Das Brot macht die Musik?

Eine Untersuchung der Intention dreier Strophen aus dem Unmutston Walthers von der Vogelweide


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Walther von der Vogelweide als Sangspruchdichter
2.1 Sangspruchdichtung
2.2 Walther – Person und Werk

3 Der Unmutston
3.1 Ausgewählte Strophen: L 31,13; L32,7; L 34,34

4 Interpretationsmöglichkeiten der Strophen
4.1 L 31,13 – Gut und Ehre
4.2 L 32,7 – Kunstklage II
4.3 L 34,34 – Drei-Fürsten-Preis

5 Intention Walthers
5.1 Rolle des lyrischen Ichs
5.2 Können wir die Strophen als Auftragsdichtung verstehen?

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Wer kennt ihn nicht –Walther von der Vogelweide. Obwohl seine Schaffenszeit schon so lange vorüber ist und man über ihn und seine Zeit so wenig weiß, ist er doch ein bedeutender Bestandteil des deutschen Kulturguts. Die Mediävistik ist heutzutage sicherlich nicht die populärste Wissenschaft und nur wenige Deutsche besitzen ein fundiertes Wissen über die Literatur des Mittelalters, aber zumindest den Namen Walthers kennt man und hat vielleicht auch schon den ein oder anderen bekannten Vers aus seiner Feder vernommen. Schließlich ist er wohl der bedeutendste deutschsprachige Lyriker des Mittelalters und hat zahlreiche Strophen hinterlassen, deren Interpretation wohl nie abgeschlossen sein wird, genauso wie die Waltherforschung selbst. Aber genau dies macht die Arbeit mit Walthers Werken so spannend: Sie sind Literatur und historische Quellen zugleich und übersteigen damit ihren rein künstlerischen Wert.

Wer sich mit Sangspruchdichtung auseinandersetzt, wird erst recht nicht an Walther vorbeikommen. Zwar ist er der Allgemeinheit als Minnesänger bekannt, aber er hat ebenfalls zahlreiche Sangsprüche verfasst, deren Interpretation nicht minder interessant ist. Das heißt Walther von der Vogelweide war beides zugleich: Minnesänger und Sangspruchdichter, was nicht selbstverständlich ist, für Mediävisten aber eine große Bandbreite an Kunst des Dichters bietet. Es bietet uns ebenso eine Menge an Quellen, die uns Hinweise über die Biographie Walthers und die Geschehnisse zu seiner Zeit geben. Dieser große Gehalt der Minnelieder und Sangsprüche ist das, war ihre Interpretation so interessant macht. Man kann sie deshalb in vielerlei Hinsicht auf ihre Intention und Bedeutung hinterfragen. Besonders in Walthers Strophen finden sich vielerlei Themengebiete, die auf sehr unterschiedliche Weise in Erscheinung treten und die immer wieder zu der Frage anregen, inwiefern hier bloße künstlerische Fiktion oder persönliche Reflexionen des Autors vorliegen. Gerade wenn in Walthers Strophen ein Ich spricht, was nicht selten vorkommt, möchte man nur allzu gern glauben Walther spräche von sich und seinen Lebenserfahrungen. Doch damit kommt noch eine weitere Frage ins Spiel: Inwiefern sind diese Strophen dann als Auftragsdichtung zu verstehen; konnte der Dichter mit ihnen sein Geld verdienen?

Wahrscheinlich wird man nie hinreichende Antworten auf diese Fragen finden, da wir zu wenig über die Dichter des Mittelalters wissen und nur aus ihren Liedern und Strophen lesen können. Dennoch kann die sinnvolle Analyse der Werke uns helfen ein Stück weiter in das Mittelalter und seine Sangeskunst einzutauchen.

Diese Arbeit soll deshalb versuchen anhand der näheren Betrachtungen dreier Strophen aus dem Unmutston Walthers von der Vogelweide den leitenden Fragen näher zu kommen und eine Einordnung dieser Strophen zu schaffen. Dabei soll immer der Blick auf den Autor und seine Lebensumstände gerichtet bleiben, damit der Inhalt der Strophen erschlossen werden kann. Es sollen hier deshalb zunächst Leben und Werk Walthers grob skizziert werden, bevor eine eingehende Betrachtung der Strophen stattfindet. Schließlich soll zum Schluss der Versuch gewagt werden Walthers Intentionen und die Rolle seines lyrischen Ichs zu ergründen sowie der Frage nach der Eigenschaft der Strophen als Auftragskunst nachzugehen.

2 Walther von der Vogelweide als Sangspruchdichter

Um den ausgewählten Strophen näher zu kommen, sollte zunächst verstanden werden, was der lyrische Typ der Sangspruchdichtung im Allgemeinen ist und was man heute über sine Form, Inhalte und Aufführungssituation weiß. Auch die Person Walthers von der Vogelweide muss in diesem Zusammenhang betrachtet werden, denn wie bereits erwähnt, ist bei der Interpretation mittelhochdeutscher Texte immer auch die Biographie des Autors von Bedeutung.

2.1 Sangspruchdichtung

Neben dem Minnesang, dem wohl bekanntesten Typ mittelhochdeutscher Lyrik, bestand etwa vom 12. bis 14. Jahrhundert eine weitere Form, die ihren Höhepunkt im 13. jahrhundert erlebte und die man heute als Sangspruchdichtung bezeichnet. Als eigenständige literarische Gattung wurde sie nie komplett anerkannt, sie besitzt aber eindeutige Merkmale, die sie von anderen Formen mittelhochdeutscher Literatur abgrenzt. Auch wenn die Minne als Thema des Sangspruchs nicht ausgeschlossen wird, so zeigen sich eindeutige Unterschiede zum Minnesang. (Minne-)Lied und Sangspruch unterscheiden sich vor allem im thematischen Zusammenhang der einzelnen Strophen. Einstrophige (Minne-)Lieder sind zwar auch überliefert, stellen jedoch die Minderheit dar. Betrachtet man sich aber ein mehrstrophiges Lied, so wird schnell eine thematische Geschlossenheit deutlich, das Grundthema wird in allen Strophen aufgegriffen. Die Strophen zeigen dabei also ihren Zusammenhang, nehmen Bezug aufeinander, bauen aufeinander auf. Dies ist beim Sangspruch nicht die Regel. Gerade Walther von der Vogelweide hat sehr umfangreiche Töne verfasst, die um die 20 Strophen umfassen können. Wie im Lied auch, ist hier der Ton (‚ dôn’) „die Verknüpfung von wort und wîse, von Text, Textmetrik und Musik. Tonkonstituierende Elemente sind (gleich gebaute) Strophen, die sich in Verszahl, Hebungen und Kadenzen sowie im Reimschema gleichen“[1] Entscheidend ist aber, dass ein thematischer Zusammenhang gerade in solch vielstrophigen Tönen nicht zu erkennen ist. Es ist vielmehr eine große Varianz an Themen vorhanden, die lediglich in einem einzigen gemeinsamen Formgerüst verfasst sind. Wenn man einzelne umfangreiche Töne betrachtet, so kommt zusätzlich der Verdacht auf, dass die Genese der Strophen einen größeren zeitlichen Rahmen umfasst, was sich besonders am historischen Gehalt der einzelnen Strophen zeigt. Wenn also zwei geschichtlich Jahre auseinanderliegende Ereignisse thematisiert werden, wird dies am deutlichsten und es erschließt sich, dass diese Strophensammlung kein in sich geschlossenes Lied darstellen kann. Strophengruppen, die thematisch zusammengehören, sind dennoch in vielen Tönen zu finden, was nicht zuletzt auch zu den (nachträgliche gegebenen) Titeln der Töne, wie dem hier thematisierten Unmutston, führen konnte. Die Themenvarianz der Strophen kann letztendlich nur dadurch sinnvoll bestehen, dass die einzelnen Sangspruchstrophen in sich sehr stark geschlossene Einheiten bilden. Sie stellen somit „selbständige Textelemente dar, die zwar im Verband mit anderen vorgetragen werden können, deren Pragmatik das aber nicht unbedingt erfordert“.[2] Hier muss also keinerlei Aufbau erkennbar sein, die Strophen besitzen keinerlei Abhängigkeit voneinander. Wenn man von einer jahrelangen Genese ausgeht, ist somit also auch ein Vortrag einzelner Strophen (allein schon wegen der Aktualität besonders politischer Themen) eher vorstellbar als eine Aufführung des gesamten Tons. Gerde wenn ganz widersprüchliche Aussagen in den verschiedenen Strophen eines Tons zu finden sind, scheint ein gemeinsamer Vortrag wenig schlüssig. In den verschiedenen überlieferten Handschriften finden sich zudem unterschiedliche Anordnungen der Strophen, was es wahrscheinlich macht, dass die Schreiber die Strophen geordnet haben, sie also ursprünglich vielleicht keine strikte Reihenfolge besaßen.

Das Themenspektrum der Sangspruchdichtung an sich ist sehr groß. Es umfasst die Themen Religion/Geistliches, Minne, Herren-/Herrscher-Gesellschaftslehre/Panegyrik, (Tages-) Politik und Kunst. Die Thematisierung der Kunst bezieht sich hier besonders auf eine autoreflexive Art des Schreibens und ihre Anerkennung als Kultur. Zusätzlich zeigt sie den Selbstwert der Kunst und gleichzeitig eine Autonomie und Funktionalität, indem der Autor hier persönlich in Erscheinung treten und seine eigene Kunst thematisieren kann. Insgesamt kann die Thematik der Sangsprüche folgendermaßen zusammengefasst werden: „Die Themen des Sangspruchs kennen an sich keine Beschränkung, sie korrespondieren aber mit der Auffassung des höfischen Publikums von der Welt und mit den Aufgaben und dem künstlerischen Bewusstsein des Sangspruchdichters.“[3] So besitzt Sangspruchdichtung häufig didaktischen Charakter, erscheint als lehrhafter Moralappell für die Ethik des höfischen Lebens oder den allgemeinen Zustand der Welt, neben dem ganz gegensätzlich eine Klage über das Leben der fahrenden Dichter stehen kann.

Sangspruchdichtung ist, wie der Name es schon sagt, gesungene Kunst. Es sind also hier nicht nur Text und Metrik von Bedeutung, sondern der Dichter hat auch immer eine Melodie dazu komponiert und den Sangspruch vorgesungen. Für uns heute heißt das, dass uns, so fern die Melodie nicht überliefert ist, ein wichtiger Teil für die Interpretation fehlt. Gerade die Art des Vortrages im Zusammenhang mit der Melodie und der gesamten Aufführungssituation ist ja eigentlich von entscheidender Bedeutung, um die Intention des Sängers zu verstehen.

In der Metrik der Sangspruchstrophen lassen sich verschiedene Varianten finden. Eine Kanzonenstrophe, als typisches Baugerüst, besteht aus einem Aufgesang (der in zwei Stollen unterteilt ist) und einem Abgesang, die sich anhand der Vershebungen unterscheiden. Häufig findet sich hier ein Paarreim.

Wenn man sich einer Sangspruchstrophe nähert, muss man immer mehrere Fragen stellen: Was wird gesagt, wie wird es gesagt, wann wird es gesagt, wo wird es gesagt und für oder gegen wen wird hier gesprochen? Schließlich ist es natürlich auch nicht von geringer Bedeutung, welche Person spricht. So kann man mit diesen Fragen Aussage und Kontext der Sangsprüche und ihrer Aufführungssituation hinterfragen.

Sangspruchdichtung ist also insgesamt ein sehr interessanter Bereich der mittehochdeutschen Lyrik, da er einen großen thematischen und intentionalen Variantenreichtum besitzt und uns vielfältige Möglichkeiten der Interpretation bietet.

2.2 Walther – Person und Werk

Viele Wissenschaftler haben sich schon mit Walther von der Vogelweide beschäftigt, es wurde viel über ihn geschrieben und seine Lieder und Sprüche werden immer wieder aufs Neue untersucht. Im Endeffekt wissen wir aber nicht wirklich viel von dem bedeutenden Autor mittelhochdeutscher Lyrik. Nicht einmal Geburts- und Todesdatum sind uns bekannt und es finden sich immer neue Fragen. –Die Walther-Forschung ist noch lange nicht abgeschlossen. Natürlich strebt wohl ein jeder Germanist danach, eine Biographie eines so bedeutenden Dichters zu finden, aber dies gestaltet sich auf Grund der Quellen und Zeugnisse seiner Zeit als beinahe nicht zu schaffen, da so gut wie keine Quellen zu finden sind, die über den Dichter berichten.

Was außer Frage steht: Walther von der Vogelweide war ein angesehener und guter Dichter seiner Zeit. Schon seine zeitgenössischen Kollegen haben ihn gelobt und auch die Anstellungen bei seinen berühmten Gönnern bestätigen dies. Es finden sich von Walther ungemein viele unterschiedliche, raffinierte und unterhaltsame Texte, die auch in der heutigen Zeit noch begeistern können. Besonders aus ihnen können wir etwas über das Leben Walthers erfahren, dennoch muss dabei immer nach der Aussagekraft der Kunst gefragt werden. Weitere Quellen für Walthers Biographie finden sich im Ausgabenregister des Passauer Bischofs Wolfger von Erla, wo Walther als Sänger belegt wird, und im Bericht über den Begräbnisort Walthers. In den Sammelhandschriften des Michael de Leone aus dem 14. Jahrhundert finden sich „zwei fast identische Nachrichten vom Begräbnisort und vom Grabstein Walthers.“[4] Demnach liegt Walther im Kreuzgang des neuen Münsters von Würzburg begraben.

[...]


[1] Vgl. Bein, Thomas: Walther von der Vogelweide, S. 59.

[2] Vgl. ebd. S.64.

[3] Vgl. Tervooren, Helmut: Sangspruchdichtung, S. 48.

[4] Bein, Thomas: Walther von der Vogelweide, S.25.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Brot macht die Musik?
Untertitel
Eine Untersuchung der Intention dreier Strophen aus dem Unmutston Walthers von der Vogelweide
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Germanistisches Institut, Lehrstuhl für Ältere Deutsche Literatur)
Veranstaltung
Hauptseminarseminar: Sangspruchdichtung
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
21
Katalognummer
V134097
ISBN (eBook)
9783640419852
ISBN (Buch)
9783640419890
Dateigröße
438 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Brot, Musik, Eine, Untersuchung, Intention, Strophen, Unmutston, Walthers, Vogelweide
Arbeit zitieren
Martina Jansen (Autor:in), 2009, Das Brot macht die Musik? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134097

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