Klassenbücher aus der Sicht des Archivrechts. Veröffentlichung von Klassenbüchern im Internet


Hausarbeit, 2008

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Ein Stadtarchiv verwahrt die Überlieferung der Schulen seines Sprengels. Ein Benutzer wendet sich an das Archiv mit der Bitte um Einsicht in die Klassenbücher seines Jahrgangs. Er möchte die originellsten Eintragungen zum silbernen Abiturjubiläum auf einer Internetseite veröffentlichen.

a.) Prüfen Sie anhand des für Ihr Bundesland geltenden Archivgesetzes und ggf. anderer Rechtsvorschriften (Informationsfreiheitsgesetze), unter welchen Bedingungen eine Einsichtnahme möglich ist.

Untersucht werden soll die Fragestellung an Hand des Landesarchivgesetzes Nordrhein-Westfalen und des Informationsfreiheitsgesetzes.

1. Beurteilung nach dem Landesarchivgesetz Nordrhein-Westfalen

Nach dem nordrhein-westfälischen Archivgesetz § 7 kann jeder Archivgut nutzen, der „ein berechtigtes Interesse an der Nutzung glaubhaft macht“[1], sofern die Sperrfristen abgelaufen sind. Das Gesetz sieht das berechtigte Interesse dann gegeben, wenn das Archivgut zu „amtlichen, wissenschaftlichen oder publizistischen Zwecken“ oder zur „Wahrnehmung von persönlichen Belangen“[2]genutzt werden soll. In den weiteren Absätzen werden die geltenden Sperrfristen aufgeführt und die Einschränkungs- und Versagungsgründe der Nutzung. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen dass sich § 7 auf dieNutzung durch Drittebezieht. § 6 hingegen regelt dieNutzung durch Betroffene. Hierin ist weder von einem glaubhaft zu machenden berechtigten Interesse die Rede noch von Sperrfristen. Das Archivgut muss sich lediglich auf die Person des Nutzers beziehen, der so konkrete Angaben machen sollte, dass das Archivgut ohne großen Aufwand auffindbar ist[3].

Versagungsgründe sind nur folgende: Auskunft oder Einsicht könnten dem Wohl der BRD oder eines ihrer Länder Nachteile bereiten oder das Archivgut muss auf Grund einer Rechtsvorschrift oder der überwiegenden berechtigten Interessen einer dritten Person geheimgehalten werden[4].

Damit ist der rechtliche Rahmen nach Landesarchivgesetz NRW im Wesentlichen umrissen. Auf den konkreten Fall bezogen ergeben sich daraus erst einmal folgende Fragestellungen:

1. Ist der Benutzer, der Einsicht in die Klassenbücher seines Jahrgangs einsehen möchte, nun Betroffener oder gelten die Vorschriften der Nutzung durch Dritte? Im letzteren Fall muss er sowohl ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen als auch damit rechnen dass die Klassenbücher auf Grund personenbezogener Daten und/oder der allgemeinen Sperrfrist noch gesperrt sind.
2. Unter der Annahme der Nutzer sei Betroffener: Steht einer Einsichtnahme und Nutzung eine Rechtsvorschrift entgegen oder sprechen gegen eine Nutzung überwiegend berechtigte Interessen einer dritten Person? Wenn ja, welche?

Gegen die Anwendung von § 6 (Nutzung durch Betroffene) sprechen gleich vier Argumente:

1. Die Art der Unterlagen: Klassenbücher geben ihrem wesentlichen Inhalt nach nicht nur Auskunft übereinebestimmte Person, sondern über einen Personenverband, nämlich die Klasse. Demnach sind Einträge zu der Person des Nutzers nur singulär. Eine Einsichtnahme würde bedeuten dass der Nutzer nicht nur Einträge über sich und seine Person findet, sondern auch über seine ehemaligen Klassenkameraden. Die Nutzung nach § 6 wäre nur dann zu bejahen, wenn in den Klassenbüchern nur und ausschließlich Einträge und Daten zur Person des Nutzers enthalten wären, was aber nicht der Realität entspricht.
2. Die Tangierung von berechtigten Interessen einer dritten Person: Da Klassenbücher Einträge über Schüler enthalten (können), die durch Fehlen des Unterrichts, Fehlverhalten während des Unterricht oder sonstwie auffällig waren, so dass ihr Verhalten Niederschlag im Klassenbuch fand, werden dadurch berechtigte Interessen von – in unserem Fall –dritten Personenberührt. Wobei es das Interesse dieser Personen ist, dass solche Negativeinträge nicht bekannt (gemacht) werden. Die Tangierung dieser berechtigten Interessen ist jedoch Versagungsgrund für Auskunft und Einsicht gemäß § 6. Einer Nutzung nach diesem Paragraphen könnte theoretisch nur dann statt gegeben werden, wennalleBetroffenen, also alle Schüler, von denen Einträge in den Klassenbüchern existieren, versichern, dass ihre berechtigten Interessen durch eine Nutzung nicht beeinträchtigt würden. Praktisch setzt also eine Nutzungsgenehmigung durch das Archiv die Einwilligung aller Betroffenen voraus. Für diesen Fall stünden der Nutzung auch keine Sperrfristen entgegen.
3. Der Nutzer ist nicht wirklich Betroffener, sondern eher ein „potentieller Inter-Pares-Betroffener“: Ein potentieller Betroffener deshalb, weil er nicht notwendigerweise im Klassenbuch stehen muss. Hat er sich nämlich im besagten Schulzeitraum durchweg unauffällig und regelkonform verhalten, so waren über ihn auch keine Einträge ins Klassenbuch notwendig. Inter-Pares-Betroffener deshalb, weil er – wie schon unter 1. ausgeführt – nicht der ausschließliche Betroffene ist, sondern einer von vielen (möglichen) Betroffenen, die das Klassenbuch als solche ausweist.
4. Ein Klassenbucheintrag setzt eine Betroffenheit erst in Gang. Da man vorher aber nicht weiß, ob sich in dem Klassenbuch Einträge über den Einsicht begehrenden Nutzer befinden oder nicht, ist ein Vorgehen nach § 6 zu verneinen. Denn die Ermittlung der Betroffenheit würde wiederum auch einen unverhältnismäßig großen Suchaufwand erfordern.

Zur Entscheidung, ob dem Nutzer Einsicht in die Unterlagen und Nutzung zu gewähren ist und unter welchen Voraussetzungen, ist also § 7 – Nutzung durch Dritte – heranzuziehen.

Demgemäß muss der Nutzer – wie schon erwähnt – ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen[5]. Hierbei kommt in Frage die Nutzung zu „publizistischen Zwecken“ oder zur „Wahrnehmung von persönlichen Belangen“[6], die dieses Interesse begründen. Beides kann bejaht werden: Die Klassenbuch-Eintragungen will der Nutzer im Internet veröffentlichen. Dies ist Zweck der Nutzung. Versteht man unter „publizistisch“ alllgemein: „der Öffentlichkeit zugänglich machen“ bzw. „veröffentlichen“ ohne dass damit ausschließlich die Presse als Akteur gemeint ist, dann trifft dies zu. Persönliche Belange sind auch gegeben, handelt es sich doch um die KlassenbücherseinerJahrgangsstufe und umseineSchulzeit.

[...]


[1]LArchG § 7 Abs. 1

[2]ebd.

[3]LArchG § 6 Abs. 1

[4]ebd.

[5]Zur Problematik dieser Voraussetzung siehe Oebbecke / Nienkemper: Archivbenutzung in verändertem Umfeld, S. 1511

[6]siehe weiter oben

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Klassenbücher aus der Sicht des Archivrechts. Veröffentlichung von Klassenbüchern im Internet
Hochschule
Fachhochschule Potsdam  (Fachbereich Informationswissenschaft)
Veranstaltung
2. Kurs zur Vorbereitung auf die Externenprüfung zum Diplom-Archivar
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
13
Katalognummer
V125143
ISBN (eBook)
9783640308330
ISBN (Buch)
9783640306442
Dateigröße
403 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Archivrecht Landesarchivgesetz Nordrhein-Westfalen Informationsfreiheitsgesetz Urheberrecht
Schlagworte
Archivrechtliche, Hausarbeit, Fragestellung, Voraussetzungen, Schulklassenbücher, Archiven, Veröffentlichung, Klassenbuch-Eintragungen, Internet, Kurs, Vorbereitung, Externenprüfung, Diplom-Archivar
Arbeit zitieren
Michael Krischak (Autor:in), 2008, Klassenbücher aus der Sicht des Archivrechts. Veröffentlichung von Klassenbüchern im Internet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125143

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