Von der 'Verborgenen Festung' zum Krieg der Sterne'

Veränderungen von Genre-Konventionen und Gender-Konstellationen bei der Übertragung von Kurosawas historischer Geschichte in Lucas Sternenepos


Seminararbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Von der Verborgenen Festung zum Krieg der Sterne

II. Genre/Gender – Was ist das?

III. Von der Actionkomödie zum Science Fiction

IV. Weibsbilder – Von der Verborgenen Prinzessin zur Prinzessin der Sterne

V. Mannsbilder – Von Trotteln, Generälen und Jedis

VI. Abschließende Gedanken

- Literaturverzeichnis

- Anlage: Auszug aus ‘The Star Wars – Story Synopsis (May, 1973)’

I. Von der Verborgenen Festung zum Krieg der Sterne

Die Geschichte von Luke Skywalker und seiner Schwester Leia Organa wird als eine der populärsten und vor allem erfolgreichsten Science Fiction- /Action- /Adventure / Fantasy-Filme aller Zeiten beschrieben.1 Folglich verwundert es nicht, dass über jenen Film, der „Ende der 70er-Jahre zu einer Renaissance des Science-Fiction-Genre führte“2

reihenweise diskutiert wird. Zum Beispiel wird in einigen Internetforen darüber disku- tiert, woher George Lucas Elemente gestohlen und sich seinen KRIEG DER STERNE (im Folgenden mit KDS bezeichnet) zusammengeflickt hat. Gewiss hat sich Lucas aus Fil- men wie FLASH GORDON und 2001: A SPACE ODYSSEY sowie aus Westernfilmen, klassi- schen Filmen und sogar aus Märchen die nötigen Inspirationen geholt. Und ein Film aus dem Bereich der Klassiker prägte, laut Lucas, den KRIEG DER STERNE bedeutend: Akira Kurosawas DIE VERBORGENE FESTUNG (im Folgenden mit DVF bezeichnet). 1973

brachte George Lucas seine ersten Ideen für den Sternenkrieg aufs Blatt; jene Nieder- schrift zeigt, wie stark sich Lucas zu Beginn an Kurosawas Geschichte orientiert hat.3

Ihre Atmosphäre war sehr exotisch [...] und ich fand es interessant, dass nichts erklärt wurde. Man wird in diese Welt geworfen [...]. Und ich denke, das hat meine Science-Fiction-Filme stark beeinf- lusst, denn so konnte ich mich von der Vorstellung befreien, dass man alles erklären oder alles ver- stehen muss [...]. Es ist wie bei einem Anthropologen. Man begibt sich in eine fremde Gesellschaft und beobachtet sie.4

In der Zeit zwischen der ersten Niederschrift von 1973 und der Premiere von KDS un- terlag die Geschichte noch einigen Veränderungen bis zu jener, die wir heute kennen.

II. Genre/Gender – Was ist das?

Die Begriffe Genre und Gender sind heute „als theoretisch wirkmächtige Analysekrite- rien [...] aus der internationalen Filmwissenschaft nicht mehr fortzudenken“5.

Genres sind, einfach gesagt, Kategorien, in denen Filme mit „gemeinsame[n] for- male[n], strukturelle[n] oder auch inhaltliche[n] Merkmale[n]“6 zusammengefasst wer- den. Genres dienen dazu, das Denken und Verstehen sowie das Sprechen und die Ver- ständigung über Filme übersichtlich zu gestalten und dadurch zu erleichtern. Sie gelten als „zentrale Kategorie[n] für die Produktion und Rezeption von Filmen“7 und sind da- her eine Art Orientierungssystem. Dennoch heißt das nicht, dass ein Genre, wenn es sich erst einmal etabliert hat, fixiert und starr ist. Genre realisieren sich erst in Filmen, gehen aus Ihnen hervor, realisieren sich in jedem Film neu und bilden wiederum Be- zugspunkte für weitere Filme. Genres verändern sich in und mit der Zeit, sie unterliegen historischen Wandlungsprozessen und können verschwinden und wieder auftauchen.8

Gender befasst sich (salopp gesagt) mit Geschlechtsidentitäten.9 Die Gender Studies untersuchen, unter anderem, was typisch männlich und was typisch weiblich ist (wie zum Beispiel Kleidung, Berufe oder bestimmte Handlungsweisen) und vor allem die Art und Weise, wie Männer- und Frauenrollen in der Gesellschaft positioniert sind und wie diese bewertet werden.

Die Begriffe Genre und Gender leiten sich beide vom lateinischen Begriff „genus“ (Gattung, Geschlecht) ab. Schon jene gemeinsame Wurzel zeigt, wie stark die Begriffe miteinander vernetzt sind, sich durchkreuzen und unterlaufen.10 Genre und Gender sind keine stabilen Kategorien, das heißt, es gibt nicht das Genre oder die Gender; vielmehr sind beide Begriffe Hybride. Aufgrund dieser hybriden Eigenschaft sind Genres flexible Filmkategorien und es können sich Gendermerkmale in Genres einschreiben und sie verändern. Nach Liebrand und Steiner werden „Gender-Konfigurationen [...] von Gen- res modelliert; und Gender-Konfigurationen konstituieren Genres“11. Die Untersuchun- gen zu den Wechselbeziehungen von Genre und Gender sind noch recht jung, doch die Richtung der zukünftigen Untersuchungen scheint mit Blaseios Worten gegeben: „Gen- der-Repräsentationen und Genre-Konventionen [erzeugen sich] gegenseitig [...] und [sind] daher in ihren Interdependenzen zu untersuchen“.12

Betrachtet man also den Aspekt, dass jedes Genre seine eigenen Gender- Zuordnungen hat und das Kurosawas wie auch Lucas‘ Werk mehrere Genres in sich vereinen, ergibt sich an dieser Stelle die Frage, inwiefern die Geschlechterrollen von DVF auf jene vom KDS übertragen wurden.

III. Von der Actionkomödie zum Science Fiction

In literarischen Werken und Internetforen, die sich dem KDS widmen, wird Lucas’ Film nicht nur dem Science Fiction-Genre zugeschrieben, sondern auch dem Action-, Adven- ture- oder Fantasy-Genre. Zu erklären ist dieses Phänomen einerseits durch die hybride Eigenschaft eines Genres und andererseits durch die Eigenschaft des Science-Fiction- Films mehrere Genres und Gender-Konstellationen in sich zu vereinen. Besonders in den Episoden IV bis VI scheint Lucas die Transformationsmöglichkeiten ausgenutzt zu haben: ob deutliche Bezüge zu alten Western, Märchengeschichten (eine Prinzessin muss gerettet werden)13, Abenteuern oder die ironisierte Darstellung von Gestalten aus dem Horrorgenre; das Genrespektrum im KDS scheint weit gestrickt.

Franziska Schößler beschreibt drei Transformationsbewegungen bezüglich der Thematik Genre und Gender, die sich im Science Fiction-Genre herauskristallisiert ha- ben: Zum einen können zitierte Genres und deren Gender-Konzepte ironisiert und dest- ruiert werden und zum anderen können die aufgerufenen Genres bestehende Gender- Konstellationen modifizieren und umgekehrt können Gender-Konstellationen bestehen- de Genres-Konventionen des eigenen Genres verschieben. Eine dritte Variante wäre, dass der Bezug zu einem Vorgängerfilm des gleichen Genres die Gender-Zuordnungen des Science-Fiction-Films transformiert.14

Nach Nungesser gibt es kaum ein phantastisches Genre, welches derart mit der Ge- genwart verknüpft ist, wie die Science Fiction; ob in literarischer oder filmischer Form. Gerade diesem Genre gelingt es, „die zeitgenössischen Strömungen, Veränderungen, Hoffnungen und Ängste einzufangen, künstlerisch umzusetzen und somit zu thematisie- ren, indem sie eine ‚verschärfte Variante der Gegenwart’ in die Zukunft projiziert“15. Thematisiert werden vor allem die Annehmlichkeiten von Technik und deren Furcht

davor, das Aufeinandertreffen von Realem und Fiktivem, den Oppositionen von Heimat und Ferne, Frau und Mann, von Natürlichem und Künstlichem. Im Lexikon des Science Fiction Films heißt es, dass es „um die Kathastrophe [geht], [...] um die Ästhetik der Destruktion, die seltsame Schönheit der rächenden Verwüstung, die Schaffung eines Chaos“.16 Aber nicht nur das: Die Science Fiction befasst sich mit „Din- ge[n]/Geschichten, die unter bestimmten Voraussetzungen auf uns zukommen könn- ten“17, mit konkreten, greifbaren Dingen, die wiederum keine absoluten Tatsachen dar- stellen können, „wohl aber Spekulationen, die sich im Laufe der Menschheitsgeschichte erst später bestätigt haben“18.

Würde ein völlig ahnungsloser Rezipient, der KDS bereits ein- oder zweimal gese- hen hat, sich unabhängig davon DVF ansehen, würde er vermutlich nicht auf den Ge- danken kommen, dass jene Filme miteinander in Verbindung stehen. Rein optisch erin- nert auf den ersten Blick nur die Machart der Filmschnitte und die weichen Szenen- übergänge, welche für die Star-Wars-Reihe mittlerweile zum Erkennungsmerkmal ge- worden sind. Doch bei näherer Betrachtung erschließen sich weitaus mehr Parallelen.

Beide Geschichten beginnen mit der Vorstellung der Geschichtenerzähler: Tahei und Matakishi sowie R2-D2 und C3-PO. Sie ,sind salopp gesagt, jene Trottel, die sich in den unglaublichsten Situationen wieder finden und auf sympathische Art und Weise die Geschichte mitschreiben; aber vor allem sie aus ihrer Sicht erzählen. Beide Ge- schichten spielen in einer Zeit des Krieges, der Armut und der bitteren Not der Masse der Bevölkerung.19 In beiden Filmen existiert ein Hauptelement, welches gerettet wer- den muss, um das Böse zu Fall zu bringen: In DVF ist es Prinzessin Yuki (und das Gold), deren Bestimmung es ist, das gefallene Akisuki-Imperium wieder aufzubauen. In KDS ist es Prinzessin Leia, deren Aufgabe es ist, die gestohlenen Pläne des Todessterns sicher zum Versteck der Rebellen zu bringen, um Schwachstellen der Vernichtungswaf- fe zu finden und sie zu zerstören. Auch kommt es in beiden Filmen auf die Kraft und Ausdauer der Rebellen an, ob das böse Imperium zerstört (in KDS) oder das gute Impe- rium wieder aufgebaut (in DVF) werden kann.

[...]


1 Vgl. Tim Dirks: Star Wars, Episode IV: A New Hope (1977). URL: http://www.filmsite.org/starw.html (25.08.2008).

2 Reclam: Filmgenres. Science Fiction. Stuttgart 2003, S. 302.

3 Siehe Anlage 1: Auszug aus ‘The Star Wars – Story Synopsis (May, 1973).

4 Zit. nach: Reclam: Filmgenres, S. 302.

5 Gereon Blaseio: Genre und Gender. Zur Interdependenz zweier Leitkonzepte der Filmwissenschaft. In: Claudia Liebrand / Ines Steiner (Hrsg.): Hollywood hybrid. Genre und Gender im zeitgenössischen Mainstream-Film. Marburg 2004, S. 29.

6 Ebd.

7 Blaseio: Genre und Gender, S. 31.

8 Vgl. ebd., S. 35-36.

9 Vgl. Irmela Schneider: Genre, Gender, Medien. Eine historische Skizze und ein beobachtungstheoreti- scher Vorschlag. In: Claudia Liebrand / Ines Steiner (Hrsg.): Hollywood hybrid. Genre und Gender im

zeitgenössischen Mainstream-Film. Marburg 2004, S. 26.

10 Vgl. Claudia Liebrand / Ines Steiner: Einleitung. In: Claudia Liebrand / Ines Steiner (Hrsg.): Holly- wood hybrid. Genre und Gender im zeitgenössischen Mainstream-Film. Marburg 2004, S. 7.

11 Ebd., S. 7.

12 Blaseio: Genre und Gender, S. 44.

13 Der Märchenbezug wird mit dem für die Star-Wars-Reihe kennzeichnenden Einleitungssatz „A long time ago in a galaxy far, far away...“ unterstrichen, denn dieser erinnert an die märchentypischen Anfän- ge „Es war einmal vor langer, langer Zeit in einem weit entfernten Land...“.

14 Vgl. Franziska Schößler: Von kommenden Geschlechtern. Gender- und Genre-Turbulenzen in Science- Fiction-Filmen der 90er-Jahre. In: Claudia Liebrand / Ines Steiner (Hrsg.): Hollywood hybrid. Genre und

Gender im zeitgenössischen Mainstream-Film. Marburg 2004, S. 264.

15 Verena-Susanna Nungesser: Gender Trouble in outer space. Die Alien-Tetralogie als Abbild zeitgenös- sischer Geschlechterkonfusionen. In: Maren Bonacker / Stefanie Kreuzer (Hrsg.): Von Mittelerde bis in die Weiten des Alls. Fantasy und Science Fiction in Literatur und Film. Tagungsband zum Symposium 2005. Wetzlar 2005, S. 173.

16 Ronald M. Hahn / Volker Jansen: Lexikon des Science Fictionfilms. 720 Filme von 1902 bis 1983. München 1982, S. 8.

17 Ebd.

18 Ebd., S. 9.

19 Vgl. Ulrich Behrens: Die Verborgene Festung. In: Follow me now. Filmrezensionen. URL: http://www.follow-me-now.de/html/body_die_verborgene_festung.html (26.08.2008).

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Von der 'Verborgenen Festung' zum Krieg der Sterne'
Untertitel
Veränderungen von Genre-Konventionen und Gender-Konstellationen bei der Übertragung von Kurosawas historischer Geschichte in Lucas Sternenepos
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft)
Veranstaltung
Genre und Gender
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V125099
ISBN (eBook)
9783640308033
ISBN (Buch)
9783640306190
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verborgenen, Festung, Krieg, Sterne, Genre, Gender
Arbeit zitieren
Manon A. Priewisch (Autor:in), 2008, Von der 'Verborgenen Festung' zum Krieg der Sterne', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125099

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