Generationenpolitik

Leitideen und Handlungsfelder


Hausarbeit, 2004

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Leitideen der Generationenpolitik
1.1. Gerechtigkeit.
1.1.1 Die Theorie der Generationengerechtigkeit von Rawls
Exkurs: Generationenvertrag
1.2 Verantwortung
1.2.1 Hans Jonas Theorie der Verantwortung für die zukünftigen Generationen

2. Handlungsfelder einer Generationenpolitik
2.1 Alterspolitik
2.1.1 Traditionelle Alterssicherung am Beispiel der deutschen Renten
2.1.2 Neue Alterspolitik
2.2 Familienpolitik
2.3 Bildungspolitik
Exkurs: Modell familialer Bildungsleistungen
2.4 Kinderpolitik

3. Resümee

4. Literatur

Einleitung

Bei dem Thema Generationenpolitik gilt es die Generationenverhältnisse auf der Ebene von Staat und Wirtschaft zu betrachten[1]. Es sind die Regeln und Rahmenbedingungen zu analysieren, die durch die soziale Ordnung vorgegeben werden. Allgemein kann man bei dieser eher politischen Perspektive der Generationenverhältnisse mit einem höheren Niveau der Reflexion und Analyse rechnen als es bei Generationsbeziehungen z.B. in der Familie der Fall ist, da der politische Akteur seine Handlungen begründen und legitimieren muss und so dem Druck der Öffentlichkeit ausgesetzt ist. Zuerst werde ich die grundlegenden Leitideen der Generationenpolitik erläutern.

1. Leitideen der Generationenpolitik

Heutzutage kann man schon von einer allgemeinen Krise sprechen, wenn man die deutschen Systeme zur sozialen Sicherung betrachtet. Dies ist Grund und Anlass über Möglichkeiten und Grenzen der politischen Gestaltung von Generationsverhältnissen nachzudenken. Dazu ist nötig, dass man zuerst die zentralen Prämissen bzw. die grundlegenden Prinzipien näher betrachtet. Diese werden maßgeblich durch die soziale Ethik bestimmt.

1.1. Gerechtigkeit.

Im Zentrum der Diskussion um den Begriff der Gerechtigkeit stehen die „naturgegebenen Unterschiede und die sozial bedingten Ungleichheiten sowie Bedürfnis- und Interessenkonflikte zwischen Menschen“[2]. Wenn nun Gerechtigkeit als Leitidee formuliert werden soll, bedeutet das nichts anderes als die Suche nach Prinzipien, die diese Unterschiede in Beziehung zueinander setzen und eventuell versuchen zu kompensieren. Beispiele dafür sind der soziale Rechtsstaat, der Sozialstaat überhaupt und die soziale Marktwirtschaft. Diese Prinzipien stehen immer in einem Spannungsverhältnis zu dem Ziel der Freiheit Einzelner, und doch ist es Ziel der Gerechtigkeit, ein Mindestmaß an Freiheit für alle zu garantieren. Gerechtigkeit hat in diesem Zusammenhang viele Dimensionen:[3]

1.1.1 Die Theorie der Generationengerechtigkeit von Rawls

Erst im 20. Jahrhundert wurde das Verhältnis zwischen Generationen Bestandteil von Gerechtigkeitstheorien, da hier die Entwicklung des Bildungs- und Sozialstaats das Problembewusstsein überhaupt erst aufwarf. Vorher waren Individuen, soziale Gruppen wie Klassen und Geschlechter im Fokus der Theorien.

Die bedeutendste Theorie, die Generationenverhältnisse unter dem Aspekt der Gerechtigkeit problematisiert, wurde von dem amerikanischen Philosophen John Rawls entwickelt. Er sieht die Sorge um die Zukunft der nächsten Generation als „sittliche Aufgabe“[4] an, und daraus folgt, dass ältere Generationen sparen müssen, damit der nachwachsenden Generation der Zugang zu öffentlichen Gütern möglich ist. Unter öffentlichen Gütern versteht man z.B. Investitionen in Maschinen (Sachkapital) und Bildung (Humankapital) sowie in dauerhafte und allgemein zugängliche Institutionen (wie z.B. das Gesundheitswesen)[5]. Der erwähnte Spargrundsatz ist gerecht, da er die Bedürfnisse der nächsten Generation berücksichtigt bzw. die benötigten Rahmenbedingungen sichert. Hier klingt bereits eine Vorstellung von einem so genannten Generationenvertrag oder einem allgemeinen Gesellschaftsvertrag an.

Exkurs: Generationenvertrag

In der aktuellen Diskussion fällt immer wieder der Begriff des Generationenvertrages. Es ist dabei die Frage nach dem Rechtscharakter dieses Vertrages zu stellen: Ingo Richter[6] konfrontiert die Merkmale des Generationenvertrages mit einem juristischen Verständnis des Vertragsbegriffes und kommt zu dem Schluss, dass diese beiden Begriffe „gar nichts, und zwar überhaupt nichts (miteinander) zu tun“[7] haben. Die Kombinierung mit Vertrag soll hier anscheinend eine suggestive Wirkung besitzen, die freiwillige Leistungsbereitschaft, Wechselbezüglichkeit und definitive Generationen als gegeben erscheinen lässt. Daraus lässt sich keinesfalls eine Legitimation des Sozialversicherungssystems ableiten, der Begriff kann höchstens als Beitrag zu dieser gelten.

Thomas Rauschenbach systematisiert die Aufgabenfelder eines Drei-Generationenvertrages aus der Sicht der mittleren Generation wie folgt[8]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Rawls gibt zwei Gerechtigkeitsgrundsätze für Institutionen an:

Erster Grundsatz

Jedermann hat gleiches Recht auf das umfangreiche Gesamtsystem gleicher Grundfreiheiten, das für alle möglich ist.

Zweiter Grundsatz

Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten müssen folgendermaßen beschaffen sein: (a) sie müssen unter der Einschränkung des gerechten Spargrundsatzes den am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil bringen, und (b) sie müssen mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die allen gemäß fairer Chancengleichheit offenstehen.“[9]

Die Annahme nun, dass Gesellschaftsmitglieder diesen Grundsätzen folgen, beruht auf zwei Prämissen: 1. Die Betroffenen haben Interesse an der folgenden Generation und 2. die genannten Grundsätze hätten sie sich für sich als nachwachsende Generation gewünscht.[10] Rawls ergänzt diese Grundsätze noch durch Regeln, die den grundsätzlichen Vorrang der Freiheit und den Vorrang der Gerechtigkeit vor Leistungsfähigkeit und Nutzenmaximierung betonen.[11]

Der Spargrundsatz ist eine Übereinkunft zwischen den Generationen bezüglich der Aufteilung der Lasten, die aus der Einrichtung und Erhaltung gerechter Institutionen entstehen. Um die Motive, die zu einer Festlegung der Sparrate führen, zu verdeutlichen, greift Rawls auf die Ebene der Generationsbeziehungen zurück und erklärt, dass eine faire Rate zu Stande kommt, wenn man sich in die Rolle des Vaters versetzt und überlegt, wie viel man für seine Söhne und Enkel sparen könnte, und indem man sich vergegenwärtigt, wie viel man seinem Vater und seinen Großvätern zumuten könnte, das sie für einen selbst gespart hätten[12]. Dieser so entstandene gerechte Spargrundsatz verkörpert eine ethische Überzeugung, die die Gerechtigkeit zwischen Menschen definiert, die zu verschiedenen Zeiten leben. Aufgrund dieser natürlichen Sachlage ist für Rawls klar, dass wirtschaftliche Vorteile nur von der älteren Generation zur jüngeren fließen, und das dies kein Gerechtigkeitsproblem darstellt[13].

Wenn man dies nun auf die Realität überträgt, werden folgende Probleme deutlich[14]:

- Nach dem zweiten Grundsatz müsste man die heutige Umverteilungstendenz aufhalten und rückgängig machen.
- Heute konkurrieren ältere und jüngere Generationen um
Sozialleistungen. Rawls berücksichtigte diesen Umstand nicht.
- Rawls geht von einer kontinuierlichen Entwicklung des

Wohlstands- bzw. Wohlfahrtsniveaus aus.

[...]


[1] Es wird in der politischen Debatte eher die Makroperspektive als die Mikroperspektive

(Generationsbeziehungen) angesprochen, siehe z.B. Alterspolitik.

[2] Lüscher, K., Liegle, L, Generationenbeziehungen in Familie und Gesellschaft. Konstanz 2003, 203.

[3] Lampert H., Generationengerechtigkeit in politischen Debatten. Anspruch, Wirklichkeit, Vision. In: Freese, G. (Hrsg.): Die Zukunft der Zusammenarbeit zwischen den Generationen. Dokumentation einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum vom 16. bis 18. Oktober 2000. Rehberg-Loccum: Evangelische Akademie Loccum 2001.

[4] Lüscher, K., Liegle, L, Generationenbeziehungen in Familie und Gesellschaft. Konstanz 2003, 204.

[5] Vgl. Rawls, J., Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt am Main 1979, 320.

[6] Richter, I., Ist der sogenannte Generationenvertrag ein Vertrag im Rechtssinne? In: Liebau, E. (Hrsg.), Das Generationenverhältnis. Weinheim/München 1997

[7] Richter, I., Ist der sogenannte Generationenvertrag ein Vertrag im Rechtssinne?, 82.

[8] Rauschenbach, T., Der neue Generationenvertrag. In: Benner, D./Lenzen, D. (Hrsg): Bildung und Erziehung in Europa, Beiträge zum 14. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft vom 14.-16. März 1994 in der Universität Dortmund. Weinheim 1994, 169

[9] Rawls, J., Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt am Main 1979, 336.

[10] Vgl. Rawls, J., Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt am Main 1979, 323.

[11] Vgl. Rawls, J., Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt am Main 1979, 336/337.

[12] Vgl. Rawls, J., Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt am Main 1979, 324

[13] Vgl. Rawls, J., Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt am Main 1979, 322.

[14] Vgl. Lüscher, K., Liegle, L, Generationenbeziehungen. Konstanz 2003, 206.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Generationenpolitik
Untertitel
Leitideen und Handlungsfelder
Hochschule
Universität Siegen
Veranstaltung
Seminar "Generationenbeziehungen in Familie und Gesellschaft"
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V135611
ISBN (eBook)
9783640441983
ISBN (Buch)
9783640442041
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Generationenpolitik, Leitideen, Handlungsfelder
Arbeit zitieren
Christian Hoffmann (Autor:in), 2004, Generationenpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135611

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