Martin Luthers Aberglaube

mit besonderer Berücksichtigung der Tischreden


Hausarbeit, 2007

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Hinführung zur Thematik
1.2 Zur Quelle

2. Der Teufel
2.1 Erklärungsansätze für Luthers Teufelsglauben
2.2 Begegnungen mit dem Teufel
2.3 Rolle des Teufels
2.4 Teufelsbesessenheit und Vertreiben des Teufels

3. Hexen
3.1 Luthers theologische Grundgedanken zum Thema Zauberei
3.2 Einfluss des Teufels auf die Hexen/ Schuldfrage
3.3 Begrifflichkeiten in Luthers Werk
3.4 Luthers Frauenbild
3.4.1 Luthers Frauenbild im Allgemeinen
3.4.2 Die Rolle der alten Frauen im Speziellen in Luthers Dekalogpredigten
3.5 Luthers Hexenbild basierend auf seinen Dekalogpredigten
3.5.1 Hauptmerkmale von Hexen
3.5.2 Hexenflug
3.5.3 Teufelspakt und Buhlschaft
3.5.4 Wahrsagen
3.6 Hexenprozesse
3.6.1 Luther als Unterstützer der Hexenverbrennung
3.6.2 Luther als Gegner des Hexenwahns

4. Astrologie
4.1 Berührungspunkte mit und Meinung über Astrologie
4.2 Gründe für seine Haltung
4.3 Der Widerspruch: Die Diskussionen um Luthers Geburtsjahr

5. Nächtliche Erscheinungen: Poltergeister und Schlafwandeln
5.1. Poltergeisterscheinung auf der Wartburg
5.2 Erklärungsversuch
5.3 Schlafwandeln

6. Zusammenfassung / Schlussfolgerung

7. Bibliographie
7.1 Quellen
7.2 Sekundärliteratur

1. Einleitung

1.1 Hinführung zur Thematik

Die Persönlichkeit Martin Luthers übt seit jeher eine große Faszination aus, nicht nur auf seine Anhänger. Wer war dieser Mann, der es vom einfachen Mönch zu einer der entscheidenden Persönlichkeiten brachte, die die Frühe Neuzeit einläuteten? Bei der Beschäftigung mit seiner Person stößt man jedoch nicht nur auf reformatorisches Gedankengut, das heute noch die Grundlage einer Konfession bildet, sondern auch auf Aufforderungen, unschuldige Frauen zu verbrennen. Inwiefern war Luther ein Kind des Mittelalters, das den Volksaberglauben teilte?

Dass Luther an Hexen, einen verkörperlichten Teufel u.s.w. glaubte, ist vollkommen natürlich, da zu Luthers Zeit der Hexenglaube sehr weit verbreitet war und religiöse Normalität auch Aberglaube bedeutete. Die Furcht vor dem Dämonischen begleitete alle Menschen und auch Luther konnte sich dieses Erbes nicht entledigen.

Zunächst muss zur Eingrenzung des Themas herauskristallisiert werden, was als „Aberglaube“ zu verstehen ist. Was zu einer Zeit als Fakt angesehen wird (zum Beispiel die Existenz von Hexen), kann in einer anderen Zeit als zutiefst abergläubisch angesehen werden, da man neue Erkenntnisse gewonnen hat und diese sich auch verbreitet haben. Aberglaube ist die Vorstellung, sich über Naturgesetze hinwegsetzen zu können. Aberglaube bezieht sich jedoch auch auf abstrakte Begriffe, die nicht von Naturgesetzen berührt werden, wie zum Beispiel das persönliche Schicksal. Der entscheidende Unterschied ist, dass seit der Aufklärung von der Vernunft bestimmt wird, was Aberglaube ist und was nicht – früher legte dies die Kirche fest, denn was ihre Vorstellungen von Religiosität übertraf, war superstitio. Jedoch waren auch dort die Grenzen fließend, wenn man zum Beispiel an das propagierte Hostienwunder oder angebliche Heilungen durch Weihwasser denkt. Da Luther sich also erstens schwammigen Übergängen von „rechtem“ Glauben zu Aberglauben ausgesetzt sah und zweitens vieles an der katholischen Kirche, z.B. die Heiligenverehrung, selbst ablehnte, musste er sich nun ein eigenes System schaffen und selbst entscheiden, was für ihn Aberglaube war und was nicht. Hier zeigen sich einige Widersprüche: Warum zum Beispiel glaubt Luther an die Teufelsbuhlschaft, nicht aber an den Hexenflug? Diese Untersuchung der Tischreden Luthers im Vergleich mit der entsprechenden Sekundärliteratur versucht, die Grenzen von Luthers Glauben an Hexen (hier liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit), den Teufel, Sterndeuter und Poltergeister aufzuzeigen und an Luthers Verständnis von dem einzig wahren Glauben festzumachen.

1.2 Zur Quelle

Luther war ein geselliger Mensch, der gerne redete und durchaus auch als sprachbegabt gezeichnet werden kann (man denke nur an seine Bibelübersetzung). Es machte ihm Freude, sich mitzuteilen – angeblich wurde sogar das eine oder andere Mal das Essen kalt, bevor er geendet hatte. Luthers Tischreden sind vielmehr Monologe als Gespräche, bei denen es sich um zufällig aufkommende Themen drehte. Sie zeichnen besonders durch ihre Lebendigkeit und Spontaneität aus. Seine Zuhörer waren stets fasziniert und schrieben auch die kleinsten Bemerkungen eifrig mit.[1]

Bei den vorliegenden Quellen handelt es sich um die elektronische Datenbank von Luthers Gesammelten Werken, in der sich sechs Bände den Tischreden widmen, sowie einer schriftlichen Ausgabe von Luthers Tischreden in sechs Bänden (siehe Bibliographie).

2. Der Teufel

2.1 Erklärungsansätze für Luthers Teufelsglauben

Psychologisierende Interpreten, allen voran der dänische Arzt P.J. Reiter, vertreten die These, Luther projiziere „die psychopathologischen Prozesse seines Innern, deren Natur ihm unverständlich sein musste, nach außen“[2]. Reiter unterstellte Luther sogar Dämonomanie, d.h. dass er sich mehr mit dem Teufel beschäftigte als mit Gott.[3]

Nun ist es nicht einfach, Luthers Teufelsglauben im Ganzen zu begreifen und logisch einzuordnen, denn Luthers Glaubensdenken ist nicht chronologisch (Schöpfung, Sündenfall…) sondern es ist systematisch aufgebaut und an Gegensätzen orientiert.[4]

E.H. Erikson unterstellt Luther, er brauche das personifizierte Böse, um sich abzureagieren, als Sündenbock für seine Lage, für Dinge, die er sich nicht erklären konnte.[5] Dies ist besonders zutreffend, wenn man Luthers Zeit auf der Wartburg betrachtet. Er hatte mit solchen Anfechtungen zu kämpfen, dass sich Luther von einem persönlichen Teufel bedroht sah, sodass es zu Poltergeisterscheinungen (siehe auch Kapitel über Poltergeister) kam. Er selbst sah ein, dass psychische Instabilität und Einsamkeit besonders empfänglich für die Werke des Teufels machen:

„ Je tiefer einer in Traurigkeit und Anfechtungen ist, ein um so geeigneteres Werkzeug ist er für den Satan. Denn unsere Anfechtungen sind es, durch die der Teufel bei uns Eingang findet und in uns wirkt. Wo es naß ist, da kann man leicht gießen; wo der Zaun kaputt ist, da kann man leicht hinüber. Ebenso hat der Satan dort, wo Traurigkeit ist, einen leichten Zugang. Darum muß man beten und Umgang mit (anderen) Gläubigen pflegen.“[6]

2.2 Begegnungen mit dem Teufel

Eine berühmte Legende, die sich um Luther rankt, ist die Tintenfassepisode. Angeblich soll Luther ein Tintenfass nach dem Teufel geworfen haben, was an der Wand zerbrach und einen Tintenfleck hinterließ. Er soll nämlich gesagt haben, er habe "den Teufel mit Tinte vertrieben", was aber wohl eher auf seine Bibelübersetzung bezogen war, als auf eine persönliche Konfrontation mit dem Teufel. Der Tintenfleck, der im letzten Jahrhundert noch in der Lutherstube auf der Wartburg zu sehen war, scheidet als Beweismittel jedoch aus, da er, falls es ihn gegeben haben sollte, regelmäßig von Touristen abgekratzt und anschließend erneuert wurde.[7] Dass Luther jedoch eine direkte Auseinandersetzung mit dem Teufel bzw. dem Teuflischen nicht scheut, lässt sich aus einer der Tischreden entnehmen:

„Als einer erzählte, der Pastor aus Dresden (Daniel Greiser) wolle weggehen, sagte M. Luther: Das sollte er nicht tun, wie ich ihm geschrieben habe. Man soll den Teufel nicht fliehen. Wenn man vor ihm flieht, so jagt er einen. Man muß ihnen die Stirn bieten, sagte jener zu denen, die aus der Schlacht flohen.“[8]

2.3 Rolle des Teufels

Die Funktion des Teufels ist bei Luther klar definiert: Er reagiert auf Gott und die Christen und sein Wirken ist von Gott gewollt und veranlasst, um die Menschheit zu prüfen (siehe auch 3.1). Dies stellt Luther ganz deutlich in einer Vorlesung über den Römerbrief dar:

„[…] Solange wir Gutes tun und deswegen nicht Widerspruch, Haß und Leiden oder Schaden erdulden, so lange müssen wir befürchten, daß unser Werk Gott noch nicht gefallen hat. […] Denn er billigt nur, was er vorher geprüft hat. Wenn aber unser Werk sogleich Nachstellungen bedrohen, dann wollen wir uns freuen und darauf vertrauen, daß es Gott wohlgefällig ist, ja wir wollen glauben, daß es aus Gott ist. Denn (alles) was aus Gott ist, muß in der Welt gekreuzigt werden. […]“[9]

Nach Luthers Auffassung ist der Teufel ein „listiger, mächtiger Geist“[10], dessen Ziel es ist, die Menschheit zu verführen und von dem Glauben an Gott abzubringen. Luther sieht den Teufel jedoch nicht nur als abstrakte Verführung an, sondern auch als Verursacher von Krankheiten:

„Ich glaube, daß bei allen schweren Krankheiten der Teufel der Urheber und Anstifter ist. Erstens: er ist der Urheber des Todes; zweitens: Petrus sagt in der Apostelgeschichte (10, 38), Christus habe alle geheilt, »die vom Teufel überwältigt waren.« Christus aber hat nicht nur die Besessenen geheilt, sondern auch Gelähmte, Blinde usw. Ich glaube überhaupt, daß alle gefährlichen Krankheiten Schläge des Teufels sind. Er bedient sich gleichwohl hierzu ganz natürlicher Mittel. Wie der Straßenräuber mit dem Schwert mordet, so verpestet der Satan die Natur. […][11]

Eine Erkrankung, gleich ob physisch oder psychisch, kommt also vom Teufel und ist zugleich als Bestrafung Gottes anzusehen:

„Gott schickt keine Not in die Welt außer durch den Teufel. Alle Traurigkeit und jede Krankheit kommt vom Teufel, nicht von Gott. Gott läßt es dem Teufel zu, daß er uns Schaden zufügt, wenn wir Gott verachten.“[12]

2.4 Teufelsbesessenheit und Vertreiben des Teufels

Ein weiteres Thema, das in diesem Zusammenhang ins Auge sticht, ist die geistige bzw. körperliche Teufelsbesessenheit (siehe auch 3.5.3). Eine Tischrede berichtet davon, dass Luther im Jahre 1538 selbst Zeuge eines solchen Falles wurde: Der Student Valerius Glockner behauptete, als er wegen unrechten Verhaltens examiniert wurde, dass er sich vor fünf Jahren dem Teufel verschrieben habe. Als Luther zu Hilfe gerufen wurde, stellte er Valerius Glockner die Frage, was er genau zum Teufel gesagt habe, betete mit ihm und ließ ihn ganz förmlich dem Teufel abschwören. Die Tischrede endet damit, dass er den jungen Mann nochmals ermahnt, mehr erfahren wir nicht.[13] Luther glaubt also daran, dass man einen Pakt, den man mit dem Teufel geschlossen hat, relativ einfach wieder lösen kann, allein durch Worte. So rät er auch einem Landknecht, der vom Teufel geplagt wird:

[...]


[1] Vgl.: Horst Hermann: Luther. Eine Biographie, Berlin 2003, S. 511-513.

[2] zitiert nach: Hans-Martin Barth: Der Teufel und Jesus Christus in der Theologie Martin Luthers“, S. 12.

[3] Vgl. Hans-Martin Barth: Der Teufel und Jesus Christus in der Theologie Martin Luthers, S. 12.

[4] Vgl. Hans-Martin Barth: Der Teufel und Jesus Christus in der Theologie Martin Luthers, S. 16.

[5] Vgl. Hans-Martin Barth: Der Teufel und Jesus Christus in der Theologie Martin Luthers, S. 12.

[6] Kurt Aland (Hrsg.): Martin Luther. Gesammelte Werke, Digitale Bibliothek Band 63, 2002, S. 6807.

[7] Vgl. KDG Wittenberg: Legenden um Luther. Der Blitz, 2001. URL: http://www.luther.de/legenden/blitz.html, [Stand 13.05.2007].

[8] Kurt Aland (Hrsg.): Martin Luther. Gesammelte Werke, Digitale Bibliothek Band 63, 2002, S. 6207.

[9] Kurt Aland (Hrsg.): Martin Luther. Gesammelte Werke, Digitale Bibliothek Band 63, 2002, S. 468.

[10] Kurt Aland (Hrsg.): Martin Luther. Gesammelte Werke, Digitale Bibliothek Band 63, 2002, S. 6164.

[11] Kurt Aland (Hrsg.): Martin Luther. Gesammelte Werke, Digitale Bibliothek Band 63, 2002, S. 6819.

[12] Kurt Aland (Hrsg.): Martin Luther. Gesammelte Werke, Digitale Bibliothek Band 63, 2002, S. 6959.

[13] Vgl. Jörg Haustein: Martin Luthers Stellung zum Zauber- und Hexenwesen, Stuttgart/Berlin/Köln 1990, Seite 136f.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Martin Luthers Aberglaube
Untertitel
mit besonderer Berücksichtigung der Tischreden
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltung
Hexen, Dämonen, Sternendeuter - Magievorstellungen in der Frühen Neuzeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
25
Katalognummer
V127738
ISBN (eBook)
9783640340743
ISBN (Buch)
9783640337675
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten: Argumentation: klar und ausgewogen. Sehr systematisch, eigenständig im Urteil. Selbstsicher und mit Verständnis für die Imperfektion der Persönlichkeit. Relevanz: Sie sind praktisch alle damals gängigen Felder des Magieglaubens durchgegangen und binden die Ergebnisse zu einem systematischen Gesamturteil zusammen. Vorbildlich! Material: Sie haben quellenmäßig in die Vollen gegriffen und beeindrucken mit der konsequenten Entlangführung an diesem Material. Weiter so!
Schlagworte
Frühe Neuzeit Martin Luther Magie Tischreden Weimarer Ausgabe
Arbeit zitieren
Sonja Kaupp (Autor:in), 2007, Martin Luthers Aberglaube, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127738

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