Geschlechterverhältnisse in der Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Die Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis

2 Quellenlage

3 Perpetua
3.1 Die Tochter
3.1.1 Perpetuas Verhältnis zur Mutter
3.1.2 Perpetua und ihr Vater
3.1.2.1 Erste Begegnung mit dem Vater
3.1.2.2 Zweite Begegnung mit dem Vater
3.1.2.3 Dritte Begegnung mit dem Vater
3.1.2.4 Vierte Begegnung mit dem Vater
3.1.2.5 Die Figur des Vaters in Perpetuas Visionen
3.2 Die Schwester
3.2.1 Die zwei Brüder Perpetuas
3.2.2 Dinocrates
3.3 Die Mutter
3.4 Die Ehefrau
3.5 Die Christin

4 Felicitas

5 Perpetua und Felicitas: Der Umgang mit Weiblichkeit in der Arena

6 Resümee

7 Quellenverzeichnis

8 Literaturverzeichnis

1 Die Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis

Die Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis (im Folgenden: Passio) erzählt die Geschichte einer Gruppe von Christen, Vibia Perpetua, Revocatus, Felicitas, Saturninus, Secundulus und Saturus, die wegen ihres Glaubens zum Tod durch Tiere verurteilt wurden. Dieses Todesurteil wurde am siebten März 203 nach Christus, am Geburtstag Getas, des Sohnes Kaisers Septimius Severus, in Karthago vollstreckt. Dabei steht in der 21 Kapitel umfassenden Passio, nach einleitenden Worten des unbekannten Redaktors (Kapitel 1-2), das Tagebuch der Römerin Vibia Perpetua[1] im Mittelpunkt (Kapitel 3-10), das sie während ihrer Haft verfasste.

Die junge Frau, die aus einem vornehmen Haus stammt und klassisch gebildet, wie auch standesgemäß verheiratet ist, berichtet in ihren Aufzeichnungen überwiegend von ihren Auseinandersetzungen mit ihrem Vater und erzählt ihre Visionen nach, die sie während der Haft empfängt. Aber auch ihre Konfrontation mit dem nahenden Tod und ihre Ängste und Sorgen um ihren Sohn – er ist noch ein Säugling – und um ihre Familie werden von ihr thematisiert. Zudem berichtet sie von ihrer Taufe im Gefängnis, denn zum Zeitpunkt der Verhaftung sind die Christen noch im Katechumenenstand.

Den zweiten Teil der Passio bilden die Aufzeichnungen eines weiteren Häftlings – Saturus – der sich den Behörden nach der Verhaftung der anderen freiwillig stellt (Kapitel 11-13). In der von ihm aufgezeichneten Vision verarbeitet er, wie zuvor Perpetua, das kommende Martyrium.

Daran anschließend berichtet der Redaktor von einer zweiten weiblichen Gefangenen namens Felicitas (Kapitel 15). Sie ist zum Zeitpunkt der Gefangennahme im achten Monat schwanger und bangt, da Schwangere nach römischem Recht nicht hingerichtet werden dürfen, nicht mit ihren Freunden, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, hingerichtet zu werden. Doch zwei Tage vor der Hinrichtung gebiert sie ein Mädchen.

Der Redaktor schließt mit dem Bericht der Hinrichtung ab (Kapitel 16-21). Demnach werden die Märtyrer zuerst von den Tieren zerfleischt und erhalten anschließend, da sie den Kampf mit den Tieren überlebt haben, durch Gladiatoren mit dem Schwert den Gnadenstoß.

Fraglich ist, ob die Hinrichtung der Märtyrer einen Teil einer reichsweiten Christenverfolgung darstellte.[2] Einerseits wird der zu dieser Zeit regierende Kaiser Septimius Severus als den Christen gewogen dargestellt, andererseits soll er im Jahre 202 den Übertritt zum Christentum verboten haben, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern.[3] Unbestritten indessen ist, dass es zu Beginn des dritten Jahrhunderts besonders in Karthago und Alexandria zu zahlreichen Ausschreitungen kam, in dessen Rahmen viele Märtyrer hingerichtet wurden.[4]

Ein besonders interessanter Aspekt bei der Betrachtung der Passio ist die Darstellung der Geschlechterverhältnisse. Denn zu einer Zeit, in der Frauen überwiegend schwiegen, ist die schriftliche Äußerung einer Frau eine Seltenheit.[5] Doch die Passio enthält die frühste Autobiographie einer Frau.[6] Was veranlasste Perpetua, dieses Dokument zu verfassen? Es ist weiterhin zu untersuchen, wie Perpetua Autoritäten und ihrer Familie entgegentrat, wie sie Konflikte löste und wie mit ihr, mit anderen weiblichen Gefangenen und mit schwangeren Inhaftierten im antiken Karthago verfahren wurde. Ein weiterer Aspekt, der zu untersuchen ist, ist Perpetuas Leben als Christin. Was bedeutete für sie der Glaube, welche Opfer erbrachte sie dafür und wie lebte sie ihn aus? Viele dieser und weitere Aspekte sollen anhand der Passio bezüglich der Geschlechterverhältnisse untersucht werden. Bei der Betrachtung ist in diesem Zusammenhang immer zu bedenken, dass man alles der damaligen Zeit gemäß und nicht nach heutigen Werten und Normen bewerten darf.

2 Quellenlage

Die Passio wird im Allgemeinen von Historikern als echt anerkannt.[7] Sie besteht aus den oben genannten vier Teilen (Redaktor – Perpetua – Saturus – Redaktor). Wer der Redaktor war, der den ersten und letzten Teil schrieb, ist unbekannt. Er lehnt sich an Perpetuas Worte, wer willens sei, möge das, was bei den Spielen geschehe, aufschreiben, an und beschreibt den Vorgang des Martyriums.[8] Es ist durchaus möglich, dass es sich um einen Augenzeugen handelte, sicher ist dies jedoch nicht.[9] Zahlreichen Vermutungen zufolge handelt es sich bei dem Unbekannten um Tertullian, dessen Stil der Passio entspreche.[10] Beweise hierfür gibt es allerdings nicht. Wann genau die Passio verfasst wurde, ist ebenfalls nicht bekannt.[11] Es wird allerdings vermutet, dass sie bereits wenige Jahre nach den Ereignissen entstand.[12]

Die Passio wurde in Latein verfasst. Perpetuas Sprache in ihrem Tagebuch ist bezüglich der Syntax in einem recht einfachen Latein gehalten. Es handelt sich um eine Aneinanderreihung von Einzelereignissen, die durch et und tunc miteinander verbunden werden. Somit entspricht die Syntax nicht der einer Römerin aus Karthago, deren vornehme Erziehung und Bildung betont wird.[13] Dennoch ist Perpetuas Sprache und Stil sehr anspruchsvoll, besonders durch die vielen griechischen Einflüsse.[14] Der Stil des Redaktors und Saturus’ weichen von dem Perpetuas ab.[15] Während Saturus sprachlich ungewandter als Perpetua erscheint, ist nicht zu übersehen, dass der Redaktor rhetorisch geschult ist.[16] Dies verdeutlicht, dass es sich bei den drei Personen um drei verschiedene Verfasser handelte, die an der Entstehung der Passio beteiligt waren.

Seit der Veröffentlichung wenige Jahre nach der Hinrichtung der Märtyrer entfaltete die Passio eine große Wirkung.[17] So wurde sie noch im dritten Jahrhundert ins Griechische übersetzt, und prägte die afrikanische Märtyrerliteratur nachhaltig.[18] Noch bis ins Mittelalter hinein hatte sie eine große Bedeutung.[19]

3 Perpetua

Es sind nur wenig genaue Angaben über Perpetua als Person bekannt. Einige Informationen über Perpetua und ihr familiäres Umfeld erhalten wir durch den unbekannten Herausgeber der Quelle (Kapitel 2).[20] Demnach handelt es sich bei ihr zur Zeit ihrer Verhaftung um eine etwa 22 Jahre alte Frau, die aus einem vornehmen Haus stammt, klassisch gebildet und standesgemäß verheiratet ist. Zudem hat sie einen kleinen Sohn, den sie noch stillt. Ihre Eltern leben noch beide und einer ihrer zwei Brüder ist wie sie selbst Katechumene.

Besonders deutlich wird, dass Perpetua ein sehr enges und liebevolles Verhältnis zu ihren Eltern pflegte, weshalb auch immer wieder Perpetuas Sorgen und Ängste, wie auch ihre Gefühle ihrer Familie gegenüber thematisiert werden. Doch mindestens genauso wichtig wie ihre Familie ist für Perpetua der christliche Glauben, er wird ihr quasi zur zweiten Familie. Für ihren Glauben ist sie sogar bereit, ihr Leben zu opfern. Demzufolge kann ein Spannungsverhältnis zwischen ihrer leiblichen Familie und Perpetuas Hingabe für ihren Glauben beobachtet werden.

3.1 Die Tochter

3.1.1 Perpetuas Verhältnis zur Mutter

Perpetuas Mutter tritt im Tagebuch nur einmal zu Beginn auf, als sich die Gefangenen für einige Stunden in einem besseren Teil des Gefängnisses stärken dürfen (Kapitel 3.8).[21] Dort dürfen ihre Verwandten sie besuchen. Perpetua ist in Sorge um ihr Kind und bemerkt auch das Leid ihrer Familie, weshalb sie, besonders wegen ihres Kindes, das sie ihrer Mutter und ihrem Bruder anvertraut, den beiden gut zuredet. Perpetua belastet die Sorge ihrer Familie sehr. Diese Sorge um ihre Mutter lässt darauf schließen, dass Mutter und Tochter ein inniges, liebevolles Verhältnis zueinander pflegen. Weitere Belege finden sich dafür jedoch nicht.

Es ist das erste und auch das letzte Mal, dass Perpetua in ihrem Tagebuch über ihre Mutter schreibt. Dennoch ist anzunehmen, dass Perpetua noch mehrmals im Gefängnis von ihrer Mutter besucht wurde.[22] Eigens erwähnt wird dies aber nicht mehr.

3.1.2 Perpetua und ihr Vater

Gründe für die Vernachlässigung der Mutter im Tagebuch könnten in der Person des Vaters liegen. Perpetuas Verhältnis zu ihrem Vater Vibius ist vielseitig und durch die zahlreichen Streitsequenzen am klarsten nachzuzeichnen. Ihm sind zum Teil sehr ausführliche Episoden gewidmet. So beginnt auch das Tagebuch mit der ersten Begegnung der beiden nach Perpetuas Verhaftung. Auch die letzte Eintragung ins Tagebuch – mit Ausnahme der letzten Vision – ist einer Begebenheit mit dem Vater gewidmet. Das lässt den Schluss zu, dass ein Grund, weshalb Perpetua das Tagebuch verfasst – neben der Darstellung ihrer Visionen – die Auseinandersetzungen mit ihrem Vater sind, der ihren Entschluss, für den Glauben ihr Leben zu opfern, nicht verstehen kann.

[...]


[1] Vgl. Shaw, Brent, The Passion of Perpetua, in: Past and Present 139 (1993), S. 10 f.

Der Familienname Vibia Perpetuas (Vibius) lässt darauf schließen, dass Perpetua römischer Abstammung war.

[2] Vgl. Habermehl, Peter, Perpetua und der Ägypter oder das Bild des Bösen im frühen afrikanischen Christentum. Ein Versuch zur Passio sanctarum Perpetuae et Felicitatis, Berlin 1992, S. 35.

[3] Vgl. ebd.

[4] Vgl. ebd., S. 36.

Auch Saturus berichtet von weiteren Märtyrern, die im Rahmen „derselben Verfolgung“ hingerichtet wurden (Kapitel 11.9).

[5] Vgl. Alexandre, Monique, Perpetua oder das Selbstbewusstsein einer Frau, in: Schmidt Pantel, Pauline (Hrsg.), Geschichte der Frauen, Frankfurt am Main 1993, S. 530.

[6] Vgl. Berschin, Walter, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter. Band I Von der Passio Perpetua zu den Dialogi Gregors des Großen, Stuttgart 1986 (Quellen und Untersuchungen zur Lateinischen Philologie des Mittelalters, S. 49.

[7] An der Echtheit soll hier daher ohne weitere Untersuchung nicht gezweifelt werden, da dies den Rahmen der Arbeit überschreiten würde.

[8] Perpetua macht mit dieser Aussage deutlich, dass sie für Publikum schreibt. Ihr Tagebuch soll der Nachwelt überliefert werden, wahrscheinlich besonders der christlichen Gemeinde.

[9] Vgl. Habermehl, S. 187.

[10] Vgl. Berschin, S. 53.

[11] Vgl. Habermehl, S. 1.

[12] Vgl. ebd.

[13] Vgl. Berschin, S. 51.

[14] Vgl. ebd., S. 52.

Zu nennen sind beispielsweise „agon“ („Kampf“), „tegnon“ (Kind) und „horoma“ (Traum).

[15] Vgl. ebd., S. 55.

[16] Vgl. ebd.

[17] Vgl. Habermehl, S. 1.

[18] Vgl. ebd.

[19] Vgl. ebd., S. 1 f.

[20] Vgl. O.V., Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis, o.O., o.D., in: Habermehl, Peter, Perpetua und der Ägypter oder Bilder des Bösen im frühen afrikanischen Christentum. Ein Versuch zur Passio sanctarum Perpetuae et Felicitatis, Berlin 1992, S. 6-29, zitiert nach: Fros, H., Bibliotheca Hagiographica Latina antiquae et mediae aetatis. Novum Supplementum (Subsidia Hagiographica 70), Brüssel 1986 [erstmals 1898/1899], Nr. 6622, S. 6 ff.

[21] Vgl. ebd., S. 8.

[22] Vgl. Habermehl, S. 50.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Geschlechterverhältnisse in der Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Geschichts- und Kulturwissenschaften)
Veranstaltung
Geschlechterverhältnisse in der römischen Kaiserzeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V135459
ISBN (eBook)
9783640437818
ISBN (Buch)
9783640438051
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ausführliche Quelleninterpretation mit Zurhilfenahme der Sekundärliteratur
Schlagworte
Geschlechterverhältnisse, Kaiserzeit, Passio, Sanctarum, Perpetuae, Felicitatis
Arbeit zitieren
Julia Leschhorn (Autor:in), 2006, Geschlechterverhältnisse in der Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135459

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