Virtuelle Realität


Hausarbeit, 2008

17 Seiten, Note: 1,7

Hannes Bergqvist (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Virtuelle Realität, Simulation und Cyberspace – Eine Begriffsannäherung

3. Realität als konstruierte Wirklichkeit
3.1 Alternativer Realitätsbegriff

4. Zur Unterscheidung von realen und virtuellen Welten
4.1 Virtuelle Realität und ‚reale‘ Wirklichkeit
4.2 Begegnung im Cyberspace – Second Life als Prototyp
4.2.1 Das Spiel
4.2.2 Die Nutzer

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Erst über die Erfahrung der virtuellen Realität wurde uns quasi retro-aktiv klar, daß es noch nie eine ‚reale Realität‘ gegeben hat. Die Wirklichkeit war immer virtuell, wir haben es einfach nicht bemerkt.“[1]

Im Verlauf der Mediengeschichte lässt sich ein Trend ganz klar ausmachen. Immer wenn ein neues Medium Verbreitung findet, können zwei Reaktionen beobachtet werden: Auf der einen Seite Faszination, auf der anderen Seite aber auch immer eine gewisse Angst und Furcht vor dem jeweiligen Medium. Das trifft auf das Kino zu, aber auch auf das Fernsehen oder den Computer. Aus dieser diffusen Furcht heraus wurden aber auch medientheoretische Ansätze entwickelt und Diskurse entfacht. Man denke beispielweise an die Medienkritik der Frankfurter Schule der 40er und 50er Jahre, welche bis in die späten 70er Jahre in Deutschland eine überwiegend pessimistische Medien-Haltung hervorrief.[2] Mit der Kulturkritik einher ging ein Bild von monolithischen und zentral gesteuerten Medien. Der Medienbegriff der Frankfurter Schule war entsprechend stark von den Erfahrungen der nationalsozialistischen Propaganda und Vorstellungen einer beinah hypnotischen Medienwirkung geprägt. Seit den 70er Jahren hingegen zeigte sich, dass Medien statt als zentral gesteuert vielmehr mit dem Bild eines Netzwerk charakterisiert werden konnten, es machte sich ein Umschwung hin zu einem Medienoptimismus breit.[3] Heute beginnt man zunehmend nach den Grenzen der sogenannten Wirklichkeitsauflösung zu fragen.[4]

In Dieser Arbeit soll es zunächst darum gehen, zu klären, was unter Virtueller Realität verstanden werden kann. Damit einher geht die Frage, was überhaupt die Realität ist. Zu diesem Zweck soll eine konstruktivistische Perspektive auf Realität gewonnen werden, um anschließend auf die Unterscheidung zwischen sogenannten realen und virtuellen Welten einzugehen. Inwieweit lassen sich hier klare Grenzen ziehen? Löst die fortschreitende Computertechnologie die Grenze zwischen Realität und Fiktion gänzlich auf? Anschließend soll kurz auf das virtuelle Online-Rollenspiel Second Life eingegangen werden, um letztlich zu einer Bewertung zu kommen, welche Entwicklungen und Perspektiven in Bezug auf virtuelle und reale Welten auszumachen sind.

2. Virtuelle Realität, Simulation und Cyberspace – Eine Begriffsannäherung

Man kann sich dem Thema der Virtuellen Realität und all seinen Facetten auf unterschiedlichen Ebenen näheren. Auf der Makro-, Meso- und Mikroebene, also der gesellschaftlichen, institutionellen und interpersonellen Ebene.[5] In dieser Arbeit soll der Mikroebene ein Vorzug eingeräumt werden, wobei auch auf Verschränkungen zu anderen Ebenen eingegangen wird.

Der Begriff Virtuelle Realität (Virtual Reality, VR) wurde von Jaron Larnier Ende der 80er Jahre geprägt, als dieser die damaligen technischen Entwicklungen zur Schaffung computergenerierter Lebenswelten auf einen Begriff brachte.[6] Doch schon Mitte der 70er Jahre hatte Myron W. Krüger in Bezug auf Entwicklungen im Bereich der 3D-Display-Technologie den Begriff Artificial Reality ins Leben gerufen.[7] Besonders im Bereich der Populärwissenschaften wird auch der Begriff Cyberspace als Synonym für Virtuelle Realität genutzt, so definiert Novak Cyberspace als:

„Completely spatialized visualization of all information in global information processing systems, along pathways provided by present and future communication networks, enabling full copresence and interaction of multiple users, allowing input and output from and to the full human sensorium, permitting simulations of real and virtual realities, remote data collection and control through telepresence, and total integration and intercommunication with a full range of intelligent products and environments in real space.”[8]

Inhaltsanalytische Arbeiten machen jedoch deutlich, dass sich seit Ende der 80er Jahre der Begriff Virtuelle Realitäten etabliert hat. Auch wissenschaftlich anerkannte Terme wie etwa Computersimulation konnten sich letztlich nicht durchsetzen.[9] Zudem kann mit virtueller Realität Bezug auf eine wichtige Eigenschaft der Computersimulation genommen werden. Statt auf einfache numerische Systemausgaben bezieht sich der Begriff auf multimodale Ausgabetechniken (visuelle, akustische, taktile und olfaktorische Bereiche).[10]

Es wird deutlich, dass es sich beim Bereich der Virtuellen Realitäten um einen äußerst heterogenen Gegenstandsbereich handelt. Eine weitere Differenzierung und Abgrenzung zu anderen Begriffen soll hier nicht im Vordergrund stehen. Vielmehr soll hier weiter an dem Begriff Virtuelle Realität festgehalten werden. Reid schlägt vor Virtuelle Realität nicht als Set von Technologien zu verstehen, sondern als spezifische Erfahrung:

„I wish to shift the focus of attention away from the gadgets used to represent a virtual world and concentrate on the nature of the user´s experience of such worlds. […] A list of technical components cannot explain why users are prepared to accept a simulated world as a valid site for emotional and social response.”[11]

Gerade am Anfang der Entwicklungsphase von virtuellen Computertechnologien stand die technische Entwicklung im Vordergrund, erst später wurden dann andere Komponenten, wie beispielweise die psychologische berücksichtig.[12] Dabei gilt neben der Interaktivität besonders die Erzeugung eines realistischen sensorischen Umwelteindrucks als eines der Hauptcharakteristika der Virtuellen Realität:

„Realism in this sense can be equated with how closely the artificial world resembles a corresponding possible real world: that is how similar is the sensory stimulation originating to that origination from equivalent real environment.”[13]

Auch der Begriff der Immersion spielt dabei eine entscheidende Rolle. Immersion ist dann ein passives Geschehen, also eine vom System erzwungene Reaktion des Rezipienten, bei dem kognitive Prozesse eine große Rolle spielen. Ob es gelingt die vollständige Aufmerksamkeit der Nutzer zu erreichen, hängt dann auch von der sensorischen Qualität des Mediums ab.[14]

3. Realität als konstruierte Wirklichkeit

An dieser Stelle soll ein kleiner Exkurs unternommen werden, um einigen Fragen nachzugehen: Wie real ist die Wirklichkeit? Kann man überhaupt ein Abbild der Realität wahrnehmen? Der Konstruktivismus liefert einige Antworten auf diese Fragen, deshalb soll hier sehr grob darauf eingegangen werden. Dabei muss betont werden, dass unter Konstruktivismus kein klar abgrenzbares Phänomen verstanden werden kann, denn innerhalb des Konstruktivismus vereinigen sich mehrere Forschungszweige, dazu gehören unter anderem die Kybernetik, die Psychologie, die Kognitionsbiologie, aber auch die Philosophie.[15]

Je nach wissenschaftlicher Disziplin und Forschungsinteresse gibt es dann auch verschiedene konstruktivistische Ansätze (beispielsweise den Radikalen Konstruktivismus) und Erklärungsmodelle auf die hier nicht in aller Ausführlichkeit eingegangen werden kann. Dennoch sollen hier einige Grundüberlegungen des Konstruktivismus dargestellt werden, um der Thematik näher zukommen.

Ein entscheidender Bereich innerhalb des (radikalen) Konstruktivismus sind kognitionstheoretische Überlegungen, welche sich auf das menschliche Wahrnehmungssystem beziehen. Hier ist an erster Stelle Heinz von Foerster zu nennen, dessen Argumentation damit beginnt, dass er feststellt, dass „die Umwelt, die wir wahrnehmen, unsere Erfindung [ist]“[16] und dies ein „Problem der Kognition“[17] sei.

Dieses Problem zeigt sich in einem scheinbaren Widerspruch: So können z.B. Nervenzellen quantitative Erregungen kodieren, aber nicht die qualitative Ursache dafür, und letztlich gibt es “’da draußen’ […] nämlich in der Tat weder Licht noch Farben, sondern lediglich elektromagnetische Wellen; ’da draußen’ gibt es weder Klänge noch Musik, sondern lediglich periodische Druckwellen der Luft […].“[18]

Dennoch kann das menschliche Gehirn „die überwältigende Vielfalt dieser farbenprächtigen Welt hervorzaubern“[19] An diesem Punkt setzt nun Foersters (Kognitions-)Theorie an, wonach Kognition die Errechnung von Realität ist.[20] Damit meint Foerster einen „nie endende[n] rekursive[n] Prozess des (Er-)Rechnens“[21] als kognitiven Prozess. So kann das Ergebnis von Kognition niemals ein Abbild von der Realität sein, sondern wird in komplizierten neuronalen Prozessen individuell errechnet.

[...]


[1] Zizek, in: Schröter, Jens: Das Netz und die virtuelle Realität – Zur Selbstprogrammierung der Gesellschaft durch die universelle Maschine. Transcript Verlag. Bielefeld 2001. S. 271/272.

[2] Vgl. Vattimo, Gianni: Die Grenzen der Wirklichkeitsauflösung. In: Vattimo, Gianni/Welsch, Wolfgang (Hrsg.): Medien – Welten Wirklichkeiten (S. 15-26). Wilhelm Fink Verlag. München 1998. S. 15.

[3] Vgl. Ebenda, S.16.

[4] Vgl. Ebenda, S. 15 ff.

[5] Vgl. Bente, Gary/Krämer, Nicole C./Petersen, Anita: Virtuelle Realität als Gegenstand und Methode in der Psychologie. In: Bente, Gary/Krämer, Nicole C./Petersen, Anita (Hrsg.): Virtuelle Realitäten (S. 1-26). Hogrefe-Verlag. Göttingen 2002. S. 2.

[6] Vgl. Ebenda, S. 2.

[7] Vgl. Ebenda. S. 3.

[8] Novak, Ebenda, S. 3-4.

[9] Vgl. Ebenda, S. 4.

[10] Vgl. Bente, Gary/Krämer, Nicole C./Petersen, Anita: Virtuelle Realität als Gegenstand und Methode in der Psychologie, S.4.

[11] Vgl. Ebenda, S. 8.

[12] Vgl. Ebenda, S. 8.

[13] Christou/Parker, in: Ebenda, S. 9.

[14] Vgl. Ebenda, S.17.

[15] Vgl. Lüer, Christoph Ulrich: Kognition und Strategie – Zur konstruktiven Basis des Strategischen Managements; Deutscher Universitäts-Verlag. Wiesbaden 1998. S. 86.

[16] Foerster von, Heinz: Über das Konstruieren von Wirklichkeiten, in: Foerster von, Heinz: Wissen und Gewissen. Versuch einer Brücke (S.25-49). Frankfurt am Main. Suhrkamp 1993. S. 26.

[17] Ebenda, S. 29.

[18] Ebenda; S. 31.

[19] Ebenda, S. 31.

[20] Vgl. Foerster von, Heinz: Über das Konstruieren von Wirklichkeiten, S. 32 ff.

[21] Ebenda, S. 34.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Virtuelle Realität
Hochschule
Universität Siegen
Veranstaltung
Virtuelle Biographien
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
17
Katalognummer
V130174
ISBN (eBook)
9783640384518
ISBN (Buch)
9783640384921
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Virtuelle, Realität
Arbeit zitieren
Hannes Bergqvist (Autor:in), 2008, Virtuelle Realität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130174

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