Waffengänge im Kinderzimmer

Wirkung und Faszination von Kriegsspielzeug


Hausarbeit, 2007

22 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Kriegsspielzeug und seine Instrumentalisierung im Laufe der Geschichte

3 Faszination und Wirkung von Kriegsspielzeug
3.1 Wirkung von Kriegsspielzeug in der Diskussion
3.1.1 Positive Aspekte des Spielens mit Kriegsspielzeug
3.1.2 Kritik am Spielen mit Kriegsspielzeug
3.1.3 Entwicklung des Einflusses von Kriegsspielzeug in den letzten Jahrzehnten
3.2 Faszination Kriegsspielzeug

4 Umgang mit Kriegsspielzeug – Empfehlungen für Eltern und Politik?

5 Zusammenfassung und Ausblick

6 Literatur

1 Einleitung

Für ‚Kriegs’spielzeug gäbe es, wenn es zu Verhaltensweisen führen sollte, auf die sein Name hinweist, in pädagogischem Sinne weder ein Für noch ein Wider, es wäre indiskutabel.1

Als Kriegsspielzeug bezeichnet man Spielzeug, das den Themenkomplexen Krieg, Militär oder Waffen zugeordnet ist. In der Vergangenheit gehörten dazu vorwiegend Miniaturen von Kriegsmaschinen, wie etwa Panzer oder Flugzeuge, Soldatenfiguren (Zinnsoldaten) sowie Spielzeugwaffen.

All dies gibt es bereits seit Jahrhunderten, doch wurde die Auswahl an Kriegsspielzeug bis in die Gegenwart entscheidend erweitert. Hinzugekommen sind vor allem immer detailgetreuere Plastikfiguren samt Zubehör sowie Kriegsspiele für den Computer2.

Die Meinungen zum Kriegsspielzeug änderten sich im Laufe seiner Existenz immer wieder. Vor allem in Vorkriegszeiten genoss es eine hohe Verbreitung und Akzeptanz bei Kindern wie auch deren Eltern. In Nachkriegszeiten hingegen entbrannten Diskussionen, ob Kriegsspielzeug nicht komplett aus den Kinderzimmern verbannt werden müsste, weil es Krieg und Gewalt im Allgemeinen zu sehr verherrlichte. Auch wurde die Frage aufgeworfen, ob dadurch aggressives Verhalten gefördert würde.

Die Diskussion um die Legitimität von Kriegsspielzeug erreichte schließlich ihren Höhepunkt in den 70er Jahren, als im Bundestag zum wiederholten Mal darüber debattiert wurde.

Dennoch ist sie auch heute noch – mindestens jedes Jahr zur Weihnachtszeit – aktuell. So ist mit Beginn des Irakkriegs in Amerika ein Anstieg der Verkaufszahlen von Kriegsspielzeug zu verzeichnen gewesen. Väter und Söhne spielten die „entscheidenden Schlachten“ zum Teil im Keller nach.3 – Wie verhält sich Deutschland in solchen Zeiten? Ist Kriegsspielzeug per se tatsächlich gefährlich für die Entwicklung von Kindern? Sollte die Friedensstrategie der deutschen Politik nicht auch bis in die Kinderzimmer ausgedehnt werden?

Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen dieser Arbeit der Frage nachzugehen, welchen Einfluss das Spielen mit Kriegsspielzeug auf die Entwicklung von Kindern hat.

Dazu wird zunächst die Geschichte des Kriegsspielzeugs nachgezeichnet, wobei voranzustellen ist, dass militärisches Spielzeug jahrhundertelang zum Standardspielzeug von Kindern (vor allem von Jungen) gehörte. Auch auf die historische Instrumentalisierung, insbesondere zu Kriegszeiten, wird dabei eingegangen. Anschließend wird die Wirkung des Kriegsspielzeugs auf die Entwicklung von Kindern in den Mittelpunkt gestellt. Da mit der Frage nach der Wirkung aber noch nicht geklärt werden kann, was die eigentliche Faszination am Kriegsspielzeug ausmacht, folgt dies in einem nächsten Schritt. Psychologische Studien sollen dabei helfen, die Problematik von Wirkung und Faszination zu verstehen und gleichzeitig zu untermauern.

Abschließend werden aus den Erkenntnissen der vorhergehenden Kapitel mögliche Empfehlungen für Eltern und Politik zum Umgang mit Kriegsspielzeug abgeleitet.

2 Kriegsspielzeug und seine Instrumentalisierung im Laufe der Geschichte

Altertum / Antike. Kriegsspielzeug gibt es bereits seit den „Uranfängen menschlicher Kunstfertigkeit“. Funde aus dem alten Ägypten, Vorderasien, Indien, China und Japan belegen dies. Auch im antiken Griechenland und Rom tauchten Kriegsgegenstände in Miniatur als Kulturgegenstand, Grabbeilage aber auch als Kinderspielzeug auf.4

Mittelalter bis 18. Jahrhundert. Der „Eroberungszug“ des Kriegsspielzeugs in die deutschen Kinderzimmer begann schließlich im Mittelalter. Allerdings wurde erst im 18. und 19. Jahrhundert gesellschaftlich übergreifend damit gespielt. Im 14. Jahrhundert gab es bereits Bleiritter, um 1500 waren Blasrohre mit Kugeln bekannt. Außerdem hat es schon immer Flitzebogen mit Pfeilen sowie kleine (Holz-)Schwerter gegeben. Im 17. Jahrhundert wurde die Auswahl an Kriegsspielzeug um Büchsen und Pistolen erweitert. Anschließend, im 18. Jahrhundert, fertigten Nürnberger Fabrikanten die ersten Bleifiguren. Gleichzeitig ist überliefert, dass sich Könige und andere Vermögende ganze „Spiel-Armeen“ zulegten.5

18. / 19. Jahrhundert. Mit dem Ende des 18. und dem Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Spielwarenindustrie zunehmend zu einem internationalen Handelszweig mit Deutschland als einem wichtigen Zentrum der Spielwarenherstellung. Dabei wurde auch das Sortiment an Kriegsspielzeug immer stärker erweitert. Zudem wurden immer mehr Spielsachen nach dem „Grundsatz größtmöglicher Realistik“ gefertigt, wobei auch der technische Fortschritt der Industrialisierung auf die Spielzeugwelt übertragen wurde. Die Auswahl an Soldaten wurde ergänzt durch Kasernen, Depots und andere technische und nichttechnische Spielwaren. Darunter fanden sich z. B. Hafenanlagen, Panzerschiffe, Torpedo-, Kanonen- und Unterseeboote, die vielfach mit „Uhrwerk“ betrieben wurden, später mit Dampf, Benzin und Elektrizität. Das gesamte Ausrüstungspotential der Soldaten stand also auch in Miniatur zum Nachspielen von Schlachten zur Verfügung.6

In Paul Hildebrandts Buch Das Spielzeug im Leben des Kindes (aus dem Jahr 1904) wird außerdem das „historische Spielzeug“ hervorgehoben. Dazu zählten Helden- und Ritterausrüstungen, z. B. die Soldaten Friedrichs des Großen oder Napoleons, ebenso solche aus dem trojanischen Krieg oder von den Kreuzzügen. Auch zum Nachspielen des Nibelungenliedes gab es die passenden Figuren.7

Über die tatsächliche Verbreitung von Kriegsspielzeug im 19. Jahrhundert gibt es jedoch keine verlässlichen Daten. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass sich hauptsächlich der finanziell besser gestellte Teil der Bevölkerung derartigen Luxus leisten konnte.8 Das Spielen mit Kriegsspielzeug war lange den Kindern aus adeligen und hohen bürgerlichen Kreisen vorbehalten. Vor allem wurden mit Hilfe von Kriegsspielzeug ganz gezielt die Söhne aus Adels- und Fürstenhäusern auf ihre spätere Rolle als Herrscher oder Heerführer vorbereitet.9 Bauern und Arbeiterfamilien hingegen konnten sich das teure Spielzeug nicht leisten. Deren Kinder waren eher von klein auf in die Arbeitsprozesse ihrer Familie integriert. Wenn sie Spielzeug erhielten, so war dies meist von der Verwandtschaft selbstgefertigt und widerspiegelte das landwirtschaftliche Leben im Kleinen (Besen, Rechen, Körben, Hoftiere).10

Im Zusammenhang mit Kriegsspielzeug in dieser Zeit ist es ebenso wichtig zu erwähnen, dass das Spiel der Kinder und Jugendlichen auch zunehmend durch eine immer stärker aufkommende Sachliteratur, wie z. B. Kriegsbücher oder Heldenerzählungen, inspiriert wurde.11

19. / 20. Jahrhundert. Im 19. und 20. Jahrhundert vertraten Pädagogen (wie etwa Friedrich Froebel und Maria Montessori) verstärkt die Meinung, man könne Kleinkindern durch den Umgang mit Spielzeug differenzierte Fähigkeiten beibringen. Die besondere Bedeutung von Spiel und Spielzeug für die Entwicklung von Kindern wurde dabei hervorgehoben.

So wurde das Spiel um 1900 auch zunehmend didaktisch-methodisch systematisiert, um daraus erzieherischen Nutzen zu ziehen. Bezeichnende Buchtitel von 1901 waren z. B.: „Welche Jugendspiele soll man in Hinblick auf die Wehrhaftigkeit pflegen?“, „Wie sollen Kriegsspiele verlaufen und beschaffen sein?“ „Kriegsspiele auf den Schulen“.12 Eine derartige Instrumentalisierung blieb in Deutschland, abgesehen von der Zeit zwischen 1933-1945, jedoch Theorie.13

Wilhelminismus. Und dennoch, auch zur Zeit des Wilhelminischen Kaiserreichs fällt die Einflussnahme durch Kriegsspielzeug im Gesamtkontext bereits ins Auge. Damals wies die Erziehung der Kinder in der Regel autoritäre Züge auf, was durch Schule und Elternhaus, ebenso wie durch militante Jugendliteratur unterstützt wurde. Auch übten die Kinder kontinuierlich Kriegsszenarien mit Zinnsoldaten, Gewehren und Uniformen ein.14

Insgesamt war die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg geprägt von Heldenkult, Kriegs- und Militärverherrlichung sowie „mystisch-irrationalen Verklärungen des Vaterlandes und der deutschen Nation“. Auch nationale Symbolik in Form von Fahnen und Uniformen wurde großgeschrieben. In dieser sozialpsychologischen Umgebung wuchsen die Kinder und Jugendlichen damals heran, wobei sich das Spielen mit Kriegsspielzeug wie ganz selbstverständlich in diesen Kontext einreihte. Dieser „gesamte gesellschaftliche Bezugsrahmen“, so der Erziehungswissenschaftler Hans Mieskes, biete eine Erklärung für die Begeisterung und Euphorie, mit der sich 1914 so viele Jugendliche freiwillig zum Kriegsdienst meldeten.15

Nationalsozialismus. Eine bei weitem noch stärkere Instrumentalisierung als im Kaiserreich erfuhr das Kriegsspielzeug zur Zeit des Nationalsozialismus, wo es als Mittel der Sozialisierung zum Krieg eingesetzt wurde.

Beispiellos war die Auswahl an Kriegsspielzeug: Panzer, Gefechtsstellungen, Zinnfiguren aller Waffengattungen, Kriegsschiffe, HJ-Abteilungen im Miniaturformat, bis hin zur kompletten militärischen Hierarchie nebst Führer. Dadurch, dass sich die Spiele an verschiedene Zielgruppen richteten, wurden die Kinder von klein auf erfasst und auch mit Hilfe des Kriegsspielzeugs ideologisch beeinflusst.16

Nachkriegszeit bis heute. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs fand die „staatlich geförderte Tradition des Kriegsspielzeugs“ ihr Ende. Als Spiegel der deutschen Gesellschaft, in der Waffen nach dem Krieg verpönt waren, war auch Kriegsspielzeug stark in Verruf geraten. Man befürchtete, dass es einen „kriegsfördernden“ Einfluss auf die Entwicklung der Kinder hätte und befürwortete die Friedenspädagogik. – Parteienübergreifend setzten sich Politiker daher für ein Verbot von Kriegsspielzeug ein. Im Jahr 1950 verabschiedete der Bundestag mit großer Mehrheit einen entsprechenden Antrag an die Bundesregierung. Dieser blieb dort allerdings liegen und spielte später keine Rolle mehr.17

Ähnlich wie mit der „großen“ Verteidigungspolitik verhielt es sich schließlich auch mit der Ab- und Aufrüstung in den bundesdeutschen Kinderzimmern: Während Kanzler Adenauer noch im Jahr 1949 die Aufstellung einer Deutschen Armee ablehnte, kam es schon Mitte der 50er Jahre zur Einführung der Bundeswehr und der damit verbundenen allgemeinen Wehrpflicht. – War Kriegsspielzeug nach dem Zweiten Weltkrieg auf vollständige Ablehnung gestoßen und zunächst aus der Gesellschaft verbannt, so setzte in der Zeit der Wiederaufrüstung schließlich auch wieder die Produktion von Kriegsspielzeug ein, hauptsächlich mit Abbildungen von US-Soldaten, aber auch Cowboys, Ritter und die ersten Weltraumfiguren spielten eine Rolle.

Erneute Diskussionen entbrannten schließlich mit dem Aufkommen der Friedensbewegung und ihren Ostermärschen Ende der 50er Jahre. Einerseits wurde eingeräumt, dass es zur „realen Welt“ gehöre und es deshalb nicht verboten werden dürfte. Andererseits befürchtete man individuelle Schädigungen bei Kindern.

Die nächste Anti-Kriegsspielzeugs-Welle kam dann mit den Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg Ende der 60er Jahre. Alles, was in Verbindung mit Krieg gebracht wurde, wurde geächtet, insbesondere von Intellektuellen. Allerdings blieben die Absatzzahlen der Spielzeughersteller davon relativ unberührt. Da in den 70er Jahren jedoch auch ein gehäuftes Auftreten von Kriegsspielzeug mit NS-Symbolen zu verzeichnen war, kam es zu etlichen Anfragen seitens Bundestagsabgeordneter. Die Regierung aus SPD und FDP bekräftigte zwar ihre Meinung, dass Kriegsspielzeug aus erzieherischen Grün den abzulehnen sei, verwies auch auf die Möglichkeit der Strafverfolgung von Spielzeug mit NS-Symbolen. Kriegsspielzeug an sich wurde jedoch nicht verboten.18

[...]


1 Mieskes, Hans: Kriegsspielzeug und Martialischer Geist. Eine Problemschau oder Pädagogik eines unpädagogischen Problems, Bamberg 1981, S. 7.

2 Da Computerkriegsspiele ein eigenes komplexes Themenfeld darstellen, wird in dieser Arbeit nicht explizit darauf eingegangen.

3 Berbner, Thomas: „USA: Krieg im Kinderzimmer“, Weltspiegel-Beitrag vom 06.07.2003, in: www.ndrtv.de/weltspiegel/20030706/usa.html.

4 Mieskes: Kriegsspielzeug und Martialischer Geist, S. 11.

5 Ebd., S. 14.

6 Ebd., S. 15.

7 Hildebrandt, Paul: Das Spielzeug im Leben des Kindes, Neuausg., Nachdr. d. Ausg. Berlin, 1904, Düsseldorf / Köln 1979, S. 284ff.

8 Mieskes: Kriegsspielzeug und Martialischer Geist, S. 15.

9 Kauffmann, Heiko: Kriegsspielzeug hat lange Geschichte, in: Kriegsspielzeug – Erfahrungen aus Praxis und Forschung, DGFK-Hefte Friedens- und Konfliktforschung, Nummer 13, Bonn 1979, S. 25.

10 Ebd.

11 Mieskes: Kriegsspielzeug und Martialischer Geist, S. 15f.

12 Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele, 10. Jahrgang, 1901, herausgegeben von E. v. Schenkendorff und F. A. Schmidt, Leipzig 1901, in: Mieskes: Kriegsspielzeug und Martialischer Geist, S. 17.

13 Mieskes: Kriegsspielzeug und Martialischer Geist, S. 17.

14 Kauffmann, Heiko: Kriegsspielzeug hat lange Geschichte, S. 26.

15 Ebd.

16 Ebd., S. 27.

17 Ebd.

18 Ebd.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Waffengänge im Kinderzimmer
Untertitel
Wirkung und Faszination von Kriegsspielzeug
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Kriege im Spiegel der (Massen-)Medien: Schrecken und Faszination von Waffengängen
Note
2,0
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V129536
ISBN (eBook)
9783640358465
ISBN (Buch)
9783640357994
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Waffengänge, Kinderzimmer, Wirkung, Faszination, Kriegsspielzeug
Arbeit zitieren
Anonym, 2007, Waffengänge im Kinderzimmer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129536

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