Narzissmus bei Führungskräften


Diplomarbeit, 2008

87 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG
1.1 PROBLEMSTELLUNG UND FORSCHUNGSFRAGE
1.2 AUFBAU UND VORGEHENSWEISE

2 WAS IST NARZISSMUS?
2.1 DER VERSUCH EINER ERKLÄRUNG
2.2 FREUD: ZWEI KONZEPTE DES PRIMÄREN NARZISSMUS
2.3 PULVER: SELBSTWERTGEFÜHL UND NARZISSMUS
2.4 REICHE: ZUNAHME FRÜHER STÖRUNGEN
2.5 BALINT: PRIMÄRE LIEBE
2.6 GRUNBERGER: MONADEN-THEORIE
2.7 ARGELANDER: SICHERHEIT UND SELBSTERHALTUNGSTRIEB
2.8 KOHUT: OBJEKT UND SELBSTOBJEKT
2.9 KERNBERG: NARZISSMUS ALS PATHOLOGISCHE VERDICHTUNG
2.10 ALTMEYER: INTERSUBJEKTIVE THEORIE
2.11 ZUSAMMENFASSUNG: GEMEINSAMKEITEN UND UNTERSCHIEDE

3 NARZISSMUS UND FÜHRUNG
3.1 DER FÜHRUNGSPROZESS UNTER EINER NARZISSTISCHEN FÜHRUNGSKRAFT
3.2 POSITIVE AUSWIRKUNGEN VON NARZISSTISCHER FÜHRUNG
3.3 NEGATIVE AUSWIRKUNGEN VON NARZISSTISCHER FÜHRUNG

4 DIE MESSUNG VON NARZISSMUS UND DEREN ERGEBNISSE
4.1 DER THEORETISCHE HINTERGRUND
4.2 DIE ENTSTEHUNG UND ENTWICKLUNG DES NPI
4.2.1 Studien und Ergebnisse von Emmons
4.2.2 Studien und Ergebnisse von Raskin

4.3 WEITER ERKENNTNISSE DES NPI
4.3.1 Narzissmus und Feindseligkeit
4.3.2 Narzissmus und Arbeitsleistung
4.3.3 Narzissmus und Selbst- & Fremdwahrnehmung
4.3.4 Zusammenfassung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
4.4 KRITISCHE BETRACHTUNG DES NPI

5 EMPIRISCHE UNT ERSUCHUNG
5.1 HYPOTHESENBILDUNG
5.2 OPERATIONALISIERUNG – VERWENDETES MESSINSTRUMENT
5.3 DIE STICHPROBE
5.4 AUSWERTUNG DER DATEN
5.4.1 Prüfung der Hypothesen und die Ergebnisse

6 ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSION

7 LITERATURVERZEICHNIS

8 ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS

9 ANHANG
9.1 AUFLÖSUNGSBOGEN

1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Forschungsfrage

Die Erwartungen und Anforderungen an erfolgreiche Führungskräfte haben sich in den letzten Jahren durch sich immer schneller ändernde gesellschaftliche wie auch wirtschaftliche Rahmenbedingungen stark verändert. Grund dafür sind unter anderem der steigende Konkurrenzdruck, die Internationalisierung der Unternehmen und die daraus resultierenden höheren Erwartungen und Anforderungen, die an Führungspersonen gestellt werden.

Erfolgreiche Führungskräfte sollen ein realistisches Bild von sich selbst haben. Ein starkes Selbstbewusstsein und das Erkennen und Einsätzen der eigenen Stärken sind von zunehmender Bedeutung. Da Führungspersönlichkeiten das Schicksal ihres Unternehmens in Händen halten, ist es wichtig, die Persönlichkeitsstrukturen dieser Mitarbeiter herauszufinden und die Frage zu klären, ob Führungskräfte narzisstischer sind, als Personen ohne Führungsaufgaben.

Ziel dieser Arbeit ist es, herauszufinden, ob narzisstisches Verhalten ein Merkmal von Führungskräften ist, oder ob auch Mitarbeiter ohne Führungsfunktionen diese Verhaltenzüge aufweisen. Diese Überlegung führt nun zur Forschungsfrage, die mit der vorliegenden Arbeit beantworten werden soll:

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Narzissmus und das Bekleiden einer Führungsposition?

Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird die geschlechtsneutrale Differenzierung, zum Beispiel Mitarbeiter/innen, weggelassen. Im Sinne der Gleichbehandlung gelten entsprechende Begriffe grundsätzlich für beide Geschlechter.

1.2 Aufbau und Vorgehensweise

Zentrales Anliegen der Arbeit ist es, herauszufinden, inwieweit Narzissmus mit dem Innehaben einer Führungsposition in Zusammenhang gebracht werden kann. Dabei wird davon ausgegangen, dass Narzissmus vor allem in den höheren Führungsebenen anzutreffen ist.

Im ersten Kapitel der Arbeit wird der Versuch gestellt, Narzissmus genauer zu definieren. Nach einem anfänglichen Überblick über die verschiedenen Verwendungen des Begriffs bei Freud, wird auf weitere Beiträge von unterschiedlichen Vertretern, unter anderem Kohut und Kernberg, eingegangen. Um einen genaueren Überblick über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Auffassungen der Autoren zu gewinnen, werden im letzten Teil dieses Kapitels noch einmal alle wesentlichen Erkenntnisse überblicksmäßig zusammengefasst.

Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Narzissmus und Führung. In diesem Teil wird auf das Phänomen des Bedürfnisses eines Führers eingegangen und die Unterschiede zwischen Führer und Geführten aufgezeigt. In weiterer Folge werden sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte einer narzisstischen Führungskraft dargestellt.

Im dritten Teil soll der in dieser Arbeit verwendete Fragebogen NPI vorgestellt werden. Dabei soll auf die verschiedene Versionen dieses Instruments zur Messung des Narzissmus und deren Ergebnisse eingegangen werden. Besonderes Augenmerk wird hier auf die Arbeiten von Raskin und Terry gelegt, die für die Erstellung des hier verwendetet Fragebogens verantwortlich sind. Auch die von ihnen erstellten Faktoren werden in der vorliegenden Arbeit zur Bildung der Hypothesen herangezogen.

Der Schwerpunkt liegt auf dem Kapitel der empirischen Untersuchung. Nach Aufstellung der Hypothese anhand den oben erwähnten Faktoren, wird die geplante Vorgehensweise, wie Festlegung und Umfang der Stichprobe und Operationalisierung beschrieben. Auch Probleme, die bei der Befragung auftreten, werden hier erörtert. Anschließend sollen durch die Auswertung der Fragebögen mittels SPSS die Hypothesen überprüft werden.

Am Ende der Arbeit sollen die gewonnen Ergebnisse der Befragung diskutiert werden.

2 Was ist Narzissmus?

2.1 Der Versuch einer Erklärung

„Ein Narzisst ist derjenige, der sich gut liebt, aber auch jemand, der sich schlecht oder überhaupt nicht liebt. Der Narzisst zieht sich von der Welt zurück oder bringt sie durch seine Heldentaten zum Erstaunen.“ (vgl. Grunberger, 1982, S. 15)

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff des Narzissmus als Synonym für selbstsüchtige Selbstliebe, Ich- oder Selbstbezogenheit oder aber auch für soziale Rücksichtslosigkeit verwendet (vgl. Altmeyer, 2004, S. 16). Charakterstische Merkmale von Narzissmus sind zum Beispiel Autonomie, Einzigartigkeit, Selbstaufwertung und das Gefühl von Unendlichkeit (vgl. Grunberger, 1988, S. 80).

Eine eindeutige Begriffserklärung und eine bessere Anwendung des Konzepts konnte trotz der raschen Verbreitung der Narzissmus-Theorie bis heute nicht erzielt werden (vgl. Altmeyer, 2004, S. 26).

Einige Beispiele sollen die Vielfältigkeit der unterschiedlichen Verwendungen bei Freud näher bringen.

- Seit 1910: Narzissmus ist eine Bezeichnung für eine Perversion, bei der die Person den eigenen Körper wie ein Sexualobjekt behandelt (vgl. Freud, 1914, S. 51).
- 1914: Mit dem Werk Zur Einführung des Narzissmus ist Narzissmus die libidinöse Ergänzung zum Egoismus des Selbsterhaltungstriebs. Hier wird die Ichlibido von der Objektlibido unterschieden, die jedoch durch die verbrauchte Energie von einander abhängig sind (vgl. Freud, 1914, S. 51).
- Narzissmus wird zum ersten Mal als ursprüngliche Libidobesetzung des Ich gesehen (vgl. Freud, 1914, S. 53).
- Aufgrund des verlorenen Narzissmus der Kindheit wird der Begriff des Ich- Ideals geprägt. Dieses entwickelte Ideal fungiert als Ersatz. Es erhält nun die Liebe, die in der Kindheit das Ich erhalten hat. Das Ich-Ideal wird Träger der früheren Vollkommenheit und das Ich wird anhand dieses Ich-Ideals gemessen und bewertet (vgl. Freud. 1914, S. 69).
- Narzissmus bedeutet auch passiver Anteil der Objektliebe. Die Libido, die man einem Partner entgegenbringt, wird dem Ich entzogen; gleichzeitig erhöht sich diese aber wieder durch die empfangende Liebe durch den Partner und lässt das Selbstgefühl wieder steigen (vgl. Freud, 1914, S. 53).
- Unter dem narzisstischen Typus der Objektwahl versteht man das Gegenteil vom Anlehnungstypus. Man liebt das an einer anderen Person, was man selbst ist oder sein möchte (vgl. Freud, 1914, S. 64).
- 1923: Narzissmus wird in primären und sekundären Narzissmus unterschieden (vgl. Freud, 1923, S. 283).

Bereits bei Kindern konnte festgestellt werden, dass ihre Sexualtriebe sich vorerst an die Ichtriebe anlehnen und erst später selbständig werden. Eine Anlehnung zeigt sich jedoch noch daran, dass Personen, die für die Pflege, Ernährung und den Schutz des Kindes verantwortlich sind, also in den meisten Fällen die Mutter, zum ersten Sexualobjekt gemacht werden. Diese Variante der Objektwahl nennt man den Anlehnungstypus (vgl. Freud 1914, S. 63). Die Liebe ist gekennzeichnet von Sexualüberschätzung, welche aus dem primären Narzissmus des Kindes resultiert. Diese sexuelle Überschätzung lässt den Zustand der Verliebtheit entstehen, wodurch es zu einer Verarmung der Ichlibido zugunsten eines Objektes kommt (vgl. Freud, 1914, S. 64).

Ein zweiter Typus beschreibt die Liebesobjektwahl, die nicht nach dem Vorbild der eigenen Mutter, sondern nach der der eigenen Person gewählt wird. Besonders häufig wurde dieser Typus bei Menschen mit gestörten Libidoentwicklungen entdeckt. Diese Variante wird der narzisstische Typus genannt (vgl. Freud, 1914, S. 76). Nach dem narzisstischen Typus liebt man das, was man selbst sein möchte; also alles was dem Ich zum Ideal fehlt oder was das Ich nicht erreicht hat (vgl. Freud, 1914, S. 76).

Nach dem narzisstischen Typus liebt man:

- was man selbst ist,
- was man selbst war,
- was man selbst sein möchte, (das Ich-Ideal) oder
- die Person, die ein Teil des eigenen Selbst war

Nach dem Anlehnungstypus liebt man:

- die nährende Frau, oder
- den schützenden Mann (vgl. Freud, 1914, S. 66)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Typen der Objektwahl (vgl. Altmeyer, 2004, S. 57)

Es muss aber darauf aufmerksam gemacht werden, dass sich Menschen nicht eindeutig entweder in die Gruppe des Anlehnungstypus oder in die des narzisstischen Typus einordnen lassen. Vielmehr stehen jeder Person beide Möglichkeiten zur Wahl, wobei entweder die eine oder aber die andere bevorzugt werden kann (vgl. Freud, 1914, S. 64).

2.2 Freud: Zwei Konzepte des primären Narzissmus

Freud war es nicht gelungen eine direkte Studie zum Thema Narzissmus durchzuführen. Vielmehr versuchte er mit Hilfe von der Betrachtung der organischen Krankheit und der Hypochondrie sich Kenntnisse über Narzissmus anzueignen. Bei der organischen Krankheit kommt es zur Libidoverteilung aufgrund von Schmerz und Unwohlbefinden, das von der Außenwelt entgegengebracht wird. Es ist nur selbstverständlich, dass das Interesse an dieser Außenwelt verloren geht und die betroffene Person aufhört zu lieben und damit auch gleichzeitig zu leiden. Die Libido wird dem Objekt entzogen und dem Ich zugeführt, um sie nach Verbesserung des psychischen Zustands wieder an die Außenwelt abgeben zu können (vgl. Freud, 1914, S. 59).

Der zweite Zugang zur Studie beschäftigt sich mit der Hypochondrie. Auch die Hypochondrie ist gekennzeichnet durch schmerzhafte Körperempfindungen und führt zu einer Umverteilung der Libido. Die betroffene Person entzieht der Außenwelt, also dem Objekt, die Libido und konzentriert diese auf ein Organ des eigenen Körpers. Der Unterschied zur organischen Krankheit besteht darin, dass bei der Hypochondrie nachweisbare Veränderungen fehlen, die bei der organischen Krankheit allerdings gegeben sind (vgl. Freud, 1914, S. 60).

Trotz dieser vielseitigen Verwendung von Freud kann von zwei unterschiedlichen Grundkonzepten des Narzissmus ausgegangen werden. Auf der einen Seite wird der Begriff vor der Trennung von Subjekt und Objekt verwendet. In dieser Variante wird das Objekt, nicht als selbständiges Objekt, sondern als Teil des Subjekts gesehen (Mutter-Kind-Beziehung). Jedoch auf der anderen Seite wird der Narzissmus als Besetzung der Libido auf das Ich gegenüber der Besetzung des Objekts betrachtet. Damit wird dem Narzissmus eine Objektlosigkeit zugeschrieben – im Gegensatz zur Objektbeziehung (vgl. Altmeyer, 2004, S. 46).

Die nachfolgende Tabelle soll die wesentlichen Unterschiede dieser beiden Konzepte des primären Narzissmus noch einmal aufzeigen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Zwei Konzeptionen des primären Narzissmus bei Freud (vgl. Altmeyer, 2004, S. 49)

2.3 Pulver: Selbstwertgefühl und Narzissmus

Der Begriff Narzissmus wurde anfangs verwendet um ein Verhalten zu beschreiben, bei dem ein Individuum sich selbst als Sexualobjekt genommen hat. Mit der Zeit wurde die Definition für viele verschiedene Erscheinungen gebraucht, wie zum Beispiel:

1) „klinisch, um eine sexuelle Perversion zu bezeichnen;
2) genetisch, um ein Entwicklungsstadium zu bezeichnen;
3) unter dem Gesichtspunkt der Objektbeziehung, um zwei verschiedene Erscheinungen zu bezeichnen:
a) einen Typus der Objektwahl
b) einen Modus, mit der Umwelt in Beziehung zu treten;
4) um verschiedene Aspekte des Selbstwertgefühls im Ich zu bezeichnen.“ (vgl. Pulver, 1972, S. 55)

Pulver zweifelt an der Nützlichkeit eines Wortes, das für eine so große Anzahl verschiedener klinischer Erscheinungen verwendet werden kann (vgl. Pulver, 1972, S. 39). Um das Ausmaß der Widersprüchlichkeit genauer aufzeigen zu können, ordnet er klinische Kennzeichen, die als narzisstisch bezeichnet werden, in vier Kategorien ein.

Zuerst wird Narzissmus als sexuelle Perversion gesehen, wobei festgestellt werden kann, dass diese Verwendung in der Praxis fast vollständig aufgegeben wurde (vgl. Pulver, 1972, S. 41). Weiters kann der Narzissmusbegriff dazu verwendet werden ein Entwicklungsstadium, nämlich den primären Narzissmus, zu beschreiben. Hier besteht das Problem der Bestimmung der exakten Dauer dieser Phase. Weder Freud noch andere Autoren konnten bei der Festlegung des Zeitraums eine Übereinstimmung erzielen. Würde man die gesamte Phase der Wandlung zur Objektbeziehung als narzisstisch bezeichnen, so besteht die Gefahr, dass Details der libidinösen Entwicklung sowie auch andere bedeutsame Entwicklungsprozesse in diesem Zeitabschnitt verborgen bleiben (vgl. Pulver, 1972, S. 43).

Als dritten Verwendungszweck erwähnt Pulver jenen als Modus der Objektbeziehung. Das Zurückziehen der Libido von einem Objekt kann in der Tat als Abwehrreaktion gesehen werden. Allerdings können diese Objekte trotzdem noch hoch besetzt bleiben. Hierbei handelt es sich um einen äußeren Rückzug von einem Objekt mit einer darunter liegenden intensiven Bindung. Eine andere Möglichkeit einer unreifen Beziehung zu einem Objekt besteht durch die Tatsache des Klammerns und der Abhängigkeit von diesem. Diese Besetzung wird hervorgerufen durch den Verlust der Unterscheidung zwischen Selbst und Objekt. Die Objektbeziehung ist mindestens gleich bedeutsam wie das vermehrte Selbstinteresse, dass zur selben Zeit vorhanden sein kann. Diese zweite Definition bezeichnet eine nach außen wirkenden intensiven Bindung mit darunter liegender Selbstkonzentration. Die beiden Beispiele verdeutlichen die unzureichende Verwendung des Begriffs Narzissmus in Verbindung mit Objektbeziehung (vgl. Pulver, 1972, S. 45).

Zuletzt beschreibt Pulver die Verwendung zur Erklärung von Selbstwertgefühl. Viele Autoren gebrauchen Narzissmus als Synonym für Selbstwertgefühl und vernachlässigen dabei die libidinöse Bedeutung (vgl. Pulver, 1972, S. 48). Das Selbst besteht zunächst aus Erinnerungen, Erfahrungen und Gedanken und danach aus indirekter Selbstwahrnehmung. Diese können mit affektiven Zuständen der Lust oder Unlust verbunden sein. Durch den Abschluss der Verbindung entstehen Selbstbilder, die sich zu einem gesamten Bild vom Selbst zusammensetzen. Dieses Bild wird als Selbstwertgefühl bezeichnet. Ein hohes Selbstwertgefühl wird mit lustvoller Affekte in Verbindung gebracht; ein niedriges Selbstwertgefühl mit unlustvoller Affekte. Somit ist die Aussage, Selbstwertgefühl sei einfach nur eine libidinöse Besetzung des Selbst nach Pulver unzureichend (vgl. Pulver, 1972, S. 50).

Auch Joffe und Sandler beschreiben das Problem bei der Gleichsetzung von Selbstwertgefühl und Narzissmus. Wird nämlich Selbstwertgefühl durch die libidinöse Besetzung des Selbst erklärt, lässt sich daraus schließen, dass das Selbstwertgefühl abnimmt, wenn die Libido einem Objekt zugeführt und dem Selbst entzogen wird, und umgekehrt. Dies stimmt jedoch nicht mit klinischen Befunden überein. Gerade Personen, die durch ein hohes Selbstwertgefühl auffallen, können ein großes Interesse für andere aufbringen, während Personen mit geringem Selbstwertgefühl wahrscheinlich eher auf sich selbst konzentriert sind (vgl. Joffe & Sandler, 1967, S. 156).

Ein weiteres Hindernis bei der Gleichsetzung trat bei der Erkennung von zwei unterschiedlichen Formen von Selbstwertgefühl auf. Einerseits resultiert dieses Gefühl aufgrund des Abzugs des Interesses von einem Objekt zurück auf das Selbst (also den sekundären Narzissmus) um sich vor Schmerzen und Angst zu schützen. Andererseits basieren ein hohes Selbstwertgefühl und eine gute Meinung von sich selbst nicht nur auf Abwehr und Rückzug aufgrund von Angst und Schmerz. Aus diesem Grund wurde die Theorie vom gesunden und krankhaften Narzissmus entwickelt. Unter gesunden Narzissmus wird ein hohes Selbstwertgefühl in Verbindung mit lustvollen Affekten verstanden, während krankhafter Narzissmus Selbstbezogenheit in Verbindung mit unlustvollen Affekten beschreibt. Folglich stellt Narzissmus als Begriff zur Erklärung von Selbstwertgefühl eine unzureichende Quelle dar (vgl. Pulver 1972, S. 51).

Um die Vielfältigkeit dieses Wortgebrauchs zu umgehen, schlägt Pulver eine neue Begriffsbildung vor. So bezeichnet er die frühe Entwicklungsphase nicht mehr als narzisstisch, sondern als präobjektal. Auch der mit Selbstinteresse verbundenen Objektbeziehung entzieht er die Bezeichnung „narzisstisch“. Die Verwendung des Wortes zur Beschreibung des Selbstwertgefühls widerspricht ebenfalls seiner Auffassung. Er ist dagegen, Narzissmus nur als libidinöse Besetzung zu verwenden und fordert stattdessen sowohl die dynamischen als auch die strukturellen Gesichtspunkte dieses Phänomens genauer zu betrachten (vgl. Pulver, 1972, S. 54).

Es geht bei seiner Betrachtungsweise nicht um das Vorhandensein und die verschiedenen Formen von seelischen Erkrankungen, also um Symptome, sondern vielmehr, ob diesem Symptomwandel auch ein Strukturwandel zugrunde liegt, bei dem seelische Erkrankungen schon in früherer Zeit der Lebensgeschichte fixiert wurden (vgl. Pulver, 1972, S. 55).

2.4 Reiche: Zunahme früher Störungen

Reiche bestreitet die Existenz dieses Strukturwandels wie sie von Pulver (1972) beschrieben wurde. Stattdessen versucht er die Zunahme früher Störungen auf Basis von drei Artefakten zu erklären. Erstens ist er der Meinung, dass die Symptome immer schon vorhanden waren, jedoch durch die festgelegten Traditionen und Lebensvorstellungen früherer Gesellschaften nicht wahrgenommen wurden. Erst durch die immer fortschreitende Modernisierung und der damit verbundenen Selbstreflexivität der Gesellschaft konnten diese Symptome der Psychopathologie zugeordnet und als Leiden definiert werden (vgl. Reiche, 1991, S. 1051f)

Zweitens ist er der Auffassung, dass aufgrund der gestiegenen Anzahl von unterschiedlichen Konzepten der Psychoanalyse neu auftauchende Symptome von jedem Therapeuten abhängig von dessen Schulenorientierung unterschiedlich klassifiziert werden (vgl. Reiche, 1991, S. 1053).

Und Reiche vertritt weiters, dass der Ursprungsmythos von einer intakten Neurose innerhalb einer intakten Familie in einer intakten Kultur mit einem Verfallsdatum versehen ist, da ein autonomes Ich in der heutigen Zeit ohne Internalisierung von Autorität nicht mehr konfliktfähig ist und sich deshalb durch das Auftreten einer narzisstischen Störung ausdrückt (vgl. Reiche 1991, S. 1054).

2.5 Balint: Primäre Liebe

Balint vertritt den Standpunkt, dass Freuds Beschreibungen widersprüchlich und nicht miteinander vereinbar sind und auch die Chronologie viele Fragen offen lässt. So hat Freud einmal die primäre Objektbeziehung, dann den primären Autoerotismus und ein anderes Mal den primären Narzissmus als Urspruch der Umweltbeziehung des Menschen bezeichnet (vgl. Balint, 1970, S. 79.).

Nach Balint kann die Bildung eines Ich-Ideals nur auf dem sekundären Narzissmus beruhen, da jedes Ideal nur das verinnerlichen kann, was von Objekten – meist der Mutter – abgeleitet wird. Weiters stellt die Selbstüberschätzung einen Beweis für das Vorhanden sein des sekundären Narzissmus dar, da diese Überschätzung die Folge von Versagen ist und somit nicht aus dem primären Narzissmus resultieren kann (vgl. Balint, 1970, S. 76.).

Ebenso bietet die Schizophrenie keinen Beweis für die Existenz dieses Narzissmus, denn eigentlich besteht zwischen einer schizophrenen Person und seiner Umwelt eine enge Bindung. Obwohl sie ihre gesamten Interessen auf sich selbst konzentrieren, sind schizophrene Personen nicht unabhängig von ihrer Außenwelt. In der Regel sind sie verletzt, wenn die Außenwelt sie nicht so behandelt, wie sie es von ihr erwarten. Diese Menschen leben oft mit Partnern zusammen, die das genaue Gegenteil repräsentieren. Balint kommt zu dem Schluss, dass es keine echten Narzissten geben kann, denn ein Narzisst ist vollkommen abhängig von seiner Umwelt und kann seinen Narzissmus nur dann erhalten und ausleben, wenn seine Umwelt bereit ist, dies zu zulassen und für ihn zu sorgen (vgl. Balint, 1970, S. 67).

Statt weiterhin an der widersprüchlichen Theorie des primären objektlosen Narzissmus festzuhalten, entwickelte er eine neue Theorie, die auf die primäre Beziehung zur Umwelt abzielt; nämlich die der primären Liebe. Ziel eines jeden Individuums ist es, eine umfassende Harmonie mit seiner Umwelt herzustellen (vgl. Balint, 1970, S. 80).

Nach der Theorie von Freud, hat der Mensch bei seiner Geburt keine Beziehung zu seiner Außenwelt, in der außer dem Ich nichts existiert. Zu diesem Zeitpunkt wird die gesamte Libido auf dieses Ich konzentriert. Nach Balint allerdings steht der Fötus sehr wohl in einer Abhängigkeit mit der Außenwelt, die dessen normale Entwicklung und das Wohlergehen beeinflusst. Der Ursprung der Objektbeziehung ist der Zustand einer harmonischen Verschränkung vom Fötus mit der Mutter. Jede Störung der Bedürfnisbefriedigung bedeutet schwere negative Folgen und kann das Leben des Fötus sogar gefährden (vgl. Balint, 1970, S. 81).

Die Umwelt ist allerdings nicht exakt vom Individuum trennbar; vielmehr existieren sie in einer harmonischen Verbindung, in der die Umwelt als etwas Selbstverständliches, jedoch nicht als eigenständiges Objekt angesehen wird. Erst durch eine Störung dieser Beziehung wird die Existenz der Umwelt bewusst (vgl. Balint, 1970, S. 81f).

Durch die Geburt verändert sich die Außenwelt und führt zu einer neuen Form der Anpassung an diese. Hier beginnt die Trennung zwischen Mensch und Umwelt. Die Libido wird von nun an auch auf Objekte konzentriert. Jedoch kann, wenn die harmonische Beziehung zu einem Objekt gestört wird, die Libido wieder dem Ich zugeführt werden (vgl. Balint, 1970, S. 82).

Die unterschiedlichen Libidobesetzungen haben alle einen anderen Ursprung. Einmal handelt es sich um Reste der Umweltbesetzung, die ursprünglich auf Objekte übertragen werden oder aber auch um andere Teile dieser Umweltbesetzung, die aufgrund von Versagung wieder auf das Ich zurückgezogen werden. Die letzte Art beschreibt die narzisstische und autoerotische Besetzung. Eine dritte Möglichkeit stellt die Wiederbesetzung, die vom sekundären Narzissmus ausgeht, dar (vgl. Balint, 1970, S. 83).

Das Bedürfnis geliebt zu werden, stellt einen wesentlichen Bestandteil der primären Objektbeziehung dar. Das Subjekt muss die Objekte als Selbstverständlichkeit voraussetzen. Diese Objekte dürfen keine eigenen Interesse haben und ihre einzige Funktion stellt das Bewahren der ursprünglichen Harmonie dar (vgl. Balint, 1970, S. 85).

2.6 Grunberger: Monaden-Theorie

Grunberger bezeichnet den Narzissmus als eine psychische Dimension, die über die Dimension einer Triebbestimmung hinausgeht und neben dieser besteht. Weiters leitet er den Begriff aus biologischen Faktoren ab, die verantwortlich sind für verschiedene Formen von Gefühlszuständen wie zum Beispiel das Gefühl der Vollkommenheit, Selbstwertgefühl, Unabhängigkeit, Autonomie und auch der Glückszustand (vgl. Grunberger, 1988, S. 189).

„Der Mensch ist also ein Säugetier, das sich für Gott hält, und als gefallener Engel hat er außerdem logische und quasi juristische Grundlagen, um diesen idealen Zustand einzuklagen“ (vgl. Grunberger, 1988, S. 190).

Eine andere, später entwickelte Theorie von Grunberger ist die Monaden-Theorie. Der Mensch kommt auf die Welt und wird sofort mit den Konsequenzen des Geboren werden konfrontiert. Die Mutter versucht nach der Geburt des Kindes dessen pränatalen Zustanden wieder herzustellen, um ihm einerseits weiterhin das Gefühl des Narzissmus zu vermitteln und um ihm andererseits den Übergang zwischen der Vergangenheit mit dem Narzissmus und der Gegenwart mit dem Triebleben zu erleichtern und den Schock der Geburt zu mildern. Die Mutter konstruiert eine Art Raum, der ihn vor der Außenwelt aber auch vor seinen eigenen Trieben schützen soll. Diesen Raum, der als Ort und Behälter des pränatalen Narzissmus gilt, bezeichnet Grunberger als „Monade“. Diese Monade erfüllt die Funktion eines Übergangsobjekts, das den Säugling in seiner eigenen narzisstischen Welt einschließen und ihn gleichzeitig auf deren Auflösung vorbereiten soll. Die Mutter stellt in diesem Stadium noch kein eigenständiges Objekt dar, da das Kind noch kein Ich besitzt, das die Mutter als solches wahrnehmen könnte. Man kann von diesem Zustand deswegen noch nicht als Beziehung oder Verschmelzung sprechen (vgl. Grunberger, 1988, S. 190).

Das Kind verlangt in dieser Situation von der Mutter nichts außer, dass sie bei ihm ist. Dieser reine Narzissmus, der durch die Monade erfüllt wird, ist nicht mit den Triebwünschen eines Kindes zu verwechseln, die auf einer anderen Ebene angesiedelt sind. Die Triebwünsche sind zu Beginn entgegensetzt vorhanden, bevor sie sich schließlich komplementär zu den narzisstischen Ansprüchen verhalten (vgl. Grunberger, 1988, S. 192).

Die unterschiedlichen Entwicklungen der Monade sind abhängig davon, wie diese mit den Anforderungen der Triebe, gegen die sie sich wehrt aber sie auch verändert, umgeht. Nach der Geburt befindet sich der Säugling zwischen zwei unterschiedlichen Welten: die eine Welt der Triebe, die es vorwärts drängt, sich mit der Realität auseinander zusetzen und die andere Welt des pränatalen Gefühls der Vollkommenheit, nach dem es sich sein Leben lang sehnen wird (vgl. Grunberger, 1988, S. 203).

Schlussendlich muss der Säugling seine narzisstische Vollkommenheit aufgeben und lernen, sein Dasein neu zu organisieren, indem es seinen Narzissmus in seine Triebe und damit auch in sein Ich integriert (vgl. Grunberger, 1988, S. 134). Auf den Idealzustand, den er zuerst im Mutterleib und dann in der Monade erlebt hat und der ein Teil seiner eigenen Realität geworden ist, erhebt der Mensch sein Leben lang Anspruch. Besonders schwache und frustrierte Menschen sowie Verliebte oder Narzissten halten an diesem Recht besonders stark fest (vgl. Grunberger, 1988, S. 203).

2.7 Argelander: Sicherheit und Selbsterhaltungstrieb

Anders als Freud, begründet Argelander die Verschiebung der Besetzung vom Objekt zum Selbst durch die Selbsterhaltung oder Sicherheit und nicht durch das Lustprinzip. Somit unterliegen die Ichtriebe dem Selbsterhaltungsprinzip, während die Objektlibido dem Lustprinzip unterstellt ist (vgl. Argelander, 1971, S. 359, 366).

Nach Argelander bedeutet der primäre Narzissmus eine Einheit mit der Mutter, um die Sicherheit zu gewährleisten, während beim libidinösen Streben die Mutter als Lustobjekt gesehen wird. Die Nahrungsversorgung durch die Mutter verläuft regelmäßig und unaufgefordert. Erst durch eine Unterbrechung wird deren Bedeutung relevant. Diese Unterbrechungen sind jedoch mit der Geburt und somit der Trennung von der Mutter unabwendbar. Der primäre Narzissmus wird zum Träger von Phantasien, die sich mit der Wiederherstellung des verloren gegangenen Idealzustands beschäftigen (vgl. Argelander, 1971, S. 366).

Kohut und Argelander haben festgestellt, dass sich Narzissmus und Libido parallel, jedoch mit unterschiedlichen Schicksalen, entwickeln. Sie konnten Unterschiede in der Besetzungsqualität feststellen, denn nicht mehr das Besetzungsziel, sondern die Qualität unterscheidet Narzissmus vom Trieb. Argelander beschreibt ein für den Narzissmus typisches Vorhandensein einer eigenen Welt, die sich auf die Phantasien und die Objektbeziehungen auswirkt und mit besonderer Gefahr verbunden ist, wenn diese unbewussten Phantasien ins Reale umschlagen. Jedoch verschafft das Befriedigen solcher Phantasien ein Gefühl von Sicherheit und Wohlbehagen. Dieses Sicherheitsgefühl ist oftmals trügerisch und lässt zu, dass die reale Gefahr verkannt und die notwendigen Kontrollmaßnahmen vernachlässigt werden und stellt somit eine Bedrohung der natürlichen menschlichen Existenz dar (vgl. Argelander, 1971, S. 364).

2.8 Kohut: Objekt und Selbstobjekt

Kohut weicht von Freuds klassischer Auffassung der Libido-Entwicklung vom Autoerotismus über den Narzissmus zur Objektliebe ab und kam zu der Überzeugung, dass zwei getrennte Entwicklungslinien existieren: Die erste führt vom Autoerotismus über den Narzissmus zur Objektliebe, während die andere vom Autoerotismus über den Narzissmus zu höheren Formen und Umwandlungen des Narzissmus gelangt (vgl. Kohut, 1971, S. 251).

Kohuts Betrachtungsweise hat einerseits zur Unterscheidung der gleichzeitigen Entwicklung von Narzissmus und Objektliebe, die sich beide von archaischen zu höheren Stufen fortbewegen, geführt. Weiters erkannte er auch die beiden wichtigen Verzweigungen des Narzissmus selbst; nämlich das Größen-Selbst und die idealisierte Eltern-Imago (vgl. Kohut, 1971, S. 250).

Die Anwesenheit von Objektbeziehungen schließt den Narzissmus keinesfalls aus. Narzissmus ist nicht das Gegenteil von Objektbeziehung, sondern von Objektliebe. Einige der stärksten narzisstischen Erfahrungen beziehen sich auf Objekte, die jedoch nicht um ihrer Selbst willen geliebt werden, sondern entweder dazu genutzt werden, das Selbst und seine Triebbesetzung aufrecht zu erhalten, oder auf Objekte, die als Teil des Selbst gesehen werden, so genannte Selbstobjekte (vgl. Kohut, 1971, S. 14, 1993, S. 39). Dies ist klar von der Objektliebe zu unterscheiden, bei der man andere mit Liebe besetzt, sich für andere als Menschen mit deren Zielen interessiert und sie unabhängig vom eigenen Selbst und vom eigenen Selbstwertgefühl erlebt (vgl. Kohut, 1993, S. 40).

Bei Narzissmus sind die Bereiche des Selbst und der Selbstobjekte, die nicht als unabhängig vom Selbst erleben werden, gestört. Hierbei ist es bei einer Fixierung an Größen-Selbst-Konfigurationen und/oder an überbewerteten, narzisstisch besetzten Objekten geblieben (vgl. Kohut, 1971, S. 19). Der Begriff Größen-Selbst soll zum Ausdruck bringen, dass Narzissmus nicht durch das Ziel, sondern durch die Qualität der Besetzung bestimmt ist (vgl. Kohut, 1971, S. 45).

Narzissmus basiert bei Kohut auf zwei Grundlagen: Wie schon Freud geht auch er von einem primären Narzissmus aus, der durch den Zustand der völligen Selbstgenügsamkeit geprägt ist. Dieser Zustand ist aber durch die Begrenzung der mütterlichen Fürsorge gestört. Dadurch sieht sich das Kind gezwungen die vorherige Vollkommenheit entweder durch den Aufbau eines grandiosen und exhibitionistischen Bildes des Selbst („Ich bin vollkommen“), dem Größen-Selbst, wieder herzustellen oder indem es die vorherige Vollkommenheit einem bewunderten Selbstobjekt zuweist, der idealisierte Elternimago („Du bist vollkommen, aber ich bin ein Teil von dir“) (vgl. Kohut, 1971., S. 43).

Im Bereich des Größen-Selbst kommt es zu einem selbstbezogenen Verlangen nach Zuwendung, während im Bereich des Objektes ein unabweisbares Bedürfnis nach Verschmelzung mit diesem besteht. Kohut geht von einer Beständigkeit vom pathologischen zum normalen Narzissmus aus, wobei das Größen-Selbst eine Grundlage ist, aus der sich üblicherweise das normale Selbst allmählich entwickelt (vgl. Kohut, 1971, S. 26).

Beide Mechanismen, der Bereich des Größen-Selbst und der des Objekts, sind gegensätzlich und trotzdem bestehen sie von Beginn an gemeinsam. Bei der normalen Entwicklung werden die Grenzen akzeptiert und Exhibitionismus und Größenwahn werden annähernd verringert und liefern im Erwachsenenalter wichtige Aspekte für die eigene Selbstachtung. Das Ergebnis der Entwicklung des Größen-Selbst wird nicht nur durch den eigenen Narzissmus, sondern auch durch die Einstellungen und Vorstellungen der Eltern beeinflusst (vgl. Kohut, 1971, S. 46, 131f).

Weiters wird auch die idealisierte Elternimago an die erwachsene Persönlichkeit angepasst (vgl. Kohut, 1971, S. 46). Das Kind erkennt die Begrenzungen des idealisierten Selbstobjektes und gibt allmählich aufgrund der „optimalen Versagung“ die Idealisierung auf (vgl. Kohut, 1971, S. 129). Optimal ist die Versagung, weil sie erforderlich ist, um die irreale Idealisierung der Selbstobjekte immer mehr zurück zu nehmen. Funktionen, die das Objekt für das Kind erfüllt haben, werden in die Selbststruktur aufgenommen. Daraus entwickelt sich in weiterer Folge das „Kern-Selbst“. Aus dem exhibitionistischem Größen-Selbst entwickelt sich Selbstvertrauen und anstelle der narzisstischen Idealisierung und dem Bedürfnis nach Verschmelzung tritt die Fähigkeit, anderen Bewunderung zu schenken (vgl. Kohut, 1975, S. 26).

Das gesunde Kern-Selbst besteht aus drei Hauptkomponenten. Einerseits aus dem Pol der Strebung nach Grandiosität, Erfolg und Macht, der aus dem Größen- Selbst entsteht. Aus der idealisierten Elternimago entwickelt sich der Pol der idealisierten Werte und Ziele (vgl. Wahl, 1985, S. 73). Der Bereich zwischen diesen beiden Polen unterstützt die Entwicklung von Fertigkeiten und Begabungen, der durch die Spannungen zwischen Ehrgeiz und Idealen aktiviert wird. Diese Begabungen werden als Erwachsener in Form von Produktivität und Kreativität genutzt (vgl. Kohut & Wolf, 1980, S. 672). Welcher dieser drei Hauptbestandteile des Selbst schlussendlich dominieren wird, wird weniger durch die Reaktionen der Selbstobjekte beeinflusst, als durch jene, die den Zustand des eigenen Kern-Selbst der Selbstobjekte ausdrücken. Das heißt, nicht was die Eltern tun, sondern was sie sind, beeinflusst den Charakter des Kindes (vgl. Kohut & Wolf, 1980, S. 672).

Wenn für das Kind jedoch kein spiegelndes Selbstobjekt vorhanden ist, kann es zu keiner Verschmelzung des Größen-Selbst mit dem Ich kommen, sondern das Größen-Selbst bleibt in seiner unveränderten Form erhalten und strebt seine eigenen archaischen Ziele an. Das Kind versucht den allumfassenden Narzissmus dadurch zu erhalten, dass es Vollkommenheit und Macht in das Größen-Selbst verlegt und sich von der Außenwelt abwendet (vgl. Kohut, 1971, S. 46, 130).

Ebenso bleibt die idealisierte Elternimago selbständig bestehen, wenn die Suche des Kindes nach dem idealisierten Selbstobjekt, mit dem es verschmelzen möchte, fehlschlägt (vgl. Kohut, 1977, S. 150). Diese Kinder bleiben lebenslänglich von Objekten abhängig, die sie als Ersatz für die fehlenden Teile der psychischen Struktur sehen (vgl. Kohut, 1971, S. 65f).

[...]

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Narzissmus bei Führungskräften
Hochschule
Wirtschaftsuniversität Wien  (Interdisziplinäre Abteilung für Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management)
Veranstaltung
Verhaltenswissenschaftlich orientieres Management
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2008
Seiten
87
Katalognummer
V131609
ISBN (eBook)
9783640381029
ISBN (Buch)
9783640380718
Dateigröße
1111 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management
Schlagworte
Narzissmus, Führungskräften, Sehr
Arbeit zitieren
Daniela Jaremkof (Autor:in), 2008, Narzissmus bei Führungskräften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131609

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