und welche Voraussetzungen müssen Unternehmen erfüllen, um neue Strategien umsetzen zu können? Haben sich in der Unter-nehmenspraxis besonders erfolgreiche Strategien herausgebildet? Können auch Kunden in die Umsetzung von Wettbewerbsstrategien integriert wer-den und welche Rolle spielt die Informations- und Kommunikationstechno-logie dabei? Und letztlich: Gibt es in der wissenschaftlichen Diskussion neue empirische Erkenntnisse und Interpretationsveränderungen der bisher bekannten Strategien? Auf diese Fragen soll die nachfolgende Arbeit Ant-worten geben. Ziel ist es, einen Gesamtüberblick über den aktuellen Diskus-sionsstand zu den unterschiedlichen Wettbewerbsstrategien zu geben und ein möglichst breites Spektrum von Theorie und Umsetzung in die Unter-nehmenspraxis abzudecken, ohne detailliert einzelne Diskussionsstandpunk-te zu vertiefen.

In Literatur und Unternehmenspraxis werden unterschiedliche Unterneh-mensstrategien beschrieben. Grundsätzlich hat sich eine Aufteilung in gene-rische und hybride Wettbewerbsstrategien durchgesetzt.

In dieser Arbeit wird zunächst dargestellt, auf welchen Unternehmensebe-nen Wettbewerbsstrategien zu finden sind und welche Ziele diese Strategien verfolgen. Es werden dann die generischen Wettbewerbsstrategien und ihre Ausprägungen einschließlich der Chancen und Risiken beschrieben sowie ihr Beitrag zur Wertsteigerung des Unternehmens. Danach erfolgt eine Dar-stellung der hybriden Wettbewerbsstrategien, wobei insbesondere das Kon-zept der Mass Customization als eine wichtige Ausprägung dieser Strategien in den theoretischen Rahmen eingeordnet wird.

Nach dem in Kapitel 3 und 4 die generischen und hybriden Wettbewerbs-strategien sowie ihre jeweiligen Arten beschrieben und voneinander abge-grenzt werden, beschreibt das Kapitel 5 den aktuellen Diskussionstand in der Literatur sowie ihre praktische Relevanz im Unternehmensalltag. Nach einer kurzen Einführung ist der Schwerpunkt der Ausführungen in Gliede-rungspunkt 5.2., Umsetzungsbeispiele von Unternehmen, aktuelle Diskussi-onsbeiträge und neue Untersuchungen zu den generischen Strategien vor-zustellen. In Gliederungspunkt 5.3. wird im Bereich der hybriden Strategien explizit auf die Strategie der Mass Customization eingegangen. Mass Cus­tomization ist eine neue Wettbewerbsstrategie, die Differenzierung und Kostenaspekte miteinander vereint und vor dem Hintergrund der zuneh-mend individuellen Kundenwünsche besondere Beachtung verdient. Dabei beschäftigt sich die Arbeit mit den internen Voraussetzungen der Unter-nehmen sowie mit der Integration von Kunden und der damit verbundenen möglichen Erhöhung der Kundenbindung. Zum Abschluss der Arbeit wird dargestellt, wie statische Strategien durch dynamische Aspekte ergänzt wer-den können.

2 Grundlagen von Wettbewerbsstrategien

2.1 Einordnung der Wettbewerbsstrategien in die Strategieebenen von Unternehmen

In der betriebswirtschaftlichen Literatur existieren unterschiedliche Defini-tionen des Begriffes Strategie1. Nach der klassischen Definition handelt es sich bei einer Strategie um ein Maßnahmenbündel eines Unternehmens zur Erreichung seiner langfristigen Ziele. Eine Strategie ist das Ergebnis forma-ler, rationaler Planungen2. Innerhalb des Planungsprozesses stellt die strate-gische Unternehmensplanung ein entscheidungsorientiertes Modell dar, in dem für das Unternehmen relevante Informationen eingearbeitet, aufbereitet und den Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt werden3. Diese Pla-nungsaufgabe der Entscheidungsträger sollte aus einer übergreifenden Pers-pektive durchgeführt werden, da nur aus dieser Position heraus die Unter-nehmensentwicklung grundlegend beeinflusst werden kann. Dabei steht das Denken über Organisationseinheiten hinweg im Vordergrund. Die Durch-führung dieser Planungsaufgabe steht im engen Zusammenhang mit dem organisatorischen Aufbau sowie dem Leistungs- und Produktprogramm des Unternehmens4.

Strategien finden sich auf der Gesamtunternehmensebene, auf der Funktio-nalebene und bei Unternehmen mit mehr als einem Produkt auf der Ebene der Geschäftsbereiche5. Bei Ein-Produktunternehmen oder Unternehmen mit einem homogenen Produktangebot ist eine organisatorische Untertei-lung nach Geschäftsbereichen nicht unbedingt erforderlich6. Wird ein Un-ternehmen in Geschäftsbereiche unterteilt, sind diese grundsätzlich als orga-nisatorische Einheit innerhalb des Unternehmens für Geschäftsfelder oder Geschäftseinheiten verantwortlich. Im Folgenden soll deshalb die sprachli-che Verwendung des Begriffes Geschäftsfeld als Synonym für strategische Geschäftseinheit (SGE) oder strategisches Geschäftsfeld (SGF) verwendet werden7. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass in ande-ren Literaturquellen eine deutliche Unterscheidung dieser Begriffe vorge-nommen wird8. Die Wettbewerbsführung in einem Geschäftsfeld erfolgt durch die Wettbewerbsstrategie, insofern beziehen sich Wettbewerbsstrate-gien auf Geschäftsfelder9. Wettbewerbsstrategien sind offensive oder defen­sive Maßnahmen zur Festigung der Branchen- und Marktposition. Sie stel-len die Art und Weise dar, mit der sich ein Unternehmen am Markt behaup-ten will10. Dabei ist eine Vielzahl von Einzelaspekten relevant11. Wettbe-werbsstrategien definieren damit die grundsätzlichen Verhaltensweisen in den einzelnen Produkt-Markt-Bereichen. Sie sollen eine Antwort auf die Frage geben, wie das Unternehmen mit den fünf Wettbewerbskräften (Ge-fahr durch neue Marktteilnehmer, Bedrohung durch Substitutionsprodukte, Verhandlungsmacht der Kunden, Verhandlungsmacht der Lieferanten, Riva-lität zwischen den etablierten Wettbewerbern) umgehen will12.

2.2 Ziele und Strategietypologien der Wettbewerbsstrategien

Die wichtigsten Ziele einer Wettbewerbsstrategie sind, das Unternehmen im Wettbewerb so zu positionieren, dass seine Fähigkeiten die bestmögliche Abwehr gegenüber den beschriebenen Wettbewerbskräften bieten. Weiter-hin ist die Position des Unternehmens im Kräftevergleich mit den Konkur-renten so zu beeinflussen, dass eine Verbesserung der Position eintritt. Dar-über hinaus müssen Veränderungen der Wettbewerbsgrundlagen frühzeitig antizipiert werden, um schnell darauf reagieren zu können. Letztlich sind die Veränderungen auszunutzen, um vor den Konkurrenten eine dem verän-derten Wettbewerbsumfeld angepasste Strategie zu entwickeln13.

Zur Erreichung dieser Ziele wird eine große Bandbreite möglicher Strategie-typologien auf Geschäftsfeldebene unterschieden. Dabei haben in der theo-retischen Diskussion die Strategietypologien nach Porter erhebliche Rele-vanz erlangt.

Porter hat in der Auseinandersetzung mit den fünf Wettbewerbskräften drei erfolgversprechende Typologien entwickelt, die er als generische Wettbe-werbsstrategien bezeichnet:

-Umfassende Kostenführerschaft
-Differenzierung
-Konzentration auf Schwerpunkte (Nischenstrategie)

3 Generische Wettbewerbsstrategien

3.1 Strategie der Kostenführerschaft

3.1.1 Darstellung der Strategie

Die Strategie der Kostenführerschaft wurde aufgrund der Bekanntheit des Erfahrungskurven-Konzeptes (Modell zur Begründung von Bewertungskri-terien für Erfolgspotentiale) aus den siebziger Jahren zunehmend populärer und in der Unternehmenspraxis angewandt14. Ziel dieser Strategie ist es, einen umfassenden Kostenvorsprung, u.a. durch hohe Produktstandardisie-rung, innerhalb der Branche zu erreichen und diese Kostenvorteile über die gesamte Wertkette hinweg auszunutzen15. Der Erfolg der Strategie wird über die Kostenposition, d.h. über einen niedrigen Preis angestrebt16. Nied-rige Kosten im Verhältnis zu den Konkurrenten stehen im Fokus sämtlicher Unternehmensentscheidungen, wobei qualitative Aspekte, wie z.B. Service-gedanken, nicht außer acht gelassen werden dürfen. Kostenführerschaft er-fordert eine aggressive Kapazitätserweiterung sowie die energische Ausnut-zung des Erfahrungskurveneffektes mit dem Ziel der Minimierung der rea-len Stückkosten17. Über die Produktion großer Mengen sollen darüber hi-naus mögliche Mengendegressionseffekte (Skaleneffekte) erreicht werden18. Dabei sind neben den Stückkosten äquivalent die Gemeinkosten durch ent-sprechende Analysen zu kontrollieren und zu steuern. Die Kostenminimie-rung muss sich auch auf Forschung und Entwicklung, Distributionskanäle, verkaufsfördernde Maßnahmen wie z.B. Werbung, und so weiter er-strecken. Darüber hinaus ist eine Untersuchung des Kostenverhaltens vor-zunehmen, in der die Kostentreiber identifiziert werden müssen19. Porter unterscheidet folgende zehn Kostentreiber: Größenbedingte Kostendegres-sion, Lerneffekte, Struktur der Kapazitätsauslastung, Verknüpfungen, Ver-flechtungen, Integration, Zeitwahl, unternehmenspolitische Entscheidungen, Standort, außerbetriebliche Faktoren20. Das Kostenverhalten jeder Aktivität der Wertkette wird durch die Kostentreiber mehr oder minder stark geprägt. Um daraus Wettbewerbsvorteile zu erzielen, sind die Kostentreiber, die ei-nen erheblichen Anteil an den Gemeinkosten haben, zu kontrollieren und zu steuern21. Weitere Ansatzpunkte zur Erlangung der Wettbewerbsvorteile sind beispielsweise rationellere Fertigungs- oder Distributionsverfahren.

3.1.2 Wettbewerbsvorteile der Kostenführerschaft

Eine starke Kostenposition ist mit relativen Wettbewerbsvorteilen verbun-den, durch die sich Geschäftsfelder preispolitische Spielräume verschaffen und somit bei Kunden als auch bei Lieferanten eine bessere Wettbewerbs-position erarbeiten können. Niedrige Kosten können durch niedrige Preise an Kunden weitergegeben werden. Kostenvorteile bieten Schutz gegen die Rivalität der Konkurrenten, weil dann noch Erträge generiert werden kön-nen, wenn Mitbewerber durch ihre gegenseitige Rivalität ihre Gewinne eli-miniert haben. Kostenvorteile schützen weiterhin gegen Abnehmer und Lie-feranten und schaffen darüber hinaus hohe Markteintrittsbarrieren, zumeist durch Mengendegressionseffekte. Letztlich bietet die Kostenführerschaft dem Unternehmen Vorteile im Umgang mit Substitutionsprodukten im Ver-gleich zu den Konkurrenten22. Die Strategie der Kostenführerschaft ist aber nur dann erfolgreich, wenn ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil erreicht wird. Nachhaltig sind Wettbewerbsvorteile dann, wenn sie selten und schwer zu imitieren sind23. Ein Wettbewerbsvorteil ist beispielsweise dann als selten anzusehen, wenn ein Zugang zu einer technologischen Software besteht, die historisch im Unternehmen entwickelt wurde und Konkurrenten nicht zur Verfügung steht.

3.1.3 Risiken der Kostenführerschaft

Die Strategie der Kostenführerschaft führt zu einem starken Spezialisie-rungseffekt im Hinblick auf kostengünstige Produkt- und Verfahrenstechno-logien24. Um seine Wettbewerbsposition zu halten, ist das Unternehmen verpflichtet, in moderne Ausrüstung zu investieren, veraltete Ausrüstung und Anlagen konsequent zu entfernen, keine Differenzierung der Produktli-nie vorzunehmen und technologische Verbesserungen frühzeitig durchzu-führen. Dieser permanente Fokus auf Kostensenkung kann dazu führen, dass das Unternehmen nicht mehr flexibel auf Produkt- und Marktänderungen reagieren kann25. Andererseits können technologische Veränderungen den erworbenen Kostenvorsprung zunichte machen, da Konkurrenten neue Technologien schnell imitieren können, so dass ehemalige Wettbewerbsvor-teile nur temporär sind. Um dies zu verhindern, sind laufende Investitionen in neueste Produktionstechnologien erforderlich. Darüber hinaus kann die Fokussierung auf den Kostenaspekt und das Bemühen und Bestreben, den erworbenen Kostenvorteil zu verteidigen, zu einer tendenziellen Innovati onsfeindlichkeit und damit zu einer Verschlechterung der strategischen Po­sition führen.

3.2 Strategie der Differenzierung

3.2.1 Darstellung der Strategie

Porters zweite Strategie beschreibt die Differenzierung. Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens sind so zu differenzieren, dass sie branchenweit als einzigartig angesehen werden können. Die Alleinstellung aus Sicht der Kunden reicht für die Begründung eines Wettbewerbsvorteils aus26. Die Ansätze der Differenzierung sind vielfältig. Sie müssen dem Kri-terium der klaren Unterscheidung von den Konkurrenzprodukten oder - dienstleistungen genügen. Faktoren der Alleinstellung können z.B. Produkt-eigenschaften, Garantie- oder Serviceleistungen, Design, Zusatznutzen oder Markenimage sein. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollstän-digkeit, da das Spektrum der Differenzierungsmöglichkeiten unendlich groß ist. Im Idealfall differenziert sich das Unternehmen durch mehrere Allein-stellungsmerkmale. Diese Einzigartigkeit führt dazu, dass Kunden bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen, weil die Produkte oder Dienstleistungen im Vergleich zu den Konkurrenzangeboten einen für den Kunden wichtigen Mehrwert bieten. Trotz dieser Fixierung auf Alleinstellungsmerkmale darf die Kostenseite nicht vernachlässigt werden27. Allerdings sind die Kosten nicht das primäre strategische Ziel.

Differenzierungsquellen sind auf allen Stufen der Wertkette zu finden. So kann die Beschaffung von Rohstoffen Einfluss auf die Qualität der Endpro-dukte haben. Darüber hinaus können Technologieentwicklungen zur Neuge-staltung von Produkten führen, die im Konkurrenzvergleich einmalig sind. Innovative Lösungen im Bereich der Logistik können die Liefergeschwin-digkeit und —zuverlässigkeit verbessern und zu einem Alleinstellungsmerk-mal führen28. Für diese Strategie sind die Kriterien Qualität, Flexibilität, Zeit und Service herausragende Erfolgsfaktoren29.

3.2.2 Wettbewerbsvorteile der Differenzierung

Erfolgreiche Differenzierungsstrategien führen aufgrund der relativen Wett-bewerbsvorteile zu überdurchschnittlichen Gewinnen. Unternehmen können sich durch Differenzierungsstrategien gegen die fünf Wettbewerbskräfte abschirmen, weil sie zu einer erhöhten Kundenbindung an die Marke füh-ren. Dadurch verringert sich die Preisempfindlichkeit der Kunden30. Die Folge davon sind überdurchschnittliche Erträge. Der Kostenaspekt muss dadurch nicht im Vordergrund stehen. Eintrittsbarrieren werden durch die entstandene Kundenloyalität geschaffen, so dass Konkurrenten Schwierig-keiten erfahren, im Markt Fuß zu fassen. Aufgrund der erhöhten Gewinnsi-tuation ist es für das Unternehmen leichter, in Preisverhandlungen mit Zu-lieferern erfolgreich zu sein. Gleiches gilt für die Verhandlungen und die Preisfestsetzung gegenüber den Abnehmern, da für sie Alternativen fehlen und die Preisempfindlichkeit sinkt31. Wie bei der Strategie der Kostenfüh-rerschaft gilt auch bei der Differenzierungsstrategie, dass sie nur dann lang-fristig erfolgversprechend ist, wenn sie nachhaltige Wettbewerbsvorteile schafft. Als Kriterien für die Messung gelten ebenfalls die Seltenheit bzw. die Schwierigkeit, Produkte oder Leistungen zu imitieren. Das Kriterium Seltenheit beruht auf der Kreativität des Unternehmens, immer wieder für den Kunden einzigartige Lösungen bereitzustellen. Es befindet sich dann immer in der Position des Initiators, während Konkurrenten die Rolle des Imitators bekleiden32.

3.2.3 Risiken der Differenzierung

Die Differenzierungsstrategie stellt den Kostenaspekt nicht primär in den Fokus. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Kosten stark steigen und der Preisunterschied zwischen Billiganbietern und differenzierten Unternehmen so groß wird, dass die Kundenloyalität nachlässt, weil die Einzigartigkeit den Preisunterschied nicht rechtfertigt. Die Gefahr der Abwanderung zu den Billiganbietern steigt. Ein weiteres Risiko stellt der abnehmende Bedarf an einem speziellen Differenzierungsfaktor im Zeitablauf dar. Die Wichtigkeit dieses Faktors nimmt aus Sicht der Kunden in ihrer Bewertung ab33. Ein drittes Risiko stellt die Imitation dar. Insbesondere in älteren Branchen tre-ten immer wieder Konkurrenten mit Imitationsprodukten oder —leistungen in den Markt ein und führen zu einer Verwässerung.

3.3 Strategie der Nischenbildung

3.3.1 Darstellung der Strategie

Porter erweitert seine Strategietypen um die Strategie der Nischenbildung, oder auch Konzentrationsstrategie genannt. Zunächst soll eine Branche in bestimmte Segmente zerlegt werden34. Für diese Segmente oder für diese Zielgruppe versucht das Unternehmen, die bestmögliche Befriedigung der Anforderungen zu erreichen. Die Strategie geht davon aus, dass es für ein Unternehmen leichter ist, in diesem Segment spezialisierte Produkte oder Dienstleistungen besser oder günstiger zu erbringen, als branchenweit ope-rierende und damit weniger spezialisierte Unternehmen. Innerhalb dieser Nische kann sich das Unternehmen dann für eine Strategie der Kostenfüh-rerschaft oder für eine Differenzierungsstrategie entscheiden35. Die Kon-zentrationsstrategie kann nicht im gesamten Markt niedrige Kosten oder Differenzierungen erzielen, sondern nur in einem Segment der Branche. Die Nischenstrategie kann in ihrer Form ähnlich vielfältig sein wie die Differen-zierungsstrategie. So sind beispielsweise Segmente möglich, die sich auf regionale Nischen, Zielgruppennischen, Produktnischen oder Brandingni-schen (Marke) beziehen. Weitere Nischen können die Geschwindigkeitsni-sche, die Innovationsnische, die Kooperationsnische, die Marktaufspaltung und die Konternische sein36.

3.3.2 Wettbewerbsvorteile der Nischenstrategie

Kernpunkt der Strategie ist es, ein eng begrenztes Segment konsequent zu bedienen und dabei besser zu sein als die Konkurrenz, die sich im breiteren Wettbewerb befindet37. Durch diese Konzentration auf die Erfüllung spezi-fischer Anforderungen eines Segmentes oder einer Nische, kann es einem Unternehmen gelingen, überdurchschnittliche Erträge in seiner Branche zu erzielen. Durch die Konzentration entstehen Kostenvorteile oder ein hoher Differenzierungsgrad. Beide Positionen bieten Schutz gegen die fünf Wett-bewerbskräfte. Insofern sind die Wettbewerbsvorteile der Kostenführer-schaft und der Differenzierungsstrategie im Rahmen einer Segmentierung der Branche hierher zu übertragen38.

3.3.3 Risiken der Nischenstrategie

Die Unterschiede in den Kosten bzw. in den Preisen zwischen breiten An-bietern und dem Unternehmen mit einer Konzentrationsstrategie können so groß werden, dass Kostenvorteile oder Differenzierungsvorteile ausgegli-chen werden. Ein weiteres Risiko besteht drin, dass sich die Unterschiede aus den Differenzierungswünschen einer bestimmten Zielgruppe an ein Pro-dukt im Vergleich zum Gesamtmarkt verringern. Darüber hinaus ist es mög-lich, dass Konkurrenzunternehmen eine noch weitere Segmentierung der Branche vornehmen und sich noch stärker spezialisieren, so dass die Vortei-le des Ursprungsunternehmens verloren gehen39. Weiterhin besteht die Ge-fahr, dass die Nische zu klein ist, um die notwendigen Volumina zu errei-chen. Darüber hinaus gelten weiterhin die allgemeinen Risiken aus der Kos-tenführerschaft oder der Differenzierung.

Über weitere Chancen und Risiken der Strategie der Nischenbildung berich-tet eine aktuelle Studie von Kröger/Vizjak/Ringlstetter, auf die in Gliede-rungspunkt 5.2.3 eingegangen wird40.

3.4 Beitrag der Strategietypen zur Wertsteigerung

Vor dem Hintergrund der bestehenden Chancen und Risiken ist zu klären, welchen Beitrag die aus den generischen Wettbewerbsstrategien abgeleite-ten Wettbewerbsvorteile zur Wertsteigerung des Gesamtunternehmens leis-ten können41. Wie beschrieben, entstehen Wettbewerbsvorteile bei der Dif-ferenzierungsstrategie durch Alleinstellungsmerkmale, die Preiserhöhungen zulassen. Im Rahmen der Kostenführerschaft stehen für das Unternehmen Kostenvorteile im Vordergrund. In beiden Fällen besteht das Ziel darin, po­sitive Rentabilitätsspannen zu erreichen. Damit besteht ein Zusammenhang zwischen Shareholder-Value und Customer-Value42. Günther hat beispiel-haft, aber sehr global, dargestellt, wie die Strategietypen durch die entspre-chenden Werttreiber auf den cash-flow wirken und ihn positiv beeinflus-sen43. Danach erfordert z.B. ein Umsatzwachstum innerhalb der Kostenfüh-rerschaft eine aggressive Preispolitik, im Rahmen der Differenzierung und Nischenstrategie aber eine Hochpreispolitik. Nach Welge/Al-Laham wird in der Darstellung von Günther deutlich, dass die beschriebenen Wettbewerbs-strategien nur alternativ durchzuführen sind44.

3.5 Die stuck-in-the-middle-Situation

Da die generischen Wettbewerbsstrategien nach Porter Alternativen darstel-len, ist es für Unternehmen unabdingbar, sich für eine Wettbewerbsstrategie zu entscheiden45. Also entweder die Kostenführerposition oder eine klare Differenzierung in seiner (segmentierten) Branche zu erreichen. Gelingt Unternehmen keine eindeutige Positionierung, können keine Wettbewerbs-vorteile erreicht werden. Dann befindet sich das Unternehmen in einer Posi­tion „zwischen den St•hlen". Porter nennt es stuck-in-the-middle. Für die Position der Kostenführerschaft fehlen dem Unternehmen die entsprechen-den Marktanteile und letztlich die notwendige Entschlossenheit, konsequent die Kostenführerschaft anzustreben46. Oder es fehlt die mangelnde Differen-zierung, um aus Kundensicht etwas Einzigartiges zu schaffen. Letztlich mangelt es dem Unternehmen an Konzentration in einer Nische, um Kosten-führerschaft oder Differenzierung in diesem Segment zu erreichen47. Um den Zusammenhang zu verdeutlichen, erklärt Porter die Beziehung zwi-schen Marktanteil und Rentabilität eines Unternehmens in einer U-Form. Dieser konvexe Zusammenhang existiert in vielen, aber nicht allen Bran-chen.

[...]


1 Vgl. WELGE/AL-LAHAM (2008), S. 15; CORSTEN (1998), S. 3; KREIKEBAUM (1997), S. 17

2 Vgl. WELGE/AL-LAHAM (2008), S. 16

3 Vgl. KREIKEBAUM (1997), S. 20

4 Vgl. HUNGENBERG (2006), S. 15

5 In Anlehnung an WELGE/AL-LAHAM (2008), S. 458

6 Vgl. HUNGENBERG (2006), S. 15

7 Vgl. HUNGENBERG (2006), S. 76

8 Vgl. GRÜNIG/KÜHN (2005), S. 158

9 Vgl. HUNGENBERG (2006), S. 184

10 Vgl. CORSTEN (1998), S. 10

11 Vgl. SCHREYÖGG (1995), S. 23

12 Vgl. CORSTEN (1998), S. 10

13 Vgl. PORTER (2008), S. 66

14 Vgl. KÜHN/GRÜNIG (2000), S. 85; WELGE/AL-LAHAM (2008), S. 517

15 Vgl. PORTER (2008), S. 72

16 Vgl. KALUZA/BLECKER ( 2000), S. 8

17 Vgl. CORSTEN (1998), S.94

18 Vgl. KALUZA/BLECKER (2000), S. 8

19 Vgl. PORTER (1989), S.102

20 Vgl. PORTER (1989), S. 102-118

21 Vgl. WELGE/AL-LAHAM (2008), S. 522

22 Vgl. PORTER (2008), S. 72/73

23 Vgl. WELGE/AL-LAHAM (2008), S. 523

24 Vgl. WELGE/AL-LAHAM (2008), S. 524

25 Vgl. PORTER (2008), S. 83

26 Vgl. HUNGENBERG (2006), S. 189

27 Vgl. PORTER, (2008), S. 74; WELGE/AL-LAHAM, (2008), S. 524

28 Vgl. PORTER (1989), S. 166

29 Vgl. KALUZA/BLECKER (2000), S. 11

30 Vgl. WELGE/AL-LAHAM, (2008), S. 526; PORTER, (2008), S. 75

31 Vgl. PORTER (2008), S. 75

32 Vgl. WELGE/AL-LAHAM (2008), S. 527

33 Vgl. PORTER (2008), S. 84

34 Vgl. CORSTEN (1998), S. 96

35 Vgl. KALUZA/BLECKER (2000), S. 12

36 Vgl. KRÖGER/VIZJAK/RINGLSTETTER (2006), S. 12-16

37 Vgl. PORTER (2008), S. 76

38 Vgl. HUNGENBERG (2006), S. 190

39 Vgl. PORTER (2008), S. 85

40 Vgl. KRÖGER, VIZJAK, RINGLSTETTER (2006), insgesamt

41 Vgl. WELGE/AL-LAHAM (2008), S. 531

42 Vgl. GÜNTHER (1997), S. 383

43 Vgl. WELGE/AL-LAHAM (2008), S. 532

44 Vgl. WELGE/AL-LAHAM (2008), S. 533

45 Vgl. HUNGENBERG (2006), S. 192

46 Vgl. PORTER, (2008), S. 79

47 Vgl. PORTER (2008), S. 79

Ende der Leseprobe aus 63 Seiten

Details

Titel
Generische vs. hybride Wettbewerbsstrategien. Aktuelle Diskussion und praktische Relevanz
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2.0
Autor
Jahr
2009
Seiten
63
Katalognummer
V137623
ISBN (eBook)
9783640452231
ISBN (Buch)
9783640452415
Dateigröße
899 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Generische, Wettbewerbsstrategien, Aktuelle, Diskussion, Relevanz
Arbeit zitieren
Frank Ehlebracht (Autor:in), 2009, Generische vs. hybride Wettbewerbsstrategien. Aktuelle Diskussion und praktische Relevanz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137623

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