Zinstheorien. Spezielle Geldtheorie

Die Zinstheorien von Knut Wicksell, Eugen von Böhm-Bawerk, Irving Fisher und John Maynard Keynes sowie die Zinsen als relative Preise


Hausarbeit, 2008

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die klassische Zinstheorie

3 Die Zinstheorien der Neoklassik
3.1 Der Pionier – Eugen von Böhm-Bawerk
3.1.1 von Böhm-Bawerks Prämissen
3.1.2 Geschichte und Kritik der Kapitalzinstheorien
3.1.3 Die positive Zinstheorie
3.1.4 Implikationen der positiven Zinstheorie
3.2 Später Ruhm – Knut Wicksell
3.2.1 Wicksells Prämissen
3.2.2 Die Zinsspannentheorie
3.2.3 Implikationen der Zinstheorie Knut Wicksells
3.3 Der Exzentriker – Irving Fisher
3.3.1 Prämissen der Fisherschen Zinstheorie
3.3.2 Die Fisher-Separation
3.3.3 Preiserwartungseffekt und Erwartungshypothese
3.3.4 Implikationen der Theorien Fishers

4 John Maynard Keynes
4.1 Keynes’ Prämissen
4.2 Keynes’ Zinstheorie
4.3 Implikationen der Liquiditätspräferenztheorie

5 Zusammenfassung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Der Zins als intertemporales Phänomen

Abbildung 2: Die Zinstheorie von Knut Wicksell

Abbildung 3: Das Fisher-Separationstheorem

Abbildung 4: Die Liquiditätspräferenztheorie in Form des IS-LM Modells

1 Einleitung

Wirft man einen Blick in die Vergangenheit, so fällt auf, dass die Betrachtung des Zinses nicht von Anfang an wirtschaftlicher Natur war, wie es die Vermutung nahe legen würde. Es waren vielmehr die Philosophen und Religionsvertreter die sich zuerst dem Zinsphänomen annahmen. Bereits Aristoteles setzte sich vor mehr als 2000 Jahren auf philosophischer Ebene mit dem Zins auseinander und kam zu dem Schluss, dass die Vermehrung von Geld durch dessen bloße Verleihung naturwidrig sei, da er Geld für von Natur aus unfruchtbar hielt.[1] Die Kirche sah es ihrerseits für Christen als verwerflich an von ihren Brüdern Zinsen zu nehmen und bezeichnete diese als Wucher. Diese tief verwurzelte kirchliche Lehre führte daher zur Verankerung des sogenannten Zinsverbots, welches nicht nur Vertreter des Klerus, sondern auch weltliche Bürger

betraf.[2]

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit sollen die Zinsen jedoch lediglich aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive beleuchtet werden. Die Zinstheorie ist die ökonomische Lehre des Zustandekommens von Zinssätzen und deren Höhe.[3] Ausgehend von der klassischen Zinstheorie[4], die im Folgenden kurz angerissen wird, sollen die weiterführenden Überlegungen bedeutender Ökonomen auf diesem Gebiet beleuchtet werden. Die Theorien von Knut Wicksell, Eugen von Böhm-Bawerk, Irving Fisher, sowie John Maynard Keynes werden dabei im Verlauf dieser Arbeit in zinstheoretischem Kontext in einen logischen Zusammenhang gebracht. Dabei sollen wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Theorien aufgezeigt werden.

2 Die klassische Zinstheorie

Die Periode der klassischen Zinstheorie umfasst in etwa die 100 Jahre zwischen der zweiten Hälfte des 18. und des 19. Jahrhunderts.

Die Anhänger der Klassik sahen den Zins als Gebühr für ein Kapitaleinkommen, welches durch die Wertproduktivität langfristigen Kapitals entsteht. Zinsen bilden

hierbei in stark abstrahierter Form einen Gleichgewichtspreis zwischen dem Geldangebot der Sparer und der Geldnachfrage der Investoren, wobei die Höhe des Zinses vom Kapitalreichtum eines Landes bestimmt wird. Je höher die Konsumneigung der Wirtschaftssubjekte, umso höher der Zins.[5] In der Klassik wird der Zins als reale Größe betrachtet, welche durch die monetäre Größe des Geldes bzw. die Geldmenge langfristig nicht beeinflusst wird. Man spricht hierbei von der Neutralität des Geldes, welche in der klassischen Dichotomie, also der Trennung zwischen monetärem und realem Bereich der Volkswirtschaft, zum Ausdruck kommt.[6]

Eine weitere zentrale Ansicht der Klassiker ist das Wirken des Sayschen Theorems wonach sich jedes Angebot selbst seine eigene Nachfrage schafft, da nur etwas angeboten wird um mit dem Erlös wieder Güter und Dienstleistungen nachzufragen. Dadurch tendiere eine Volkswirtschaft immer von allein in ein Gleichgewicht.[7]

Da die klassische Zinstheorie aufgrund der starken Abstraktion von der Realität das Zustandekommen und die Funktionsweise von Zinsen nur unzureichend erklären konnte, bot sie den Vertretern der Neoklassik[8] ausreichend Anlass zur Weiterentwicklung.

Die Vernachlässigung der Einkommenskomponente, der fehlende Zeitbezug des Zinses, oder die Nichtberücksichtigung der Erwartungen der Wirtschaftssubjekte sind nur einige der Schwachpunkte der klassischen Zinstheorie, welche durch Erweiterungen und neue Theorien verbessert werden sollten.

3 Die Zinstheorien der Neoklassik

Die Neoklassik ist die konsequente Weiterentwicklung der Klassik ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die wohl wichtigsten Neuerungen stellen hierbei wohl der Marginalismus[9], die Betrachtung der Zeit und der individuellen Zukunftserwartungen zur Erklärung geldtheoretischer Phänomene dar, wie nachfolgend gezeigt wird.

3.1 Der Pionier – Eugen von Böhm-Bawerk

Eugen von Böhm-Bawerk (1851-1914) war ein österreichischer Ökonom und gilt als Pionier der österreichischen Kapitaltheorie.[10] Er begriff den Zins als zeitgebundenes Phänomen und sorgte so für eine bedeutende Erweiterung der klassischen Zinstheorie, auf die viele seiner Nachfolger aufbauten. Die Theorien vor von Böhm-Bawerk konnten die Existenz des Zinses als solche nicht erklären. Er war derjenige der erkannte, dass der zentrale Aspekt des Bestehens von Zinsen in deren intertemporalem Charakter liegt.[11]

3.1.1 von Böhm-Bawerks Prämissen

Eugen von Böhm-Bawerks Zinstheorie befasste sich mit dem realen Sektor einer stationären Wirtschaft.[12] Es wurde angenommen, dass die Quantitätstheorie[13] bestand hat und somit Geld keine Effekte auf reale Größen haben könne. Die Gültigkeit des Sayschen Theorems[14] im realwirtschaftlichen Sinne wurde ebenso wenig angezweifelt. Von Böhm-Bawerk glaubte demnach daran, dass Güterangebot und -nachfrage die Volkswirtschaft von allein ins Gleichgewicht bringen, ohne die Einwirkung des Geldes als monetäre Größe. Das Saysche Theorem begründet des Weiteren die Prämisse der Vollbeschäftigung.

3.1.2 Geschichte und Kritik der Kapitalzinstheorien

Für von Böhm-Bawerk war der wirkliche Ursprung des Zinses, trotz zahlreicher Erklärungsversuche anderer Wissenschaftler, immer noch ungeklärt. Er erstellte mit dem ersten Band von „Kapital und Kapitalzins“ zuerst einen Abriss des Wissensstandes der Zinstheorie seiner Zeit. Von Böhm-Bawerk stellte sich die Frage, woher die Produktivität, die wertkreierende Kraft des Kapitals eigentlich stammte. Diese dem Kapital innewohnende Eigenschaft, welche die naiven Produktivitätstheoretiker[15] dazu bewegt hatte, das Kapital neben Arbeit und Boden bzw. Natur als dritten Produktionsfaktor zu begreifen. Von Böhm-Bawerk sah diese Theorie lediglich als unbestätigte Hypothese an und suchte zu deren wissenschaftlichen Belegung nach einer plausiblen Erklärung des Kapitalzinses. Er sah den Wert von Gütern als etwas an, das nicht durch Arbeit oder Kapital geschaffen werden konnte. „Was die Produktion leisten kann, ist eben nie etwas anderes, als dass sie Güter schafft, von denen man hoffen kann, dass sie nach den voraussichtlichen Verhältnissen von Bedarf und Deckung Wert haben werden“.[16]

Das Zinsproblem war für von Böhm-Bawerk kein reines Produktionsproblem.

Für ihn stellte auch die sozialistische Ausbeutungstheorie, deren prominentester Vertreter Marx darstellte, auch keine befriedigende Erklärung des Zinses dar. Der Wert einer Ware hängt nach dieser ausschließlich von der Arbeitsmenge ab, die für dessen Erzeugung notwendig war. Der Zins ergibt sich folglich durch die Machtposition der Kapitalisten gegenüber den Arbeitern, wodurch der Arbeitslohn unter den Güterwert gedrückt werden kann, um so einen Mehrwert für die Kapitalgeber zu erzeugen.[17]

Ein reines Verteilungsproblem konnte der Zins nach von Böhm-Bawerk jedoch nicht sein, da ein solches den gesamten Produktionsprozess vollständig außer Acht ließ.[18]

3.1.3 Die positive Zinstheorie

Im vierten Buch seines Hauptwerkes zur Zinstheorie „Positive Theorie des Kapitals“ entwickelte von Böhm-Bawerk einen eigenen Ansatz zur Erklärung des Kapitalzinses. Wie oben bereits erwähnt, stellte er den Zeitbezug in den Mittelpunkt seiner Überlegungen: „In aller Regel haben gegenwärtige Güter einen höheren Wert als künftige Güter gleicher Art und Zahl“.[19] Dies ist die Kernaussage der von ihm entwickelten Agiotheorie.[20]

Zu deren Untermauerung führte von Böhm-Bawerk 3 Argumente an.

Eine Ursache stellt der zumeist sinkende Grenznutzen von Gütern und Kapital dar. Die sofortige Verfügbarkeit eines Gutes eliminiert das Risiko von eventuell auftretenden Fehlmengen bis zur Erlangung des Gutes zu einem späteren Zeitpunkt. Der höhere Wert des gegenwärtigen Gutes bzw. Kapitals erklärt sich demnach aus der Möglichkeit der Verwendung in Gegenwart und Zukunft gleichermaßen, während eine zukünftig erhaltene Ware in der Gegenwart keinen Nutzen stiftet.

Der zweite Grund für die Höherbewertung gegenwärtiger Güter sei die menschliche Psyche. Demnach wird die Befriedigung eines aktuellen Bedürfnisses, der eines zukünftigen Bedürfnisses vorgezogen. Durch seine ihm innewohnende Gegenwartspräferierung unterschätze der Mensch systematisch seine künftigen Bedürfnisse. Dieses Phänomen wird auch als positive Zeitpräferenzrate bezeichnet.[21]

Als dritten Aspekt nannte von Böhm-Bawerk die Mehrergiebigkeit von Produktionsumwegen, nach welcher gegenwärtige Produktionsmittel solchen in zukünftigen Perioden überlegen sind. Das Kapital, welches aus dem sogenannten Substistenzmittelfonds zur Verfügung gestellt wird, ermögliche demnach einen höheren Wertzuwachs bei einem produzierten Gut, da längere Produktionsumwege genutzt werden können. Je größer der Fonds, desto längere Produktionsumwege sind möglich.[22]

Längeren Produktionsumwegen wurde somit eine höhere Produktivität beigemessen, da dadurch zusätzliche Naturkräfte eingefangen werden können.[23]

Von Böhm-Bawerk betonte in seinen Arbeiten immer die Heterogenität des Kapitals. Er lehnte das theoretische Konstrukt eines einheitlichen gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks ab. Um dennoch die Kapitalintensität der Produktion wiederzugeben, verwandte er den Begriff der durchschnittlichen Produktionsperiode.[24]

Anhand der oben erwähnten Argumente begründete von Böhm-Bawerk den Zins.

Der Darlehens- bzw. ausgedungene Zins entspricht demnach dem Aufgeld für die risikolose Ausleihung von Geld oder Gütern, also dem Tausch von zukünftigen und gegenwärtigen Gütern.[25] Daran angelehnt ist der Zins für dauerhafte Güter, welcher den realen Nettoertrag für die Ausleihung langlebiger Güter darstellt.

Der ursprüngliche Zins stellte für von Böhm-Bawerk den eigentlichen Hauptpunkt des Zinsproblems dar. Er bildet die reale Profitrate auf das im Produktionsprozess eingesetzte Kapital.

[...]


[1] Vgl. von Böhm-Bawerk, E., Zins, 1928, S. 1131.

[2] Vgl. Braun, C., Wucherverbot, 1994, S. 29.

[3] Vgl. Issing, O., Einführung – II, 2003, S. 100.

[4] Vgl. Anderegg, R., Grundzüge, 2007, S. 95 ff. Die klassische Zinstheorie ist ein

Teilgebiet der klassischen Nationalökonomie, welche von Ökonomen wie Smith, Ricardo oder Say ab Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt wurde.

[5] Vgl. Anderegg, R., Grundzüge, 2007, S. 96 f.

[6] Vgl. Pigou, A.., Veil, 1949. Diese Theorie wurde später unter dem Namen Quantitätstheorie bekannt.Eine Erhöhung der Geldmenge schlägt sich nach strenger Auslegung lediglich in einer proportionalen Erhöhung des Preisniveaus nieder.

[7] Vgl. Felderer, B., Homburg, S., Makroökonomik, 2005, S.83 ff.

[8] Vgl. Jarchow, H.-J., Theorie, 1978, S. 186.

[9] Vgl. Felderer, B., Homburg, S., Makroökonomik, 2005, S. 25. Hierunter versteht man die Betrachtung von Grenzwerten wie z.B. Grenznutzen oder Grenzkosten.

[10] Vgl. Krause, W., Graupner, K.-H., Ökonomenlexikon, 1989, S. 55ff.

[11] Vgl. von Böhm-Bawerk, E., Kapital – I, 1961, S. 450.

[12] Vgl . Lutz, F. A., Zinstheorie, 1956, S. 9.

[13] Vgl. Jarchow, H.-J., Theorie, 1978, S. 186 ff.

[14] Vgl. Anderegg, R., Grundzüge, 2007, S. 156. Güter werden mit Gütern gekauft.

[15] Zu den Vertretern der naiven Produktivitätstheorie zählten unter anderem Say, Beaulieu, Riedel und Kleinwächter.

[16] von Böhm-Bawerk, E., Kapital – I, 1961, S. 119 f.

[17] Vgl. Marx, K., Kapital, 1928.

[18] Vgl. von Böhm-Bawerk, E., Kapital – I, 1961, S. 447.

[19] von Böhm-Bawerk, E., Kapital – II, 1961, S. 327.

[20] Vgl. Stavenhagen, G., Geschichte, 1969, S. 256 ff.

[21] Vgl. Issing, O., Einführung – II, 2003, S. 127.

[22] Vgl. Lutz, F. A., Zinstheorie, 1956, S. 15.

[23] Vgl. von Böhm-Bawerk, E., Kapital – II, 1961, S. 328 ff.

[24] Vgl. Hennings, K. H., Eugen von Böhm-Bawerk, 1989, S. 189.

[25] Vgl. Conrad, H., Kapitaltheorie, 2002, S. 118.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Zinstheorien. Spezielle Geldtheorie
Untertitel
Die Zinstheorien von Knut Wicksell, Eugen von Böhm-Bawerk, Irving Fisher und John Maynard Keynes sowie die Zinsen als relative Preise
Hochschule
Universität zu Köln
Veranstaltung
Spezielle Geldtheorie
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
24
Katalognummer
V126262
ISBN (eBook)
9783640322916
ISBN (Buch)
9783640320998
Dateigröße
551 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Fachgebiet spezielle Geldtheorie
Schlagworte
Geldtheorie, Zinstheorien, Keynes, Wicksell, Böhm-Bawerk, Irving Fisher
Arbeit zitieren
Christian Hackel (Autor:in), 2008, Zinstheorien. Spezielle Geldtheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126262

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