Sexualerziehung in der Kita


Bachelorarbeit, 2009

86 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die Sexualität des Menschen
1.1 Begriffliche Erklärung der menschlichen Sexualität
1.2 Die Aspekte der Sexualität
1.3 Die Sexualforschung
1.4 Sexualität im Islam

2. Die Sexualpädagogik 1
2.1 Begriffserklärung
2.1.1 Sexualpädagogische Richtungen
2.1.1.1 Die traditionell- repressive Sexualpädagogik
2.1.1.2 die politisch-emanzipatorische Sexualpädagogik
2.1.1.3 Die individuell-emanzipatorische Sexualpädagogik
2.1.1.4 Die affirmativ-liberale Sexualpädagogik
2.1.1.5 Die skeptische Sexualpädagogik
2.2 Womit beschäftigt sich Sexualpädagogik
2.3 Sexualpädagogik und Gender
2.3.1 sexualpädagogische Mädchenarbeit
2.3.2 sexualpädagogische Jungenarbeit

3. Kindersexualität in der Sexualpädagogik
3.1 Auch Kinder sind sexuelle Wesen von Anfang an
3.2 Die Theorie nach Freud zur psycho-sexuellen Entwicklung
3.3 Sexuelle Erziehung des Kindes in der Familie
3.4 Was will Sexualpädagogik im Kindergarten erreichen?
3.5. Sexualpädagogische Handlungskompetenz der Pädagogen/innen
3.6. Das sexualpädagogische Konzept in Kindertageseinrichtungen

4. Geschichtlicher Abriss der Sexualpädagogik 4
4.1 Entwicklung der Sexualität in der NS- Zeit
4.1.1 Sex, um den arischen Gedanken zu wahren
4.1.2 Zwangssterilisation
4.1.3 Lebensborn e.V.
4.2 Entwicklung in der DDR
4.2.1 Das Schulsystem
4.3 Entwicklung in der BRD

5. Sexualpädagogik im Kindergarten als Prävention 5
5.1 Die Schattenseite der Sexualität- sexueller Missbrauch
5.2 Sexualpädagogische Präventionsbeispiele
5.2.1 Die Kindergartenbox

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

In meiner Arbeit verwende ich für eine bessere Lesbarkeit die männliche Form, gemeint ist jedoch die männliche sowie weibliche Form.

Einleitung

“ Sexualpädagogik ist eine Aspektdiziplin der Pädagogik, welche sowohl die sexuelle Sozialisation als auch die zielgerichtete erzieherische Einflussnahme auf die Sexualität von Menschen erforscht und wissenschaftlich reflektiert. Sexualpädagogik als Praxis meint die kontinuierliche, intendierte Einflussnahme auf die Entwicklung sexueller Motivationen, Ausdrucks- und Verhaltensformen sowie von Einstellungs- und Sinnaspekten der Sexualität von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.”[1]

Das Thema “Sexualerziehung im Kindergarten” habe ich gewählt, um zu belegen, dass die sexuelle Bildung bereits in der frühsten Kindheit beginnt und zu einer Bildung der Persönlichkeit beiträgt. Die ganzheitliche Erziehung beeinflusst alle Bereiche der kindlichen Entwicklung, und so ist es unerlässlich, auch die sexuelle Erziehung in diesen Prozess einzubinden. Des Weiteren habe ich das Thema gewählt, um aufzuzeigen, dass die Sexualerziehung im Kindergarten dazu beiträgt, Kinder in ihrer Kompetenz zu befähigen, die eigenen Grenzen auszudrücken. Regina Finke beschreibt die Sexualerziehung “[...] als pädagogisches Programm [...]. Eine positive Sexualerziehung beginnt mit einer vertrauensvollen Haltung zum Kind. [...].[2]

In der nachfolgenden Arbeit versuche ich, die Frage zu beantworten, ob die sexuelle Bildung bereits in der frühesten Kindheit beginnen sollte. Die Sexualität des Menschen ist in unserer heutigen Zeit trotz umfassender Aufklärung noch immer ein mit Tabus behaftetes Thema. Doch die Aufklärung ist gerade für die Jüngsten unter uns ein wichtiger Bestandteil der Erziehung. Sexualerziehung kann nicht nur in Institutionen stattfinden, sondern auch die Bezugspersonen in der Familie des Kindes sollten der Verantwortung nachgehen aufzuklären.

Um aufzuzeigen, dass die Sexualerziehung dem Menschen in der Persönlichkeitsbildung bekräftigt, gebe ich im 1. Kapitel einen Überblick der menschlichen Sexualität. Mit meinen Darstellungen möchte ich aufzeigen, dass der Mensch sich mit seiner Sexualität auseinander setzen muss, da sie mehr als nur die Genitalität und der Geschlechtsverkehr ist. Die Sexualität bestimmt das Wesen des Menschen wesentlich mit. Sie verbindet verschiedene Aspekte und der ständige Versuch, die Aspekte in Einklang zu bringen, beschäftigt den Menschen. Des Weiteren ist ein Einblick in die Sexualforschung unerlässlich, um die Sexualität des Menschen zu verstehen. Bereits in frühester Geschichte beschäftigen sich Sexualforscher mit dem sexuellen Verhalten. Die Verhaltensweisen sind bis heute Gegenstand vieler Sexualforschungen.

Durch unterschiedliche religiöse Weltanschauungen wird auch die Sexualität bestimmt. Demnach empfand ich es als wichtig, die Sexualität in der Religion darzustellen. Dabei habe ich mich auf die Sexualität im Islam beschränkt, da diese deutlich die Unterschiede der Vorstellungen über die Sexualität darstellt.

Was unter dem Begriff der Sexualpädagogik zu verstehen ist, wird im Kapitel 2 definiert. Ergänzend dazu gehe ich in weiteren Unterpunkten auf die unterschiedlichen Richtungen der Sexualpädagogik ein. Das dient dazu festzustellen, dass die Methoden der Sexualpädagogik von den Richtungen abhängt. In jeder der fünf erklärten Strömungen lässt sich das Wertebild gegenüber der Sexualität des Menschen darstellen.

Des Weiteren gehe ich auf den Gegenstandsbereich der Sexualpädagogik ein, um einen Überblick zu schaffen, welche Ziele sie verfolgt. In unserer heutigen Gesellschaft fällt oft der Begriff “Gender”. Um die Besonderheiten der sexualpädagogischen Mädchen- und Jungenarbeit aufzuzeigen, ist es notwendig, auf die Zusammenhänge zwischen Gender und Sexualpädagogik einzugehen.

Vielen Eltern und Pädagogen stellt sich die Frage, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist. Laut neuester Forschungen ist dieser schon vor der Geburt des Kindes.

Im 3. Kapitel möchte ich aufzeigen, dass kindgerechte Sexualerziehung mehr ist als nur die körperliche Aufklärung. Zärtlichkeiten, Umarmungen und das Akzeptieren, dass ein Kind von Anfang an sexuell ist, wirkt sich positiv auf die Findung der sexuellen Identität aus. Ein Kind sollte in allen Lebenslagen gefördert werden, und dabei darf auch die sexuelle Entwicklung nicht ausgeklammert werden.

Eine gelungene Sexualerziehung kann das Kind stärken, und sie wirkt präventiv. Kinder können durch eine freie, allumfassende sexuelle Aufklärung ihre Persönlichkeit entwickeln und ihren Körper akzeptieren. Sie lernen, ihre Gefühle zu erkennen und schlechte Geheimnisse von guten zu unterscheiden. Kinder müssen lernen, sich selbstständig vor unangenehmen Situationen zu schützen und Nein zu sagen. In unserer heutigen Gesellschaft durchleben Kinder vielfältige Konflikte. Sie dürfen nicht laut sein und sollen der Erziehungsperson folgen. Diese Eigenschaften wirken sich jedoch negativ auf ihre sexuelle Entwicklung aus. Sexualerziehung kann Kindern den Mut ihrer Stimme wiedergeben und Selbstvertrauen aufbauen.

Im 4. Kapitel gehe ich auf die geschichtliche Entwicklung der Sexualpädagogik ein. Dabei gehe ich auf die Sexualität in der NS- Zeit, der DDR und der BRD ein. Anhand dieser gewählten geschichtlichen Zeitabschnitte möchte ich aufzeigen, dass Sexualpädagogik immer einen politischen Hintergrund hat. Besonders in der NS- Zeit wurde die Sexualität des Menschen durch den Staat geprägt und das Ziel war nicht, einen selbstbewussten Menschen zu schaffen.

Das 5. Kapitel dient der Notwendigkeit der Prävention vor sexuellem Missbrauch gegen Mädchen und Jungen. Dabei gehe ich auf die enormen Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs ein, und wie sich das Leben des Kindes durch diese Grenzverletzung verändert. Die Prävention spielt bei der Stärkung der Persönlichkeit eine entscheidende Rolle. Ich möchte anhand der Kindergartenbox “Entdecken, schauen, fühlen” aufzeigen, wie Kinder gestärkt werden können und lernen, Nein zu sagen.

1. Die Sexualität des Menschen

1.1 Begriffliche Erklärung der menschlichen Sexualität

Sexualität ist ein komplexer Begriff, wie ich auch bei meiner Recherche nach einer Definition feststellte. Unterschiedliche Faktoren sollten bei einer eindeutigen Erklärung berücksichtigt werden. Sexualität hat für jeden Menschen eine individuelle Bedeutung. Allgemein bedeutet Sexualität, wie ein Mensch mit seinen Geschlechtsorganen umgeht, also Genitalität. Nur eine auf Körperlichkeit bezogene Definition reicht jedoch nicht aus, um die Vielschichtigkeit dieses Begriffes zu erläutern[3]. Sowohl das persönliche Erleben als auch die Geschichte der Sexualität sprechen gegen diesen Definitionsversuch.

Ursprünglich stammte der Begriff aus der Biologie und bedeutete das Vorhandensein männlicher und weiblicher Organismen. Erst im 19. Jahrhundert wurde dieser auf die Menschheit übertragen.[4]

Sexualität steht im Zusammenhang mit den Erfahrungen, die ein Mensch erlebt hat. Denn durch die Werte und Normen, die jeder Mensch im Laufe seiner Entwicklung lernt, gestaltet er seine sexuellen Verhaltensweisen und Vorlieben. So kann Sexualität auch als eine gesellschaftliche, geistige und religiöse Kategorie gesehen werden.[5] Die Gesellschaft bestimmt zum gewissen Teil die Sexualität mit.

Was ist erlaubt und was nicht? Über welche sexuellen Vorlieben darf gesprochen werden, und was ist tabu?

Am besten lässt sich dies am Beispiel der Ehe aufzeigen. Die Gesellschaft bestimmt über die Form der Ehe und auch darüber, ob es als angesehen gilt, außerehelichen sexuellen Kontakte zu haben. Auf der einen Seite ist Sexualität höchst intim, auf der anderen Seite stehen sexuelle Verhaltensweisen im Kontext mit geltenden gesellschaftlichen Normen.

Für den Menschen bedeutet Sexualität “sich fallen zu lassen”, “geliebt zu werden” und “geborgen zu fühlen”. So kann nicht nur von einer biologischen Funktion gesprochen werden, denn Sexualität bezieht sich auf die Gefühle des Menschen und auf das Miteinander zwischen ihnen. Die Beziehungspflege, die Kommunikation und die Liebe spielen eine entscheidende Rolle[6]. Menschen fühlen in unterschiedlicher Stärke das Zusammenspiel von körperlicher Lust, Erotik, Leidenschaft und Liebe, verbunden mit Spannungen und Widersprüchen. [7] Zusammenfassen möchte ich den Definitionsversuch mit einer Erklärung nach Uwe Sielert, was Sexualität bedeutet:

Sexualität kann begriffen werden als allgemeine Lebensenergie, die sich des Körpers bedient, aus vielfältigen Quellen gespeist wird, ganz unterschiedliche Ausdrucksformen kennt und in unterschiedlichster Hinsicht sinnvoll ist.” [8]

Was sind die Quellen, aus denen Sexualität gespeist wird? Woraus entsteht sexuelles Verlangen?

In verschiedenen Theorien wird davon ausgegangen, dass Sexualität aus dem Geschlechtstrieb und aus der sexuellen Motivation heraus entsteht. In der Theorie, dass Sexualität aus dem Geschlechtstrieb heraus entsteht, wird nur die biologische Seite betrachtet und in der Theorie, dass Sexualität aus der sexuellen Motivation entsteht, werden nur soziologische Punkte verfolgt. Durchaus ist es sinnvoll, aus beiden Theorien das Beste herauszuziehen, denn Sexualität ist sowohl durch den Geschlechtstrieb als auch durch die sexuellen Beweggründe geprägt.[9]

1.2 Die Aspekte/ Funktionen der Sexualität

Die Funktion der Sexualität in unserer heutigen Gesellschaft lässt sich nicht mehr klar bestimmen. Unsere Gesellschaft verändert sich rasant schnell und damit auch die Normen über Paarbeziehungen, Familien, Geschlechteridentitäten und Moralvorstellungen. Die Funktion der Sexualität ist abhängig vom Alter des Menschen. Denn in jeder Altersphase erlebt der Mensch die Sexualität anders und aus unterschiedlichen Motivationen heraus.[10] So erlebt ein Kind seine Sexualität nicht bewusst sexuell und ein Jugendlicher/eine Jugendliche nicht aus der Motivation heraus, ein Kind zu zeugen.

Auf der Suche nach dem Sinn der Sexualität können fünf erklärende Aspekte gefunden werden:

1. Jeder Mensch strebt danach, sich selbst zu finden und über sein Leben eigenständig zu entscheiden. Demnach sucht der Mensch nach einer Identität. In der Sexualität kann die Selbstbestätigung und Selbstfindung durch ein Geben und Nehmen zum Ausdruck kommen, um sich selbst zu lieben und geliebt zu werden.
2. Ein Mensch strebt in seinem Leben danach, Beziehungen zu einem anderen Menschen einzugehen, um Nähe und Geborgenheit zu empfangen. Der sexuelle Kontakt kann dies ermöglichen, denn der Geschlechtsverkehr vermittelt Nähe und Geborgenheit.
3.Der Lustaspekt dient in der Sexualität als Kraftquelle. Durch ihn kann neuer Lebensmut gefasst werden.
4. Sexualität hat auch ihren Sinn in der Fruchtbarkeit eines Menschen, um Leben zu spenden.
5. Der Kommunikationsaspekt dient in der Sexualität dazu, über eigene Wünsche und Bedürfnisse zu sprechen, und diese auch geltend zu machen.

Diese fünf Aspekte können nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sondern müssen in Einklang miteinander stehen.[11] Nur dann kann eine erfüllende Sexualität gelingen.

Ich möchte versuchen, diesen Punkt anhand eines Beispiels zu erklären. Wenn ein Mensch nur aus dem Grund der Lust mit einem Menschen eine sexuelle Beziehung eingeht, werden Probleme mit dem Partner/ der Partnerin entstehen. Denn kein Mensch möchte auf lange Sicht nur zur Befriedigung des Partners zur Verfügung stehen. Daran erkennt man, dass Sexualität in den meisten Fällen die fünf Aspekte miteinander verbindet. Natürlich kommt es in jeder Altersphase vor, dass ein Aspekt dominiert. Wenn ein Jugendlicher/ eine Jugendliche die ersten sexuellen Kontakte eingeht, dann wird der Identitätsaspekt im Vordergrund stehen, denn dieser ermöglicht die Neugierde und das Interesse am anderen Körper, und er kann die Frage nach der Bedeutung des eigenen Körpers klären. Inwiefern sich die einzelnen Aspekte entwickeln, und auch in welcher Intensität sie empfunden werden, hängt von der Entwicklung eines Menschen ab und von den erlaubten Erfahrungen, welche er machen kann.[12] Das Verhältnis der fünf Sinnesaspekte wird die “dynamische Balance” genannt. Im Laufe des Lebens kann es durchaus vorkommen, dass die Balance durch unerfüllte Liebessehnsucht und isoliertes Lustempfinden aus dem Gleichgewicht gerät. Dabei treten einzelne Aspekte in den Vordergrund, jedoch ist der Mensch auch auf der Suche nach Ganzheit und wird versuchen, die Aspekte wieder in Einklang zu bringen. Wie ich bereits oben erwähnte, spielt in der Jugendphase vorrangig der Identitätsaspekt eine Rolle. Im Laufe der Entwicklung wird der Jugendliche/ die Jugendliche versuchen, die anderen Aspekte miteinander in Einklang zu bringen. Um Nähe und Geborgenheit zu empfinden, sucht der Jugendliche / die Jugendliche nach einer Beziehung.

1.3 Die Sexualforschung

Die Sexualforschung bedeutet die Untersuchung der Sexualfunktion und des Sexualverhaltens. Ihre Geschichte beginnt im Altertum. Die griechischen Philosophen Platon und Aristoteles beobachteten die Ursachen von Homosexualität. Hippokrates erforschte die menschliche Sexualität und die Funktionen der Geschlechtsorgane. Durch den Fall des Römischen Reiches gingen wichtige Erkenntnisse verloren. Erst wieder in der Renaissance wurde Interesse am menschlichen Körper gezeigt. Bis dahin wurde, um die menschliche Sexualität und die Funktion der Geschlechtsorgane zu verstehen, geforscht. Durch Studien über die Auswirkungen der Masturbation ging diese Entwicklung jedoch im 18. Jahrhundert zurück. Es wurde davon ausgegangen, dass Masturbation schädigen würde. Denn durch den ständigen Samenverlust würde der Körper geschwächt, und dies könnte zum Tode führen.[13]

Jedoch beginnt die eigentliche Sexualforschung erst im 19. Jahrhundert. Die ersten Sexualforscher genossen wenig Anerkennung und öffentliches Ansehen. Heute verdanken wir den Erkenntnissen von damals einen allumfassenden Wissenstand über die Sexualität des Menschen. Jedoch bedeutet Sexualität mehr als nur Körperlichkeit, und dieses Gebiet ist zu wenig erforscht.

Nach einigen Sexualforschern wäre es sinnvoll, den Kinsey Report in der heutigen Zeit zu wiederholen. Der Kinsey-Report von Alfred C. Kinsey basiert auf 6000 Interviews mit weißen Amerikanerinnen. Dieses Buch vermittelt, dass Frauen sexuell sind. Das Werk entstand in den 50er Jahren in den USA. Mit seiner Hilfe könnten Probleme in der sexuellen Anpassung, wie sexuelle Straftaten, ermittelt werden. Leider existieren nicht ausreichende Kenntnisse über die Transsexualität und weibliche Homosexualität. Oft wird weibliche Homosexualität mit Ratlosigkeit und Verwirrung behandelt. Sexualität ist ein allumfassendes Thema und ein Aspekt der Gesamtpersönlichkeit eines Menschen. Das bedeutet, in der Sexualforschung darf nicht nur nach der Funktion der Geschlechtsorgane und dem sexuellen Verhalten geschaut werden, sondern sie muss den ganzen Menschen sehen mit all seinen Eigenschaften und Verhaltensweisen, ganz gleich, ob diese als normal gelten. Erst dann ist eine umfassende Sexualforschung möglich und auch eine eindeutige Definition des Begriffs “Sexualität”.[15]

1.4 Sexualität im Islam

Die Geschichte des Islam reicht bis ins frühe 7. Jahrhundert nach Christus und gehört zu den jüngsten Weltreligionen. Der Begründer Mohammed wurde von der jüdischen Glaubensauffassung beeinflusst. Die Heilige Schrift des Islam - der Koran- folgt ähnlichen Moralvorstellungen, wie in der jüdisch-christlichen Tradition. Zeitlich begrenzte Ehen und einige Formen der Polygamie sind erlaubt. Kaum eine sexuelle Handlung gilt als Sünde, wenn sie in der Ehe stattfindet. In den meisten islamischen Ländern ist die Empfängnisverhütung verboten, da ein Bevölkerungswachstum erwünscht ist. Jedoch ist es möglich, einen Ehebruch oder vorehelichen Geschlechtsverkehr moslemischer Frauen zu bestrafen.[16]

Die Sexualität im Islam ist an Traditionen gebunden, die nur schwer aufzulösen sind.

Im Zentrum der Ehe steht die Fortpflanzung als Ziel des Geschlechtsverkehrs. Des Weiteren hat die Ehe die Funktion, den Geschlechtstrieb der Männer gegenüber anderen Frauen einzudämmen, und die Ehefrauen vor sexuellen Übergriffen zu bewahren.[17] Die Sexualität hat innerhalb der Ehe eine grol3e Bedeutung. Sie bedeutet im Islam die Vorstufe zum Paradies. Man geht davon aus, dass die Freuden der Sexualität erlebt werden müssen, um einen Vorgeschmack dafür zu erhalten, was nach dem Tod kommt. In der Ehe gehen sexuelle Verhaltensweisen in erster Linie von dem Mann aus. Der Mann hat mit der Heirat das Recht der Sexualität und Gebärfähigkeit der Frau erworben. Doch auch die Pflicht, für die Familie wirtschaftlich zu sorgen.[18] Häufig wird darüber spekuliert, dass die Frau in der islamischen Ehe kaum Rechte besitzt und sich dem Mann fügen muss. Um dies zu hinterfragen, möchte ich einen Exkurs in die innerfamiliäre Struktur der Familie geben. Der Mann hat innerhalb der Familie eine höhere Stellung, damit ist seine Führungsrolle in der Gesellschaft gesichert. Doch nicht nur das Geschlecht ist für die Stellung in der Familie entscheidend, sondern auch das relative Alter. Der Begriff des relativen Alters ist dabei bewusst gewählt, denn nicht das kalendarische Alter ist entscheidend. Das relative Alter bedeutet, welche Stellung die jeweilige Person in der Familie geniel3t. In der traditionellen türkischen Familie entscheidet der älteste Mann über wichtige Angelegenheiten, es kommt selten vor, dass die Frau mit dem Mann über alle Belange reden kann.[19]

Die Beziehung zwischen zwei Eheleuten ist stark durch die Familie geprägt und verliert damit auch Privatsphäre. Die Ehe wird vielmehr als Verbindung zweier Familien gesehen. Daran lässt sich gut erkennen, dass die Stellung der Frau in der islamischen Ehe oft die hinter dem Mann ist. Die Sexualität im Islam lässt sich nicht eindeutig bewerten. Zusammenfassend würde ich sagen, dass sie von beiden Menschen ausgehen muss und auf Freiwilligkeit basieren sollte. Ich habe aufgezeigt, dass Sexualität viel mehr ist als nur Körperlichkeit. Wenn Sexualität jedoch, wie im Islam, nur auf Fortpflanzung ausgelegt ist, kann sie keinen anderen Sinn als die Körperlichkeit verfolgen. Des Weiteren bin ich der Meinung, dass sich das auch im Sexualverhalten widerspiegelt, wenn eine Frau nicht gleichberechtigt ist und hinter dem Mann steht oder nicht die gleichen Rechte wie der Mann besitzt. Nicht nur der Mann dominiert das sexuelle Verhalten, sondern beide Partner sind gleichberechtigt.

Im Islam sind sexuelle Gespräche, die zur Aufklärung der Jugendlichen beitragen, tabu.

Das Tabuisieren sexueller und körperlicher Themen beginnt bei den Mädchen bereits beim Einsetzen der ersten Menstruationsblutung. Oftmals wird beim ersten Auftreten behauptet, die Mädchen seien krank, und Menstruationsbeschwerden seien ein negatives Signal.[20] Die Eltern sehen sich nicht in der Verantwortung, mit ihrer Tochter über die körperlichen Veränderungen zu sprechen. Denn ein Mädchen darf vor der Ehe keine sexuellen Kontakte haben, und so besteht von Seiten der Eltern auch kein Aufklärungsbedarf. Die Angst vor dem Sprechen über die Sexualität ist sicher kein kulturelles Problem, jedoch wird es im Islam auch nicht durch aufklärenden Schulunterricht gelöst. Das Thema wird weitestgehend vermieden. Allerdings entwickelt sich jeder Mensch sexuell. Durch die fehlende Aufklärung haben viele Moslime Probleme im Bezug darauf, dass sich ihre Geschlechterrollen verändern. Sie haben Angst, über ihre Sexualität frei zu sprechen, und dass bei ihnen psycho- sexuelle Funktionsstörungen auftreten können.[21]

Große Probleme für Schülerinnen mit Migrationshintergrund entstehen in deutschen Schulen. Ich habe es oft in sexualpädagogischen Aufklärungsstunden miterlebt, dass Schülerinnen aus dem Islam nicht an der Stunde teilnehmen durften. Das empfand ich als problematisch, denn ein Mensch muss über die Funktion seines Körpers Bescheid wissen. Durch dieses fehlende Wissen über den eigenen Körper haben Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund oftmals Probleme, ihre körperlichen und seelischen Bedürfnisse in Einklang zu bringen. Gerade türkische Mädchen in Deutschland stehen oft in einem inneren Konflikt, denn sie leben zwischen der sexuellen Selbstbestimmung von deutschen Jugendlichen und der Kontrolle ihrer Familie. Bis zur Pubertät dürfen Mädchen und Jungen zusammen auftreten, danach werden Kontakte zu Jungen weitestgehend unterbunden. [22]

Gerade für die Sexualpädagogik ist dieses Wissen über das Moralverständnis der Sexualität anderer Kulturen unerlässlich. Sexualität ist ein sensibles Thema und immer mit Scham verbunden. Und darauf sollte bei jedem Menschen Rücksicht genommen werden, besonders bei Menschen mit Migrationshintergrund.

2. Die Sexualpädagogik

2.1 Begriffliche Erklärung der Sexualpädagogik

Die Sexualpädagogik wird als eine Aspektdiziplin der Pädagogik verstanden. Sie erforscht die sexuelle Sozialisation und die zweckbestimmte erzieherische Einflussnahme auf die Sexualität des Menschen und reflektiert diese. Sexualpädagogik bezieht sich auf alle Lebensbereiche, auch auf die Lebenswelt von Erwachsenen und älter werdenden Menschen. In der Sexualpädagogik wird oft Bezug auf die Erziehungswissenschaft genommen. Sexualpädagogik ist mehr als nur Aufklärung, sie unterstützt Kinder und Jugendliche darin, Sexualität als einen Bestandteil ihrer Persönlichkeit zu entdecken und zu entfalten.[23]

Die Sexualerziehung ist die Praxis der Sexualpädagogik und nimmt kontinuierlich Einfluss auf die Entwicklung von sexuellen Motivationen, Ausdrucks- und Verhaltensformen. Sie schaut auf die Einstellungs- und Sinnaspekte der Sexualität von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.[24]

2.1.1 Sexualpädagogische Richtungen

Wenn von sexualpädagogischen Richtungen die Rede ist, kann vereinfacht von 4

Hauptrichtungen die Rede sein. Auf diese möchte ich nachfolgend eingehen.

2.1.1.1 Die traditionell-repressive Sexualpädagogik

Diese Richtung bezieht sich auf traditionelle Werte der christlichen Orientierung, welche von der katholischen Kirche vertreten werden. Die Funktion der Sexualität wird in dieser Richtung allein auf die Fortpflanzung gerichtet und hat nur in der Ehe stattzufinden. Sexualität stellt einen gefährlichen Trieb dar, welcher durch Instinkte im Menschen abläuft. Sie wird als eine Naturgewalt verstanden, die es zu bändigen gilt. Die Verhaltensweisen des Mannes und der Frau sind von Natur aus vorgeschrieben. Vereinfacht gesagt, nimmt die Frau die passive Stellung ein und der Mann die aktive Stellung. Das Kind muss durch strenge Vorschriften und starre Moralvorstellungen von seiner eigenen Sexualität abgelenkt werden. Sexualität wird nur biologisch ohne gesellschaftliche Zusammenhänge betrachtet. In der Sexualpädagogik wird dabei das sexuelle Verhalten von Kindern und Jugendlichen nicht beachtet, vor der Ehe wird es als Thema vermieden und bereits in der frühkindlichen Sexualentwicklung bestraft.

Ein brisantes Thema dieser Richtung ist die Unterbindung der Onanie. Es wird davon ausgegangen, dass Selbstbefriedigung schädlich ist. Die Kontrolle geht so weit, dass dem Jugendlichen nachspioniert wird, und er nach körperlichen Malen abgesucht wird. Auch Homosexualität und Bisexualität werden verboten. Einziges Ziel der Sexualpädagogik dieser Richtung ist es, eine Erziehung zur Ehe-und Familienfähigkeit zu bezwecken. In Institutionen darf keine Sexualpädagogik stattfinden, da sie die Kinder/Jugendlichen verführen würde.

Wenn Sexualität ab frühester Kindheit verboten wird, kann sich das Problem entwickeln, dass das sexuelle Verhalten als eigene Schuld und ein Verbot angesehen werden. Das steht einer selbstbestimmten sexuellen Entwicklung und einer positive Bejahung des eigenen Körpers entgegen. Denn sowohl das Selbsterkunden des eigenen Körpers als auch das Kennenlernen des anderen Geschlechts ist Privatsache, und diese Erfahrungen müssen von Kindern gemacht werden ohne Verbote und Kontrolle.[25]

2.1.1.2 Die politisch-emanzipatorische Sexualpädagogik

Sie entstand in den späten 60er Jahren als Weiterführung auf die Schüler-und Studentenrevolte. Ziel war es, sich gegen die bis dahin herrschenden Regeln der sexualfeindlichen repressiven Erziehung aufzulehnen und sich aus gesellschaftlichen und familiären Zwängen zu befreien. Bis dahin wurde Sexualität nicht als Identitätsfindung angesehen.[26] Der Mensch sollte sich von der traditionellen Doppelmoral befreien, welche auf der einen Seite die Beherrschung des Triebes in der Öffentlichkeit forderte, und auf der anderen Seite im Privatbereich die Freizügigkeit auslebte.

Hauptziel der politisch-emanzipatorischen Sexualpädagogik ist, dass Sexualität durch die Kultur, Erziehung, Umwelt und Gesellschaft geprägt wird, und dass der Mensch sich sexuell und gesellschaftlich befreit.[27] Durch den Abbau von Geschlechterstereotypen soll es dem Menschen ermöglicht werden, sich selber zu finden und eine lustvolle Sexualität zu erleben. Der Mensch kann sich nur dadurch auf eine gleichberechtigte Partnerschaft einlassen.[28] Das heißt, dass auch der soziale Wert der Sexualität mit in die Sexualpädagogik eingeflossen ist. Ein weiteres Ziel ist Anerkennung von verschiedenen Lebens- und Sexualformen, wie Homo,- Hetero- und Bisexualität. Diese sexuellen Orientierung galten bis dahin als verpönt.[29]

2.1.1.3 Die individuelle-emanzipatorische Sexualpädagogik

Diese Richtung stellt, anders als bei der politisch-emanzipatorischen Sexualpädagogik, nur das Individuum in den Mittelpunkt. Sie basiert jedoch auf den selben Grundsätzen. Ziel ist es, die Mängel der politisch emanzipatorischen Richtung aufzuzeigen und zu beheben, insbesondere der zu gering berücksichtigte Faktor des körperlich emotionalen Aspektes.[30] Im Zentrum der Überlegungen steht die Einbeziehung der individuellen Erfahrungen der Sexualität. Es sollen dabei alle Lebensphasen unter dem Blickwinkel der körperlichen, geistigen, sozialen und kulturellen Aspekte mit einbezogen werden. Sexualität muss, um als individueller Prozess verstanden zu werden, Teil des menschlichen Lebens sein. Jedoch wird die Sexualität nicht nur positiv, sondern auch mit negativen Aspekten, wie Schmerz, Leid sowie identitäts-und beziehungszerstörend, gesehen. Sexuelle Verhaltensweisen gelten als erlernbar, aus diesem Grund müssen Institutionen dazu beitragen, eine positive Körpererfahrung zu vermitteln. Nur dadurch kann eine sexuelle Identitätsfindung stattfinden. Durch eine positive Körpererfahrung wird das Selbstwertgefühl gestärkt und der eigene Körper akzeptiert. Die Moralvorstellung dieser Position beinhaltet, dem Partner und der eigenen Person positiv gegenüberzustehen, um eine gleichberichtigte Partnerschaft einzugehen.[31] Zusammenfassend kann gesagt werden, dass diese Richtung dazu führt, den Menschen zu befähigen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und sich gegen festgelegte Geschlechterstrukturen zu wehren, um dadurch eine Gleichberechtigung von Mann und Frau zu schaffen. Denn diese Richtung ist der Auffassung, dass gelungene Beziehungen starke Persönlichkeiten voraussetzen. Die Persönlichkeitsbildung sollte schon in der frühen Jugend stattfinden. Denn Jugendliche befinden sich in einem Individualisierungsprozess und benötigen für eine freie Entwicklung verschiedene Orientierungsmöglichkeiten der Sexualität. Diese dürfen durch Moralvorstellungen der Gesellschaft und Familie nicht eingeschränkt werden.

2.1.1.4 Die affirmativ-liberale Sexualpädagogik

Mit dieser Position wird ein Mittelweg zwischen den oben genannten Richtungen gesucht. Die Sexualität wird aus dem Gesichtspunkt gesehen, dass der Sozialisationsprozess sowie die biologischen Anlagen bestimmend sind. Es wird davon ausgegangen, dass nur durch eine Beherrschung des Sexualtriebes eine Liebesbeziehung möglich ist. Sexualität dient nicht allein nur der Fortpflanzung, aber sollte auch nur in der Ehe stattfinden und bleibt auf die Heterosexualität beschränkt. Das Ziel ist, dass die Partnerschaft an die Gesellschaft angepasst ist. Das heißt, dass jede Selbstverwirklichung hinter dem Gesellschaftsgedanken steht.[32]

[...]


[1] Sielert, 2008, S. 39.

[2] Finke, 1998, S. 18.

[3] vgl. Sielert, 2005, S. 38.

[4] ebd. S. 39.

[5] ebd. S. 42.

[6] vgl. Raithel, Dollinger, et al., 2005, S. 276.

[7] vgl. Sielert, 2005, S. 39.

[8] vgl. Sielert, 1993, S. 43.

[9] ebd. S. 44.

[10] vgl. Hornung, Buddenberg, et.al. 2004, S. 7.

[11] vgl. Sielert, 1993, S. 45.

[12] ebd. S. 52 ff.

[13] vgl. Online Buch auf: http://www2.hu-berlin.de/sexology/ATLASDE/index.html, Zugriff: 01.05.09

[14] vgl. http://www.stern.de/unterhaltung/film/537837.html, Zugriff: 03.05.09

[15] vgl. Online Buch auf: http://www2.hu-berlin.de/sexology/ATLASDE/index.html, Zugriff: 01.05.09

[16] ebd.

[17] vgl. Tworuschka, 2008, S. 189.

[18] ebd. S. 192.

[19] vgl. Schmitz, Andratschke- Solbach, 1982, S. 27.

[20] vgl. Salman,1999, S. 7ff.

[21] ebd.

[22] vgl. Sielert, 2005, S.135.

[23] ebd., S. 15.

[24] ebd.

[25] vgl. Raithel, Dollinger,et al. 2005, S. 278ff.

[26] ebd. S. 280.

[27] ebd.

[28] ebd. S. 281.

[29] ebd.

[30] ebd. S. 283.

[31] ebd.

[32] ebd. S. 282 f.

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Sexualerziehung in der Kita
Hochschule
Hochschule Magdeburg-Stendal; Standort Stendal
Note
1,8
Autor
Jahr
2009
Seiten
86
Katalognummer
V137125
ISBN (eBook)
9783640443963
ISBN (Buch)
9783640443666
Dateigröße
922 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sexualerziehung, Kita
Arbeit zitieren
Antje Treptow (Autor:in), 2009, Sexualerziehung in der Kita, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137125

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