Das Bairische im Hoch- und Spätmittelalter


Hausarbeit, 2008

22 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Region des Bayrischen

3. Die sprachexterne Determinante. Die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation im Bayern des 12. und 14. Jahrhunderts

4. Bairisch im Hoch- und Spätmittelalter (12. bis 14. Jahrhundert)

5. Fazit

Literatur

1. Einleitung

Im Jahr 1987 eroberte die bayerische Sängerin Nicki mit ihrem Lied “I bin a bayrisches Cowgirl“ die Spitze der Deutschen Hitparade und hatte damit bei weitem nicht nur in Bayern Erfolg, sondern in ganz Deutschland. Noch Ende der 1960er Jahre hätte man den Erfolg Nickis nicht für möglich gehalten, da Dialektsprecher in Deutschland als minderwertig, ja sogar schlichtweg als „dumme Bauern“ galten. Dass Nicki zudem aber auch noch gerade mit dem ganz besonders verpönten bayerischen Dialekt einen Hitsong landen konnte, zeigt, dass bezüglich der Bewertung der Dialektsprache ein Umdenken stattgefunden haben musste. Die Dialektsprache galt durch einen recht schnellen Wandlungsprozess als akzeptiert, eine Neubewertung also, die bis in die heutige Zeit anhält.

Die abermalig neue Haltung gegenüber den Dialektsprachen ab Beginn der 1970er Jahre stellt aber nur den bisher letzten in einer langen Reihe von Wandlungsprozessen dar, die im Falle des Bayerischen bis ins 6. Jahrhundert zurückreicht, einem Zeitpunkt, ab dem man vom Bayerischen im eigentlichen Sinne sprechen kann. Der wohl wichtigste Wandlungs- und Entwicklungsprozess für das Bayerische ist in der Zeit des Hoch- und Spätmittelalters anzusetzen.[1] Die Entwicklung des Bayerischen in diesem Zeitraum, der sich ungefähr vom 12. bis zum 14. Jahrhundert erstreckt, soll daher im Folgenden näher untersucht werden.

Zunächst soll dabei die zu untersuchende Region des Bayerischen so eindeutig wie möglich von den umliegenden Gebieten abgegrenzt werden. Hiernach wird die Zeit des Hoch- und Spätmittelalters aus makrohistorischer Perspektive gegenüber den geschichtlichen Entwicklungen der vorangegangenen und nachfolgenden Zeit abgegrenzt werden. Im Mittelpunkt der Abhandlung soll dann die Entwicklung des bayerischen Dialekts im Hoch- und Spätmittelalter stehen.

2. Die Region des Bayrischen

Die Region des Bayrischen ist eine der kompaktesten Regionen des deutschen Sprachgebietes.[2] Sie ist begrifflich zu trennen vom Raum des Bairisch-Österreichischen, mit dem sie aber große Gemeinsamkeiten aufweist. Viele altbayerische Eigentümlichkeiten gehen konform mit Österreich, sind also unspezifische Bavarismen, also bairisch-österreichisch und somit gesamt-ostoberdeutsch. Nicht wenige dieser Eigentümlichkeiten decken sich darüber hinaus mit dem angrenzenden schwäbisch-alemannischen Raum, sind also gesamt-oberdeutsch. Einige dieser Eigentümlichkeiten reichen sogar weit über Bayern hinaus und sind somit südliches Deutsch, was über das Oberdeutsche hinaus auch große Bereiche des mitteldeutschen Raumes bis hinauf zur Grenze zum Niederdeutschen mit einschließt.[3]

Differenziert werden muss aber auch innerhalb Bayerns. Das heutige Bayern gliedert sich mit Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken sowie Schwaben, der Oberpfalz, Niederbayern und Oberbayern in sieben Landesteile. Das Bayrische an sich spricht man aber nur in Altbayern, also in dem Teil des Freistaates Bayern, der sprachgeographisch zum Ostoberdeutschen gehört. Zu Altbayern gehören Oberbayern, Niederbayern, die Oberpfalz und die jeweils benachbarten Grenzgebiete. In den fränkischen Landesteilen und in Schwaben wird hingegen rheinfränkisch, ostfränkisch und thüringisch respektive schwäbisch gesprochen.[4] Dieselbe geographische Einteilung bezüglich der Gebiete, in denen die bayrische Sprache gesprochen wird, gilt wie für die heutige Zeit auch für das 12. bis 14. Jahrhundert. Die Untersuchung der bayrischen Sprache muss sich daher auf die drei Landesteile Bayerns beschränken, in denen das Bayrische gesprochen wird, umfasst also demnach nicht die Landesteile, in denen vorwiegend fränkischer und schwäbischer Dialekt gesprochen wird.

Die Binnengliederung des Bairischen umfasst drei Hauptdialekte. Im Norden, d.h. am Nordrand von Niederbayern und in der Oberpfalz bis zum fränkischen Raum wird das Nordbairische gesprochen.[5] Mittelbairisch spricht man im Raum zwischen München und Wien und somit in Ober- und Niederbayern sowie in Ober- und Niederösterreich, im Burgenland, am Nordrand von Salzburg und in der Steiermark. Hierfür findet sich auch der Ausdruck Donau-Isar-Bairisches, welcher als neuerungsfreudigster bairischer Dialekt gilt.[6] Im Süden wird das Südbairische oder Alpenbairische gesprochen. Der Schwerpunkt der Sprachgeschichte Bayerns muss daher auf dem Nord- und Mittelbairischen liegen, da das Südbairischen gänzlich außerhalb des Gebietes Bayern – nämlich im heutigen Österreich und Südtirol – liegt.

Die Anfänge des Bairischen fanden gleichzeitig mit der Ethnogenese der Baiern im 6. Jahrhundert statt. Ausgangsland des Bairischen ist das Herzogtum der Agilolfinger. Ab dem Jahr 700 sprach man von der regio Bawariorum. Im Hoch- und Spätmittelalter kam es zur Herauslösung des Herzogtum Österreich aus dem bayerischen Herzogtum. Sinnvoll erscheint daher eine Unterscheidung zwischen Altbayern einerseits und dem Gebiet, das das heutige Bayern, Österreich und Südtirol umfasst.[7] Eine Differenzierung zwischen ba i risch für das Gebiet mit Bayern, Österreich und Südtirol und ba y erisch für das Gebiet Altbayerns erscheint mir – wie es Reiffenstein vorschlägt – nicht sinnvoll, da erst König Ludwig I. am Anfang des 19. Jahrhunderts aufgrund seiner Begeisterung für Griechenland den griechischen Buchstaben integrierte und Namen seines Landes von Baiern in Bayern änderte.[8]

Für das Hoch- und Spätmittelalter, das hier untersucht werden soll, ergibt sich also sowohl für Altbayern als auch für das Gebiet, das Österreich und Südtirol mit einschließt, die Schreibweise Ba i ern. Der Schwerpunkt der folgenden Analyse soll auf das Gebiet Altbayerns gelegt werden, ohne dabei das Gebiet Österreichs und Südtirols strikt auszugrenzen, da sich in der jeweiligen Sprachentwicklung einige Kongruenzen nachweisen lassen.

3. Die sprachexterne Determinante. Die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation im Bayern des 12. und 14. Jahrhunderts

Die Epoche vom 11. bis 13. Jahrhundert war in Europa durch Aufbrüche in allen Lebenslagen gekennzeichnet. Charakteristisch ist vor allem das starke Bevölkerungswachstum und die daraus resultierende Siedlungsintensivierung. Wichtige Merkmale sind zudem der wirtschaftliche und soziale Aufstieg und die Lockerung alter Bindungen und Abhängigkeiten. Die geburtsständische Gesellschaftsordnung, welche eine Teilung in Freie und Unfreie mit sich brachte, wurde hierbei sukzessive durchlässig und durch neue funktionale und berufsständische Hierarchien ersetzt. Vereinfachend kann nun von einer Gliederung ausgegangen werden, die die Bevölkerung in Rittertum, Bürger und Bauern einteilte. Das sesshafte, „schollengebundene“ Bauerntum kam dabei als neu formierter, eigener Stand hinzu. In der Summarium Heinrici vom 11. Jahrhundert ist dabei erstmals das Wort gibûr für rusticus bezeugt, was soviel bedeutet wie Hausgenosse oder Nachbar.[9] Sozialer Aufstieg war den Bauern besonders ab dem 13. Jahrhundert möglich. Einige von ihnen gelangten hierdurch zu beträchtlichem Wohlstand.

Der Stand des Rittertums war durch den Kriegsdienst definiert und schloss sowohl Adel als auch Ministerialen mit ein. Der Stand des städtischen Bürgertums, der aus Kaufleuten und Gewerbetreibenden gebildet wurde, wurde seit dem 12. Jahrhundert zu einem wichtigen sozialen Faktor. Die Neuausrichtung der Stände bewirkte einen neuen Stellenwert von „Welt“ und ein neues Selbstwertgefühl des Laientums. Kein Widerspruch ist, dass diese Emanzipation aus kirchlicher Bevormundung mit einer vertieften Religiosität einherging. Die Kirche selbst führte tiefgreifende Reformen durch. Mit den Augustiner-Chorherren, den Zisterziensern und den Bettelmönchen formierten sich im 11., 12. und 13. Jahrhundert neue Orden mit starken religiösen Ausstrahlungen weit über den klösterlichen Bereich hinaus.[10]

Auf politischer Ebene ist der bedeutendste Prozess im Hoch- und Spätmittelalter die Territorialisierung, die Bildung von geschlossenen Flächenstaaten mit eigener Rechtshoheit unter dem Dach des machtloser werdenden „Reiches“. Auch den Königen, welche ja gleichzeitig Landesfürsten waren, ging oft genug Territorialpolitik vor Reichspolitik. Der älteste und wichtigste Territorialisierungsprozess innerhalb des altes Stammesherzogtums Baiern ist die Erhebung der karolingischen Ostmark zum Herzogtum Österreich im Jahr 1156. In dem nun stark verkleinerten Gebiet ihres Herzogtums gelang es der Herrscherdynastie, den Wittelsbachern, seit 1180 ihre Landeshoheit trotz mehrfacher Teilungen zwischen im 13. und 14. Jahrhundert auszubauen. Zu beachten sind ab dem 14. Jahrhundert vor allem die sich verschärfenden Differenzen zwischen den Herzogtümern Bayern und Österreich, welche im Ringen um die Königswürde zwischen dem bayerischen Herzog und dem österreichischen Herzog Friedrich der Schöne gipfelten.[11]

In wirtschaftlicher Hinsicht kam es zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert zu zahlreichen Neugründungen von Städten und Märkten. Das Dorf an sich bildete sich in dieser Zeit aus, die Gemeinde selbst wurde zum Rechtskörper. Die Städte fungierten als wichtige Stützpunkte landesfürstlicher Macht. Wie die Landesfürsten in ihren Residenzen wurden auch die Adligen in ihren Stammburgen inmitten ihrer Besitzungen sesshaft und begannen, den Namen der jeweiligen Burg als Beinamen zu führen. Hierbei könnte es sich um die Begründung des Familiennamens handeln. Der wirtschaftliche Aufschwung des 12. und 13. Jahrhunderts erschöpfte sich allerdings und führte in der Mitte des 14. Jahrhunderts zu einer tiefen wirtschaftlichen Krise, die durch Naturereignisse wie Missernten und die Pest noch verschärft wurde. Auch die Siedlungsexpansion kam um 1300 im wesentlichen zum Erliegen. Hungersnöte und die Pest führten zu drastischen Bevölkerungseinbrüchen, die hauptsächlich die Städte betrafen und auf dem Land Wüstungsprozesse hervorriefen.[12]

In Anbetracht dieser Voraussetzungen auf den Ebenen der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft ist es wenig verwunderlich, dass bei all diesem Reformeifer und der enorm gestiegenen Mobilität in diesen Jahrhunderten des hohen und späten Mittelalters auch die Sprache von tiefgreifenden Neuentwicklungen und Umwälzungen nicht unberührt blieb. Die Wandelprozesse, welche sich auf diesem Gebiet ergeben haben, sollen im folgenden Kapitel näher beleuchtet werden.

[...]


[1] Reiffenstein 2002a, S. 56.

[2] Reiffenstein 2002a, S. 1.

[3] Zehetner 1998, S. 124.

[4] Zehetner 1985, S. 16.

[5] Bürgisser 1988, S. 1.

[6] Reiffenstein 2002a, S. 74.

[7] Reiffenstein 1960, S. 471. Eine Besonderheit stellt dabei die Stadt Salzburg dar. Sie liegt zwar auf österreichischem Territorium, ist aber sprachlich deutlich stärker der Sprache Bayerns näher. Vgl. Reiffenstein 2002b, S. 3.

[8] Zehetner 1985, S. 16.

[9] Reiffenstein 2002a, S. 37.

[10] Reiffenstein 2002a, S. 38.

[11] Reiffenstein 2002a, S. 38.

[12] Reiffenstein 2002a, S. 39.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das Bairische im Hoch- und Spätmittelalter
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V125531
ISBN (eBook)
9783640312573
ISBN (Buch)
9783640316496
Dateigröße
453 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bairische, Hoch-, Spätmittelalter
Arbeit zitieren
Dirk Wippert (Autor:in), 2008, Das Bairische im Hoch- und Spätmittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125531

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