Veränderungen im Vokalismus - Eine diachrone graphematische Analyse des Briefes „Ursachen des Dolmetschens“ von Martin Luther (1536)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

21 Seiten, Note: 2,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Vorwort

1. Einleitung

2. Historische Situation

3. Textinhalt und Textsorte

4. Einbettung der Sprache Luthers in einen geographischen und soziokulturellen Rahmen.

5. Graphematische Analyse:
5.1. mhd. <î> und frnhd. Entsprechung
5.2. mhd. <i> und frnhd. Entsprechung
5.3. mhd, <ie> und frnhd. Entsprechung
5.4. mhd. <ei> und frnhd. Entsprechung
5.5. mhd. <iu> und frnhd. Entsprechung

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

o. Vorwort

Diese Seminararbeit wurde für das Hauptseminar „Historische Stadtsprachenforschung“ aus dem Sommersemester 2003 angefertigt. Sie soll in die Veränderungen zwischen dem mittelhochdeutschen und frühneuhochdeutschen Vokalinventar einführen und eine graphematische Analyse aufweisen, die diese Veränderungen festhält. Den Bezug dieser Untersuchung stellt ein Text aus dem 16. Jahrhundert dar.

1. Einleitung

Die vokalischen Veränderungen der mittelhochdeutschen Laute <î>, <i>, <ei>, <ie> und <iu> werden im Folgenden den frühneuhochdeutschen Realisierungen in Martin Luthers Brief „Ursachen des Dolmetschens“ untersucht. Dabei interessieren die Entsprechungen dieser fünf mittelhochdeutschen Lauten vor allem in der veränderten Schreibung. Da sich Schreibung und Sprache nicht im Verhältnis 1:1 entsprechen und die mündliche Ausdrucksweise auch wegen fehlender Belege nicht eindeutig bewiesen bzw. differenziert werden kann, werden sprachliche Hinweise nur sehr selten die schriftliche Analyse unterstützen.

Meine Basis für die Analyse der fünf genannten Laute bildet also ein Brief aus dem 16. Jahrhundert von dem großen religiösen Reformator Martin Luther. Der Brief stammt aus dem Jahre 1536 und wird von Zeile 1 bis 105 auf die schriftlichen frühneuhochdeutschen Realisierungen der genannten fünf Laute untersucht. Dabei habe ich alle Beispiele aufgeführt, die im Text belegt werden können. Sonderfälle oder Besonderheiten werden im Anschluß an die normalen Entsprechungen, bei den eine gewisse Konsequenz und Regelmäßigkeit zu erkennen ist, aufgeführt und untersucht. Die jeweiligen mittelhochdeutschen Entsprechungen gebe ich nach dem „kleinen mittelhochdeutschen Wörterbuch“ von Beate Henning an, wohl wissentlich, dass als Bezugspunkt ein klassisch-standartisiertes Mittelhochdeutsch benutzt wird und nicht zwangsläufig die mittelhochdeutschen Entsprechungen des mitteldeutschen Gebietes oder andere abweichende und analog verwendete Formen.

Der graphematischen Analyse gehen noch drei Punkte voraus: Zum einen möchte ich noch einen ganz kurzen Einblick in die historische Situation des 16. Jahrhunderts geben, des Weiteren einen ebenfalls kurzen Überblick über die Textsorte bzw. besonders auf den Textinhalt. Dieser Grobzusammenfassung folgt ein Überblick, der wiederum nicht den Anspruch auf Vollzähligkeit hat noch haben möchte, über Luthers Sprachgeschichte, seine Sprachheimat und –umgebung. Unter diesem Punkt wird ein kleiner Einblick in den Wirkungs- und Schaffungsbereich Luthers gegeben, seiner persönlichen Bereicherung und seine Stellung zur frühneuhochdeutschen Sprache inklusive Ausblick auf die Normierungen und Bereicherungen unserer heutigen Gegenwartssprache.

Diesen drei ersten Überpunkte folgt nun der entscheidende Teil der Arbeit: Die graphemtische Analyse. Die Vokale des Mittelhochdeutschen werden je einzeln untersucht, dabei wird je eine Gruppe in einer Tabelle zusammengefasst und Unterschiede zwischen dem Mittelhochdeutschen und (Früh-)neuhochdeutschen herausgestellt.

Dem genannten Hauptteil und Bezugspunkt dieser Hauptseminararbeit folgt ein kurzes Resumée, dass die wichtigsten Gedanken noch mal verdeutlicht und einen Ausblick gibt.

Aus den gängigen Abkürzungen werden im übrigen folgende benutzt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Historische Situation

Die Zeit des 16. Jahrhunderts ist geprägt von vielen Veränderungen im sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bereich. Durch das Aufblühen der Städte, die der mittelalterlichen feudalen agrarischen Gesellschaft einen Gegenpol boten, entstanden geistige und kulturelle Zentren, in denen die Verwaltung (durch die Kanzleien) und die Bevölkerungsbildung verbessert und ausgebaut werden konnte. Überschattet wurde diese durchaus positiven Entwicklungen von Umwälzungsbestrebungen in der Gesellschaft die, ausgelöst durch Martin Luthers Thesenanschlag an die Stiftskirche zu Wittenberg von 1517, in einer blutigen Bauernrevolte 1524/25 und einer Aufspaltung in drei politisch-religiöse Lager (Lutheraner, Calvinisten und Katholiken) fusste.[1]

Daraus entstanden nicht nur politische und religiöse Spaltungen, sondern auch die kulturelle Absonderung der einzelnen Lager und Gebiete von einander.[2]

Die deutsche Sprache wurde aber im 16. Jahrhundert sehr richtungsweisend verändert. Diese Veränderungen im Vergleich zum Sprachstand des Mittelalters werden im weiteren in dieser Hausarbeit erläutert.

3. Textinhalt und Textsorte

Im Jahre 1530 legte Luther in seinem „Sendbrief des Dolmetschens“ seine Übersetzungsprinzipien dar. Diese detailliert er im vorliegenden Brief „Ursachen des Dolmetschens“, der einen Teil eines Druckes mit dem Titel „Summarien vber die Psalmen/ vnd Ursachen des dolmetschens“ ausmacht, noch genauer und richtet sich damit an Kritiker seiner Zeit. Luther legitimiert in seinem Brief die Übersetzungsentscheidungen, die er im Hinblick auf die Zielsprache Deutsch vorgenommen hat und versucht mit belehrenden Worten die Kritiker von dem Nutzen einer einheitlichen deutschen (Hoch-) Sprache zu überzeugen, damit eine Verständigung in einer richtigen deutschen Sprache für alle Deutschen (v.a. die „fromen Christen“, die er in der Überschrift anspricht) gegeben ist.[3]

4. Einbettung der Sprache Luthers in einen geographischen und soziokulturellen Rahmen

Seinen sprachlichen Ausgangspunkt setzt Luther selbst in einer seiner „Tischreden“:

„Ich habe keine gewisse, sonderliche, eigene Sprache im Deutschen, sondern gebrauche der gemeinen deutschen Sprache, dass mich beide, Ober- und Niederländer verstehen mögen. Ich rede nach der sächsischen Canzeley ...“[4]

Somit bedient sich Luther also bewusst des Mitteldeutschen, genauer gesagt dem Ostmitteldeutschen, dass noch in Obersächsisch und Thüringisch aufzuteilen wäre, da diese gebiete zu Luthers Einzugs- und Lebensgebiete gezählt haben, um in Nord- als auch in Süddeutschland verstanden zu werden. Dennoch hat er die Sprache dieses Gebietes (vor allem die der Kanzleien, aber dazu später mehr) nicht hundertprozentig übernommen. Er hat den volkstümlichen Charakter gewahrt, indem er, wie er sagt „den Leuten aufs Maul geschaut“[5] hat.[6]

Luther hat also eine sehr enge Beziehung zu der „sächsischen Canzeley“ unterhalten, wie wir lesen konnten. Zu seiner Zeit entstanden nämlich diese neu eingerichteten Kanzleien der Städte und Territorialstaaten und entwickelten eine lokale Schreibtradition und Schreibsprache, die mehr oder weniger reglementiert war, d.h. sie benutzte einen Schreibdialekt, der auf eine begrenzte Regionalität begrenzt war.[7] Von großer bedeutung waren die Kanzleien des Luxemburgers Karl IV. in Prag (Böhmen) entstanden im 14. Jahrhundert, der bereits erwähnten kursächsischen der Wettiner, die auch meißnische Kanzlei genannt wird und die von Kaiser Maximilian I. begründete, die kaiserliche Kanzlei der Habsburger in Wien.[8] Luther schrieb also in der Sprache dieser drei bedeutenden Kanzleien, in denen aber keineswegs eine vollständige einheitliche Schreibstufe präsent war, sondern eine „jede Kanzlei von dem Dialekte ihres Landes beeinflusst“[9] wurde, wie Franke nochmals hervorhebt. Luther sondierte somit aus und versuchte verschiedene Elemente der Kanzleisprachen mit Mundart, gleichbleibendem mittelhochdeutschen Lauten und weiterentwickelten (früh-)neuhochdeutschen Veränderungen zu vermischen, wobei er den Rahmen für die nhd. Sprachentwicklung mehr und mehr „von dem im Hochmittelalter dominanten Obd. Ins Omd.“[10] verlagert und eine gradlinige Entwicklung vom mittelhochdeutschen Sprachstand zur neuhochdeutschen Standardsprache unterbindet. Die Sprache der kursächsischen Kanzlei wurde nach A. Bach „zur Grundlage unserer nhd. Gemeinsprache, vor allem durch den Umstand, dass Martin Luther sich ihrer bediente.“[11]

Dabei ist anzumerken, dass weder die kursächsische noch Luther alleine die neuhochdeutsche Sprache geschaffen haben, da dies allein nicht möglich gewesen wäre. Vielmehr greift Luther auf Vereinheitlichungen zurück, die zwischen Maximilian I. und Friedrich dem Weisen von Sachen entstanden, die zu einer gemein gültigen Reichssprache führen sollten und entwickelte sie weiter.[12]

[...]


[1] Der Große Ploetz (1998), S. 652

[2] Stedje, Antje (1979), S. 118

[3] Vgl. Reichmann/ Wegera (1988), S. 36

[4] Baur (1986), S. 149

[5] Lutherzitat in Schwarz (1967), S. 86

[6] Vgl. Schwarz (1967), S. 86ff.

[7] Vgl. Schweikle (1990), S. 263

[8] Vgl. Baur (1986), S. 149

[9] Franke (1973), S. 24

[10] Schweikle (1990), S. 265

[11] Bach (1965), S. 249

[12] Vgl. Raumer (1854) in: Wegera (1986), S. 16

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Veränderungen im Vokalismus - Eine diachrone graphematische Analyse des Briefes „Ursachen des Dolmetschens“ von Martin Luther (1536)
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Veranstaltung
HS: Historische Stadtsprachenforschung
Note
2,00
Autor
Jahr
2003
Seiten
21
Katalognummer
V124087
ISBN (eBook)
9783640296545
ISBN (Buch)
9783640326594
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Veränderungen, Vokalismus, Eine, Analyse, Briefes, Dolmetschens“, Martin, Luther, Historische, Stadtsprachenforschung
Arbeit zitieren
Achim Zeidler (Autor:in), 2003, Veränderungen im Vokalismus - Eine diachrone graphematische Analyse des Briefes „Ursachen des Dolmetschens“ von Martin Luther (1536), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124087

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